Index
L34007 Abgabenordnung Tirol;Norm
AVG §58 Abs2;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 99/17/0020 E 22. November 1999 99/17/0021 E 22. November 1999 99/17/0022 E 22. November 1999Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hnatek und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin MMag. Schattleitner, über die Beschwerde des T, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in M, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 10. Oktober 1996, Zl. Ib-8593/3-1996, betreffend Abfallgebühren (mitbeteiligte Partei: Gemeinde Sölden, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in S), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Gemeinde Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheiden vom 10. März 1995 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer für die Errichtung der Recyclingstraße und den Bau der Mülldeponie Sölden "gemäß § 2 der Müllgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 17. Dezember 1993" (richtig wohl vom 25. Oktober 1993 in der Fassung der Verordnung vom 17. Dezember 1993, im Folgenden:
Verordnung 1993), "in der Fassung vom 21. Dezember 1994" (richtig wohl vom 30. November 1994, im Folgenden: Verordnung 1994) die Anschlussgebühr für das Objekt 1 in der Höhe von S 37.364,38 und für das Objekt 2 in der Höhe von S 56.780,76 vor.
Der dagegen erhobenen Berufung wurde zunächst mit Bescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 15. September 1995 teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der "Baukostenteilbeitrag 1" für das Objekt 1 mit S 12.454,80 und für das Objekt 2 mit S 19.926,92 festgesetzt wurde.
Der dagegen erhobenen Vorstellung gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 20. Dezember 1995 Folge, behob den angefochtenen Bescheid und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde.
Begründet wurde diese Vorstellungsentscheidung im Wesentlichen damit, dass eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers durch die in den Abgabenvorschriften der mitbeteiligten Gemeinde nicht gedeckte Weiterüberwälzung der Umsatzsteuer zu erblicken sei. Im Übrigen bestünden gegen die Vorschreibung keine Einwände der Vorstellungsbehörde.
Mit Ersatzbescheid des Gemeindevorstandes der mitbeteiligten Gemeinde vom 16. Juni 1996 wurde der Berufung teilweise Folge gegeben und der Baukostenteilbeitrag 1 für das in Rede stehende Objekt "in Bindung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde" gemäß "§§ 22, 4, 8" der Müllgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. April 1995 (Verordnung 1995) in der Fassung des Gemeinderatsbeschlusses vom 6. Februar 1996 (Verordnung 1996) nunmehr für das Objekt 1 mit S 11.322,54 und für das Objekt 2 mit S 17.206,29 neu festgesetzt.
In der Begründung dieses Bescheides führte die Berufungsbehörde aus, gemäß § 8 Abs. 1 der Übergangsbestimmung der Verordnung 1995 gelte das mit der Verordnung 1993 in der Fassung der Verordnung 1994 schon vorgeschriebene Drittel der Anschlussgebühren als Baukostenteilbeitrag 1 im Sinne der neuen Gebührenordnung. Es sei lediglich eine Änderung der Rechtslage während des Berufungsverfahrens eingetreten. Dies verpflichte die Berufungsbehörde nicht dazu, den erstinstanzlichen Bescheid aufzuheben. Vielmehr sei bei der Berufungsentscheidung von der geänderten Rechtslage auszugehen gewesen. Sodann führte die Berufungsbehörde aus, aus welchen Gründen die Beschwerdeführerin nach der Verordnung 1995 abgabepflichtig sei und wie sich die vorgeschriebene Abgabe nach dieser Verordnung der Höhe nach berechne. Weiters vertrat die Berufungsbehörde die Auffassung, die Verordnung 1995 finde ihre Stütze in § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1993. Schließlich habe die belangte Behörde in Vorstellungsbescheiden ausgeführt, die Vorschreibung der Umsatzsteuer sei durch keinen Beschluss des Gemeinderates gedeckt. Ihre Weiterüberwälzung sei daher nicht möglich. Ansonsten habe die Vorstellungsbehörde die Vorschreibung im ersten Rechtsgang für zulässig erachtet.