TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/27 W124 2200759-1

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Veröffentlicht am 27.08.2018
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Entscheidungsdatum

27.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W124 2200759-1/4Z

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. FELSEISEN über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 8, 57, 10 Abs. 1 Z 3 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides Folge gegeben und dieser gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF, iVm § 53 Abs. 1 und Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, ersatzlos behoben.

III. Gemäß § 55 Abs. 1 und Abs. 2 FPG 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF beträgt die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in der Folge: BF) stellte nach seiner unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet am XXXX vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.1 Zu seiner Person gab der Beschwerdeführer im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ der LPD Niederösterreich an, er sei indischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Rajputen an und sei Religionsangehöriger der Sikh. In Indien habe er im Dorf XXXX ( XXXX ) gelebt. Er habe 5 Jahre Grundschule absolviert und sei Taxifahrer. In Indien würden seine Eltern, seine Ehefrau, sein Sohn, seine Tochter und seine Geschwister leben.

1.2 Am XXXX sei er von XXXX mit einem LKW nach Delhi gefahren, habe einen Schlepper kennenglernt und sei mit dessen Hilfe am XXXX mit einem Flugzeug nach Moskau ausgereist. Der Schlepper habe ihm einen Reisepass verschafft und ihm diesen in Moskau wieder abgenommen. Von dort aus sei er mit verschiedenen LKWs in mehreren Etappen nach Österreich gefahren und dort erstmals am XXXX eingereist.

1.3 Zu seinen Fluchtgründen führte er im Wesentlichen aus, eine Frau und mehrere Männer seien als Passagiere in seinem "Motordreiradtaxi" mitgefahren, wobei zwei der Männer die Frau sexuell belästigt hätten. Die Frau habe später allerdings gegen den BF Anzeige wegen sexueller Belästigung erstattet.

Die Frau sei Mitglied der Congress Partei gewesen, während der BF Anhänger der Alkali Dal Partei gewesen sei. Sie habe versucht ihn zu erpressen, indem diese ihre Anzeige gegen den BF zurückziehen würde, wenn er ihr Geld bezahle. Aufgrund dieser Anzeige sei er von der Polizei gesucht und verfolgt worden.

1.4 Bei einer Rückkehr nach Indien fürchte er um sein Leben. Konkrete Hinweise, dass ihn unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe bei der Rückkehr drohen würden, gebe es nach seinen Angaben nicht. Auch Sanktionen würde er bei einer Rückkehr nicht erwarten.

2. Am XXXX wurde dem BF das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien persönlich vorgelegt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von 3 Tagen oder im Rahmen seiner Einvernahme vor dem BFA Stellung zu beziehen. Der BF nutzte die Möglichkeit einer Stellungnahme jedoch nicht.

3. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF vom Bundesamt gemäß § 29 Abs. 3 AsylG 2005 mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, und gem. § 29 Abs. 4 AsylG 2005 eine Rechtsberatung stattfinden werde. Mit einer weiteren Verfahrensanordnung vom XXXX wurde er darauf hingewiesen, dass er gem. § 52a Abs. 2 BFA-VG verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch bis zum XXXX in Anspruch zu nehmen, da eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen worden sei.

4.1 Im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: Bundesamt bzw. belangte Behörde) am XXXX brachte der BF vor, bei der Erstbefragung seien ihm die Protokolle nicht rückübersetzt worden. Er habe nicht gewusst, was er mit seiner Unterschrift bestätigen würde. Daraufhin wurden ihm die Fragen 11., 11.1., und 11.2 des Protokolls der Erstbefragung samt Antworten erneut übersetzt. Konkret handelte es sich um die Fragen, warum er sein Land verlassen habe, was er bei einer Rückkehr dorthin zu befürchten habe und ob es konkrete Hinweise gebe, dass ihm bei einer Rückkehr nach Indien unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe drohe bzw. ob er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen hätte. Er brachte dazu vor, es sei nicht protokolliert worden, dass er anlässlich der Anzeige gegen ihn von der Polizei festgenommen worden sei. Am selben Tag habe es ein Gespräch zwischen ihm, der Polizei und den Dorfältesten gegeben. Es habe eine Einigung erzielt werden können, weshalb er von der Polizei entlassen worden sei.

