Entscheidungsdatum
28.08.2018Norm
AsylG 2005 §12a Abs2Spruch
W139 2127260-2/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX, geb. XXXX, StA. Afghanistan:
A)
Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß §§ 12a Abs 2 und 22 Abs 10 AsylG 2005 iVm § 22 BFA-VG nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX, Zl. XXXX, wird daher aufgehoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 9 iVm Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 06.04.2015 einen - ersten - Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am 07.04.2015 einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen.
Hierbei gab der Beschwerdeführer betreffend den Fluchtgrund zu Protokoll, dass er eine Beziehung zu einem Mädchen gehabt habe und dies von deren Mutter entdeckt worden sei. Er habe dieses Mädchen heiraten sollen, andernfalls würde er umgebracht werden. Der Vater und der Bruder des Mädchens hätten ihn bedroht. Daraufhin sei er für eine Weile nach Indien gegangen. Als er zurückgekehrt sei, sei er wieder von dieser Familie bedroht worden. Der Vater des Beschwerdeführers habe entschieden, ihn aus Afghanistan wegzuschicken, weil er mit der Familie des Mädchens - diese habe einen schlechten Ruf gehabt - nichts zu tun haben wolle. Bei einer Rückkehr hätte der Beschwerdeführer wegen der Familie des Mädchens Angst um sein Leben.
2. Am 22.02.2016 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: BFA oder Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Zum Fluchtgrund befragt brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er sei vor längerer Zeit verlobt worden. Zwischenzeitlich habe er jedoch eine andere junge Frau kennengelernt und mit ihr eine sexuelle Beziehung gehabt. Davon habe die Mutter der Frau erfahren. Diese habe ihn aufgefordert, am nächsten Tag mit seinen Eltern zu kommen und um die Hand ihrer Tochter anzuhalten, ansonsten werde sie alles ihrem Mann erzählen, der den Beschwerdeführer umbringen würde. Einige Stunden nachdem er das Haus der Familie der Frau verlassen habe dürfen, habe er einen Anruf von deren Vater erhalten. Dieser habe seine Ehre als beschmutzt angesehen und dem Beschwerdeführer gesagt, dass er ihn umbringen werde. Nachdem der Beschwerdeführer vom Vater der Frau wenige Tage später erneut angerufen und bedroht worden sei, habe er seinen Eltern davon erzählt. Der Vater des Beschwerdeführers sei Immobilienmakler und kenne dadurch sehr viele Leute und er habe gesagt, dass er den Vater der Frau kenne. Es handle sich (gemeint wohl: bei den männlichen Familienangehörigen der Frau) um gefährliche, bewaffnete Personen, die sich gegen die Regierung auflehnten. Der Vater habe dem Beschwerdeführer gesagt, dass er für einige Zeit das Land verlassen solle und ihm ein Visum für Indien besorgt.
Nach zwei Monaten sei der Beschwerdeführer zurückgekehrt und habe aus Sicherheitsgründen das Haus nicht verlassen. Seine Brüder hätten ihm erzählt, dass scheinbar einige Personen über die Rückkehr des Beschwerdeführers informiert wären und den Beschwerdeführer suchen würden. Da diese Situation über vier Tage angehalten habe, sei der Beschwerdeführer gezwungen gewesen, das Land zu verlassen. Sein Vater habe ihm erklärt, dass der Vater der Frau sehr gefährlich sei und den Beschwerdeführer mit Sicherheit umbringen werde. Auch zwei Wochen nach seiner Ausreise sei er dort von diesen Personen noch gesucht worden. Er wisse nicht wie die Familie der Frau heiße. Er sei vom Vater der Frau und von ihren beiden Brüdern telefonisch bedroht worden. Der Vorfall habe sich ungefähr im November 2014 ereignet. Anfang April 2015 habe der Beschwerdeführer sich entschlossen, auszureisen. Zu der jungen Frau habe er keinen Kontakt mehr. Bei einer Rückkehr hätte er Angst um sein Leben, wenn "diese Typen" ihn erwischten.
Der Beschwerdeführer legte bei der Einvernahme unter anderem ein fremdsprachiges Schreiben- angeblich seines Vaters -an den "Bürgermeister" des Distriktes Cholm sowie die weitere Korrespondenz in dieser Angelegenheit samt Übersetzung vor.
