Entscheidungsdatum
13.08.2018Norm
BFA-VG §18 Abs2 Z1Spruch
W131 2111713-2/4E
TEILERKENNTNIS
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag Reinhard GRASBÖCK als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb XXXX, StA. Afghanistan gegen Spruchpunkt V. des Bescheids des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 29.06.2018, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:
A) In Stattgebung der Beschwerde wird Spruchpunkt V. des
angefochtenen Bescheids gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (= BFA) legte den
gegenständlichen Beschwerdeakt des Beschwerdeführers (= Bf) am
07.08.2018 vor, wobei die Rechtzeitigkeit der Beschwerde behördlich letztlich als unstrittig bezeichnet wurde.
Nach dem Akteninhalt wurde ein Antrag auf internationalen Schutz rechtskräftig abgewiesen und bestand bereits vor diesem nunmehr angefochtenen Bescheid eine andere Rückkehrentscheidung gegen den Bf.
2. Im angefochtenen Bescheid wurde in Spruchpunkt I. ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen, mit Spruchpunkt II. ein dreijähriges Einreiseverbot erlassen, mit Spruchpunkt III. die Zulässigkeit der Abschiebung nach Afghanistan festgestellt, mit Spruchpunkt IV. eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt und mit Spruchpunkt V. die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA - VG aberkannt.
3. Der Bf wendet sich in seiner Beschwerdeschrift, soweit hier gegenständlich, ausdrücklich auch gegen Aberkennung der aufschiebenden Wirkung. Mag - dies rechtlich vorwegnehmend - in der Beschwerde nicht sehr substantiierte Kritik an der behördlichen Entscheidung geübt und zB von "die BF" und "Serbien" gesprochen werden, so war der hier entscheidungsrelevante Sachverhalt insb bereits aus dem in Beschwerde gezogenen Bescheid amtswegig gemäß §§ 37 und 39 AVG iVm § 17 VwGVG erkennbar.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der vorstehende Verfahrensgang wird als entscheidungsrelevanter Sachverhalt festgestellt.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Bf nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheids, dort insb Seite 7, seit etwa einem Jahr im gemeinsamen Haushalt mit seiner unstrittig in Pakistan vor einem Mullah (und in Österreich offenbar zusätzlich vor dem Standesamt) angetrauten Frau lebt.
2. Beweiswürdigung:
Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem behördlich vorgelegten Aktenstand des BVwG.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht hier durch einen Einzelrichter und wendet dabei abseits von Sonderverfahrensvorschriften das VwGVG und das AVG als Verfahrensrecht an.
Zu A)
3.2. Zur Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung
3.2.1. § 18 BFA - VG lautet in den hier interessierenden Teilen:
Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde
§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn
[...]
Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.
(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn
1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,
2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder
3. Fluchtgefahr besteht.
[...]
(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.
(6) Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen.
(7) Die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG sind in den Fällen der Abs. 1 bis 6 nicht anwendbar.
3.2.2. Ein Verfahren über die Zu- bzw Aberkennung der aufschiebenden Wirkung dient als Provisiorialverfahren nach allgemeinen Grundsätzen nicht dazu, die Entscheidung in der Hauptsache vorwegzunehmen; es hat maW gegenständlich nicht den Zweck, betreffend die hier angefochtene Rückkehrentscheidung laut Spruchpunkt I. des Bescheids die Entscheidung über die diesbezügliche Beschwerde vorwegzunehmen.
In Anwendung jener Passagen des § 18 Abs 5 BFA - VG, die lauten:
"Das Bundesverwaltungsgericht hat [...] von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine [...] Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von [....], Art. 8 EMRK oder der [...] bedeuten würde ...", ist nunmehr auf das durch die Eheschließung des Bf mit seiner Gattin hier relevante Privat- und Familienleben des Bf hinzuweisen;
und ist damit weiters - ohne Vorwegnahme des Ergebnisses des Beschwerdeverfahrens gegen die mit dem hier angefochtenen Bescheid erlassene Rückkehrentscheidung - festzuhalten, dass das Privat- und insb Familienleben des Bf naheliegend in einem wesentlichen Bestandteil durch seine Ehe bestimmt sein wird.
Wenn der Gesetzgeber in § 18 Abs 5 BFA - VG anordnet, dass das BVwG zwingend die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen hat, wenn anzunehmen ist, dass die Abschiebung die reale Gefahr der Verletzung des Rechts des Bf (hier) auf sein Privat- und Familienleben gemäß § 8 EMRK bedeuten würde, trifft der Gesetzgeber die Wertentscheidung, dass bereits nach einer entsprechenden gerichtlichen Annahme, dass eine reale Gefahr einer insoweit rechtserheblichen Rechtsverletzung besteht, die aufschiebende Wirkung wieder zuzuerkennen ist. MaW reicht für die Rechtsfolge der Zuerkennung von aufschiebender Wirkung auf Tatbestandsebene die Annahme einer realen Rechtsverletzungsmöglichkeit.
Wenn der Bf daher nach dem Bescheidtext unstrittig jedenfalls seit einem Jahr durch Wohnungsgemeinschaft ein Familienleben mit seiner unstrittig angetrauten Gattin geführt hat, wird offenbar, dass eine Abschiebung vor rechtskräftiger Erledigung der Beschwerde gemäß § 55 AsylG eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte des Bf gemäß Art 8 EMRK bedeuten würde, zumal die Erlaubtheit des Eingriffs in dieses Familienleben, sprich die Rechtfertigung gemäß Art 8 Abs 2 EMRK, verursacht durch eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, teleologisch eben erst im Beschwerdeverfahren in der Hauptsache zu klären sein wird; und gerade nicht Entscheidungsdeterminante im gegenständlichen Provisorialverfahren sein kann. Da mangels bisheriger Ermittlungsmöglichkeiten in diesem Provisorialverfahren damit von der insoweit relevanten "anzunehmenden realen Gefahr der Verletzung des Art 8 EMRK" auszugehen war, war die aufschiebende Wirkung in Derogation der erstbehördlichen Aberkennung gemäß Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheids auszusprechen.
3.3. Verfahrensrechtlich ist vorerst festzuhalten, dass das BVwG gegenständlich verfahrensökonomisch gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 AVG nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut ausschließlich nach den Kriterien des § 18 Abs 5 BFA - VG zu entscheiden hatte. Da die hier ausgesprochene Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gegenteilig zur erstbehördlichen Aberkennung war, war der erstbehördliche Bescheidspruch zur gebotenen Klarheit der individuell konkreten Rechtslage aufzuheben - § 17 VwGVG iVm § 59 AVG.
Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zwecks Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte schließlich gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Der im vorliegenden Fall entscheidungsmaßgebliche Sachverhalt erscheint aus der Aktenlage geklärt.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
3.4. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, da die Rechtslage gemäß § 18 Abs 5 BFA - VG eindeutig ist und einzelfallspezifische Tatsachenfragen nicht revisibel sind.
Schlagworte
aufschiebende Wirkung, aufschiebende Wirkung - Entfall, Behebung derEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W131.2111713.2.00Zuletzt aktualisiert am
08.10.2018