4.2 Zu seiner Ausreise gab er an, er sei am XXXX nach XXXX gereist und habe dort Kontakt mit einem Schlepper aufgenommen, der ihm am XXXX die Ausreise aus Indien ermöglicht habe. Am XXXX sei er in Österreich eingereist. Einen Reisepass habe er nie besessen.

4.3 Zu seinen Fluchtgründen befragt, führte der BF im Wesentlichen aus, dass er wegen eines Vorfalls mit einer Frau namens XXXX einmal für einen Tag ins Gefängnis habe müssen. Hintergrund sei gewesen, dass am XXXX am Abend Männer und eine Frau in sein Taxi eingestiegen seien. Dabei sei die Frau von den betrunkenen Männern belästigt worden, wobei der BF die Männer darauf hingewiesen habe, dass sie so etwas nicht tun dürften und damit aufhören sollten.

In der Folge habe diese Frau gegen den BF Anzeige erstattet und ihm vorgeworfen, dass er ihr Schmuck gestohlen habe. Am XXXX sei der BF von der Polizei festgenommen und auf ein Kommissariat gebracht worden. Die Dorfältesten hätten sich am Kommissariat für ihn eingesetzt, woraufhin ein "Versöhnungsschreiben" erstellt worden sei. Er habe sich darin verpflichtet, der Frau 10.000 bis 15.000 Rupien zu bezahlen. Die Beteiligung der Polizei sollte damit ebenfalls abgegolten werden. Die Zahlung dieses Betrags hätten die Dorfältesten übernommen. Dennoch sei der BF weiter von der Frau erpresst worden. Sie sei mit den Polizisten zum BF nach Hause gekommen bzw. hätten diese den BF mit dem Auto aufgehalten und ihn bedroht. Die Polizei habe behauptet, dass die Frau aussagen würde, dass sie der BF vergewaltigt habe, wenn er ihnen kein Geld geben würde. Andernfalls würde es für ihn noch schlechter ausgehen. In der Folge seien immer wieder solche Drohungen gekommen. Auch mit dem Tod sei ihm gedroht worden. Es habe sich immer um die gleichen drei Polizisten gehandelt, die entweder zu zweit oder zu dritt gegen ihn vorgegangen seien.

Die Frau habe er bereits von mehreren früheren Taxifahrten gekannt. Im Rahmen dieser Fahrten hätten die beiden auch über ihre Parteizugehörigkeit gesprochen. Die Hintermänner der Congress Partei hätten den gesamten Vorfall veranlasst. Mitglieder dieser Partei hätten auch am Versöhnungsgespräch in der Polizeistation teilgenommen.

Die Dorfältesten hätten ihm nur in diesem einen Fall geholfen, da auch sie von den Polizisten bedroht worden seien. An eine andere Polizeistation habe sich der BF nicht gewandt, da er nicht so lange Zeit gehabt hätte und er um sein Leben gefürchtet habe. Aus demselben Grund sei er auch nicht in einen anderen Landesteil von Indien geflohen. Ein offizieller Haftbefehl gegen ihn bestehe nicht.

Als er in XXXX gewesen sei, habe er Kontakt mit seiner Familie gehabt und habe erfahren, dass seine Frau und seine Kinder das gemeinsame Haus verlassen hätten. Wo sie sich nunmehr aufhalten, wisse er jedoch nicht.

In Österreich befinde er sich in der Grundversorgung, habe keine Verwandten und lebe auch nicht mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Gemeinschaft. Er habe in Österreich keine Kurse oder Ausbildungen absolviert, spreche nicht Deutsch und sei auch nicht berufstätig.

4.4 Verfahrensrelevante Dokumente oder Beweismittel habe er nicht. Er könne lediglich Kontakt zu seinen Kindern aufnehmen, um sich das Versöhnungsschreiben nachsenden zu lassen. Es sei aber nicht absehbar, wie lange dies dauern würde.