3. Mit Bescheid des BFA vom 11.04.2016, Zl. 1058479605-150343202, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe zusammengefasst mit einer Frau, deren Namen er nicht wisse, sexuellen Kontakt gehabt und deshalb mit deren Eltern Probleme bekommen. Bei der von ihm vorgelegten Anzeige gegen den Vater und die Brüder der Frau handle es sich um eine Fälschung. Die Anzeige sei durch den Dolmetscher übersetzt worden und trage "in der Blau geschriebenen Zone" das Siegel der Provinz Kabul, während sie in der "Schwarzen Zone", unter den Unterschriften und Fingerabdrücken der Zeugen, das Siegel der zuständigen Polizeiinspektion in (der Provinz) Balkh trage. Balkh liege 445 Kilometer von Kabul entfernt, in einem anderen Distrikt/Bezirk. Die Echtheit müsse angezweifelt werden, weil es sich um zwei unterschiedliche Distrikte (gemeint wohl: Provinzen) und unterschiedliche Schriftfarben handle. Das zweite Schriftstück sei zudem nur dazu geklebt und nicht über der Klebestelle unterschrieben. Auch auf der Hinterseite sei in zwei verschiedenen Handschriften und mit zwei Schreibstiften unterschreiben. Angesichts der vielen Unterschiede und Ungereimtheiten des vorgelegten Dokumentes gehe das Bundesamt von einer Fälschung aus. Das Fluchtvorbringen sei zudem nicht glaubhaft, weil der Beschwerdeführer seinen Angaben zufolge nach seiner Rückkehr aus Indien noch ungefähr vier Monate bei seinen Eltern gewohnt habe. Zudem habe das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers keine Deckung in der GFK gefunden. Die Sicherheitslage in Mazar-e Sharif, wo der Beschwerdeführer gewohnt habe, sei als ruhig zu bezeichnen. Seine Familie sei durch das Immobilienunternehmen seines Vaters gut situiert. Das Bundesamt gehe daher in einer Zusammenschau davon aus, dass der Beschwerdeführer sein Leben in seinem Herkunftsstaat fortsetzen könne. Die Rückkehrentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet.
4. Gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde ein. Die Beschwerde bestand lediglich aus Anträgen (u.a. dem Beschwerdeführer den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen). Nach den Anträgen wurde ausgeführt: "Meine Beschwerde begründe ich im Einzelnen wie folgt:". Danach fand sich lediglich das Datum "09.05.2016" und die Unterschrift des Beschwerdeführers. Eine weitere Begründung in der Beschwerde erfolgte nicht.
Beigelegt war ein Schreiben von einer vom Beschwerdeführer nicht bevollmächtigten Person, das offenbar als nähere Beschwerdebegründung beabsichtigt war. Demnach habe der Beschwerdeführer sehr große Angst, bei einer Rückkehr von der Familie des "entehrten" Mädchens getötet zu werden. Weder er noch seine Familie fühlten sich von den staatlichen Sicherheitsorganen, die im Fall von Entehrungen offenbar sehr traditionell agierten, beschützt. Der Beschwerdeführer berichte davon sehr glaubhaft und weiche in seinen Erzählungen davon nicht ab. Der Beschwerdeführer habe weiters bereits einige (näher ausgeführte) Integrationsschritte gesetzt.
5. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.06.2016 teilte das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer mit, dass seiner Beschwerde kein konkretes Vorbringen und keine inhaltliche Begründung zu entnehmen sei, weshalb an ihn der Auftrag ergehe, die Beschwerde innerhalb einer Frist von vier Wochen zu verbessern.
Dieser Verbesserungsauftrag wurde vom Beschwerdeführer nicht behoben. Am 16.06.2016 war er zuletzt in Österreich gemeldet.
6. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2017, Zl. W137 2127260-1/5E, wurde die Beschwerde gemäß §§ 3 Abs 1 und 8 Abs 1 AsylG 2005 sowie gemäß §§ 52 Abs 2 Z 2 iVm Abs 9 und 55 Abs 1 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis wurde am 12.06.2017 durch Hinterlegung im Akt zugestellt. In diesem Erkenntnis wurde begründend ausgeführt, der Beschwerdeführer habe seinen Antrag auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit begründet, dass er eine außereheliche sexuelle Beziehung zu einer jungen Frau gehabt hätte und der Vater sowie zwei Brüder dieser Frau ihn deshalb mit dem Umbringen bedroht hätten. Dieses Vorbringen erweise sich zur Gänze als nicht glaubhaft. In der Beschwerde sei der - aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht zu beanstandenden - Beweiswürdigung des Bundesamtes nicht entgegengetreten worden, wonach die vorgelegte Anzeige und die weitere behördliche Korrespondenz über die Bedrohung des Beschwerdeführers durch den Vater und zwei Brüder der Frau gefälscht sei. Auch habe das Bundesamt überzeugend auf die mangelnde Plausibilität der Angaben des Beschwerdeführers hingewiesen, wonach er den Familiennamen der Frau, mit der er eine sexuelle Beziehung gehabt hätte, nicht gekannt hätte. Der Beschwerdeführer verfüge in Afghanistan über familiäre Anknüpfungspunkte und eine gesicherte Unterkunft im elterlichen Haus und er sei gesund und arbeitsfähig. Er habe eine zwölfjährige Schulbildung mit Maturaabschluss. Es sei kein Grund erkennbar, weshalb der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan in eine aussichtslose Lage geraten würde. Von einer nachhaltigen Integration des erst seit weniger als zwei Jahren in Österreich befindlichen Beschwerdeführers könne bereits deshalb nicht ausgegangen werden, weil sich der Beschwerdeführer nach dem 16.06.2016 dem Beschwerdeverfahren entzogen habe. Dies entkräfte überdies auch die Behauptungen zur Integration in dem der Beschwerde beigelegten Unterstützungsschreiben. Selbst bei Wahrunterstellung könnten diese integrativen Schritte des Beschwerdeführers nicht zu einer für ihn günstigeren Interessenabwägung führen.
7. Am 26.06.2018 wurde der Beschwerdeführer im Rahmen der Dublin III-VO aus dem Vereinigten Königreich nach Österreich überstellt.
8. Am 26.06.2018 stellte der Beschwerdeführer in Österreich den gegenständlichen Folgeantrag auf internationalen Schutz und gab im Rahmen der Erstbefragung am 27.06.2018 an, es hätte für ihn zu lange gedauert, wenn er nach der negativen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes auf seine Abschiebung nach Afghanistan gewartet hätte. Sein Vater habe ihm geraten, illegal zurückzukehren. Nach seiner Ankunft sei sein Vater von der Familie, mit der er Probleme habe, ermordet worden. Eine Woche später sei der Beschwerdeführer wieder geflüchtet. Er habe eine Beziehung mit einem Mädchen gehabt, was in einem islamischen Land verboten sei. Der Vater des Mädchens sei ein Kommandant der Taliban und habe Beziehungen sowohl zum Staat als auch zu den Taliban. Der Beschwerdeführer habe eine Aufforderung von der Polizei erhalten, sich zu stellen. Der Beschwerdeführer habe Angst, wie sein Vater auch getötet zu werden.
9. Bei seiner Einvernahme vor dem BFA am 22.08.2018 führte der Beschwerdeführer in Anwesenheit seiner Rechtsberaterin aus, er sei im Juni 2016 aus Österreich ausgereist und eigenständig nach Afghanistan zurückgekehrt. Anfang 2017 sei er in Afghanistan angekommen und habe zunächst ein halbes Jahr in Kabul und Logar bei seiner Tante gelebt. Danach sei er aufgrund einer Erkrankung seiner Mutter nach Hause gefahren. Bekannte hätten seinen Feinden gesagt, dass er wieder in der Heimat sei. Die Familie des Mädchens habe schon vorher den Vater des Beschwerdeführers bedroht. Am 18.06.2017 habe der Beschwerdeführer eine Ladung der Polizei bekommen. Er vermute, dies habe der Vater des Mädchens veranlasst und dieser habe den Beschwerdeführer angezeigt. Wenn man in Afghanistan eine Ladung nicht wahrnehme, werde man festgenommen, weshalb der Beschwerdeführer wieder nach Logar zu seiner Tante gegangen sei. Dann sei sein Vater angerufen worden, dass er den Beschwerdeführer zur Familie des Mädchens bringen solle. Der Vater habe den Beschwerdeführer beschützt, da er gewusst habe, dass der Beschwerdeführer getötet würde. Am 25.06.2017 hätten bewaffnete Personen, entweder die Taliban oder die Familie des Mädchens, den Vater des Beschwerdeführers auf dem Weg nach Tashkorgan getötet. Auf mehrfache Nachfrage, weshalb der Beschwerdeführer nach Afghanistan zurückgekehrt sei, wenn er doch von Anfang an eine Bedrohung geltend gemacht habe, gab der Beschwerdeführer an, er habe zwar eine Beschwerde gegen den damaligen Bescheid eingebracht, habe aber von anderen Flüchtlingen gehört, dass man eingesperrt und abgeschoben werde, wenn keine schnelle Entscheidung vom BVwG komme. Er habe mit seinem Vater telefoniert und der habe gesagt, der Beschwerdeführer solle zurückkommen. Dann sei er in die Türkei gereist und 2017 nach Afghanistan zurückgekommen. Als sein Vater getötet worden sei, seien seine Brüder geflüchtet und er wisse nicht, wo sie seien. Nur sein älterer Bruder und seine Mutter würden zwischen Kabul und Logar wechseln. Er habe selten zu ihnen Kontakt und sie würden den Beschwerdeführer beschuldigen, dass wegen ihm sein Vater tot sei. Auf die Frage, ob sich die Fluchtgründe des Beschwerdeführers geändert hätten, antwortete er, er habe denselben Grund, aber die Lage habe sich verschärft und er sei erneut durch die Personen bedroht worden.