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Vorstellung.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, nach § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1993 sei die Gemeinde berechtigt, Gebühren für die Benützung von Gemeindeeinrichtungen und -anlagen zu erheben. Der Recyclinghof und die Biomüllanlage der Gemeinde seien zweifelsohne solche Anlagen, die Zwecken der öffentlichen Verwaltung dienten. Damit liege die Ermächtigung zur Gebührenerhebung vor. Es sei zulässig, dass die mitbeteiligte Gemeinde die Errichtungskosten, die am Beginn des Benützungsverhältnisses stünden, durch eine einmalige Benützungsgebühr abdecke. Wenn der Landesgesetzgeber im Tiroler Abfallgebührengesetz 1991 von einer Grundgebühr und einer weiteren Gebühr spreche, so bedeute dies nicht, dass etwa die Investitionskosten für die genannten Anlagen nur im Wege der Grundgebühren vorgeschrieben werden könnten. Wenn der Zweck - Leistung der Investitionskosten für diese Anlagen durch die Bevölkerung - auf andere wirtschaftliche Weise seitens der Gemeinde erreicht werden könne, so erscheine dies zulässig. Abgesehen davon falle bei dieser Einhebung der Baukosten die Zinsbelastung für die Bevölkerung weg. Der Baukostenteilbeitrag 1 sei eine solche Benützungsgebühr und knüpfe an die Fertigstellung der entsprechenden Anlage an. Aus diesen Erwägungen erscheine die Vorgangsweise der mitbeteiligten Gemeinde - Einhebung von Baukostenteilbeiträgen für die Errichtung von Recyclinghof und Kompostieranlage - zulässig und die belangte Behörde sehe keinen Grund zu einem aufsichtsbehördlichen Einschreiten. Da die mit dem Baukostenteilbeitrag 1 eingehobenen Beträge die Anschaffungskosten für die Errichtung des Recyclinghofes und der Biomüllanlage mit Sicherheit nicht überstiegen, sei kein Einwand gegen die Vorschreibung derartiger Gebühren zu erheben.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer vorerst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof.
Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung dieser Beschwerde unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 27. Juni 1986, Slg. Nr. 10.947, mit Beschluss vom 28. September 1998, B 4783/96-11, ab und trat die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Er erachtet sich in seinem Recht, nicht zur Bezahlung von Baukostenbeiträgen an die mitbeteiligte Gemeinde herangezogen zu werden, wenn es an den rechtlichen Voraussetzungen dafür fehlt, verletzt.
Die belangte Behörde sowie die mitbeteiligte Partei erstatteten jeweils Gegenschriften, in denen sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Müllgebühren- und Müllverordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Oktober 1993 lautete auszugsweise:
"§ 1
Allgemeine Grundsätze
Begriffsbestimmungen
1. Müllabfuhr
Der gesamte im Bereich der Gemeinde Sölden anfallende Haushalts- und Sperrmüll ist durch Eigenabfuhr zur Mülldeponie Sölden zu entsorgen.
...
§ 6
Recyclinghof
Der Recyclinghof befindet sich auf dem Gelände der Mülldeponie.
...
II. MÜLLGEBÜHRENORDNUNG
§ 1
Anschlussbereich
1. Anschlussbereich
Der Anschlussbereich umfasst sämtliche Objekte in der Katastralgemeinde Sölden.
2. Gebühren
Für die Errichtung der Recyclingstraße hebt die Gemeinde Sölden Anschlussgebühren, für den laufenden Betrieb der Mülldeponie Benützungsgebühren, ein.
§ 2
Anschlussgebühren
Bemessungsgrundlage ist der Bruttorauminhalt (BRI) lt.
ÖNORM B 1800 vom 1.5.1983 und Beiblatt 1 vom 1.6.1985.
Analog zur Kanalgebührenordnung der Gemeinde Sölden werden
auch hier die Gebührensätze in dieselben Gruppen eingeteilt.
Die Anschlussgebühr beträgt:
Gruppe I 22,--/m3 BRI
Gruppe II 27,--/m3 BRI
Gruppe III 31,--/m3 BRI
Die Fälligkeit der 1. Rate wird mit 30.04.1994 festgelegt und beträgt 1/3 der Vorschreibungssumme.
Die Festlegung der weiteren Raten erfolgt durch den Gemeinderat mit neuerlichem Beschluss."
