TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/24 98/01/0605

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Veröffentlicht am 24.11.1999
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Index

20/09 Internationales Privatrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §13;
AsylG 1997 §25 Abs1;
FlKonv Art12;
IPRG §53;
IPRG §9;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 98/01/0606 98/01/0607 98/01/0608 98/01/0610

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerden 1. des MM, geboren am 21. Oktober 1983, 2. des XM, geboren am 12. Dezember 1979, 3. des SM, geboren am 3. November 1981, 4. des YM, geboren am 18. August 1986, und 5. der RM, geboren am 15. Juli 1952, alle in A, die erst-, die dritt-, und die viertbeschwerdeführende Partei vertreten durch die fünftbeschwerdeführende Partei, alle vertreten durch Mag. Dr. Helmut Blum, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Mozartstraße 11, gegen die Bescheide des unabhängigen Bundesasylsenates je vom 2. September 1998, Zl. 204.826/0-III/09/98 (ad 1), Zl. 204.824/0-III/09/98 (ad 2), Zl. 204.825/0-III/09/98 (ad 3), Zl. 204.823/0-III/09/98 (ad 4) und Zl. 204.816/0-III/09/98 (ad 5), betreffend Erstreckung von Asyl (ad 1 bis 4) und Zurückweisung eines Asylantrages (ad 5), (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die die erstbeschwerdeführende Partei und die dritt- bis fünftbeschwerdeführenden Parteien betreffenden Bescheide werden jeweils wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.

Die Beschwerde der zweitbeschwerdeführenden Partei wird als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat der erstbeschwerdeführenden Partei und den drittbis fünftbeschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von jeweils S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die zweitbeschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer sind Staatsbürger der Bundesrepublik Jugoslawien, haben Anfang Juli 1998 ihr Heimatland verlassen und sind am 20. Juli 1998 (der Drittbeschwerdeführer am 4. August 1998) in das Bundesgebiet eingereist.

Mit den im Instanzenzug ergangenen Bescheiden jeweils vom 2. September 1998 hat der unabhängige Bundesasylsenat den Asylantrag der Fünftbeschwerdeführerin gemäß § 4 Abs. 1 AsylG (idF vor der Novelle BGBl. I Nr. 4/1999) als unzulässig zurückgewiesen und die Anträge ihrer Kinder, des Erst- bis Viertbeschwerdeführers, auf Erstreckung des Asyls gemäß §§ 10 und 11 AsylG abgewiesen. Im Fall der Fünftbeschwerdeführerin begründete die belangte Behörde ihren Bescheid im Ergebnis damit, dass die über Ungarn in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführerin dort Schutz vor Verfolgung finden könne; die Abweisung der Erstreckungsanträge des Erst- bis Viertbeschwerdeführers begründete die belangte Behörde damit, dass ihrer Mutter, der Fünftbeschwerdeführerin, kein Asyl gewährt worden sei, sodass es an der für eine Asylerstreckung in § 10 Abs. 1 AsylG geforderten Voraussetzung fehle.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden, auf Grund ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbundenen Beschwerden, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Bescheid betreffend die Fünftbeschwerdeführerin gleicht im Fehlen einer näheren Auseinandersetzung mit der ungarischen Rechtslage zum Punkt "Aufenthaltsberechtigung während des Asylverfahrens" (§ 4 Abs. 2 AsylG) jenem, der dem hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, zugrunde lag. Gemäß § 43 Abs. 2 VwGG wird daher auf die Begründung jenes Erkenntnisses verwiesen. Aus den dort angeführten Gründen war auch hier der die Fünftbeschwerdeführerin betreffende Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Gemäß § 42 Abs. 3 VwGG tritt durch die Aufhebung des fünftangefochtenen Bescheides die Rechtssache in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung dieses Bescheides befunden hatte.

Für die an den Asylantrag der Fünftbeschwerdeführerin anknüpfenden Erstreckungsanträge - ihre Zulässigkeit vorausgesetzt - folgt daraus, dass mit der rechtskräftigen Erledigung dieser Anträge bis zur rechtskräftigen Erledigung des durch die Aufhebung des den Asylantrag der Fünftbeschwerdeführerin zurückweisenden Bescheides wieder offenen Verfahrens über den Hauptantrag zuzuwarten ist und die Erstreckungswerber in dem genannten Verfahren die ihnen durch § 11 Abs. 2 erster Satz AsylG eingeräumte Parteistellung zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zlen. 99/01/0163 bis 0165, mwN.).

