Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 11. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oshidari sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache Wolfgang B***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 3, 148 zweiter Fall, § 15, § 12 zweiter und dritter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Martin M***** und Ursula S***** sowie die Berufung des Angeklagten Tomaz L***** gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Februar 2018, GZ 173 Hv 32/17h-528, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Den Angeklagten Martin M***** und Ursula S***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden im zweiten Rechtsgang (zum ersten Rechtsgang siehe 14 Os 128/16d, 129/16a) – soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerden relevant – Martin M***** (zu C/I und C/III/1) und Ursula S***** (zu D/I und D/II/2) je eines Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 iVm § 161 Abs 1 StGB, M***** (zu C/I) auch nach § 12 zweiter Fall StGB, dieser Angeklagte (zu C/III/1) sowie S***** (zu D/II/2) auch nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt und unter Einbeziehung der schon im ersten Rechtsgang in Rechtskraft erwachsenen Schuldsprüche zu Freiheitsstrafen verurteilt.
Danach haben in W*****, G***** und an anderen Orten Österreichs
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(C) Martin M*****
I) am 25. Februar 2009 als faktischer Geschäftsführer, somit iSd § 161 Abs 1 StGB (§ 74 Abs 3 StGB) leitender Angestellter, der L***** GmbH Ursula S***** zur Ausführung der zu D/I angeführten strafbaren Handlung bestimmt, indem er sie beauftragte, 17.400 Euro vom Geschäftskonto des Unternehmens bei der BA***** AG zu beheben und das Geld für unternehmensfremde Zwecke zu verwenden;
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(D) Ursula S*****
I) am 25. Februar 2009 über Veranlassung des Martin M***** (Faktum C/I) als faktische Geschäftsführerin, somit iSd § 161 Abs 1 StGB (§ 74 Abs 3 StGB) leitende Angestellte, der L***** GmbH, Bestandteile des Vermögens der Gesellschaft beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung deren Gläubiger in dem über die L***** GmbH mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 19. Jänner 2010 zum AZ 3 S 2/10d eröffneten Konkursverfahren geschmälert, indem sie 17.400 Euro vom Geschäftskonto des Unternehmens bei der BA***** AG behob und das Geld für unternehmensfremde Zwecke verwendete.
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Rechtliche Beurteilung
Die dagegen jeweils aus § 281 Abs 1 Z 5 und 9 lit a StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten M***** und S*****, mit denen Erstgenannter inhaltlich ausschließlich den Schuldspruch C/I und Zweitgenannte jenen zu D/I bekämpft, sind nicht im Recht.
Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten M*****:
Mit dem Vorwurf, dem Urteil lasse sich keine Begründung für die Feststellung entnehmen, nach der die L***** GmbH zum Zeitpunkt der inkriminierten Behebung des Großteils ihres Stammkapitals aufgrund von Kontogebühren der BA***** AG, Notarkosten, Kosten der Firmenbucheintragung und der Forderung eines Geldverleihers Schuldnerin mehrerer Gläubiger war (US 14 f, 29, 33 f), nimmt die Mängelrüge (Z 5 vierter Fall) prozessordnungswidrig nicht Maß an der Gesamtheit der Entscheidungsgründe (RIS-Justiz
RS0119370). Sie lässt nämlich die diesbezüglichen Erwägungen der Tatrichter außer Acht, die die bekämpften Konstatierungen
– den Kriterien logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend – aus der Notorietät des Umstands, dass ein Gesellschaftskonto Kosten verursacht, der Gründungsurkunde der L***** GmbH, den aktenkundigen Bankunterlagen und den für glaubwürdig erachteten Angaben des Robert Sa***** ableiteten (US 33 f).
Entgegen dem weiteren Einwand von Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) wurde die insoweit leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers (ON 527 S 4) dabei berücksichtigt und für nicht geeignet befunden, die angeführten Beweisergebnisse zu widerlegen (erneut US 33 f).
Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) vermisst Feststellungen zu einer
effektiven
Vereitelung oder Schmälerung der Befriedigung jener Gläubiger, deren Forderungen nach den Urteilsannahmen schon im Tatzeitpunkt bestanden (vgl dazu
15 Os 92/17v), zu einer Anmeldung dieser Forderungen im Konkursverfahren des Unternehmens sowie zu deren Fälligkeit im Tatzeitpunkt.
