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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
BBetrG 1991 §1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer, den Senatspräsidenten Dr. Zeizinger, sowie die Hofräte Dr. Robl, Dr. Rosenmayr und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Paal, über die Beschwerde des EM (geboren am 11. Oktober 1957) in Wien, vertreten durch Dr. Martin Steininger, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Fadingerstraße 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 5. Juli 1994, Zl. Fr 1355/94, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich (der belangten Behörde) vom 5. Juli 1994 wurde der Beschwerdeführer gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 und Abs. 3 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen. Die belangte Behörde begründete den angefochtenen Bescheid damit, dass der Beschwerdeführer am 13. März 1994 legal im Besitz eines gültigen Sichtvermerkes nach Österreich eingereist sei und am 25. März 1994 einen Asylantrag eingebracht habe. Dieser sei mit Bescheid vom 29. März 1994 abgewiesen worden. Die Behörde erster Instanz habe die Ausweisung des Beschwerdeführers damit begründet, dass dieser für seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet nicht über ausreichende Barmittel verfüge, im Bundesgebiet keinen ordentlichen Wohnsitz habe und unterstandslos sei. Die gerechtfertigte Annahme einer Gefährdung maßgebender öffentlicher Interessen liege dann vor, wenn der Fremde den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen in der Lage sei. Wolle er diese Rechtsfolgen vermeiden, so liege es an ihm, von sich aus initiativ zu beweisen, dass er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Es seien sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG erfüllt. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erlassung einer Ausweisung vorlägen, so habe die Behörde diese Maßnahme zu treffen, "(e)in Ermessen ist ihr hiebei nicht eingeräumt".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit welcher die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften beantragt wird.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG können Fremde "im Interesse der öffentlichen Ordnung mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn sie ... innerhalb eines Monates nach der Einreise den Besitz der Mittel zu ihrem Unterhalt nicht nachzuweisen vermögen".
Im vorliegenden Fall ist aktenkundig, dass der Beschwerdeführer am 25. März 1994 bei einer behördlichen Einvernahme angegeben hat, "derzeit über 150,-- US $" zu verfügen. Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass er bei dieser - innerhalb eines Monats nach seiner Einreise erfolgten - Einvernahme den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachwies und bekämpft auch nicht die Ansicht der belangten Behörde, dass er den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht habe nachzuweisen vermocht. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken.
Der Beschwerdeführer erachtet den angefochtenen Bescheid jedoch insofern für rechtswidrig, als die belangte Behörde sich mit der Frage nicht auseinander gesetzt habe, ob die Ausweisung nach dem Einleitungssatz des § 17 Abs. 2 FrG im Interesse der öffentlichen Ordnung liege. Die Behörde habe entgegen § 17 Abs. 2 leg. cit. das Vorliegen eines Ermessensspielraumes bei der Erlassung einer Ausweisung aufgrund dieser Bestimmung ausdrücklich verneint. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Fremdengesetzes zu den §§ 17, 19 und 22 leg. cit. seien als Zielgruppe einer Ausweisung in erster Linie Fremde definiert, die in engem zeitlichen Zusammenhang als Kriminaltouristen oder Schwarzarbeiter in Erscheinung träten. Im Falle des Beschwerdeführers, der sich bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seit Juni 1994) in Bundesbetreuung befunden habe und zuvor von privater Seite mittels "Bestellung" von Unterkunft sowie mittels Sach- und Geldspenden unterstützt worden sei und dies auch ausdrücklich vorgebracht habe, seien die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 FrG jedoch nicht erfüllt.
Der Beschwerdeführer, der nach den Feststellungen der belangten Behörde rechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und dessen Asylverfahren zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht abgeschlossen war, hat in seiner Berufung vom 9. Mai 1994 angegeben, "von Freunden und Landsmännern in uneigennütziger Weise beherbergt und verpflegt" zu werden. Er bemühe sich bei der zuständigen Abteilung des Bundesministeriums für Inneres um die Aufnahme in die Bundesbetreuung. Seine Aufnahme in die Bundesbetreuung sei demnächst zu erwarten. Der Beschwerdeführer wurde nach Ausweis der Akten am 22. Juni 1994, somit vor Erlassung des angefochtenen Bescheides, tatsächlich in die Bundesbetreuung aufgenommen.
Bei Anwendung des § 17 Abs. 2 Fremdengesetz ist der Behörde nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Ermessen eingeräumt (vgl. das Erkenntnis vom 7. September 1995, Zl. 94/18/0694). Die Ermessensübung der Behörde hat sich davon leiten zu lassen, von welchem Gewicht die Störung der öffentlichen Ordnung ist. Lediglich in Fällen, in denen die öffentliche Ordnung (nur) geringfügig beeinträchtigt wird, wird im Lichte einer gesetzmäßigen Ermessensausübung von der Erlassung einer Ausweisung abzusehen sein (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. Februar 1998, Zl. 96/21/1025). Ein solcher Fall liegt hier vor. Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung vorgebracht, dass er aufgrund seines Ansuchens mit der Aufnahme in die Bundesbetreuung rechnen könne, und er war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides auch tatsächlich in die Bundesbetreuung aufgenommen. Die Ausweisung eines Asylwerbers, dessen Lebensbedarf aus Mitteln des Bundes nach den Vorschriften des Bundesbetreuungsgesetzes, BGBl. Nr. 405/1991, bestritten wird, durfte bei diesem Sachverhalt daher nicht als eine Maßnahme im Interesse der öffentlichen Ordnung angesehen werden (vgl. zur Unzulässigkeit einer auf § 17 Abs. 2 Z. 4 FrG gestützten Ausweisung von Fremden, die aus öffentlichen Mitteln Leistungen erhalten, das bereits genannte hg. Erkenntnis vom 27. März 1998, Zl. 95/21/0463; vgl. auch zu § 18 Abs. 2 Z. 7 FrG das hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1997, Zl. 96/21/0888). Hat der Gesetzgeber die Förderungswürdigkeit bestimmter Asylwerber während des Asylverfahrens anerkannt, so kann ihm nicht unterstellt werden, er hätte gleichzeitig gemäß § 17 Abs. 3 FrG die sofortige Beendigung von deren Aufenthalt als im Interesse der öffentlichen Ordnung geboten angeordnet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. September 1998, Zl. 95/21/1092).
Aus den angeführten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 23. November 1999
Schlagworte
Ermessen VwRallg8ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1994180840.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.04.2010