Gemäß § 10 Abs. 2 zweiter Satz AsylG sind Asylerstreckungsanträge nur für Eltern eines Minderjährigen oder für Ehegatten und minderjährige unverheiratete Kinder zulässig; für Ehegatten überdies nur dann, wenn die Ehe spätestens innerhalb eines Jahres nach der Einreise des Fremden geschlossen wird, der den Asylantrag eingebracht hat.

Dass die an den Asylantrag ihrer Mutter anknüpfenden Erstreckungsanträge des Erst-, des Dritt- und des Viertbeschwerdeführers den eben genannten Zulässigkeitsvoraussetzungen entsprechen, bedarf keiner weiteren Erörterung; die unstrittig unverheirateten, 1983, 1981 bzw. 1986 geborenen Beschwerdeführer waren nämlich bei Bescheiderlassung (am 4. September 1998) - und auch bei Beschwerdeerhebung - in jedem Fall minderjährig, unabhängig davon, ob für die Beurteilung dieser Frage ihr Heimatrecht (gemäß Art. 15 des serbischen Gesetzes über die Ehe und die Familienbeziehungen vom 22. April 1980 idF vom 30. Mai 1994 wird die Volljährigkeit mit dem vollendeten

18. Lebensjahr erworben; vgl. Bergmann/Ferid/Henrich, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Jugoslawien, 42) oder österreichisches Recht herangezogen wird. Auch die den Erst-, den Dritt- und den Viertbeschwerdeführer betreffenden Bescheide waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufzuheben.

Einer näheren Betrachtung unter dem Blickwinkel der Zulässigkeitsvoraussetzung der Minderjährigkeit ist hingegen der Asylerstreckungsantrag des - nach dem Beschwerdevorbringen und den Ausführungen im bekämpften Bescheid am 12. Dezember 1979 geborenen - Zweitbeschwerdeführers zuzuführen. Dabei ist zunächst klarzustellen, dass die Beantwortung der Frage nach dem für die Beurteilung der Minderjährigkeit maßgeblichen Recht im gegebenen Zusammenhang nicht anhand der Vorschrift des § 25 AsylG (zu deren Regelungsinhalt vgl. näher das hg. Erkenntnis vom 16. September 1999, Zl. 99/01/0175) erfolgen kann. Bei der genannten Bestimmung handelt es sich nämlich, wie nach ihrem Wortlaut und ihrer Einordnung im mit "Verfahren" übertitelten vierten Abschnitt des AsylG unschwer erkennbar, um eine rein verfahrensrechtliche Norm, die einzig die Handlungsfähigkeit (Prozessfähigkeit) im Asylverfahren regelt, die jedoch keine Rückschlüsse auf andere Regelungsbereiche (im Besonderen auf das Verständnis des Begriffs "minderjährig" als Tatbestandselement der Asylerstreckung) zulässt. Zu § 13 Asylgesetz 1991, der Vorgängerbestimmung des § 25 AsylG, haben das die Erläuterungen zur Regierungsvorlage (270 BlgNR 18. GP, 18) ausdrücklich festgehalten; demnach ergebe sich aus dem Wortlaut dieser Bestimmung eindeutig, dass diese Regelung ausschließlich für das Asylverfahren gelte, während für alle anderen Rechtsbereiche die einschlägigen Regelungen des IPR-Gesetzes und des ABGB unberührt blieben. Die dabei insbesondere ins Treffen geführte Wortfolge "Verfahren nach diesem Bundesgesetz" findet sich wortgleich in § 25 Abs. 1 AsylG.

Auch für die neue Rechtslage kann daher nichts anderes gelten.

     Die genannten "einschlägigen Regelungen des IPR-Gesetzes"

(im Folgenden: IPRG) haben folgenden Wortlaut:

     "Statutenwechsel

§ 7. Die nachträgliche Änderung der für die Anknüpfung an eine bestimmte Rechtsordnung maßgebenden Voraussetzungen hat auf bereits vollendete Tatbestände keinen Einfluss.

Personalstatut einer natürlichen Person

§ 9. (1) Das Personalstatut einer natürlichen Person ist das Recht des Staates, dem die Person angehört. Hat eine Person neben einer fremden Staatsangehörigkeit auch die österreichische Staatsbürgerschaft, so ist diese maßgebend. Für andere Mehrstaater ist die Staatsangehörigkeit des Staates maßgebend, zu dem die stärkste Beziehung besteht.