Der Beschwerdeführer legte neue Dokumente vor (Ladung der afghanischen Polizei, Sterbeurkunde seines Vaters, Anzeigebestätigung, dass sein Vater getötet worden sei, sowie drei Drohbriefe der Taliban).
Sodann wurde mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXXgemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den Beschwerdeführer betreffend aufgehoben. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe als Grund seines ersten Asylantrages angegeben, er hätte eine Beziehung zu einem Mädchen geführt und wäre deshalb von deren Familie mit dem Tod bedroht worden. Im gegenständlichen Verfahren führe er im Wesentlichen dasselbe an und er gebe an, sein Vater wäre ermordet worden, weshalb er ein weiteres Mal geflüchtet sei. Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt habe sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers sei nicht glaubwürdig. Der Umstand seiner Rückreise nach Afghanistan unterstreiche die Nichtexistenz einer gegen ihn gerichteten Verfolgung in Afghanistan. Insgesamt habe das Bundesverwaltungsgericht im Erstverfahren festgestellt, dass das damalige - und bis heute im Wesentlichen idente - Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft gewesen sei. Es sei dem Bundesamt notorisch bekannt, dass Asylwerber gefälschte Drohbriefe der Taliban vorlegen würden, um ihren Asylgrund zu verstärken. Auch die anderen vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente seien als Beweismittel für die von ihm angegebene Bedrohung nicht belastbar. Der neue Antrag auf internationalen Schutz werde voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
10. Die Aktenvorlage des Bundesamts langte am 24.08.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein und am selben Tag erging die Mitteilung gemäß § 22 Abs 2 BFA-VG.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen (Sachverhalt):
Der Beschwerdeführer führt den im Spruch ersichtlichen Namen, ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Tadschiken an.
Das vom Beschwerdeführer initiierte erste Asylverfahren wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2017, zugestellt durch Hinterlegung im Akt am 12.06.2017, rechtskräftig negativ abgeschlossen. Die Beschwerde wurde gemäß §§ 3 Abs 1 und 8 Abs 1 AsylG 2005 sowie gemäß §§ 52 Abs 2 Z 2 iVm Abs 9 und 55 Abs 1 FPG sowie §§ 55 und 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer stellte nunmehr am 26.06.2018 einen neuerlichen (den gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz und gab an, dass er zwischenzeitlich über Initiative seines Vaters nach Afghanistan zurückgekehrt sei. Die von ihm damals vorgebrachten Fluchtgründe seien noch aufrecht, die Lage habe sich jedoch insofern verschärft, als der Beschwerdeführer erneut durch die Personen bedroht worden sei und sein Vater am 25.06.2017 getötet worden sei.
Zum Beleg dafür legte der Beschwerdeführer Folgendes vor: eine Ladung der afghanischen Polizei, eine Sterbeurkunde seines Vaters, eine Anzeigebestätigung, dass sein Vater getötet worden sei, sowie drei Drohbriefe der Taliban.
Das Bundesamt hob mit mündlich verkündetem Bescheid vom XXXX gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12 AsylG 2005 den Beschwerdeführer betreffend auf und begründete diesen Bescheid auszugsweise wörtlich wie folgt:
"C) Feststellungen
[...]
-
zu den Gründen für Ihre Anträge auf internationalen Schutz sowie zur voraussichtlichen Entscheidung im nunmehrigen Verfahren:
Als Grund Ihres Erstantrages geben Sie im Wesentlichen Verfolgung durch Dritte an. Sie hätten eine Beziehung zu einem Mädchen geführt, was verboten gewesen wäre. Sie wären dadurch von deren Familie mit dem Tod bedroht worden.
Im gegenständlichen Verfahren führten Sie im Wesentlichen dasselbe an, Sie geben an Ihr Vater sei ermordet worden. Darum sind Sie ein weiteres Mal geflüchtet.
Der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt hat sich somit seit Rechtskraft des Vorverfahrens nicht geändert. Ihr nunmehriges Vorbringen ist nicht glaubwürdig.
Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
[...]
D) Beweiswürdigung
[...]
-
betreffend die Feststellungen zu Ihrer Person:
[...]
Sie konnten keine Beweismittel in Vorlage bringen, die eine Rückreise nach bzw. einen Aufenthalt in Afghanistan belegen würden.
Weiters wird betont, dass selbst bei der Annahme der Richtigkeit Ihrer Aussagen diese Umstände die Nichtexistenz einer gegen Sie gerichteten Verfolgung - wie bereits im Erstverfahren durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt - in Afghanistan unterstreichen.
Insgesamt hat das Bundesverwaltungsgericht in Ihrem Erstverfahren festgestellt, dass Ihr damaliges - und bis heute im Wesentlichen idente - Fluchtvorbringen nicht glaubhaft waren.
-
betreffend die Gründe für die voraussichtliche Entscheidung:
Der Feststellung wurde Ihr Vorbringen im Erstverfahren sowie Ihr heutiges Vorbringen zugrunde gelegt.
Ihr nunmehriges Vorbringen bezog sich auf Ihr Vorbringen im Erstverfahren. Es hat sich bezüglich Ihrer Fluchtgründe nichts geändert.
Im nunmehrigen Asylantrag haben Sie offenbar die wiederholte Aufrollung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt.
In diesem Zusammenhang wird darüber hinaus betont, dass Ihr Vorbringen im Erstverfahren nicht für asylrelevant befunden wurde.
Die erkennende Behörde kann sohin nur zum zwingenden Schluss kommen, dass der objektive und entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert ist. Es liegt sohin entschiedene Sache im Sinne von § 68 AVG vor.
Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts wird voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrags erfolgen.
Anzumerken ist noch, dass der Maßstab für die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes § 12 a (2) lediglich eine Prognoseentscheidung ist und diese aufgrund ihres Vorbringens eine voraussichtliche Zurückweisung bedingt, da keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts erkennbar ist.
-
betreffend die Feststellungen zur Gefährdungssituation:
[...]
Ihrer mündlichen Stellungnahme zu den Länderfeststellungen zu Ihrem Herkunftsland Afghanistan vom 22.08.2018 wird nicht beigetreten.
Auch die von Ihnen am 22.08.2018 vorgelegten Dokumente, welche die von Ihnen angegebene Bedrohung belegen sollen, sind dazu nicht geeignet.
Die Vorlage von v.a. angeblichen Drohbriefen der Taliban, denen dann in der Regel keine Taten folgen, ist als notorisches Massenphänomen von Asylwerbern aus Afghanistan bekannt. Dazu ist hervorzuheben, dass es bei den vorgelegten angeblichen Drohbriefen logisch nicht nachvollziehbar ist, dass die Taliban, eine sunnitische Gruppierung hanafitischer Rechtsschule mit deobandisch-islamistischer Ausrichtung, den iranisch-afghanischen Kalender verwenden würde. Weiters ist dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl als Spezialbehörde notorisch bekannt, dass Asylwerber diese gefälschten Drohbriefe vorlegen, um ihren Asylgrund zu verstärken.
Auch die anderen vorgelegten Dokumente sind als Beweismittel für die angegebene Bedrohung nicht belastbar.
Ihr neuer Antrag auf internationalen Schutz wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.
[...]
E) Rechtliche Beurteilung
[...]
Ihr nunmehriger Antrag auf internationalen Schutz ist voraussichtlich zurückzuweisen, da Sie keinen neuen Sachverhalt vorgebracht haben und sich auf Ihre schon behandelten Fluchtgründe bezogen, bzw. das Vorbringen jeglicher Glaubwürdigkeit entbehrt.
[...]."
2. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt steht aufgrund der außer Zweifel stehenden und von den Parteien nicht beanstandeten Aktenlage fest.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu A)
Die maßgeblichen Bestimmungen (in der Sache) lauten:
§ 12 Abs 1 AsylG 2005 idgF:
"Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); [...]"
§ 12a Abs 2 AsylG 2005 idgF:
"Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn
1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,
2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und
3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."
§ 22 Abs 10 AsylG 2005 idgF:
"Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."
§ 22 BFA-VG idgF:
"(1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.
(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.
(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."
Zu den Voraussetzungen des § 12a AsylG 2005, auf den gegenständlichen Fall bezogen, im Detail:
Gegen den Beschwerdeführer besteht aufgrund des - rechtskräftigen - Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2017 eine aufrechte Rückkehrentscheidung.
