TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/26 W225 2108209-1

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Veröffentlicht am 26.09.2018
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Entscheidungsdatum

26.09.2018

Norm

AVG §37
AVG §39 Abs2
AVG §45 Abs1
AVG §45 Abs2
AVG §60
AVG §66 Abs2
B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §1
MOG 2007 §6
MOG 2007 §8i
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W225 2108209-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht fasst durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEISS LL.M. über die Beschwerde von XXXX, BNr. XXXX, vertreten durch Gheneff-Rami-Sommer Rechtsanwälte OG in 9020 Klagenfurt, gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 29.04.2014, AZ XXXX, betreffend Einheitliche Betriebsprämie 2008 den Beschluss:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Mit Datum vom 31.03.2008 stellte der Beschwerdeführer (nachfolgend: BF) für das Antragsjahr 2008 einen Mehrfachantrag-Flächen und beantragte u.a. die Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie (nachfolgend: EBP) für die in den Beilagen "Flächenbogen" und "Flächennutzung" näher konkretisierten Flächen.

Der BF war im Antragsjahr 2008 Auftreiber auf die Alm mit der Betriebsnummer (BNr.) XXXX, für die der zuständige Almbewirtschafter ebenso einen Mehrfachantrag-Flächen stellte.

2. Mit Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 30.12.2008 wurde dem BF für das Antragsjahr 2008 eine EBP in Höhe von EUR 5.396,95 gewährt. Auf Basis von 24,64 zugewiesenen (flächenbezogenen) Zahlungsansprüchen und einer beantragten Fläche im Ausmaß von 27,68 ha (davon Almfläche: 11,91 ha) wurde seitens der AMA eine Fläche im Ausmaß von 24,64 ha für berücksichtigungsfähig beurteilt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

3. Mit Abänderungsbescheid der AMA vom 28.02.2012 wurde dem BF eine EBP von EUR 5.129,73 gewährt. Auf Basis von 24,64 zugewiesenen (flächenbezogenen) Zahlungsansprüchen und einer aufgrund einer rückwirkenden Flächenkorrektur nunmehr beantragten Fläche im Ausmaß von 23,42 ha (davon Almfläche: 7,65 ha) wurde seitens der AMA eine Fläche im Ausmaß von 23,42 ha für berücksichtigungsfähig beurteilt. Gegen diesen Bescheid wurde kein Rechtsmittel erhoben.

4. Mit Datum vom 20.02.2014 fand auf der verfahrensgegenständlichen Alm eine Vor-Ort-Kontrolle durch Kontrollorgane der belangten Behörde statt, im Zuge derer für das Antragsjahr 2008 Flächenabweichungen festgestellt wurden.

5. Mit Abänderungsbescheid der AMA vom 29.04.2014, AZ XXXX, wurde dem BF für das Antragsjahr 2008 nunmehr eine EBP in Höhe von EUR 4.711,38 gewährt und zugleich eine Rückforderung in Höhe von EUR 418,35 ausgesprochen. Auf Basis einer unveränderten Anzahl an zugewiesenen Zahlungsansprüchen (24,64) und einem beantragten Flächenausmaß von 23,42 ha (davon Almfläche: 7,65 ha) wurde der Beihilfenberechnung eine ermittelte Fläche im Ausmaß von 21,51 ha (davon Almfläche 5,74 ha) zu Grunde gelegt. Begründend führte die belangte Behörde aus, anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle seien Flächenabweichungen von über 3 % oder über 2 ha festgestellt worden. Somit hätte für das betreffende Kalenderjahr der Beihilfenbetrag um das Doppelte der Differenzfläche gekürzt werden müssen. Eine (zusätzliche) Sanktion in Form einer Kürzung wurde hingegen nicht verhängt.

