Entscheidungsdatum
14.08.2018Norm
B-VG Art.133 Abs4Spruch
G311 2203052-1/2E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geboren am
XXXX, Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch RA Mag. Aida SLIJEPCEVIC, gegen den Bescheid des Bundesamtes für
Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018, Zahl XXXX:
A) In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid zur Gänze aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2018 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf drei Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Gemäß § 70 Abs. 3 FPG wurde kein Durchsetzungsaufschub erteilt. Einer Beschwerde gegen das Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes festgestellt, dass aufgrund einer Meldung der XXXX die Landespolizeidirektion XXXX Erhebungen durchgeführt habe. Im Zuge des Verfahrens habe der Verdacht der Scheinehe nicht entkräftet werden können. In der rechtlichen Beurteilung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ursprünglich zu Bildungszwecken in das Bundesgebiet eingereist sei, er weise einen adäquaten Studienerfolg auf. Er gehe einer legalen Beschäftigung als Arbeiter im Gastonomiebereich nach. Hinsichtlich der Versagung des Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde wurde in der rechtlichen Beurteilung wiederum ausgeführt, dass der Verdacht des Vorliegenes einer Aufenthaltsehe nicht entkräftet werden konnte.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.
Aus dem Verwaltungsakt ist Folgendes ersichtlich:
Es liegt zunächst ein Strafantrag der Finanzpolizei vom 03.08.2017 im Verwaltungsakt ein. Für die Beschäftigung des Beschwerdeführers bei der A. GmbH sei mit Bescheid vom 20.07.2017 für die Zeit von 24.07.2017 bis 23.07.2018 eine Beschäftigungsbewilligung erteilt worden. Für die Beschäftigung von 15.05.2017 bis 17.07.2017 sowie 21.07.2017 bis 23.07.2017 liege keine Bewilligung vor.
Aktenkundig ist ein Bericht der Landespolizeidirektion XXXX vom 12.10.2017, wonach nach Meldung des Amtes der XXXX Landesregierung - Magistratsabteilung XXXX hinsichtlich des Beschwerdeführers und seiner slowakischen Ehegattin der Verdacht der Aufenthaltsehe vorliege. Es sei eine Hauserhebung am 11.10.2017 durchgeführt worden. Dabei sei nur der Beschwerdeführer angetroffen worden, der angegeben habe, dass seine Gattin am Vortag in die Slowakei gefahren sei. Es sei Damenunterwäsche zum Trockenen aufgehängt gewesen und zwei Paar Damenschuhe sichtbar gewesen. Beim Doppelbett sei nur eine Hälfte hergerichtet gewesen. Er habe am Handy nur zwei Fotos mit der Gattin gespeichert, diese seien auch an der Wand gehängt.
Mit Verständnis vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 17.05.2018 wurde dem Beschwerdeführer mitgeteilt, dass sich durch die Erhebungen der Landespolizeidirektion XXXX der Verdacht des Vorliegens einer Scheinehe bestätigt habe.
Dazu nahm der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner rechtsfreundlichen Vertreterin vom 11.06.2018 Stellung. Das diesbezügliche Ermittlungsverfahren (unter Anführung der Geschäftszahl) sei von der Staatsanwaltschaft XXXX bereits 2017 eingestellt worden. Nach zahlreichen Ermittlungen und Befragungen durch die Magistratsabteilung XXXX sei dem Beschwerdeführer eine Aufenthaltskarte (Dokumentation eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes) Anfang Mai 2018 ausgestellt worden. Die Kopie der Aufenthaltskarte, ausgestellt am 30.04.2018, ist ebenfalls aktenkundig.
In weiterer Folge erging der nunmehr angefochtene Bescheid.
Dagegen wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Unter einem wurden die Kopien der Protokolle der niederschriftlichen Einvernahme der Gattin des Beschwerdeführers und des Beschwerdeführers selbst am 19.04.2018 vor der Magistratsabteilung XXXX vorgelegt.
