TE Bvwg Beschluss 2018/8/17 W203 2129463-3

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Veröffentlicht am 17.08.2018
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Entscheidungsdatum

17.08.2018

Norm

AsylG 2005 §22 Abs10
B-VG Art.135 Abs4
B-VG Art.140 Abs1 Z1 lita
B-VG Art.89 Abs2

Spruch

W203 2129463-3/3Z

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gottfried Schlöglhofer aus Anlass der Vorlage des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. 1075021410/180653149, betreffend die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes gemäß §12a AsylG betreffend XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, beschlossen:

Das Bundesverwaltungsgericht stellt gemäß Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm Art. 89 Abs. 2 iVm Art. 135 Abs. 4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den

A n t r a g,

§ 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung

von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF

BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

§ 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz des Bundesgesetzes über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

und

§ 22 Abs. 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

in eventu

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

und

§ 22 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013

in eventu

§ 12a Abs. 2 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 70/2015,

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013,

und

§ 22 Abs. 1 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 68/2013

in eventu

§12a AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017,

§ 22 Abs. 10 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr.

68/2013,

und

§ 22 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl.I Nr. 68/2013,

als verfassungswidrig aufzuheben.

Text

BEGRÜNDUNG:

Bisheriger Verfahrensgang:

Der im Beschluss genannte Asylwerber stellte am 24.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.02.2017 wurde der Antrag des im Beschluss genannten Asylwerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunfststaat abgewiesen. Es wurde ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung zulässig ist.

Mit Erkennntis W250 2129463-2/4E des Bundesverwaltungsgerichts vom 17.11.2017 wurde die gegen den Bescheid vom 01.02.2017 erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass dem Beschwerdevorbringen, dem Beschweredeführer drohe aufgrund seiner Tätigkeit als Wachmann für ein afghanisches Bauunternehmen Lebensgefahr durch die Taliban, keine Glaubhaftigkeit zukomme.

Am 10.07.2018 stellte der im Beschluss genannte Asylwerber neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hob mit gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG mündlich verkündetem Bescheid vom 07.08.2018 den faktischen Abschiebeschutz nach § 12a Abs. 2 AsylG auf. Begründend wurde ausgeführt, dass der Asylwerber bei der Erstbefragung angegeben habe, dass er nach wie vor Probleme mit den Taliban und gegen diese gekämpft habe. Dies habe der Asylwerber auch bereits bei der "letzten Einvernahme" erwähnt. Es gebe keine Änderung der Fluchtgründe und der Asylwerber habe bereits alles im Vorverfahren angegeben. Mangels Änderung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts werde voraussichtlich eine Zurückweisung des Folgeantrages erfolgen.

Gefragt, ob er mit der Entscheidung einverstanden sei oder ob er Beschwerde gegen den Bescheid beim Bundesverwaltungsgericht erheben wolle, antwortete der Asylwerber wie folgt: "Nein, ich bin nicht einverstanden, ich erhebe Beschwerde. Zur Begründung verweise ich auf mein Anbringen von heute."

Einlangend am 14.08.2018 legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Verwaltungsakt mit einem als "Beschwerdevorlage" bezeichneten Schreiben dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde über das Einlangen des Verwaltungsaktes informiert.

Zum Antrag an den Verfassungsgerichtshof:

1. Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art. 89 iVm Art. 135 Abs. 4 iVm Art. 140 Abs. 1 Z 1 lit. a B-VG verpflichtet, an den Verfassungsgerichtshof den Antrag auf Aufhebung eines Gesetzes zu stellen, gegen dessen Anwendung es aus dem Grund der Verfassungswidrigkeit Bedenken hat.

2. Mit Beschluss des VwGH vom 03.05.2018, Zl. A 2018/0003-1 (Ra 2018/19/0010) hat der Gerichtshof Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit u.a. des § 22 BFA-VG gehegt und die Bestimmungen (sowie damit in Zusammenhang stehende Normen) dem Verfassungsgerichtshof zur Prüfung vorgelegt.

3. Zur Präjudizialität der angefochtenen Normen:

Das BVwG hat im gegenständlichen Verfahren die Bestimmungen der §§ 12, 12a und 22 Abs. 10 AsylG sowie des § 22 BFA-VG anzuwenden. Diese lauten wie folgt:

"Faktischer Abschiebeschutz

§ 12. (1) Ein Fremder, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, kann, außer in den Fällen des § 12a, bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder nach einer Einstellung bis zu dem Zeitpunkt, an dem eine Fortsetzung des Verfahrens gemäß § 24 Abs. 2 nicht mehr zulässig ist, weder zurückgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben werden (faktischer Abschiebeschutz); § 32 bleibt unberührt. Sein Aufenthalt im Bundesgebiet ist zulässig. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt. § 16 Abs. 4 BFA-VG gilt.