Der Beschwerdeführer hat in seinem Folgeantrag zwar prinzipiell denselben Fluchtgrund angegeben wie im ersten Verfahren betreffend internationalen Schutz, hat jedoch nunmehr von neu hinzugetretenen Ereignissen berichtet, die sich, folgt man seinen Angaben, nach der genannten Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 12.06.2017 zugetragen haben (insbesondere: Tötung des Vaters des Beschwerdeführers am 25.06.2017 im Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgeschichte).
Gemäß § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG rechtfertigen neu hervorgekommene Tatsachen und Beweismittel (also solche, die bereits zur Zeit des früheren Verfahrens bestanden haben, aber erst später bekannt wurden) - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - eine Wiederaufnahme des Verfahrens, wenn sie die Richtigkeit des angenommenen Sachverhalts in einem wesentlichen Punkt als zweifelhaft erscheinen lassen; gleiches gilt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für neu entstandene Beweismittel, sofern sie sich auf "alte" - d.h. nicht ebenfalls erst nach Abschluss des wiederaufzunehmenden Verfahrens entstandene -- Tatsachen beziehen (Hinweis E vom 19. April 2007, 2004/09/0159). Hingegen ist bei Sachverhaltsänderungen, die nach der Entscheidung eingetreten sind, kein Antrag auf Wiederaufnahme, sondern ein neuer Antrag zu stellen, weil in diesem Fall einem auf der Basis des geänderten Sachverhaltes gestellten Antrag die Rechtskraft bereits erlassener Bescheide nicht entgegensteht (vgl zu dieser Abgrenzung zwischen Wiederaufnahme und neuem Antrag das E vom 24. August 2004, 2003/01/0431, mwH; die zu § 69 Abs 1 Z 2 AVG ergangene Judikatur zur Wiederaufnahme ist auf den nahezu wortgleichen § 32 Abs 1 Z 2 VwGVG 2014 übertragbar) (VwGH 08.08.2017, Ra 2017/19/0120 mwN).
Im vorliegenden Fall war somit ein neuer Antrag auf internationalen Schutz zu stellen.
Zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG:
Gemäß § 68 Abs 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Beschwerde nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; VwGH 30.05.1995, 93/08/0207; VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
"Entschiedene Sache" iSd § 68 Abs 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; VwGH 25.04.2002, 2000/07/0235; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 11.11.2008, 2008/23/1251; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Werden nur Nebenumstände modifiziert, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind, so ändert dies nichts an der Identität der Sache. Nur eine wesentliche Änderung des Sachverhaltes - nicht bloß von Nebenumständen - kann zu einer neuerlichen Entscheidung führen (vgl. zB VwGH 27.09.2000, 98/12/0057; VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344; VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783). Liegt keine relevante Änderung der Rechtslage oder des Begehrens vor und hat sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt nicht geändert, so steht die Rechtskraft des Vorbescheides einer inhaltlichen Erledigung des neuerlichen Antrages entgegen. Stützt sich ein Asylantrag auf einen Sachverhalt, der verwirklicht worden ist, bevor das Verfahren über einen (früheren) Antrag beendet worden ist, so steht diesem (späteren) Antrag die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266).
Gegenüber neu entstandenen Tatsachen (novae causae supervenientes; vgl. VwGH 20.02.1992, 91/09/0196) fehlt es an der Identität der Sache. Neu hervorgekommene Tatsachen (oder Beweismittel) rechtfertigen dagegen allenfalls - wie oben bereits ausgeführt - eine Wiederaufnahme iSd § 69 Abs 1 Z 2 AVG (wegen nova reperta; zur Abgrenzung zB VwGH 04.5.2000, 99/20/0192; VwGH 21.09.2000, 98/20/0564; VwGH 24.08.2004, 2003/01/0431; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391), bedeuten jedoch keine Änderung des Sachverhaltes iSd § 68 Abs 1 AVG. Eine neue Sachentscheidung ist nicht nur bei identem Begehren auf Grund desselben Sachverhaltes ausgeschlossen, sondern auch dann, wenn dasselbe Begehren auf Tatsachen und Beweismittel gestützt wird, die schon vor Abschluss des Vorverfahrens bestanden haben (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183 mwN; VwGH 24.08.2004, 2003/01/0431; VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684).
Zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen iSd § 18 Abs 1 AsylG - kann die Behörde jedoch nur durch eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes berechtigt und verpflichtet werden, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein. Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die - falls sie festgestellt werden kann - zu einem anderen Ergebnis als das erste Verfahren führen kann (VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN zur gleichlautenden Vorgängerbestimmung des § 18 Abs 1 AsylG 2005, nämlich § 28 AsylG 1997; 17.09.2008, 2008/23/0684; weiters VwGH 06.11.2009, 2008/19/0783).
