TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/21 W154 2170328-1

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Veröffentlicht am 21.08.2018
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Entscheidungsdatum

21.08.2018

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z1
FPG §76 Abs3 Satz1
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W154 2170328-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie Flüchtlingsdienst, gegen den Bescheid des Bundesamtes für

Fremdenwesen und Asyl vom 21.08.2017, Zahl: 122600801/170871718, zu

Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG, § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG und § 76 Abs. 3 erster Satz FPG stattgegeben und der Schubhaftbescheid ersatzlos aufgehoben.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Infolge einer rechtskräftigen Verurteilung durch ein inländisches Gericht erließ die Landespolizeidirektion Wien mit Bescheid vom 19.04.2013, Zahl 1038020/FrB/13, gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von acht Jahren befristetes Aufenthaltsverbot. Dieses ist seit 03.10.2013 durchsetzbar.

Nachdem der Beschwerdeführer am 11.04.2016 die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise genutzt hatte, kehrte er unerlaubt in das österreichische Bundesgebiet zurück, wo er wegen des dringenden Verdachtes des Suchtgifthandels am 18.07.2017 erneut festgenommen wurde. In weiterer Folge wurde mit Beschluss des zuständigen Landesgerichtes vom 20.07.2017 wegen §§ 28 Abs. 1, 28a Abs. 2 Z 1 Suchtmittelgesetz gegen den Beschwerdeführer die Untersuchungshaft verhängt.

Mit Schriftsatz vom 25.07.2017 (zugestellt am 28.07.2017) übermittelte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) dem Beschwerdeführer die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme über die beabsichtigte Verhängung der Schubhaft und gewährte ihm Parteiengehör.

In der am 10.08.2017 beim Bundesamt eingelangten diesbezüglichen Stellungnahme brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, dass er Ende April 2016 mit dem Auto über Ungarn nach Österreich eingereist sei, weil sein Lebensmittelpunkt hier wäre. Er lebe seit dem zehnten Lebensjahr im Bundesgebiet, habe eine Schulausbildung und Lehre abgeschlossen sowie meistens gearbeitet. Zudem hätte er große Sehnsucht nach Familie und Freunden gehabt und fühle sich im Bosnien und Herzegowina wie ein Ausländer. Als Kind habe er den Krieg in Bosnien miterlebt und nach der Rückkehr Albträume und Angstzustände bekommen. Seit 1991 sei er nicht mehr dort gewesen, habe in Österreich einen Daueraufenthalt gehabt und spreche besser Deutsch als Bosnisch. Zudem lebe seine gesamte Familie hier. Der Beschwerdeführer sei bosnischer Staatsangehöriger, seine Schwester hier verheiratet, österreichische Staatsbürgerin und habe zwei Kinder. Sie und seine Eltern hätten jeweils eine konkrete, näher genannte, Wohnanschrift in Wien. Der Beschwerdeführer selbst habe keine Adresse in Bosnien. Ca. zweimal monatlich habe er als Kellner bei verschiedenen Veranstaltungen gearbeitet und jeweils € 70 bis 100 verdient, zudem sei er von seiner Familie unterstützt worden. Es liege keine Kranken- und Unfallversicherung vor. Gelebt habe der Beschwerdeführer in Wien bei seinen Eltern, wo er regulär gemeldet gewesen sei. In seinem Heimatland werde er nicht strafrechtlich oder politisch verfolgt.

Im Stande der Untersuchungshaft erließ die belangte Behörde am 21.08.2017 den gegenständlichen Schubhaftbescheid zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung. Gemäß Spruchpunkt I des bekämpften Bescheides treten dessen Rechtsfolgen nach der Entlassung des Beschwerdeführers aus der Gerichtshaft ein. Die Fluchtgefahr des Beschwerdeführers begründete das Bundesamt im Wesentlichen damit, dass dieser trotz einer durchsetzbaren und rechtskräftigen Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem befristeten Einreiseverbot und einer freiwilligen Ausreise erneut in das Bundesgebiet zurückgekehrt sei. Zudem sei er in Österreich bereits mehrmals massiv straffällig gewesen und habe sich nunmehr über einen langen Zeitraum illegal im Bundesgebiet aufgehalten. Daher bestehe die Gefahr, dass er bei Entlassung wieder unerlaubt Unterkunft nehme und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkomme. Da der genaue Zeitpunkt der Entlassung des Beschwerdeführers sich der Kenntnis der Behörde entziehe, jedoch ein massives öffentliches Interesse an dessen Außerlandesbringung bestehe, erweise sich die gegenständliche Bescheiderlassung als notwendig, geeignet und verhältnismäßig.