6. Gegen den Abänderungsbescheid der AMA vom 29.04.2014 erhob der BF mit Schreiben vom 22.05.2014 Beschwerde und beantragte

1. der Beschwerde Folge zu geben und den Bescheid dahingehend abzuändern,

dass dem BF eine EBP im Gesamtausmaß auf Basis einer Gesamtfläche von zumindest 23,42 ha, in der Höhe von zumindest EUR 5.399,72, zugesprochen werde;

2. ihm im Rahmen des Parteiengehörs sämtliche Unterlagen, Ergebnisse und Feststellungen im Detail hinsichtlich der Vor-Ort-Kontrolle zukommen zu lassen;

3. die Beiziehung von fachkundigen Sachverständigen zur detaillierten Feststellung der Almfutterfläche durch Befundung vor Ort unter Außerachtlassung des Almleitfadens sowie um die Flächen auf Basis des einzig einschlägigen und zielführenden Messsystems zu messen und bewerten und mit den vorhandenen mathematischen Methoden die Fläche unter Einbeziehung der Neigungswinkel zu berechnen;

4. Die Vernehmung von Dr. Franz Fischler, Mag. Thomas Guggenberger und des Almbewirtschafters.

Begründend führte der BF im Wesentlichen aus, dass das behördlich festgestellte Flächenausmaß falsch sei. Im Rahmen der Beantragung der in Rede stehenden Almfutterflächenausmaße sei die Sorgfaltspflicht gewahrt worden. Im Zusammenhang mit seinen Beanstandungen zum festgestellten Almfutterflächenausmaß monierte der BF eine mangelnde Berücksichtigung früherer amtlicher Erhebungen. Es sei auf einen Irrtum der Behörde gemäß Art. 73 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 796/2004 zu erkennen, da sich das Mess-System und die Messgenauigkeit im berechnungsrelevanten Zeitraum geändert hätten. Auch seien Landschaftselemente nicht berücksichtigt worden. Die Almfutterfläche sei nach bestem Wissen und Gewissen und mit der notwendigen Sorgfalt nach den örtlichen Verhältnissen festgestellt und die Bewertungen im Einzelnen fachlich begründet worden. Den BF treffe kein Verschulden an der Überbeantragung und Kürzungen und Ausschlüsse seien iSd Art. 68 Abs. 1 VO [EG] 796/2004 nicht zu verhängen. Dies auch deshalb die die Beantragung durch den stets zuverlässigen Almbewirtschafter erfolgt sei. Gemäß Art. 73 Abs. 5 VO (EG) 796/2004 sei hinsichtlich der Rückzahlungsverpflichtung zudem bereits Verjährung eingetreten.

Der Beschwerde beigelegt wurde eine Futterflächenerhebung betreffend die verfahrensgegenständliche Alm aus dem Jahr 2011.

7. Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht das eingebrachte Rechtsmittel samt dem dazugehörigen Verwaltungsakt vor. Im Akt findet sich eine Erklärung des Auftreibers gemäß § 8i MOG 2007.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Der unter I. wiedergegebene Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem unbeanstandeten Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte.

3. Rechtliche Beurteilung:

Rechtsgrundlagen:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 in Rechtssachen in den Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß der Verfassungsbestimmung des § 1 MOG 2007 können Vorschriften zur Durchführung der gemeinsamen Marktorganisationen unmittelbar von Bundesbehörden vorgesehen werden. Gemäß § 6 Abs. 1 leg. cit. ist die AMA zuständige Marktordnungs-, Interventions- und Zahlstelle im Sinne dieses Bundesgesetzes. Gemäß § 1 AMA-Gesetz können Angelegenheiten, soweit diese durch Bundesgesetz oder durch Verordnungen, die auf Grund von Bundesgesetzen erlassen werden, an die AMA übertragen werden, von der AMA unmittelbar als Bundesbehörde besorgt werden. Für Entscheidungen über Beschwerden dieser Behörde ist daher das Bundesverwaltungsgericht zuständig. Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG (§ 1 leg. cit.) geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Gemäß Art. 130 Abs. 4 B-VG und § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG (außer in Verwaltungsstrafsachen) in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der Sachverhalt feststeht oder wenn die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, wenn die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen hat. Diese Vorgangsweise setzt voraus, dass die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht nicht im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheides und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte (Winkler in Götzl/Gruber/Reisner/Winkler, Das neue Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte [2015] § 28 Rz 15). Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013] § 28 VwGVG Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

