TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/14 G304 2202979-1

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Veröffentlicht am 14.08.2018
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Entscheidungsdatum

14.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

G304 2202979-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dietmar MAURER über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Tunesien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.07.2018,Zl. XXXX, und gegen die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 26.07.2018, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

II. Es wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA), Regionaldirektion Salzburg, von 24.07.2018, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 24.07.2018 um 16:00 Uhr, wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

2. Gegen diesen Bescheid und gegen die fortdauernde Anhaltung des BF in Schubhaft seit 26.07.2018 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 08.08.2018 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Identität des BF konnte nicht festgestellt werden. Die von ihm angeführte Identität (Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) wurde lediglich als Verfahrensidentität geführt. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Identitätsdokumente wurden nicht vorgelegt.

Der BF verfügt über kein gültiges Reisedokument und über keine Berechtigung zur Einreise in das österreichische Bundesgebiet und zum Aufenthalt in diesem.

1.2. Er wurde erstmals am 04.06.2018 in Österreich in einem Reisezug von den österreichischen Behörden aufgegriffen, als der BF auf dem Weg von Italien nach Deutschland war.

Von der zuständigen Regionaldirektion des BFA wurde ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eingeleitet und dem BF eine Verständigung zum Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt.

Tags darauf wurde der BF auf einem österreichischen Bahnhof erneut auf dem Weg nach Deutschland aufgegriffen.

Wegen noch offener Frist zur Abgabe einer Stellungnahme im anhängigen Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme wurde der BF nach einer Einvernahme mit schubhaftrelevanten Fragen wieder auf freien Fuß gesetzt.

Der BF wartete den Ausgang des in Österreich anhängigen Verfahrens jedoch nicht in Österreich ab, sondern reiste nach Deutschland aus.

Dort wurde er mit Urteil eines Amtsgerichts von Juni 2018 zu einer zweimonatigen Haftstrafe verurteilt. Der BF wurde wegen einer Zustimmungserklärung Österreichs zur Rückübernahme des BF vorzeitig aus seiner Haft entlassen.

Am 24.07.2018 wurde der BF von Deutschland nach Österreich überstellt.

Mit Mandatsbescheid vom 24.07.2018 wurde über den BF zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Tunesien zulässig ist, ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen, und der Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 26.07.2018 stellte der BF aus dem Stand der Schubhaft in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Aus einem EURODAC-Treffer geht eine erkennungsdienstliche Behandlung des BF in Italien am 22.04.2018 hervor, wobei die Zahl des EURODAC-Treffers mit "IT2" beginnt und daraus ersichtlich ist, dass der BF in Italien nur "angehalten" wurde, dort jedoch keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wofür ein EURODAC-Treffer mit einer die Ziffer 1 enthaltenden Zahl beginnend mit "IT1" vorgesehen ist.

Mit Aktenvermerk des BFA vom 26.07.2018 wurde dem BF mitgeteilt, dass die Schubhaft aufrecht gehalten werde und ein Konsultationsverfahren mit Italien eingeleitet worden sei.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Identität des BF war mangels gültiges Reisedokuments nicht feststellbar. Die im Spruch angeführte Identität (Namen und Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) beruht auf den von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffenen und in Beschwerde unbestritten gebliebenen Feststellungen.

2.3. Die Feststellung, dass gegen den BF mit Bescheid des BFA eine Rückkehrentscheidung und ein zweijähriges Einreiseverbot erlassen wurde, beruht auf den diesbezüglichen Angaben in gegenständlicher Beschwerde. Dass die Erlassung dieser aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde verbunden war und gegen diesen Bescheid des BFA - nach Beschwerdeerhebung gegen den Mandatsbescheid vom 08.08.2018 und die damit zusammenhängende Anhaltung des BF in Schubhaft - am 09.08.2018 bei der belangten Behörde Beschwerde eingebracht wurde, beruht auf einer diesbezüglichen Eintragung im Zentralen Fremdenregister.