4.5 Der BF nahm keine Einsicht in die schriftlichen Feststellungen zu Indien samt den darin enthaltenen Quellen, da er nach eigenen Angaben nicht lesen könne.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung nach § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG unter einem festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise und wurde der Beschwerde gegen die Entscheidungen gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Gleichzeitig wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG ein auf 2 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.).

In der Begründung führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der BF zunächst angegeben habe, dass die Frau manchmal mit Polizisten zum BF nach Hause gekommen wäre, manchmal sie ihn auch bei einer Taxifahrt angehalten und er von den Polizisten und der Frau bedroht worden sei. Im weiteren Verlauf habe der BF schließlich angegeben, dass die Polizei die Frau angestiftet habe den BF anzurufen und diesen zu drohen. Letzen Endes sei er mit dem Umbringen bedroht worden, falls er das Geld nicht bezahlen würde und er daraufhin das Land verlassen habe. Ein Haftbefehl würde gegen den BF nicht bestehen.

Für das BFA sei nicht nachvollziehbar, dass die Dorfältesten eine Einigung für den BF erzielen hätten können und auch einen Geldbetrag für den BF entrichtet hätten, jedoch etwa zwei Wochen später angeblich eine neuerliche Geldforderung an den BF gerichtet worden sein soll

Der BF versucht dies mit der Zugehörigkeit der Akali Dal Partei zu rechtfertigen. Die Frau, die den BF anzeigen habe wollen und versucht hätte den BF zu erpressen, habe der Congress Partei angehört. Vor dem BFA habe der BF allerdings selbst angegeben lediglich ein Wähler Akali Dal Partei gewesen zu sein und keinerlei sonstige Funktionen ausgeübt zu haben. Für das BFA sei daher nicht nachvollziehbar, welche Motivation die Congress Partei haben hätten sollen den BF zu erpressen oder mit dem Umbringen zu bedrohen. Hintermänner der Congress-Partei hätten den Angaben des BF nach den ganzen Vorfall veranlasst.

Des weiteres habe der BF vor dem BFA keinerlei Angaben über einen Fortgang der angeblichen Bedrohungen durch die Polizei oder sonstigen Behörden gemacht, nachdem der BF sein Heimatdorf verlassen habe. Vielmehr habe der BF angegeben sich einige Zeit in XXXX aufgehalten zu haben ohne jemals Schwierigkeiten gehabt zu haben. Für das Bundesamt sei daher vom Vorliegen einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass es in Indien kein geordnetes Meldewesen geben würde. Der BF habe nicht glaubhaft begründen könne, wie dieser in einer anderen Stadt in Indien gefunden werden hätte können.

Hinsichtlich der Feststellungen zur Situation im Fall der Rückkehr des BF sind keine Umstände bekannt, dass der BF in Indien zur Zeit einer Gefährdungslage im Sinne des Art 2 und 3 EMRK ausgesetzt sei oder eine derartige humanitäre Katastrophe vorherrschen würde, dass das Überleben sämtlicher dort lebender Menschen mangels Nahrung und Wohnraum tatsächlich in Frage gestellt wären.

Was das wirtschaftliche Existenzminimum betreffen würde, sei anzumerken, dass es sich beim BF um einen gesunden und arbeitsfähigen Mann handeln würde.

Es sei daher zusammenfasend jedenfalls davon auszugehen, dass der BF im Falle der Rückkehr in den Herkunftsstaat in der Lage sein werde, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht über anfängliche Schwierigkeiten hinaus in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten würde.

Es bestehe kein Behandlungsbedarf wegen einer lebensbedrohenden Erkrankung und würde der BF gesund sein und keine Behandlungsmethoden oder sonstige medizinische Betreuung benötigen, welche in Österreich und Indien nicht vorhanden sein würde.

Betreffend den Feststellungen zum Privat-, und Familienleben des BF wurde ausgeführt, dass die gesamte Familie des BF nach wie vor in Indien leben und er in Österreich über keinerlei familiäre oder verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte verfügen würde.