Darüber hinaus muss die behauptete Sachverhaltsänderung nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zumindest einen "glaubhaften Kern" aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den diese positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann. Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der (neuerliche) Asylantrag zulässig ist, mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Antragstellers und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden auseinanderzusetzen. Ergeben ihre Ermittlungen, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs 1 AVG zurückzuweisen (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467;
VwGH 24.02.2000, 99/20/0173; VwGH 19.07.2001, 99/20/0418; VwGH 21.11.2002, 2002/20/0315; vgl. auch VwGH 09.09.1999, 97/21/0913;
VwGH 04.05.2000, 98/20/0578; 99/20/0193; VwGH 20.03.2003, 99/20/0480; VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; vgl. auch VwGH 19.10.2004, 2001/03/0329; VwGH 31.03.2005, 2003/20/0468; VwGH 29.09.2005, 2005/20/0365; VwGH 25.04.2007, 2004/20/0100).
Es erfordert eine Prognose, um bestimmen zu können, dass der Asylantrag voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird (vgl. die Erläuterungen zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR
24. GP, 13: "Die Z 2 stellt eine Grobprüfung in Form einer Prognose über die Zulässigkeit des Antrags dar."). Es kann daher der Fall eintreten, dass die Prognose, der Antrag werde zurückzuweisen sein, nicht zutrifft und sich im Laufe des Verfahrens herausstellt, dass eine inhaltliche Entscheidung über den Antrag zu treffen sein wird (vgl. nochmals die Erläuterungen zur RV des FrÄG 2009, 330 BlgNR 24.
GP, 13: "In keinem Fall wird mit der Aufhebung des Abschiebeschutzes die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz selbst vorweggenommen, auch wenn in der Praxis wohl regelmäßig eine zurückweisende Entscheidung gemäß § 68 AVG folgen wird. Vielmehr handelt es sich um eine der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz vorgelagerte Prüfung im Rahmen des Zulassungsverfahrens."). Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes kann in diesen Fällen dazu führen, dass der Asylwerber trotzdem - vor der inhaltlichen Entscheidung über den Antrag - außer Landes gebracht wird und dass dies u.U. mit Folgen verbunden ist, vor denen das Asylrecht gerade schützen will. An eine solche Prognose sind daher strengere Maßstäbe anzulegen als in vergleichbaren Fällen (etwa der Beschleunigung eines Verfahrens gemäß § 27 Abs 4 AsylG 2005 auf Grund der irrigen Prognose, der Asylantrag werde abzuweisen sein). Umgekehrt steht der Verzicht auf die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes der Zurückweisung des Asylantrages gemäß § 68 Abs 1 AVG selbstverständlich nicht entgegen. In diesem Zusammenhang hat es auch Bedeutung, dass das Bundesasylamt (nunmehr: BFA) auch dann, wenn die Voraussetzungen vorliegen, den faktischen Abschiebeschutz nicht aufheben muss, sondern dass ihm das Gesetz Ermessen einräumt (vgl "kann" in § 12a Abs 2 AsylG 2005); die Ermessensübung ist im Bescheid zu begründen. In Frage werden bei der notwendigen Abwägung z.B. Umstände kommen wie jener, wie lange Zeit seit der Rechtskraft des Vorbescheides verstrichen ist, wenn der neue Antrag gestellt wird, oder wie häufig der Asylwerber Asylanträge stellt (vgl. dazu AsylGH 3.3.2010, C5 265.439-2/2010/2E).
Auch wenn das Vorbringen des Folgeantrages in einem inhaltlichen Zusammenhang mit den Behauptungen steht, die im vorangegangenen Verfahren nicht als glaubwürdig beurteilt worden sind, schließt dies allerdings nicht aus, dass es sich um ein asylrelevantes neues Vorbringen handelt, das auf seinen "glaubhaften Kern" zu beurteilen ist. Ein solcher Zusammenhang kann für die Beweiswürdigung der neu behaupteten Tatsachen argumentativ von Bedeutung sein, macht eine neue Beweiswürdigung aber nicht von vornherein entbehrlich oder gar unzulässig, etwa in dem Sinn, mit der seinerzeitigen Beweiswürdigung unvereinbare neue Tatsachen dürften im Folgeverfahren nicht angenommen werden. Könnten die behaupteten neuen Tatsachen, gemessen an der dem rechtskräftigen Bescheid zugrunde liegenden Rechtsanschauung, zu einem anderen Verfahrensergebnis führen, so bedarf es einer die gesamten bisherigen Ermittlungsergebnisse einbeziehenden Auseinandersetzung mit ihrer Glaubwürdigkeit (ständige Rechtsprechung; VwGH 29.09.2005, 2005/20/0365; VwGH 22.11.2005, 2005/01/0626; VwGH 16.02.2006, 2006/19/0380; vgl. auch VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391; VwGH 26.07.2005, 2005/20/0343; VwGH 27.09.2005, 2005/01/0363; VwGH 22.12.2005, 2005/20/0556; VwGH 22.06.2006, 2006/19/0245; VwGH 21.09.2006, 2006/19/0200; VwGH 25.04.2007, 2005/20/0300; vgl. weiters VwGH 26.09.2007, 2007/19/0342 und insbesondere VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0025).