2.4. Mit "Beschwerdevorlage" gab das BFA dem BVwG Folgendes bekannt:

"Zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft war nachweislich kein Dublinsachverhalt feststellbar und es erfolgte die richtige Grundlage des § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG."

Diesbezüglich ist festzuhalten, dass laut Angabe des BFA mit Beschwerdevorlage der belangten Behörde zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft noch kein Dublin - Sachverhalt bekannt war. Dafür spricht auch, dass dem BF erst nach Verhängung der Schubhaft über ihn mit Aktenvermerk vom 26.07.2018 die Einleitung eines Konsultationsverfahrens mit Italien mitgeteilt wurde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Das BVwG ist nach § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

3.2. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):

3.2.1. Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG),

BGBl. I Nr. 100/2005, lautet:

(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

2. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Die maßgeblichen Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180 vom 29.06.2013 S. 31 (im Folgenden: Dublin-VO), lauten:

"Artikel 2

Definitionen

Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung

a) [...]

b) ‚Antrag auf internationalen Schutz' einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des Artikels 2 Buchstabe h der Richtlinie 2011/95/EU;

c) ‚Antragsteller' einen Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, über den noch nicht endgültig entschieden wurde;

d) - m) [...]

n) ‚Fluchtgefahr' das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zu der Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte.

Artikel 28

Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

§ 28 Abs. 2 AsylG, worauf in gegenständlicher Beschwerde Bezug genommen wurde, lautet folgendermaßen:

"(2) Entscheidet das Bundesamt nicht binnen zwanzig Tagen nach Einbringen des Antrags auf internationalen Schutz, dass der Antrag zurückzuweisen ist, ist der Antrag zuzulassen, es sei denn es werden Konsultationen gemäß der Dublin - Verordnung oder eines Vertrages über die Zuständigkeit zur Prüfung eines Asylantrages oder eines Antrages auf internationalen Schutz geführt. Das Führen solcher Konsultationen ist dem Asylwerber innerhalb der 20-Tages-Frist mitzuteilen. Diesfalls gilt die 20-Tages-Frist nicht. (...)"

Im gegenständlichen Fall liegt die besondere Fallkonstellation vor, dass der BF aus dem Stand der Schubhaft am 26.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.

§ 76 Abs. 6 FPG sieht vor, dass im Falle einer Asylantragstellung während aufrechter Schubhaft diese weiterhin aufrecht zu halten ist, wenn der BF seinen Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt hat.

In gegenständlicher Beschwerde wurde vorgebracht, dass sich der angefochtene Schubhaftbescheid ab Bekanntwerden des besagten Dublin - Sachverhalts am 26.07.2018 auf eine unrichtige Rechtsgrundlage gestützt hat und nicht mehr zur Sicherung der Abschiebung nach Tunesien nach § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG sondern aufgrund des am 26.07.2018 bekannt gewordenen Dublin - Sachverhaltes nach § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG über den BF zu verhängen gewesen wäre.

In vorliegender Beschwerde wurde, Bezug nehmend auf § 76 Abs. 6 FPG, weiter ausgeführt:

"Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung bedarf es zur Aufrechterhaltung der Schubhaft des Bestehens einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme, welche mit Bescheid erlassen wurde, da nur ein solcher Bescheid vollstreckbar ist. Eine solche durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme liegt jedoch im Fall des BF nicht vor. (...)."

Der BF habe seinen Asylantrag in Schubhaft zudem nicht in Missbrauchsabsicht gestellt, weshalb sich die Fortsetzung des BF in Schubhaft nicht als zulässig erweise.

Mit Bescheid des BFA vom 24.07.2018 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Den Asylantrag vom 26.07.2018 stellte der BF jedenfalls erst nach Erlassung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme und nach Anordnung der Verhängung der Schubhaft über den BF, jeweils mit Bescheid vom 24.07.2018.