Bezüglich den Gründen zur Erlassung des Einreiseverbotes wurde im Wesentlichen ausgeführt, das die behauptete Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entsprechen würde. Der BF habe den Antrag auf internationalen Schutz offensichtlich unbegründet und missbräuchlich gestellt. Der Antrag habe ausschließlich dazu gedient ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht zu erwirken. Dass der BF nicht in der Lage sei die Mittel für seinen Unterhalt nachzuweisen, würde sich aus dem Akteninhalt und dem Umstand ergeben, dass der BF seinen Lebensunterhalt in Österreich ausschließlich aus Unterstützungsleistungen bestreiten würde.

Rechtlich wurde zu Spruchpunkt I. ausgeführt, dass der BF, wie in der Beweiswürdigung ausführlich dargelegt wurde, keine Verfolgung i. S.d. GFK glaubhaft machen haben können und somit auch nicht festgestellt werden haben können.

Zu Spruchpunkt II. wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF gesund und im arbeitsfähigen Alter sei. Es sei davon auszugehen, dass er sich im Falle einer Rückkehr eine neue Existenz aufbauen könne und ihm keinesfalls die völlige Entziehung seiner Existenzgrundlage drohen würde. Auch auf Grundlage der Länderfeststellungen sei jedenfalls anzunehmen, dass seine existenziellen Grundbedürfnisse, so wie auch vor seiner Ausreise, aus eigener Kraft durch selbständige Arbeit sichern könne. Zudem verfüge der BF über familiäre Anknüpfungspunkte und verfüge über eine ausreichende Schulbildung. Des weiteres habe er in seinem Heimatland bereits gearbeitet. Es seid daher davon auszugehen, dass der BF im Falle seiner Rückkehr wieder Fuß fassen könne.

Somit sei davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat in diesem Zusammenhang keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention drohe.

Des weiteres sei den Länderfeststellungen zu entnehmen, dass der Herkunftsstaat weder in einen internationalen noch in einen innerstaatlichen Konflikt verwickelt sei, sodass für ihn als Zivilperson im Falle einer Rückkehr auch keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bestehen würde.

Hinsichtlich der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt III.) wurde unter Berücksichtigung der Aufenthaltsdauer auf das Erkenntnis des VfGH vom 06.03.2008, B 2400/07-9 verwiesen. Demnach gehe die Aufenthaltsdauer nicht über die Vergleichsentscheidung des VfGH hinaus. Es hätten sich im Verfahren auch keine Hinweise auf vorliegende und besonders gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich ergeben. Die Rückkehrentscheidung stelle daher keinen Eingriff in das in Art 8 EMRK gewährleistetes Recht auf Achtung des Privatlebens dar.

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 AsylG wurde dem Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dem Antrag auf internationalen Schutz sei keine Aussicht auf Erfolg beschieden und drohe dem BF auch keine sonstige reale und menschenrechtsrelevante Gefahr im Herkunftsstaat. Es sei dem BF zumutbar den Ausgang des Asylverfahrens im Herkunftsstaat abzuwarten.

Gemäß § 55 Abs. 1 a FPG bestehe im Falle einer durchführbaren Entscheidung auf Grund eines Verfahrens gemäß § 18 BFA-VG keine Frist für die freiwillige Ausreise. Daher sei im Fall des BF von einer Erteilung der Frist abzusehen gewesen. (Spruchpunkt IV.).

Das zweijährige Einreiseverbot begründete das Bundesamt zunächst damit, dass der BF nicht in der Lage sei, die Mittel für seinen Unterhalt aus Eigenem nachzuweisen. Sein Unterhalt sei lediglich durch die Grundversorgung gesichert. Dieser Bezug sei nicht geeignet, die in § 53 Abs. 2 Z 6 FPG vorzuhaltende Mittellosigkeit zu entkräften. Aus einer systematischen Interpretation der Gesetze ergebe sich, dass EWR Bürger, welche nicht in der Lage seien, die Mittel für ihren Unterhalt nachzuweisen und beispielsweise Mindestsicherung beziehen, Gefahr liefen, nach § 66 FPG aus dem Bundesgebiet ausgewiesen zu werden. Aufgrund des Gebotes zur Gleichbehandlung von Fremden könne der Bezug von staatlichen Leistungen daher keinen Nachweis von ausreichenden Existenzmitteln darstellen. Der BF sei weder derzeit noch zukünftig in der Lage seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft zu bestreiten, da er mangels eines Aufenthaltsrechtes keiner legalen Beschäftigung nachgehen werde können.