(2) Der Aufenthalt eines Fremden, der einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat und dem kein Aufenthaltsrecht zukommt, ist für die Dauer des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt lediglich im Gebiet der Bezirksverwaltungsbehörde, in dem sich sein Aufenthaltsort im Sinne des § 15 Abs. 1 Z 4 befindet, zulässig. Darüber hinaus ist sein Aufenthalt im gesamten Bundesgebiet zulässig, wenn und solange dies

1. zur Erfüllung von gesetzlichen Pflichten notwendig ist;

2. notwendig ist, um Ladungen von Gerichten, Staatsanwaltschaften und Verwaltungsbehörden Folge zu leisten oder

3. für die Inanspruchnahme einer medizinischen Versorgung und Behandlung notwendig ist.

Nach Abschluss des Zulassungsverfahrens vor dem Bundesamt ist der Aufenthalt des Fremden, solange ihm faktischer Abschiebeschutz zukommt, im gesamten Bundesgebiet zulässig.

(3) Der Aufenthalt gemäß Abs. 1 und 2 stellt kein Aufenthaltsrecht gemäß § 13 dar.

Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird,

oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

(4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

(5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

(6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

[...]

Entscheidungen

§ 22. (1) [...]

[...]

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden."

§ 22 BFA-VG sieht vor:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

4. Hinsichtlich der näheren Begründung der Präjudizialität wird auf die Ausführungen des Beschlusses des VwGH vom 03.05.2018, Zl. A 2018/0003-1 (Ra 2018/19/0010) verwiesen.

Das BVwG teilt die im genannten Beschluss dargelegten Bedenken und stellt daher seinerseits einen Antrag an den VfGH auf Prüfung der im Spruch angeführten Normen.

5. Zur Begründung der Bedenken wird abermals auf die Begründung des Beschlusses des VwGH vom 03.05.2018, Zl. A 2018/0003-1 (Ra 2018/19/0010) verwiesen. Hier die wesentlichen Argumente:

Nach § 22 Abs. 10 dritter und vierter Satz AsylG 2005 sind die Verwaltungsakten nach Erlassung eines Bescheides über die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes unverzüglich dem Bundesverwaltungsgericht zur Überprüfung nach § 22 BFA-VG zu übermitteln; diese Übermittlung gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Das Vorliegen einer von der betroffenen Person erhobenen Beschwerde ist somit nach dem Gesetz für die Einleitung des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht als Voraussetzung festgelegt. Vielmehr ist aus der gesetzlichen Anordnung ableitbar, dass eine Beschwerdeerhebung durch die betroffene Person unzulässig ist.

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ergibt sich aus der Anordnung des Art. 130 B-VG, wonach einem Verwaltungsgericht nur Zuständigkeiten hinsichtlich der Entscheidung über "Beschwerden" übertragen werden dürfen, dass Art. 130 B-VG ein amtswegiges Tätigwerden des Verwaltungsgerichtes ausschließt, ein entsprechendes Kontrollobjekt vorliegen muss, und eine erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes nicht begründet werden darf.

Der VwGH hegt das Bedenken, dass mit den im vorliegenden Antrag angefochtenen Regelungen gegen Art. 130 B-VG verstoßen wird, weil es dem einfachen Gesetzgeber nach dieser Bestimmung nicht freistehen dürfte, ein Verwaltungshandeln (im vorliegenden Fall: die Übermittlung von Akten), mit dem gerade nicht die Behauptung verbunden ist, der von der Behörde erlassene Bescheid wäre rechtswidrig, von Gesetzes wegen zur "Beschwerde" an das Verwaltungsgericht zu erklären. Damit dürfte nach Auffassung des VwGH entgegen Art. 130 B-VG ein amtswegiges Tätigwerden des Verwaltungsgerichtes festgelegt worden sein.

Mit dem gesetzlich normierten Vorgehen der Behörde, die eben nicht behauptet, ihr Bescheid wäre rechtswidrig, strebt sie - vergleichbar mit einer an das Verwaltungsgericht gerichteten Antragstellung - allein die Bestätigung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Vorgehens durch das Verwaltungsgericht an. Dies führt letztlich auch zum Bedenken, dass eine - nach Art. 130 B-VG ebenfalls unzulässige - erstinstanzliche Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtes geschaffen wurde; insbesondere weil es aufgrund der angefochtenen Bestimmungen denkunmöglich ist, dass jener Bescheid, mit dem der faktische Abschiebeschutz aberkannt wurde und der von Gesetzes wegen mit der Aktenübermittlung ausnahmslos immer als in Beschwerde gezogen gilt, jemals in Rechtskraft erwachsen kann.

6. Das Bundesverwaltungsgericht schließt sich den dargestellten Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes an und stellt daher den gegenständlichen Antrag.

Schlagworte

Antragsbegehren, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht
rechtmäßig, Gesetzesprüfung, Rechtsanschauung des VwGH,
Rechtswidrigkeit, Überprüfung, VfGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W203.2129463.3.00

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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