Dass der BF mit seiner Asylantragstellung während aufrechter Schubhaft eine Verzögerung der Vollstreckung der gegen den BF mit Bescheid vom 24.07.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung beabsichtigte, ergibt sich daraus, dass der BF nach seinem Aufgreifen im österreichischen Bundesgebiet am 04.06.2018 und nach daraufhin erfolgter Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme eine Asylantragstellung nicht für nötig hielt, sondern im Gegenteil nach Deutschland drängte, wo er mit einem Strafrechtsurteil von Juni 2018 zu einer unbedingten zweimonatigen Freiheitsstrafe verurteilt wurde und folglich nach Österreich rücküberstellt werden musste.

Sein wiederholter Versuch, sich in Österreich seinem laufendem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme durch eine Ausreise nach Deutschland zu entziehen, spricht jedenfalls für einen erhöhten Sicherungsbedarf nach Rücküberstellung am 24.07.2018 von Deutschland nach Österreich, berücksichtigt man zudem auch das seitens Deutschland im Schengener Informationssystem eingetragene - für den gesamten Schengen-Raum gültige "Einreise- /Aufenthaltsverbot".

Dem BF wurde mit Aktenvermerk vom 26.07.2018 mitgeteilt, dass die Schubhaft des BF aufrecht gehalten werde und mit Italien ein Konsultationsverfahren eingeleitet worden sei. Die Einleitung eines Konsultationsverfahrens mit Italien, wurde zwar, wie auch das BFA mit gegenständlicher Beschwerdevorlage angab, der Behörde jedenfalls nach Verhängung der Schubhaft bekannt, aus einem aktuell eingeholten Fremdenregisterauszug war jedoch bereits ein vor Anordnung der Schubhaft datierter EURODAC-Treffer zu einer Anhaltung des BF in Italien am 22.04.2018 ersichtlich.

Obwohl behördlichen Angaben zufolge der belangten Behörde erst am 26.07.2018 - somit nach Schubhaftanordnung bzw. Schubhaftverhängung - besagter Dublin-Sachverhalt bekannt wurde, steht fest, dass die in Österreich über den BF mit Bescheid vom 24.07.2018 verhängte Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und zur Sicherung der Abschiebung notwendig war, um einen zukünftigen illegalen Aufenthalt des BF im Schengen-Raum zu verhindern.

Der BF versuchte nach seinem erstmaligen Aufgreifen in Österreich am 04.06.2018 - ohne gültige Reisedokumente und Aufenthaltsberechtigung - und der daraufhin erfolgten Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, sich tags darauf diesem zu entziehen und nach Deutschland zu reisen, wobei er auf dem Weg nach Deutschland auf einem österreichischen Bahnhof von österreichischen Behörden aufgegriffen werden konnte.

Sein nächster Versuch nach Deutschland auszureisen gelang, woraufhin der BF nach einer Verurteilung dort im Juni 2018 nach Zustimmungserklärung Österreichs am 24.07.2018 von Deutschland nach Österreich rücküberstellt wurde.

Bereits durch die Einleitung eines Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist Österreich zuständig geworden, über den unrechtmäßigen Aufenthalt des BF in Österreich bzw. im Schengen-Raum zu entscheiden, weshalb das mit Italien eingeleitete Konsultationsverfahren jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hinfällig geworden ist.

Da zum Zeitpunkt der Rücküberstellung des BF von Deutschland nach Österreich am 24.07.2018 der belangten Behörde besagter Dublin - Sachverhalt mit einem anderen Mitgliedstaat nicht bekannt war, bestand jedenfalls erhöhter Sicherungsbedarf und die Notwendigkeit, über den BF zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Sicherung der Abschiebung über den BF die Schubhaft zu verhängen, war doch von einer bestehenden "Fluchtgefahr" iSv § 76 Abs. 3 Z. 1 und Z. 9 FPG auszugehen.

Der fremdenpolizeiliche Tatbestand nach § 76 Abs. 3 Z. 1 FPG ist erfüllt, konnte doch im gegenständlichen Fall nicht von einem Mitwirken des BF am Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgegangen werden, startete er BF nach Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme doch zwei Versuche, nach Deutschland auszureisen, wobei der BF beim ersten Versuch auf einem österreichischen Bahnhof wieder von österreichischen Behörden festgenommen werden konnte, und es dem BF beim zweiten Versuch gelang, nach Deutschland auszureisen, woraufhin der BF nach Zustimmungserklärung Österreichs zur Rückübernahme wieder nach Österreich rücküberstellt werden musste.