Als weiteren Grund für die Erlassung eines Einreiseverbotes führte das Bundesamt an, der Antrag des BF auf internationalen Schutz sei unbegründet und missbräuchlich. Die Stellung solcher Anträge würde eine Gefahr der öffentlichen Ordnung und Sicherheit darstellen, da das Asylsystem hierdurch blockiert werde. Es seien daher spezial- und generalpräventive Erwägungen zu treffen. Zudem verwies das Bundesamt auf die VwGH-Judikatur, wonach öffentliches Interesse daran bestehe, eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß aufgrund ihrer Asylantragstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll.

Darüber hinaus beweise die missbräuchliche Antragstellung, dass der BF nicht bereit sei, sich rechtskonform und den gesellschaftlichen Regeln entsprechend zu verhalten. Da er schon nach so kurzer Zeit in Österreich sich den Regeln nicht unterwerfe, könne eine Zukunftsprognose nur negativ ausfallen.

6. Mit Verfahrensanordnung vom XXXX wurde dem BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem BVwG beigegeben.

7. In der gegen diese Entscheidung fristgerecht erhobenen Beschwerde vom XXXX wurde der Bescheid vom BF, vertreten durch den XXXX , hinsichtlich sämtlicher Spruchpunkte angefochten und die Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtige Feststellungen sowie eine unrichtige rechtliche Beurteilung geltend gemacht.

7.1 Zur mangelhaften Beweiswürdigung führte der BF aus, das Bundesamt habe in tendenziöser Weise lediglich einzelne Aussagen des BF gewürdigt. Der Bildungsgrad, die Belastung durch traumatische Erlebnisse sowie die Unübersichtlichkeit der Ereignisse im Rahmen der Verfolgung seien nicht berücksichtigt worden. Widersprüche zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme vor dem Bundesamt habe der BF selbst aufdecken können. Er habe logisch und konsistent seine Fluchtgründe dargestellt und habe auch darlegen können, dass die Verfolgungshandlungen bis zur Flucht angedauert hätten. Aus seinem Überleben könne nicht rückgeschlossen werden, dass gegen ihn keine Verfolgungshandlungen gesetzt worden seien.

7.2 Zudem sei von der belangten Behörde zu untersuchen gewesen, ob die indischen Behörden dem BF gegenüber schutzunwillig oder schutzunfähig seien. Das pauschale Urteil, in Indien gäbe es immer und für jeden eine innerstaatliche Fluchtalternative sei unzutreffend. Darin liege ein wesentlicher Begründungsmangel.

7.3 Die Frage der allfälligen Gewährung subsidiären Schutzes sei nur rudimentär behandelt und die Bewertung der Gefährdung bei einer Rückkehr falsch vorgenommen worden. Für den Fall einer Abschiebung bestehe aufgrund der katastrophalen Sicherheitslage in Indien die reale Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung des Beschwerdeführers. Zudem habe er kein Auffangnetz in seiner Heimat und würde bei einer Rückkehr in eine ausweglose Lage geraten. Auch die Behandlung des Privat- und Familienlebens des BF sei unzureichend erfolgt, weshalb seine Rückkehr gegen Art. 2, 3 und 8 EMRK verstoßen würde.

7.4 Weiters führte er aus, die Erlassung des Einreiseverbotes sei unrechtmäßig, da der BF keine Gefahr der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstelle. Auch die Dauer von zwei Jahren sei nicht adäquat begründet worden.

7.5 Das Ermittlungsverfahren sei mangelhaft erfolgt, da der belangten Behörde ausreichend Material vorliegen müsse, aus welcher die Verfolgungssituation erkennbar sei. Eine Untersuchung der konkreten Situation des BF sei jedoch nicht erfolgt. Daher sei eine korrekte rechtliche Auseinandersetzung mit seinem Vorbringen nicht möglich gewesen.