Durch den Beschluss des Gemeinderates vom 17. Dezember 1993 wurde dem § 2 der Müllgebührenordnung folgender Text eingefügt:
"2. Entstehen der Gebührenpflicht
a) Die Pflicht zur Entrichtung der Anschlussgebühr entsteht bei bestehenden Gebäuden mit Fertigstellung des Recyclinghofes. Bei Zu- und Umbauten und Wiederaufbau von abgerissenen Gebäuden entsteht die Gebührenpflicht mit Baubeginn insoweit, als die neue Bemessungsgrundlage den Umfang der früheren übersteigt.
b) Die Pflicht zur Entrichtung der Anschlussgebühr für Neubauten entsteht mit Baubeginn des Neubaues.
c) Die Anschlussgebühr wird bescheidmäßig in 3 Raten zur Zahlung vorgeschrieben und ist zu 1/3 binnen einem Monat nach der Vorschreibung zur Zahlung fällig. Die Einhebung der 2. Teilzahlung hat ein Jahr nach Fälligkeit der 1. Rate und die 3. Teilzahlung (je 1/3 des Vorschreibungsbetrages) zwei Jahre nach Fälligkeit der ersten Rate zu erfolgen."
Mit Verordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 30. November 1994 wurde "§ 1 Abs. 2" (richtig wohl: § 1 Z. 2) dieser Verordnung dahingehend geändert, dass die Gebühr für die Errichtung der Recyclinganlage und den Bau der Mülldeponie Sölden zu entrichten ist.
Eine Verordnung betreffend Müllgebühren des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Dezember 1993 existiert nicht.
Die Müllgebührenordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. April 1995 idF des Beschlusses vom 6. Februar 1996 lautet auszugsweise:
"§ 1 Rechtsgrundlage und Gegenstand der Verordnung Aufgrund des § 15 Abs. 3 Zif. 5 des FAG 1993, BGBl. Nr. 30/1993 und aufgrund des Tiroler Abfallgebührengesetzes LGBl. Nr. 36/1991 beschließt der Gemeinderat der Gemeinde Sölden, für die Benützung der Recyclingstraße, der Kompostieranlage und der Mülldeponie bzw. für die Entsorgung von Abfällen und für die Abfallberatung folgende Gebühren einzuheben:
1. Baukostenbeiträge und
2. laufende Gebühren
§ 2 Baukostenbeiträge
(1) Die Baukostenbeiträge dienen zur Deckung der Kosten der Herstellung der in § 1 genannten Anlagen einschließlich aller Nebenkosten (sofern diese Anlagen oder selbständig benützbare Teile hievon so weit fertig gestellt sind, dass sie benützt werden können), wobei zur Deckung der Gesamtkosten dieser Anlagen mehrere Baukostenteilbeiträge festgesetzt werden.
(2) Zur Entrichtung von Baukostenbeiträgen sind alle Personen verpflichtet, die zum Zeitpunkt des Entstehens dieser Gebührenpflicht (siehe dazu Absatz 3) Eigentümer eines Gebäudes im Gemeindegebiet der Gemeinde Sölden sind oder denen ein Baurecht an einem solchen Gebäude zusteht sowie jene Personen, die das Eigentum oder das Baurecht an einem Gebäude nach Entstehen der Gebührenpflicht, aber vor Entrichtung des Baukostenbeitrages erwerben.
Auch für Gebäude, die während der Geltungsdauer dieser Verordnung im Gebiet der Gemeinde Sölden wieder aufgebaut, neu gebaut, oder durch einen Zubau erweitert werden, sind Baukostenbeiträge zu entrichten.
(3) Die Pflicht zur Entrichtung eines Baukostenteilbeitrages entsteht hinsichtlich jener Gebäude, die schon ganz oder teilweise benützt werden, wenn der betreffende Baukostenteilbeitrag festgesetzt wird, mit Inkrafttreten der Verordnung, die den Baukostenteilbeitrag festsetzt.
Für neu errichtete oder wieder aufgebaute Gebäude, die erst nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbeitrages erstmalig benützt werden, entsteht die Gebührenpflicht, wenn der Eigentümer des neu errichteten oder wieder aufgebauten Gebäudes oder dessen Gehilfe eine der in § 1 genannten Anlagen das erste Mal benützt.