Im gegenständlichen Fall hat sich das Bundesamt im Lichte der zuletzt genannten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes im mündlich verkündeten Bescheid nicht hinreichend mit den vom Beschwerdeführer behaupteten Änderungen des Sachverhaltes auseinandergesetzt. Es verkürzt die Beweiswürdigung im Wesentlichen auf einen Hinweis darauf, dass das Bundesverwaltungsgericht im Erstverfahren festgestellt habe, dass das damalige und bis heute idente Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft gewesen sei, mit der zusätzlichen Ausführung, dass sich das nunmehrige Vorbringen des Beschwerdeführers auf sein Vorbringen im Erstverfahren bezogen habe, und dass sich bei den Fluchtgründen nichts geändert habe. Daraus ergibt sich für das Bundesamt der "zwingende Schluss", dass der entscheidungsrelevante Sachverhalt unverändert sei. Es hätte jedoch einer ausführlichen Beweiswürdigung bedurft, um beurteilen zu können, ob die behauptete Sachverhaltsänderung den vom Verwaltungsgerichtshof geforderten "glaubhaften Kern" aufweist. Insbesondere ist darauf hinzuweisen, dass das BFA die vom Beschwerdeführer im Rahmen des Folgeantrags vorgelegten neuen Dokumente lediglich rudimentär gewürdigt hat, indem es ausführt, dass - zusätzlich zu einer Unstimmigkeit beim in den Drohbriefen verwendeten Kalender - "notorisch bekannt" sei, dass Asylwerber gefälschte Drohbriefe der Taliban vorlegen würden, um ihren Asylgrund zu verstärken, und dass auch die anderen Dokumente als Beweismittel "nicht belastbar" seien. Eine nähere inhaltliche Befassung mit den eingebrachten Dokumenten - abgesehen von den Drohbriefen - ist im vorliegenden Bescheid nicht erfolgt. Aus dem vorgelegten Verwaltungsakt lässt sich auch nicht entnehmen, ob die Dokumente im Original oder in Kopie eingereicht wurden und ob die Dokumente im Rahmen des Folgeverfahrens übersetzt wurden.
Da das Bundesamt sich mit diesen Beweismitteln und deren Beweiswert nicht näher auseinandergesetzt hat, kann das Bundesverwaltungsgericht im derzeitigen Verfahrensstadium - innerhalb des zur Verfügung stehenden und in mehrfacher Hinsicht eingeschränkten Beurteilungsspielraums - nicht abschließend beurteilen, ob der vorliegende Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird.
Folglich bedarf es noch ergänzender Ermittlungen durch die belangte Behörde. Eine Nachholung der insofern erforderlichen Beweiswürdigung durch die nachprüfende Kontrolle des Bundesverwaltungsgerichtes ist den gesetzlichen Bestimmungen und auch der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu entnehmen. Aus diesen Gründen sind die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 der faktische Abschiebeschutz aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt. Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist somit - auch angesichts der nicht aussagekräftigen Beweiswürdigung des Bundesamtes - nicht rechtmäßig, weshalb der vorliegende Bescheid vom XXXX aufzuheben war.
Gemäß § 22 Abs 1 zweiter Satz BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden.
3.2. Zu B)
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Da in der gegenständlichen Entscheidung die maßgeblichen Rechtsfragen klar waren und keiner Auslegung bedurften, ging das Bundesverwaltungsgericht nicht vom Vorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung gemäß Art 133 Abs 4 B-VG aus.
In vorliegendem Fall liegen daher die Voraussetzungen für die Zulassung der ordentlichen Revision nicht vor, es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Beweiswürdigung, entschiedene Sache,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W139.2127260.2.00Zuletzt aktualisiert am
12.10.2018