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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §74 Abs1 idF 1992/034;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des K, vertreten durch M, Rechtsanwalt in R, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 19. Jänner 1996, Zl. MD-VfR-H 41/95, betreffend Haftung für eine Ausgleichsabgabe nach dem Wiener Garagengesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Die Bundeshauptstadt Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.800,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 8. Juni 1993 erteilte der Magistrat der Stadt Wien einem näher bezeichneten Bauwerber die Baubewilligung für den Einbau von 5 Wohnungen im Dachgeschoß eines näher bezeichneten Hauses, gestützt unter anderem auf § 70 der Bauordnung für Wien. Unter einem wurde festgestellt, dass die Anzahl der Pflichtstellplätze, welche gemäß § 36 Abs. 1 und 2 des Wiener Garagengesetzes, LGBl. Nr. 22/1957 in der geltenden Fassung, durch die Bauführung geschaffen werden, um 3 Stellplätze hinter der gesetzlichen Stellplatzpflicht zurückbleibe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer in seiner Eigenschaft als Grundeigentümer zugestellt; der Bescheid erwuchs in der Folge in Rechtskraft.
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 17. Juli 1995 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes für den Rückstand des Bauwerbers an Ausgleichsabgabe nach dem Wiener Garagengesetz in der Höhe von S 154.922,-- haftbar gemacht und aufgefordert, diesen Betrag gemäß § 171 der Wiener Abgabenordnung, LGBl. für Wien Nr. 21/1962 (WAO), binnen einem Monat ab Zustellung zu entrichten.
Im Hinblick darauf, dass der Abgabenrückstand beim Bauwerber nicht einbringlich gemacht werden könne, sei der Grundeigentümer gemäß § 41 Abs. 2 des Wiener Garagengesetzes (in der Folge: WGG) zur Haftung heranzuziehen. Der Rückstand setze sich aus der Ausgleichsabgabe in der Höhe von S 150.000,--, dem Säumniszuschlag von S 3.000,--, einer Mahngebühr in Höhe von S 200,--, Pfändungsgebühren in der Höhe von S 1.532,-- und sonstigen Nebengebühren in der Höhe von S 190,-- zusammen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, dass der Mietvertrag mit dem Bauwerber gemäß § 1118 ABGB aufgelöst worden sei; der offene Mietzinsrückstand sei eingeklagt worden. Das Bauvorhaben des Bauwerbers sei nicht realisierbar. Er, der Beschwerdeführer, habe bereits am 30. März 1995 erklärt, vom Ausbau des Dachbodens abzusehen. Die Ausgleichsabgabe sei daher nicht einzuheben.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 24. Oktober 1995 wies der Magistrat der Stadt Wien die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Die Abgabenbehörde sei ausschließlich an die Feststellung des Baubewilligungsbescheides gebunden. Der Grundeigentümer hafte gemäß § 41 Abs. 2 WGG für den Abgabenrückstand, da dieser beim Bauwerber nicht habe einbringlich gemacht werden können. Solange die Baubewilligung noch gültig sei - der Bauwerber habe bisher nicht auf diese verzichtet, der Grundeigentümer sei nicht zum Verzicht berechtigt - komme es auf die Realisierbarkeit des Bauvorhabens nicht an.
In seinem Vorlageantrag verwies der Beschwerdeführer auf sein Berufungsvorbringen und führte ergänzend aus, das Bestandverhältnis sei seit 19. Jänner 1994 gemäß § 1118 ABGB erloschen; das (noch nicht rechtskräftige) Urteil des Gerichtes erster Instanz liege bereits vor.
Mit ihrem Bescheid vom 19. Jänner 1996 wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab.
Die belangte Behörde begründete näher, warum davon auszugehen sei, dass der unbestritten bestehende Rückstand beim abgabepflichtigen Bauwerber nicht rasch einbringbar sei und der Beschwerdeführer als Grundeigentümer hiefür hafte. Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen führte sie aus, ein Verzicht des Bauwerbers auf die Baubewilligung sei (unbestritten) nicht erfolgt. Der Grundeigentümer könne nicht an Stelle des Bauwerbers rechtswirksam auf die Baubewilligung verzichten, weshalb diese noch dem Rechtsbestand angehöre. Daraus folge die Abgabepflicht und die Haftung des Beschwerdeführers als Grundeigentümer hiefür. Die allfällige Auflösung des Bestandverhältnisses habe weder auf die Gültigkeit der Baubewilligung noch auf bestehende Abgabepflichten und Haftungen einen Einfluss.
Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof ausschließlich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er erachtet sich in seinem Recht auf Nichtbezahlung bzw. Nichtvorschreibung einer Ausgleichsabgabe nach dem WGG verletzt.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wird eine Baubewilligung erteilt, ohne dass die Verpflichtung nach § 36 Abs. 1 oder 2 WGG in Ansehung der Bestimmungen dieses Gesetzes überhaupt oder voll erfüllt werden kann, so ist gemäß § 40 Abs. 1 leg. cit. in der Fassung LGBl. Nr. 7/1975 dies im Bescheid festzustellen und auszusprechen, um wie viel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt.
Wird auf Grund des § 40 Abs. 1 leg. cit. ein Vorhaben bewilligt, ohne dass die Verpflichtung zur Schaffung von Einstellplätzen oder Garagen nach § 36 überhaupt oder voll erfüllt wird, so ist gemäß § 41 Abs. 1 leg. cit. in der genannten Fassung an die Stadt Wien eine Ausgleichsabgabe zu entrichten. Abgabepflichtig ist nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle der Bauwerber. Ist er nicht der Grundeigentümer, so haftet dieser für die Abgabenschuld zur ungeteilten Hand.