Sie lässt bei ihrer Argumentation allerdings die (auch sonst im Rechtsmittel nicht in Zweifel gezogenen) Konstatierungen zur gelungenen Vermögensverringerung (US 29, 34 f) sowie jene zur subjektiven Tatseite unberücksichtigt, nach denen der Angeklagte M***** in Kenntnis des Umstands war, dass die Gesellschaft zum Tatzeitpunkt Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, und sein (bedingter) Vorsatz auf Vermögensverringerung und eine daraus resultierende Schädigung gerade (auch) dieser Gläubiger gerichtet war (US 29 f). Aus welchem Grund auf dieser Basis – trotz rechtlich gleichwertiger Strafbarkeit des Versuchs (RIS-Justiz RS0122138) – Konstatierungen zu einem tatsächlich eingetretenen Befriedigungsausfall oder einer Forderungsinitiative der Gläubiger für die Lösung der Schuldfrage oder die rechtsrichtige Subsumtion erforderlich gewesen wären (RIS-Justiz RS0115184 [T1, T5, T6, T8], RS0094862;
Kirchbacher in WK² StGB §
156 Rz 19 ff, 22 f; Rainer, SbgK § 156 Rz 2, 41 f), legt sie nicht dar und leitet solcherart die behauptete rechtliche Konsequenz nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (RIS-Justiz
Davon abgesehen haben die Tatrichter ohnehin festgestellt, dass der L***** GmbH, die tatplangemäß nur als „Briefkastenfirma“ („Scheingesellschaft“) bestehen sollte und auch keinerlei „wirtschaftliche (Geschäfts-)Tätigkeiten“ entfaltete (US 13, 38), durch die inkriminierte Behebung der eingezahlten Hälfte des Stammkapitals ihr einziges Vermögen entzogen wurde, womit ihr keine Mittel zur Gläubigerbefriedigung zur Verfügung standen, und weiters
– wenn auch ohne konkrete Bezugnahme auf die schon zum Tatzeitpunkt offenen Verbindlichkeiten – hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass keine einzige aushaftende Forderung beglichen wurde (US 14, 29 f, 33 ff, 36).
Inwiefern es für die Verwirklichung des Tatbestands der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB auf die Fälligkeit bestehender Forderungen im Tatzeitpunkt ankommen soll, lässt die Beschwerde gleichfalls offen (Kirchbacher in WK² StGB § 156 Rz 5; RIS-Justiz RS0128145, RS0118270 [T4]).
Zur Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten S*****:
Auch die Mängelrüge dieser Beschwerdeführerin behauptet, dass die Urteilsannahmen zu einer Gläubigermehrheit im Tatzeitpunkt zufolge Unterbleibens einer Auseinandersetzung mit der Verantwortung des Angeklagten M***** zur Schuldenfreiheit der L***** GmbH unvollständig (Z 5 zweiter Fall) und weiters offenbar unzureichend (Z 5 vierter Fall) begründet wurden, lässt aber
– wie jene des Angeklagten M***** – die in Beantwortung dessen Beschwerde angeführten Urteilserwägungen (US 33 f) unberücksichtigt und verfehlt solcherart gleichfalls den Bezugspunkt des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes (RIS-Justiz RS0119370 [T1]).
Welcher über die – im Rechtsmittel sogar zitierten – diesbezüglichen Feststellungen (US 34; vgl auch US 29) hinausgehender Konstatierungen es „zu der Thematik, ob die L***** GmbH zum Tatzeitpunkt Schuldnerin von (welchen) Gläubigern gewesen wäre“, bedurft hätte, lässt die Rechtsrüge (Z 9 lit a) offen.
Mit ihrem Einwand, das Urteil enthalte keine Feststellungen zu einer effektiven Gläubigerschädigung und zu einer Anmeldung der Forderungen, die bereits zum relevanten Zeitpunkt der Vermögensverringerung bestanden, im Konkursverfahren der Gesellschaft, kann die Beschwerdeführerin ein weiteres Mal auf die obigen Ausführungen zum gleichlautenden Vorbringen des Angeklagten M***** verwiesen werden, weil auch sie bei ihrer Argumentation die Urteilsannahmen zur tatsächlich erfolgten Vermögensverringerung und zur subjektiven Tatseite (US 29, 33 f, 38) außer Acht lässt und nicht erklärt, weshalb das Fehlen der vermissten Konstatierungen dennoch Nichtigkeit aus Z 9 lit a begründen sollte.
Soweit die Beschwerde (nominell Z 9 lit a) in diesem Zusammenhang auf die Urteilsannahme, nach der die Angeklagte das für die Leistung der Stammeinlagen aufgenommene Darlehen im Anschluss an die inkriminierte Behebung vom Gesellschaftskonto an den „Geldverleiher“ zurückbezahlte (US 14, 35), sowie auf eine im Urteil wiedergegebene Passage aus der Verantwortung des Robert Sa***** (wonach die Notarkosten bei der L***** GmbH von Wolfgang B***** geleistet worden „wären“; US 35; vgl dagegen aber US 34) verweist und auf dieser Grundlage (ohne weitere Ausführungen) die Ansicht vertritt, diese „Feststellungen“ würden dagegen sprechen, dass „die betreffenden 'Gläubiger' keine Befriedigung ihrer Ansprüche erlangt haben“ und dass „im Tatzeitpunkt mehrere Gläubiger bestanden haben“, macht sie weder den nominell genannten noch einen anderen Nichtigkeitsgrund deutlich und bestimmt geltend.
Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i StPO).
Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122831European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0140OS00052.18F.0911.000Im RIS seit
11.10.2018Zuletzt aktualisiert am
11.10.2018