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 BFA-VG ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.

Gegen diesen Schubhaftbescheid erhob der Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und beantragte Kostenersatz.

In der mit der Beschwerdevorlage vom 12.09.2017 übermittelten Stellungnahme erklärte das Bundesamt im Wesentlichen, dass kein Entlassungszeitpunkt bekannt sei, weil der Beschwerdeführer nach wie vor in Untersuchungshaft angehalten werde. Aus diesem Grunde könne die Behörde nicht anders agieren, als einen ordentlichen Schubhaftbescheid zu erlassen, zumal eine Beendigung der Untersuchungshaft jederzeit mittels Beschluss erfolgen könne. Der Sicherungsbedarf bezüglich das Beschwerdeführers stehe nach Dafürhalten der Behörde außer Diskussion und liege jedenfalls in einer solchen Intensität vor, dass gelindere Mittel keinesfalls als ausreichend zur Erlangung des angestrebten Zweckes bezeichnet werden könnten. Zudem beantragte die belangte Behörde Kostenersatz.

Am 05.10.2017 reichte das Bundesamt dem Bundesverwaltungsgericht unter anderem die dort am 12.09.2017 eingelangte Strafkarte des Beschwerdeführers nach. Demnach ist dieser mit Rechtskraft vom 04.09.2017 zu einer unbedingten Freiheitsstrafe im Ausmaß von einem Jahr verurteilt worden, wobei auf fünf Verurteilungen, die wegen einer auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden strafbaren Handlung ergangen waren, Bedacht genommen wurde. Als Entlassungsdatum ist der 08.09.2018 vorgesehen. In einem Nachtrag zur Stellungnahme vom 12.09.2017 führte das Bundesamt nunmehr an, dass der Beschwerdeführer über kein Reisedokument verfüge. Sollte ein solches nicht noch im Verfahren vorgelegt werden, bedürfe es eines Heimreisezertifikates. Dieses könne erst dann beantragt werden, wenn das Entlassungsdatum bekannt sei und ein Flug durch die Behörde organisiert werden könne.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Entscheidungsgrundlagen:

* gegenständliche Aktenlage

Würdigung der Entscheidungsgrundlage:

Obiger einleitend festgestellter Sachverhalt und Verfahrensgang ergeben sich unzweifelhaft aus der Aktenlage; er ist unstrittig - der Beschwerdeführer hat ihn auch nicht in Zweifel gezogen. Die Verwaltungsbehörde erließ den gegenständlichen Schubhaftbescheid offensichtlich unter dem Eindruck einer jederzeit möglichen Beendigung der Untersuchungshaft - siehe weiter rechtliche Beurteilung.

Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden

1. gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit;

2. gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit;

3. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde;

4. gegen Weisungen gemäß Art. 81a Abs. 4.

Gemäß § 9 Abs. 2 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

§ 7 Abs. 1 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr 87/2012, lautet:

(1) Das Bundesverwaltungsgericht entscheidet über

1. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes,

2. Beschwerden gegen Bescheide der Vertretungsbehörden gemäß dem 11. Hauptstück des FPG,

3. Beschwerden gegen Maßnahmen unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt gemäß dem 1. Hauptstück des 2. Teiles des BFA-VG und gemäß dem 7. und 8. Hauptstück des FPG,

4. Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht des Bundesamtes und

5. Beschwerden gegen Bescheide des Bundesministers für Inneres in Verfahren gemäß §§ 3 Abs. 2 Z 1 bis 6 und 4 Abs. 1 Z 1 und 2

Gemäß § 7 Abs. 2 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Verwaltungsgerichtshof einer Revision oder der Verfassungsgerichtshof einer Beschwerde gegen ein Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes gemäß Abs. 1 stattgegeben hat.