8. Die Beschwerdevorlage langte am XXXX beim BVwG ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des BVwG zugewiesen.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom XXXX wurde Spruchpunkt IV. gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 18 Abs. 1 Z 5 BFA-VG ersatzlos behoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers

Der BF ist indischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Rajputen an und ist Religionsangehöriger der Sikh. Er stammt aus dem Dorf XXXX ( XXXX ). Seine Ehefrau, seine beiden Kinder, seine Eltern und seine Geschwister leben in Indien.

Der BF ist gesund, arbeitsfähig und in der Lage, im Herkunftsstaat seinen notwendigen Unterhalt zu sichern. Er verfügt über eine fünfjährige Schulbildung, arbeitete zuletzt selbständig als Taxifahrer in XXXX und hat daher dementsprechende Berufserfahrung. Der BF hat in Österreich bzw. der EU keine Familienangehörigen und verfügt über keine Deutschkenntnisse. Er ist strafgerichtlich unbescholten. Über eigene Barmittel oder andere finanzielle Unterstützung verfügt er nicht. Seinen Lebensunterhalt bestreitet er mit den Mitteln aus der Grundversorgung.

1.2 Zu den Fluchtgründen des BF

Es kann nicht festgestellt, dass der BF von einer Frau namens XXXX , welche Mitglied der Congress Partei ist, angezeigt und daraufhin von ihr oder der Polizei erpresst, verfolgt und bedroht wurde. Die Gründe des BF für das Verlassen seines Herkunftsstaates können ebenfalls nicht festgestellt werden. Das Bestehen einer Verfolgung des BF aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität oder der Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe oder zu einer sozialen Gruppe von staatlicher Seite oder von privaten Dritten konnte nicht festgestellt werden. Anhaltspunkte für die Annahme einer außergewöhnlichen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, sozialer und beruflicher Sicht liegen bestehen nicht.

Es kann zudem nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Indien in seinem Recht auf Leben gefährdet wird, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen oder von der Todesstrafe bedroht wird oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde.

2. Zur Lage im Herkunftsstaat

Zur Situation im Herkunftsstaat wird von den, dem BF im Rahmen der Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme am XXXX übermittelten aktuellen Länderfeststelllungen ausgegangen. Aus dem aktuellen Länderinformationsblatt ergibt sich, dass sich die Situation im Herkunftsland insofern seit dem Zeitpunkt der angefochtenen Entscheidung in den gegenständlich relevanten Punkten nicht entscheidungswesentlich verändert hat.

a. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 11.4.2017: Acht Tote und über 200 Verletzten bei Demonstrationen bei Wahl in Srinagar, Kaschmir (Abschnitt 1/Relevant für Abschnitt 3.1)

Im Zuge einer Nachwahl zur Besetzung eines freien Sitzes im indischen Unterhaus, kam es am Sonntag, dem 9.4.2017, in Srinagar, Kaschmir, zu Zusammenstößen zwischen separatistischen, die Wahl boykottierenden Demonstranten und den indischen Sicherheitskräften. Während des Konflikts wurden acht Demonstranten getötet und über 200 Personen, Demonstranten und Sicherheitsbeamte, verletzt (Reuters 10.4.2017).

Am Montag den 10.4.2017 verhängte die indische Polizei eine Ausgangssperre für die Bevölkerung mehrerer Gebiete Kaschmirs, errichtete Straßensperren und schränkte den Verkehr ein (Reuters 10.4.2017).

Die Wahlbeteiligung lag bei nur 7% (Times of India 11.4.2017). Eine zweite Nachwahl, ursprünglich geplant für den 12.4.2017 in Anantnag, wurde in Anbetracht der aktuellen Lage auf den 25.5.2017 verschoben (Reuters 10.4.2017).

Indien beschuldigt Pakistan die Separatisten zu unterstützen, was in Islamabad bestritten wird (Reuters 10.4.2017).

Bei einem weiteren Vorfall am Montag sind vier mutmaßliche Kämpfer erschossen worden, als sie versuchten die umstrittene Grenze von Pakistan kommend, in der Nähe des Keran-Sektors zu infiltrieren (Reuters 10.4.2017).