Für Um- und Zubauten, die erst nach Festsetzung des betreffenden Baukostenteilbeitrages benützt werden, entsteht die Verpflichtung zur Entrichtung dieses Baukostenteilbeitrages binnen eines Jahres ab Rechtskraft der Baubewilligung. Wenn aber bis zu diesem Zeitpunkt nachweislich weder eine Benützung des umgebauten Gebäudes oder des Zubaues erfolgte, noch im Zusammenhang mit dem Um- bzw. Zubau eine der in § 1 genannten Anlagen in Anspruch genommen wurde, entsteht die Gebührenpflicht erst mit der erstmaligen Benützung des umgebauten Gebäudes bzw. des Zubaues oder wenn vorher eine der in § 1 genannten Anlagen im Zusammenhang mit dem Um- oder Zubau in Anspruch genommen wird.
(4) Bemessungsgrundlage für die Berechnung eines auf ein Gebäude entfallenden Baukostenteilbeitrages ist der Bruttorauminhalt (BRI) dieses Gebäudes zum Zeitpunkt des Entstehens der Gebührenpflicht laut ÖNORM B 1800 vom 1.5.1983 samt Beiblatt 1 vom 1.6.1985, soweit er nicht schon einmal als Grundlage für die Vorschreibung und Zahlung desselben Baukostenteilbeitrages gedient hat.
(5) Als Baukostenteilbeiträge werden je nach Verwendungszweck des Gebäudes (Gruppe) pro m3 des Bruttorauminhaltes gemäß Absatz 4 die in der Anlage festgesetzten Beträge eingehoben.
...
§ 8 Übergangsbestimmungen
(1) Das mit Müllgebührenordnung der Gemeinde Sölden vom 25.10.1993 in der Fassung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 22.12.1993 und vom 30.11.1994 schon vorgeschriebene Drittel der Anschlussgebühren gilt als 'Baukostenbeitrag 1' im Sinne dieser Verordnung.
...
(5) Hinsichtlich des Baukostenteilbeitrages 1 gilt der 30.04.1994 als Zeitpunkt des Inkrafttretens der 'Verordnung, die den Baukostenteilbeitrag festsetzt' im Sinne des § 2 Abs. 3.
(6) Im Übrigen tritt diese Verordnung an die Stelle der Müllgebührenordnung der Gemeinde Sölden vom 25.10.1993 in der Fassung der Gemeinderatsbeschlüsse vom 22.12.1993 und vom 30.11.1994.
Anlage
Derzeit wird nur der 'Baukostenteilbeitrag 1' eingehoben. Er
wird gemäß § 2 Abs. 5
für Gebäude der Gruppe I mit S 7,33 pro m3 BRI
für Gebäude der Gruppe II mit S 9,-- pro m3 BRI und
für Gebäude der Gruppe III mit S 10,33 pro m3 BRI festgesetzt."
Eingangs ist festzuhalten, dass eine Rechtsverletzung des Beschwerdeführers durch den mit Vorstellung angefochtenen Bescheid der Berufungsbehörde vom 16. Juni 1996 nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil dieser Berufungsbescheid in Bindung an den in Rechtskraft erwachsenen Vorstellungsbescheid vom 20. Dezember 1995 ergangen war. Die Bindung an die in einem aufhebenden Vorstellungsbescheid ausgesprochene Rechtsansicht erstreckt sich nämlich ausschließlich auf die die Aufhebung tragenden Gründe (hier die Unzulässigkeit der Vorschreibung der Umsatzsteuer), nicht hingegen an außerhalb dieser Gründe im Aufhebungsbescheid darüber hinaus geäußerten Bemerkungen und Rechtsansichten (hier: dass gegen die Vorschreibung sonst keine Bedenken bestünden; vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. November 1995, Zl. 94/07/0055).
In der an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vertritt der Beschwerdeführer die Auffassung, die Müllgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 4. April 1995 sei nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, auch sei diese Verordnung nicht in Entsprechung des § 114 der Tiroler Gemeindeordnung der Landesregierung unverzüglich mitgeteilt worden.
Gemäß § 53 Abs. 1 der Tiroler Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 4/1966, sind alle Beschlüsse und Verfügungen der Gemeindeorgane, die Verpflichtungen oder Belastungen der Gemeindebewohner zum Inhalt haben, binnen einer Woche nach Beschlussfassung durch öffentlichen Anschlag während zweier Wochen und in sonst ortsüblicher Weise in der Gemeinde kundzumachen. Besteht eine Gemeinde aus mehreren Ortschaften, ist in jeder Ortschaft kundzumachen.