Festzuhalten ist, dass nach dem vorliegenden Akteninhalt die belangte Behörde den Beschwerdeführer und seine Ehegattin nicht einvernommen hat. Es wurde ebensowenig in die betreffeden Akt der StaatsanwaltschaftXXXX und des Amtes der XXXX Landesregierung - Magistratsabteilung XXXX Einsicht genommen. Vielmehr hat die belangte Behörde ihre Entscheidung lediglich auf die Erhebungen durch die Landespolizeidirektion XXXX gestützt.
II. Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchteil A)
Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.
Ausführlich hat sich der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27.06.2018, Ra 2017/09/0031, insbesondere Rz 13 und 14 mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet:
" 13 Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden; eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterlassen hat, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 10.9.2014, Ra 2014/08/0005; 24.3.2015, Ra 2014/09/0043, 14.12.2015, Ra 2015/09/0057, und 20.2.2018, Ra 2017/20/0498, jeweils mwN).
14 Sind (lediglich) ergänzende Ermittlungen vorzunehmen, liegt die (ergänzende) Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht im Interesse der Raschheit im Sinn des § 28 Abs. 2 Z 2 erster Fall VwGVG, zumal diesbezüglich nicht bloß auf die voraussichtliche Dauer des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens alleine, sondern auf die Dauer des bis zur meritorischen Entscheidung insgesamt erforderlichen Verfahrens abzustellen ist. Nur mit dieser Sichtweise kann ein dem Ausbau des Rechtsschutzes im Sinn einer Verfahrensbeschleunigung Rechnung tragendes Ergebnis erzielt werden, führt doch die mit der verwaltungsgerichtlichen Kassation einer verwaltungsbehördlichen Entscheidung verbundene Eröffnung eines neuerlichen Rechtszugs gegen die abermalige verwaltungsbehördliche Entscheidung an ein Verwaltungsgericht insgesamt zu einer Verfahrensverlängerung (vgl. etwa das zit. Erkenntnis Ra 2017/20/0498, mwN)."
Die belangte Behörde hat sich in dem von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahren mit einem Erhebungsbericht der Landespolizeidirektion begnügt. Vor dem Hintergrund der Entscheidungen der Staatsanwalt und des Amtes der XXXX Landesregierung ist festzuhalten, dass die belangte Behörde bloß ansatzweise ermittelt hat. Unter diesen Gesichtspunkten leidet der angefochtene Bescheid unter erheblichen Ermittlungsmängeln. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wird daher im fortgesetzten Verfahren die genannten Beweise zu erheben und zu würdigen haben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat zum Durchsetzungsaufschub und zur aufschiebenden Wirkung ausgeführt, dass gesondert zu begründen ist, inwieweit die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers nach § 86 Abs. 3 FPG (Dursetzungsaufschub, Rechtslage vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) geboten sein soll. Die auf die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Bezug nehmenden Überlegungen, die schon bei der Entscheidung über die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes anzustellen sind, vermögen die Begründung für die Versagung eines Durchsetzungsaufschubes nicht zu ersetzen. Gleiches gilt für enthaltenen Überlegungen zum Ausschluss einer aufschiebenden Wirkung der Berufung, weil die aufschiebende Wirkung einer Berufung und die Gewährung eines einmonatigen Durchsetzungsaufschubes von ihren Zwecken und ihren Wirkungen her nicht vergleichbar sind (VwGH 21.11.2006, 2006/21/0171 mwN).
Eine derartige Begründung ist im angefochtenen Bescheid weder hinsichtlich des vorwerfbaren Verhaltens noch hinsichtlich Durchsetzungsaufschubes und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung enthalten.
Die Voraussetzungen des § 28 Abs. 2 VwGVG sind im gegenständlichen Beschwerdefall nicht gegeben. Da der maßgebliche Sachverhalt noch nicht feststeht, war in Gesamtbeurteilung der dargestellten Erwägungen der angefochtene Bescheid des Bundesamtes gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückzuverweisen.
Zu Spruchteil B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.
Schlagworte
Begründungsmangel, Begründungspflicht, Durchsetzungsaufschub,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G311.2203052.1.00Zuletzt aktualisiert am
11.10.2018