Da sich seit der Tötung des einflussreichen Separatistenkämpfers Burhan Wani im Juli 2016, die Spannungen in der Region erhöht haben (BBC 10.4.2017), und es seither in Kaschmir wiederholt zu gewalttätigen Protesten kam, in deren Verlauf bisher 84 Zivilisten getötet und über 12.000 Zivilisten und Sicherheitskräfte verletzt wurden (Reuters 10.4.2017), sind vorsorglich etwa 20.000 zusätzliche indische Truppen in die Region entsandt worden (BBC 10.4.2017).

Quellen:

-

BBC (10.4.2017): Kashmir violence: Eight killed in clashes during by-election, http://bbc.in/2oo04gV, Zugriff 11.4.2017

b. Politische Lage

Indien ist mit über 1,2 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 12.12.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016, BBC 27.9.2016). Die - auch sprachliche - Vielfalt Indiens wird auch in seinem föderalen politischen System reflektiert, in welchem die Macht von der Zentralregierung und den Bundesstaaten geteilt wird (BBC 27.9.2016). Die Zentralregierung hat deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten (AA 9.2016a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 13.4.2016). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 9.2016a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 16.8.2016), der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 9.2016a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 16.8.2016). Das oberste Gericht in New Delhi steht an der Spitze der Judikative (GIZ 11.2016). Die Entscheidungen der staatlichen Verwaltung (Bürokratie, Militär, Polizei) unterliegen überdies der Kontrolle durch die freie Presse des Landes, die nicht nur in den landesweiten Amtssprachen Hindi und Englisch, sondern auch in vielen der Regionalsprachen publiziert wird. Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 9.2016a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 13.4.2016). Die Legislative besteht aus einer Volkskammer (Lok Sabha) und einer Staatenkammer (Rajya Sabha). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 16.8.2016).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 13.4.2016). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2012 ist Präsident Pranab Kumar Mukherjee indisches Staatsoberhaupt (AA 9.2016a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 11.2016).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 16.8.2016). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die so genannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Abgesehen von kleineren Störungen, verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 16.8.2016).

Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis NDA (AA 16.8.2016), mit der hindu-nationalistischen BJP (AA 9.2016a) als stärkster Partei (282 Sitze), den Kongress an der Regierung ab (AA 16.8.2016). Die seit 2004 regierende Kongress-geführte Koalition unter Manmohan Singh erlitt hingegen große Verluste, womit Sonia Gandhi und Sohn Rahul nun auf die Oppositionsbank rücken (Eurasisches Magazin 24.5.2014; vgl. auch:

FAZ 16.5.2014, GIZ 11.2016). Die AAP, die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang landesweit nun nur vier Sitze (GIZ 11.2016; vgl. auch: FAZ 16.5.2014). Der BJP Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt (AA 16.8.2016) und steht seit 16.5.2014 (GIZ 11.2016) einem 65-köpfigen Kabinett vor (AA 16.8.2016).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 12.2016).

Unter Premierminister Modi betreibt Indien eine aktivere Außenpolitik als zuvor. Die frühere Strategie der "strategischen Autonomie" wird zunehmend durch eine Politik "multipler Partnerschaften" mit allen wichtigen Ländern in der Welt überlagert. Wichtigstes Ziel der indischen Außenpolitik ist die Schaffung eines friedlichen und stabilen globalen Umfelds für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes und die Profilierung als aufstrebende Großmacht (AA 9.2016b). Ein ständiger Sitz im VN-Sicherheitsrat ist dabei weiterhin ein strategisches Ziel (GIZ 12.2016). Gleichzeitig strebt Indien eine stärkere regionale Verflechtung mit seinen Nachbarn an. Indien ist Dialogpartner der südostasiatischen Staatengemeinschaft (Association of Southeast Asian Nations - ASEAN) und Mitglied im "ASEAN Regional Forum" (ARF). Auch bilateral hat Indien in den letzten Monaten seine Initiativen in den Nachbarländern verstärkt. Überdies nimmt Indien am East Asia Summit und seit 2007 auch am Asia-Europe Meeting (ASEM) teil. In der BRICS-Staatengruppe (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika) hat Indien im Februar 2016 von Russland den diesjährigen Vorsitz übernommen. Bei ihrem Treffen in Ufa im Juli 2015 beschloss die Shanghai Cooperation Organisation (SCO), Indien und Pakistan nach Abschluss der Beitrittsprozeduren als Vollmitglieder aufzunehmen (AA 9.2016b).