Gemäß § 44 Abs. 1 WGG ist die Ausgleichsabgabe binnen einem Monat nach Zustellung des Bemessungsbescheides zu entrichten. Erlischt die Baubewilligung durch ausdrücklichen Verzicht oder durch Zeitablauf, so steht nach Abs. 2 dieser Gesetzesstelle ein Anspruch auf zinsenfreie Erstattung des entrichteten Abgabebetrages zu. Der Anspruch auf Erstattung geht unter, wenn er nicht spätestens bis zum Ablauf des Kalenderjahres geltend gemacht wird, das auf das Erlöschen der Baubewilligung folgt. Anspruchsberechtigt ist, wer die Abgabe entrichtet hat; andere Personen, die die Erstattung beantragen, müssen den Übergang des Anspruches auf sich nachweisen.
Wird nach Zustellung des Bemessungsbescheides eine Abänderung des Bauvorhabens bewilligt, die von Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der Ausgleichsabgabe ist, so hat die Behörde gemäß § 45 WGG in der Fassung LGBl. Nr. 7/1975 den Bemessungsbescheid von Amts wegen entsprechend abzuändern.
Nach § 74 Abs. 1 der Wiener Bauordnung, LGBl. Nr. 11/1930 in der Fassung LGBl. Nr. 34/1992, werden Baubewilligungen gemäß § 70 unwirksam, wenn binnen vier Jahren, vom Tage ihrer Rechtskraft gerechnet, mit der Bauführung nicht begonnen wird.
Strittig ist im Beschwerdefall allein die Haftung des Beschwerdeführers als Grundeigentümer. Er verweist
- zusammengefasst - darauf, dass das Bauvorhaben, für das die dem Abgabenbescheid zu Grunde liegende Bewilligung erteilt worden war, weder vom Bewilligungswerber noch von ihm (oder sonst jemandem) ausgeführt werden werde.
Soweit sich der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf einen Verzicht beruft, kann ihm nicht gefolgt werden. Unbestritten hat der Bauwerber einen solchen nicht erklärt. Nach der Aktenlage hat der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 30. März 1995 der Abgabenbehörde gegenüber erklärt, er persönlich sehe von einem Ausbau des Dachbodens ab. Damit hat er - schon dem Inhalt der Erklärung nach - auf ein ihm allenfalls persönlich zustehendes Recht verzichtet, nicht jedoch auf das Recht des Bauwerbers, das Bauvorhaben der Bewilligung entsprechend auszuführen; auf die Frage, ob ein solcher Verzicht durch den Beschwerdeführer überhaupt zulässig gewesen wäre, braucht daher nicht näher eingegangen zu werden.
Dennoch ist der Beschwerde Erfolg beschieden. § 36 Abs. 1 WGG in der Fassung LGBl. Nr. 7/1975, lautet auszugsweise wie folgt:
"(1) Bei Neu- und Zubauten sind ... auf dem Bauplatz Anlagen zum Einstellen von Kraftfahrzeugen in Ansehung des künftigen Bedarfes für die Benützer und Besucher dieser Bauten nach Maßgabe der folgenden Absätze zu schaffen. ..."
Aus der zitierten Bestimmung folgt die Verknüpfung der Verpflichtung zur Schaffung von Stellplätzen entsprechend dem künftigen Bedarf. Auch die Ausgleichsabgabe ist - wie sich dies schon aus § 40 Abs. 1 leg. cit. und den darin enthaltenen Hinweis auf § 36 Abs. 1 ergibt - am Bedarf orientiert. Die Behörde ist hiebei an den Ausspruch im Baubewilligungsbescheid gebunden, um wie viel die Zahl der vorgesehenen Stellplätze hinter dem gesetzlich geforderten Ausmaß zurückbleibt.
Eine Durchbrechung erfährt dieser Grundsatz durch § 44 Abs. 2 WGG. Der Verwaltungsgerichtshof vertritt zu dieser Bestimmung in ständiger Rechtsprechung (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. Februar 1986, Zl. 84/17/0001, vom 25. Juli 1990, Zl. 88/17/0235, und vom 21. September 1990, Zl. 87/17/0223) die Auffassung, wenn die Abgabe noch nicht entrichtet wurde und ein Fall des § 44 Abs. 2 WGG vorliegt, sei die Ausgleichsabgabe nicht einzuheben; dies gelte nach dem Grundsatz der Akzessorietät der Haftung auch für den Haftungspflichtigen. Damit hat der Verwaltungsgerichtshof dem in der erwähnten Gesetzesbestimmung zum Ausdruck kommenden Grundsatz Rechnung getragen, wonach bei Wegfall des Bedarfes in Folge Nichtdurchführung des bewilligten Bauvorhabens auch die Vorschreibung einer Ausgleichsabgabe zu unterbleiben hat.
Dieser Grundsatz ist auch auf den Beschwerdefall anzuwenden. Steht fest, dass die Bauausführung unterbleibt und demnach kein Bedarf an Stellplätzen entstehen wird, hat auch die Vorschreibung der Ausgleichsabgabe zu unterbleiben. Der Beschwerdeführer hat - wie dargelegt - auch vor den Verwaltungsbehörden vorgebracht, dass eine Bauausführung auf Grund des der Abgabenbemessung zu Grunde liegenden Baubewilligungsbescheides unterbleibt. Die belangte Behörde hat auf Grund ihrer vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilten Rechtsansicht Feststellungen über das Zutreffen der Behauptungen des Beschwerdeführers unterlassen. Der angefochtene Bescheid war deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1996170084.X00Im RIS seit
11.05.2001