Für das gegenständliche Verfahren ist sohin das Bundesverwaltungsgericht zuständig.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. (Schubhaftbescheid):

§22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) lautet auszugsweise wie folgt:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

§22a BFA-VG bildet sohin im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage.

Materielle Rechtsgrundlage:

Darauf aufbauend wiederum folgende innerstaatliche Normen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, welche auszugsweise lauten:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

[...]

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

[...]

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

[...]

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

§ 80. (1) Das Bundesamt ist verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert. Die Schubhaft darf so lange aufrechterhalten werden, bis der Grund für ihre Anordnung weggefallen ist oder ihr Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Da die Verhängung von Schubhaft nach ständiger Rechtsprechung des VwGH nur "ultima ratio" sein kann, ist die Behörde für den Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden angehalten, ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann (vgl. VwGH 15.10.2015, Ro 2015/21/0026 mit Verweis auf E vom 25.04.2014, 2013/21/0209).

Gemäß § 30 Abs 5 BFA-VG haben die Strafvollzugsanstalten und die gerichtlichen Gefangenenhäuser den Antritt und das Ende einer Freiheitsstrafe von Fremden dem Bundesamt mitzuteilen. Das voraussichtliche Strafende wurde mit 08.09.2018 terminisiert.

Auch bekräftigte der Verwaltungsgerichtshof, dass "die Verhängung von Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung im Anschluss an eine Strafhaft regelmäßig als unverhältnismäßig zu qualifizieren ist, wenn die Fremdenpolizeibehörde (das BFA) auch zum absehbaren Ende einer Strafhaft hin mit der (versuchten) Beschaffung eines Heimreisezertifikats untätig bleibt. [...] Eine sich aus den Umständen des Einzelfalles ergebende andere Sicht wäre nachvollziehbar zu begründen (Hinweis E 25. April 2014, 2013/21/0209)." (VwGH 15,10.2015, Ro 2015/21/0026)

Vor dem Hintergrund der der Verwaltungsbehörde vorschwebenden Befürchtung einer jederzeitigen Beendigung der Untersuchungshaft erscheint die Erlassung des Schubhaftbescheides in unmittelbarer Nähe des Verhandlungstermines (in Strafsachen) vom 04.09.2017 nicht als unbegründet und auch nicht als unverhältnismäßig, gemessen eben an der angeführten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Trotzdem war der Bescheid aus der Rechtsordnung herauszunehmen, also ersatzlos zu beheben, da ein Jahr vor dem nun feststehenden Haftende am 08.09.2018 keine ausreichende abschließende Prognose über das Bestehen von (erheblicher) Fluchtgefahr abgegeben werden konnte.

In diesem Sinne konnten daher die in § 76 Abs. 3 1. Satz FPG normierten "bestimmten Tatsachen", mit Zeithorizont von einem Jahr zum Zeitpunkt der Erlassung des Schubhaftbescheides nicht in dem Ausmaß angenommen werden, welche "die Annahme erheblicher Fluchtgefahr rechtfertigen" würden, sodass in diesem Sinne dem aktuellen Schubhaftbescheid die Tatsachengrundlagen entzogen sind.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchpunkt II. (Kostenbegehren):

Beide Parteien begehrten den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da der Beschwerdeführer vollständig obsiegte, steht ihm nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz seiner Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie der oben dargelegten rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt I. zu entnehmen ist, warf die Tatsachenlastigkeit des gegenständlichen Falles keine Auslegungsprobleme der anzuwendenden Normen auf, schon gar nicht waren - vor dem Hintergrund der bereits bestehenden Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Bescheiderlassung, Kostenersatz, Rechtswidrigkeit,
Schubhaftbeschwerde, Strafhaft, Zeitpunkt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W154.2170328.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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