(2) Ist eine Person staatenlos oder kann ihre Staatsangehörigkeit nicht geklärt werden, so ist ihr Personalstatut das Recht des Staates, in dem sie den gewöhnlichen Aufenthalt hat.

(3) Das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwer wiegenden Gründen abgebrochen sind, ist das Recht des Staates, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5) ist unbeachtlich.

Rechts - und Handlungsfähigkeit

§ 12. Die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person sind nach deren Personalstatut zu beurteilen.

§ 53. Bestimmungen zwischenstaatlicher Vereinbarungen werden durch dieses Bundesgesetz nicht berührt."

Als zwischenstaatliche Vereinbarung im Sinn des eben zitierten § 53 IPRG ist hier die Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) zu beachten. Ihr Art. 12 lautet wie folgt:

"Personenrechtliche Stellung

1. Die personenrechtliche Stellung eines Flüchtlings wird vom Gesetz seines Wohnsitzlandes oder, wenn er keinen Wohnsitz hat, vom Gesetz seines Aufenthaltslandes bestimmt.

2. Rechte, die von einem Flüchtling vorher erworben wurden und die auf der personenrechtlichen Stellung beruhen, insbesondere solche Rechte, die sich aus einer Verehelichung ergeben, sollen von den vertragschließenden Staaten anerkannt werden, vorausgesetzt, dass die nach der Gesetzgebung des betreffenden Staates allfällig vorgesehenen Formalitäten erfüllt worden sind. Voraussetzung ist weiters, dass es sich bei diesen Rechten um solche handelt, die von der Gesetzgebung des betreffenden Staates auch anerkannt werden würden, wenn die in Frage stehende Person nicht Flüchtling wäre."

Die letztgenannte Bestimmung findet indes nur auf Flüchtlinge nach der GFK Anwendung. Für den Zweitbeschwerdeführer, der keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht und "nur" einen Asylerstreckungsantrag gestellt hat, bleiben daher die vorzitierten Bestimmungen des IPRG maßgeblich. Dessen § 12 knüpft bezüglich der Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person (und damit auch bezüglich der Frage der Volljährigkeit; vgl. die Erläuterungen zur Regierungsvorlage 784 BlgNR 14. GP, 26) an deren Personalstatut an. Dieses war für den Zweitbeschwerdeführer gemäß § 9 Abs. 1 IPRG jedenfalls bis zum Verlassen seines Heimatlandes Anfang Juli 1998 zunächst unzweifelhaft das Recht der Bundesrepublik Jugoslawien, während es seit seinem Aufenthalt in Österreich ab 20. Juli 1998 möglicherweise (wenn seine Beziehungen zu seinem Heimatstaat Jugoslawien gemäß § 9 Abs. 3 IPRG aus - gemessen an der Position eines Flüchtlings - "vergleichbar schwer wiegenden Gründen abgebrochen sind") das österreichische Recht ist. Im letzteren Fall käme § 7 IPRG zur Anwendung, welche Bestimmung in concreto die nach jugoslawischem Recht - siehe oben - bereits mit Vollendung des 18. Lebensjahres und damit am 12. Dezember 1997 eingetretene Volljährigkeit des Zweitbeschwerdeführers unberührt lässt (vgl. abermals die Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu § 12 IPRG). Ohne dass die Frage abschließend geklärt werden müsste, welches Recht nunmehr das Personalstatut des Zweitbeschwerdeführers darstellt, gilt er mithin in jedem Fall (schon bezogen auf den 20. Juli 1998, den Tag der Einbringung seines Asylerstreckungsantrages) als volljährig, sei es kraft unmittelbarer Geltung des Heimatrechts oder "mittelbar" im Wege des § 7 IPRG.

Im Ergebnis wäre der Asylerstreckungsantrag des Zweitbeschwerdeführers daher richtig als unzulässig zurückzuweisen gewesen. Dass er demgegenüber von der belangten Behörde als unbegründet abgewiesen wurde, hat den Zweitbeschwerdeführer nicht in Rechten verletzt, zumal die Rechtskraft der Abweisung (ebenso wie die Rechtskraft eines Zurückweisungsbescheides) einem künftigen Asylerstreckungsantrag aus anderen Gründen (z.B. aus dem Grunde der Ehegatteneigenschaft des Zweitbeschwerdeführers) nicht entgegensteht. Die Beschwerde des Zweitbeschwerdeführers war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 24. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1998010605.X00

Im RIS seit

03.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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