Gemäß den §§ 37 und 39 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz (AVG) hat die Behörde - ebenso wie das Gericht, wenn es über eine Beschwerde meritorisch abspricht - den wahren Sachverhalt im Sinn einer Ermittlungspflicht zur Feststellung der materiellen Wahrheit auf Grundlage des Antrages von Amts wegen zu ermitteln (vgl. VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063). Sie hat jedes Beweismittel in freier Beweiswürdigung abzuwägen und ihre Schlüsse daraus im Licht der anzuwendenden Rechtsvorschriften nachvollziehbar darzulegen (§ 45 Abs. 1 und 2, § 60 AVG).

Der angefochtene Bescheid erweist sich in Bezug auf den zu ermittelnden Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

Mit der Beschwerde wurde eine privatgutachterliche Futterflächenerhebung aus dem Jahr 2011 betreffend die verfahrensgegenständliche Alm in Vorlage gebracht. Diese war der belangten Behörde bei Durchführung der Vor-Ort-Kontrolle im Jahr 2014 sowie bei Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits bekannt, blieb jedoch bei der angefochtenen Entscheidung offenkundig außer Acht. Auch die im Akt einliegende Erklärung gemäß § 8i MOG 2007 wurde seitens der AMA keiner Betrachtung hinsichtlich der Verschuldensprüfung unterzogen.

Daraus ergibt sich, dass der dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegte Sachverhalt unzureichend ermittelt wurde, um darauf aufbauend zu einer rechtskonformen Entscheidung zu gelangen. In Anbetracht der Komplexität der Bezug habenden Beihilferegelung und des technischen Charakters der Entscheidung über die aus diesem Sachverhalt erfließenden Berechnungen läge eine Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht weder im Interesse der Raschheit noch wäre diese mit einer Kostenersparnis verbunden. Vielmehr dient die Zurückverweisung der Angelegenheit einer raschen und kostensparenden Vervollständigung des neuen Sachverhalts.

Auch wenn der VwGH der Zurückverweisung von Rechtssachen durch die Verwaltungsgerichte auf Basis des VwGVG mit seiner Grundsatz-Entscheidung vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, bereits Grenzen gezogen hat, liegt es im vorliegenden Fall weder im Interesse der Raschheit, noch wäre es mit einer Kostenersparnis verbunden, wenn das Bundesverwaltungsgericht versuchen wollte, die Beschwerde im Hinblick auf das Antragsjahr 2013 einer Entscheidung zuzuführen.

Der Bescheid war daher aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen gewesen wäre.

Die AMA wird im Rahmen des fortgesetzten Verfahrens u.a. das in Vorlage gebrachte Privatgutachten und die Erklärung des Auftreibers gemäß § 8i MOG 2007 sowie den aktuellen Berechnungsstand zu berücksichtigen und den ermittelten (geänderten) Sachverhalt dem neu zu erlassenden Bescheid zu Grunde zu legen haben.

Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ebenfalls abgesehen werden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Schlagworte

Antragsänderung, Behebung der Entscheidung, beihilfefähige Fläche,
Bescheidabänderung, Direktzahlung, einheitliche Betriebsprämie,
Ermittlungspflicht, Flächenabweichung, Irrtum, Kassation, Kontrolle,
Kürzung, mangelhaftes Ermittlungsverfahren, mangelnde
Sachverhaltsfeststellung, Mehrfachantrag-Flächen, Prämienfähigkeit,
Prämiengewährung, Privatgutachten, Rückforderung, Rückwirkung,
Verjährung, Verschulden, Zahlungsansprüche, Zurückverweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W225.2108209.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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