Die Beziehungen zum gleichfalls nuklear gerüsteten Nachbarn Pakistan haben sich jüngst erneut zugespitzt. In den Jahrzehnten seit der Unabhängigkeit haben sich wiederholt Phasen des Dialogs und der Spannungen bis hin zur kriegerischen Auseinandersetzung abgelöst.

Größtes Hindernis für eine Verbesserung der Beziehungen ist weiterhin das Kaschmirproblem (AA 9.2016b).

Indien ist durch das Nuklearabkommen mit den USA ein Durchbruch gelungen. Obwohl es sich bis heute weigert, dem Atomwaffensperrvertrag beizutreten, bedeutet das Abkommen Zugang zu Nukleartechnologie. Ebenfalls positiv hat sich das Verhältnis Indiens zu China entwickelt. Zwar sind die strittigen Grenzfragen noch nicht geklärt, aber es wurden vertrauensbildende Maßnahmen vereinbart, um zumindest in dieser Frage keinen Konflikt mehr herauf zu beschwören. Auch ist man an einer weiteren Steigerung des bilateralen Handels interessiert, der sich binnen eines Jahrzehnts mehr als verzehnfacht hat (GIZ 12.2016).

Die Beziehungen zu Bangladesch sind von besonderer Natur, teilen die beiden Staaten doch eine über 4.000 km lange Grenze, kontrolliert Indien die Oberläufe der wichtigsten Flüsse Bangladeschs, und war Indien maßgeblich an der Entstehung Bangladeschs beteiligt. Schwierige Fragen wie Transit, Grenzverlauf, ungeregelter Grenzübertritt und Migration, Wasserverteilung und Schmuggel werden in regelmäßigen Regierungsgesprächen erörtert. Die Beziehungen des Landes zur EU sind vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht von besonderer Bedeutung. Die EU ist der größte Handels- und Investitionspartner Indiens. Der Warenhandel in beide Richtungen hat sich faktisch stetig ausgeweitet (GIZ 12.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016a): Indien, Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_AC539C62A8F3AE6159C84F7909652AC5/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Innenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien, Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_F210BC76845F7B2BE813A33858992D23/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 29.12.2016

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BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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CIA - Central Intelligence Agency (15.11.2016): The World Factbook

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India,

https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/in.html, Zugriff 9.1.2017

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 4.1.2017

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FAZ - Frankfurter Allgemeine Zeitung (16.5.2014): Modi ist Mann der Stunde,

http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/fruehaufsteher/wahlentscheid-in-indien-modi-ist-der-mann-der-stunde-12941572.html, Zugriff 4.1.2017

-

GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (12.2016): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmBH (11.2016): Indien, Wirtschaftssystem und Wirtschaftspolitik, http://liportal.giz.de/indien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 5.12.2016

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USDOS - US Department of State (13.4.2016): Country Report on Human Rights Practices 2015 - India, http://www.ecoi.net/local_link/322482/461959_de.html, Zugriff 5.12.2016

c. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.4.2015): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (16.8.2016): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Indien

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AA - Auswärtiges Amt (9.2016b): Indien - Außenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_09493FC61FD08185D486477F8D93E1EE/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Indien/Aussenpolitik_node.html, Zugriff 5.12.2016

-

BBC - British Broadcasting Corporation (27.9.2016): India country profile - Overview,

http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12557384, Zugriff 5.12.2016

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Eurasisches Magazin (24.5.2014): Wohin geht die größte Demokratie der Erde?,

http://www.eurasischesmagazin.de/artikel/Indien-nach-den-Wahlen-eine-Analyse/14017, Zugriff 5.12.2016

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (11.2016a): Indien,

http://liportal.giz.de/indien/geschichte-staat.html, Zugriff 5.12.2016

-

ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2016):

Asylländerbericht Indien

-

SATP - South Asia Terrorism Portal (9.1.2017): Data Sheet - India Fatalities: 1994-2016,

http://www.satp.org/satporgtp/countries/india/database/indiafatalities.htm, Zugriff 9.1.2017

c.1. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch:

BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schä

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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