Den Verwaltungsakten ist nun zu entnehmen, dass die in Rede stehende Verordnung in der Zeit vom 6. April 1995 bis 21. April 1995 durch Anschlag kundgemacht wurde. Der Beschwerdeführer vermag daher mit seinem diesbezüglichen Beschwerdevorbringen beim Verwaltungsgerichtshof ebenso wenig wie beim Verfassungsgerichtshof Bedenken gegen die gehörige Kundmachung der Verordnung zu erwecken, zumal er nicht darlegt, dass in der mitbeteiligten Gemeinde eine Kundmachung in anderer Weise sonst ortsüblich ist, bzw. dass ein entsprechender Anschlag in einzelnen Ortschaften nicht erfolgt wäre. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher in der Folge davon aus, dass die in Rede stehende Verordnung gehörig kundgemacht wurde. Eine allfällige Unterlassung der in § 114 der Tiroler Gemeindeordnung 1966 vorgesehenen Mitteilung an die Gemeindeaufsichtsbehörde stünde dieser Annahme nicht entgegen.
Nach der Verordnung 1993 in Verbindung mit der Verordnung 1994 war die in drei Raten zu entrichtende Anschlussgebühr "für die Errichtung der Recyclinganlage und den Bau der Mülldeponie Sölden" ausgeschrieben. Gemäß § 2 Abs. 2 der Verordnung 1993 unter Berücksichtigung der Änderung im Beschluss des Gemeinderates vom 17. Dezember 1993 entstand der Anspruch auf Entrichtung der Anschlussgebühr bereits mit Fertigstellung des Recyclinghofes.
Es mag nun zutreffen, dass vorliegendenfalls ein Abgabenanspruch schon vor Inkrafttreten der Verordnung 1994 entstanden ist. Ungeachtet des Grundsatzes der Zeitbezogenheit der Abgabengesetze gebietet freilich schon der Grundsatz der verfassungskonformen Interpretation unter Beachtung des Gleichheitssatzes, dass die durch die Verordnung 1994 vorgenommene Ausweitung der Leistungen der Gemeinde, für die die Gebühr eingehoben wird, bei gleich bleibender Gebührenhöhe nicht nur jenen Abgabepflichtigen zugutekommen sollte, bei denen der Abgabenanspruch erst nach Inkrafttreten dieser Verordnung 1994 entsteht, sondern auch jenen, bei denen schon nach der Verordnung 1993 ein solcher entstanden war. Für eine Differenzierung zwischen diesen Gruppen von Abgabepflichtigen bestünde nämlich keine sachliche Rechtfertigung.
Damit war aber für die Vorschreibung dieser Anschlussgebühren mit Bescheiden vom 10. März 1995 die Verordnung 1993 in der Fassung der Verordnung 1994 als die im Zeitpunkt des Entstehens des Gebührenanspruches maßgebende Rechtsgrundlage heranzuziehen.
Für den zeitlichen Anwendungsbereich von Abgabengesetzen ist die Zeitbezogenheit der Abgabengesetze zu beachten. In einem Besteuerungsfall sind - in Ermangelung anderer Anordnungen - jene materiell rechtlichen Bestimmungen anzuwenden, die im Zeitpunkt der Entstehung des Abgabenanspruches in Kraft standen. Durch die Anknüpfung an die Rechtslage, welche im Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestandes herrschte, wird erreicht, dass alle steuerrechtlich bedeutsamen Ereignisse, Gegebenheiten und Verhältnisse, wie sie zu einem bestimmten Stichtag oder einem bestimmten Zeitraum bestanden haben, nach gleichen rechtlichen Maßstäben erfasst und besteuert werden. Das Entstehen der Steuerschuld aus dem Gesetz hat zur Folge, dass auch die Person des Schuldners ein feststehendes Element dieses Schuldverhältnisses ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. Mai 1997, Zl. 96/17/0459).
Die Anschlussgebühr nach der Verordnung 1993 in der Fassung der Verordnung 1994 war - wie oben dargelegt - für die Errichtung der Recyclingstraße und den Bau der Mülldeponie Sölden ausgeschrieben. Die Baukostenbeiträge nach der Verordnung 1995 dienen gemäß § 2 Abs. 1 dieser Verordnung zur Deckung der Kosten der Herstellung der in § 1 genannten Anlagen, also der Recyclingstraße, der Kompostieranlage und der Mülldeponie (einschließlich aller Nebenkosten, sofern diese Anlagen oder selbstständig benützbare Teile hievon so weit fertig gestellt sind, dass sie benützt werden können). Zur Deckung der Gesamtkosten dieser Anlagen können mehrere Baukostenteilbeiträge festgesetzt werden.