Es besteht bzw. bestand zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung am 24.07.2018 jedenfalls auch "Fluchtgefahr" nach § 76 Abs. 3 Z. 9 FPG, hat der BF in Österreich doch keine sozialen Anknüpfungspunkte und auch keine hinreichenden Existenzmittel.

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

Im gegenständlichen Fall bestand nicht nur ab Inschubhaftnahme des BF am 24.07.2018, sondern jedenfalls auch ab 26.07.2018, zu welchem Zeitpunkt der belangten Behörde offenbar ein Dublin - Sachverhalt bekannt geworden ist, wegen erhöhten Sicherungsbedarfs und einer nach § 76 Abs. 3 Z. 1 und Z. 9 FPG bestehenden Fluchtgefahr die Notwendigkeit einer fortgesetzten Anhaltung des BF in Schubhaft.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG kam zudem nicht in Betracht.

Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Abschiebung jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis bestanden hat. Es war somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die bisherige Anhaltung in Schubhaft bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Abschiebung entziehen würde, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.

3.3. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):

Den oben unter Punkt 3.2. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen:

Im gegenständlichen Fall wurde dem BF mit Erlassung des Bescheides des BFA am 24.07.2018, mit welchem gegen den BF eine Rückkehrentscheidung samt zweijährigem Einreiseverbot erlassen, die Abschiebung des BF nach Tunesien für zulässig erklärt und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, seine bevorstehende Abschiebung in seinen Herkunftsstaat bekannt.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände kann nunmehr von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen werden, zumal eine Rückführung (Abschiebung) in den zuständigen Aufnahmestaat zeitnah möglich ist und diese Tatsache dem BF auch bewusst wurde. Der Sicherungsbedarf wird zudem gerade dadurch verstärkt, dass der BF nunmehr davon in Kenntnis ist, demnächst in seinen Herkunftsstaat abgeschoben zu werden. Am 27.06.2018 wurde bereits um Ausstellung eines Heimreisezertifikates angesucht.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Abschiebung einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anhaltung des BF in Schubhaft die Durchführung der Abschiebung wahrscheinlich vereitelt oder wesentlich erschwert werden würde.

Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegenstehen würden, konnte mit Beschwerdevorbringen nicht substantiiert vorgebracht werden.

Die Anordnung eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG erweist sich im Hinblick auf die erhebliche Fluchtgefahr als nicht geeignet, um den erforderlichen Sicherungszweck (zeitnahe Durchführung der Abschiebung) zu erreichen.

Die fortgesetzte Anhaltung in Schubhaft ist daher gerechtfertigt.

Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Der Verfassungsgerichtshof hat (in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der Fassung bis 31.12.2013) unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 der Grundrechte-Charta der Europäischen Union (im Folgenden: GRC) ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11-18, U 1836/11-13).

Fest steht, dass auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu keinem anderen Ergebnis führen würde, steht doch aufgrund der Aktenlage der entscheidungsrelevante Sachverhalt - wiederholter Versuch des BF, durch Ausreise nach Deutschland seinem in Österreich anhängigen Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu entziehen und seine individuelle Situation - keine sozialen Anknüpfungspunkte in Österreich und keine hinreichenden Existenzmittel - bereits fest.

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt war aus der Aktenlage klar ersichtlich, weshalb gemäß § 21 Abs. 7 BFA VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte.

3.5. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlege Partei der zu leistende Aufwandersatz in der Gesamthöhe von EUR 426,20 aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

3.6. Zu Spruchpunkt B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Anhaltung, Antragsbegehren, Aufwandersatz, Fluchtgefahr, Fortsetzung
der Schubhaft, Gesamtbetrachtung, Kostentragung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, öffentliches Interesse, persönlicher Eindruck,
Schubhaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2202979.1.00

Zuletzt aktualisiert am

11.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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