In § 8 der Verordnung 1995 wurde nun normiert, es gelte das mit der Müllgebührenordnung der mitbeteiligten Gemeinde vom 25. Oktober 1993 in der Fassung der Gemeindratsbeschlüsse vom 22. Dezember 1993 (richtig wohl: vom 17. Dezember 1993) und 30. November 1994 schon vorgeschriebene Drittel der Anschlussgebühren als "Baukostenbeitrag 1" im Sinne dieser Verordnung. Mit dieser Bestimmung wurde in die materiell-rechtlichen Regelungen des Besteuerungsfalles eingegriffen. Der Abgabentatbestand wurde durch Änderung auf ein Drittel der Anschlussgebühren eingeschränkt - die weiteren Drittel können nicht mehr geltend gemacht werden. Andererseits wurde zum Ausdruck gebracht, dass das fürderhin als "Baukostenbeitrag 1" zu bezeichnende und vorzuschreibende Drittel der Anschlussgebühren für die Errichtung der auch schon im Zeitpunkt der Fälligkeit der ersten Rate nach der Verordnung 1993 idF der Verordnung 1994 fertig gestellten Recyclingstraße, nicht jedoch für jene der Mülldeponie zu entrichten ist.
Maßgebende Rechtsgrundlage für die Vorschreibung der nach Ergehen der Verordnung 1995 im Bescheid als Baukostenteilbeitrag 1 bezeichneten und weitergeführten Anschlussgebühr sind somit § 1 Abs. 1 und § 2 der Verordnung 1993 in der Fassung der Verordnung 1994 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 der Verordnung 1995. Mit der letztgenannten Verordnung erfolgte keine Aufhebung der Rechtsgrundlage für die bereits erfolgte Vorschreibung der Anschlussgebühr - der Abgabenanspruch war nicht erloschen und es entstand kein neuer mit der Verordnung 1995 -, vielmehr wurde der bereits entstandene Abgabenanspruch modifiziert in das geänderte System in der Form übergeleitet, dass die bereits ergangenen Abgabenbescheide nicht aufgehoben und keine neuen erstinstanzlichen Bescheide erlassen werden mussten. Es handelte sich nämlich dabei noch immer um dieselbe Sache, wobei allerdings, ohne die Rechtspositionen der Gebührenpflichtigen zu verschlechtern, eine Verminderung des Abgabenanspruches und Modifikation der Leistung der mitbeteiligten Gemeinde erfolgte. Die Vorschreibung des "Baukostenteilbeitrages 1" hindert die mitbeteiligte Partei nicht, im Falle der Errichtung der übrigen in der Verordnung 1995 genannten Einrichtungen, einen weiteren Baukostenbeitrag einzuheben. Ein solcher Ausschluss bestand auch nach der Rechtslage vor Ergehen der Verordnung 1995 nicht.
Die belangte Behörde übernahm mit dem die Vorstellung abweisenden angefochtenen Bescheid die Ansicht der Abgabenbehörde der mitbeteiligten Gemeinde, Rechtsgrundlage für die Abgabenvorschreibung sei nach Inkrafttreten der Verordnung 1995 ausschließlich diese Verordnung. Tatsächlich gründet sich die Abgabenvorschreibung im Beschwerdefall jedoch auch auf die Verordnung 1993 in Verbindung mit den Verordnungen 1994 und 1995. Dennoch wurden Rechte des Beschwerdeführers dadurch nicht verletzt, weil die Abgabenvorschreibung nach diesen Rechtsgrundlagen für den Beschwerdeführer nicht ungünstiger war und die Anführung der Rechtsgrundlagen überdies kein Erfordernis eines Bescheidspruches im Abgabenverfahren ist.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, schon der Berufungsbescheid lasse offen, für welche Gemeindeeinrichtung (Deponie, Recyclinganlage, Kompostierungsanlage) nun tatsächliche welche Gebühr vorgeschrieben werde. Auch der angefochtene Bescheid enthalte diesbezüglich keine Darlegungen. Schließlich sei der angefochtene Bescheid auch nicht auf das Argument eingegangen, dass die Deponieanlage Sölden nicht nur von den nach dieser Verordnung Abgabepflichtigen, sondern auch von Bewohnern der Umliegergemeinden benützt werden könne.
Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer jedoch den Umfang der Begründungspflicht der Abgabenbehörden:
Diese Begründungspflicht erstreckt sich nämlich im Hinblick auf die Bindung der Verwaltungsbehörden an eine gehörig kundgemachte Verordnung bloß darauf, dass der erlassene Abgabenbescheid dieser Verordnung entspricht.
Die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde als fehlend gerügten Begründungselemente betreffen aber nicht die Frage, ob der zweitinstanzliche Abgabenbescheid in Entsprechung der Verordnungen ergangen ist, auf die er sich stützt, sondern in Wahrheit die Begründung der Rechtmäßigkeit dieser Verordnung selbst. Die Pflicht der Abgabenbehörde zur Begründung ihres Bescheides erstreckt sich aber nicht auf die Darlegung der für den Verordnungsgeber bei Erlassung der Verordnung bestimmend gewesenen Faktoren (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 1996, Zl. 96/17/0451).
Dass die Abgabenvorschreibung durch den der Vorstellungsentscheidung zugrunde liegenden Berufungsbescheid aber den maßgeblichen Verordnungen der mitbeteiligten Gemeinde entsprach, wird in der Beschwerde nicht bestritten.
Im Übrigen behauptet der Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgerichtshof, wie schon in seiner Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof, die Gesetzwidrigkeit der der Abgabenvorschreibung zugrunde liegenden Verordnungen der mitbeteiligten Gemeinde. Der Verfassungsgerichtshof lehnte die vom Beschwerdeführer erhobene Beschwerde mit Beschluss ab.
In der Beschwerdeergänzung werden im Wesentlichen die schon vor dem Verfassungsgerichtshof vorgetragenen Argumente wiederholt. Als neues Argument gegen die im angefochtenen Vorstellungsbescheid vertretene Annahme, die in Rede stehenden Verordnungen der mitbeteiligten Gemeinde fänden ihre Deckung in § 15 Abs. 3 Z. 5 FAG 1993, führt der Beschwerdeführer ins Treffen, dass es sich beim Recyclinghof und der Biomüllanlage nicht um "Gemeindeeinrichtungen und -anlagen, die für Zwecke der öffentlichen Verwaltung betrieben werden", im Sinn der vorzitierten Gesetzesbestimmung handle, weil die Errichtung und der Betrieb einer solchen Anlage gemäß § 9 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes, LGBl. Nr. 50/1990, Sache des Landes Tirol sei und eine Übertragung dieser Aufgabe an die Gemeinden auf zivilrechtlichem Vertrag beruht. Nach der letztgenannten Bestimmung hat das Land Tirol für die Errichtung und den Betrieb der nach dem Abfallwirtschaftskonzept erforderlichen öffentlichen Behandlungsanlagen, Deponien und Zwischenlager für die getrennt zu sammelnden Abfälle zu sorgen. Sofern das Land Tirol die Entsorgungsanlagen nicht selbst betreibt, hat es die Errichtung und den Betrieb durch zivilrechtliche Verträge u.a. mit Gemeinden sicherzustellen.
Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers mangelt es aber einer öffentlichen Behandlungsanlage oder Deponie im Verständnis des § 9 des Tiroler Abfallwirtschaftsgesetzes nicht schon deshalb am Charakter einer "zum Zweck der öffentlichen Verwaltung betriebenen Anlage", weil das Land unter der Voraussetzung einer zivilrechtlichen Vereinbarung die Gemeinde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe der öffentlichen Verwaltung (und um eine solche handelt es sich bei der Müllentsorgung, jedenfalls dann, wenn - wie hier - ein gesetzlicher Auftrag dazu besteht, zweifellos) betraut.
Der Verwaltungsgerichtshof sieht sich aufgrund der Beschwerdebehauptungen nicht veranlasst, die Sache neuerlich dem Verfassungsgerichtshof zu der in seine Zuständigkeit fallende Prüfung heranzutragen bzw. die nähere Begründung für das Nichtvorliegen der behaupteten Verfassungs- bzw.
Gesetzeswidrigkeiten nachzutragen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1
VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in
Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 22. November 1999
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel Allgemein Verordnungen Verhältnis Verordnung - Bescheid VwRallg4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999170019.X00Im RIS seit
11.07.2001