Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AsylG 2005 §20 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Nedwed und die Hofrätin MMag. Ginthör als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision der M A, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. Februar 2018, Zl. W236 2148063- 1/13E, betreffend eine Asylangelegenheit (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der awarischen Volksgruppe, stellte am 10. Juli 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz, welchen sie damit begründete, dass sie von ihrem Ehemann immer wieder geschlagen, vergewaltigt, eingesperrt sowie mit dem Tod bedroht worden sei und diesbezüglich keinen staatlichen Schutz erhalten habe.
2 Mit Bescheid vom 24. Jänner 2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diesen Antrag ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung der Revisionswerberin in die Russische Föderation zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise setzte die Behörde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht als unbegründet ab. Die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte es für nicht zulässig.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht - zusammengefasst - aus, das Vorbringen der Revisionswerberin betreffend die erlittenen Misshandlungen sei zwar glaubhaft, jedoch stehe ihr eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative beispielsweise in Moskau oder St. Petersburg offen. Es sei nicht anzunehmen, dass der Ehemann der Revisionswerberin diese im gesamten Gebiet der Russischen Föderation finden oder auch nur suchen würde. Darüber hinaus sei nicht davon auszugehen, dass der Revisionswerberin in der gesamten Russischen Föderation systematisch keine Hilfe zuteilwerde. Vielmehr sei grundsätzlich die Schutzwilligkeit und -fähigkeit der Behörden der Russischen Föderation gegeben. Auch subsidiärer Schutz sei der Revisionswerberin nicht zu gewähren, weil bei einer Rückkehr kein reales Risiko einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenden Behandlung bestehe. Ebenso wenig lägen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 vor.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen geltend macht, die Beweiswürdigung des Bundesverwaltungsgerichts sei unschlüssig bzw. nicht nachvollziehbar. In diesem Zusammenhang wendet sich die Revisionswerberin gegen die Annahme des Gerichts, wonach ihr eine innerstaatliche Fluchtalternative in der Russischen Föderation offenstehe und die Schutzfähigkeit und -willigkeit der Behörden der Russischen Föderation gegeben sei, sowie gegen die Mutmaßung, dass ihr Ehemann das Interesse an ihr verloren haben könnte und sie nicht mehr suchen würde. Darüber hinaus habe es das Bundesverwaltungsgericht in offenbarer Verkennung der Rechtslage unterlassen, die Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 zu prüfen. Aufgrund der Feststellungen des Verwaltungsgerichts wäre eine solche nähere Prüfung insbesondere im Hinblick auf die Frage indiziert gewesen, ob eine einstweilige Verfügung gemäß §§ 382b oder 382e EO hätte erlassen werden können. Zudem fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob durch die Einhaltung der Bestimmung des § 20 Abs. 2 AsylG 2005 (die Einvernahme durch eine weibliche Richterin) ein im Verfahren vor dem BFA unterlaufener Verfahrensmangel (das Unterbleiben der nach § 20 Abs. 1 AsylG 2005 gebotenen Einvernahme durch eine weibliche Organwalterin) saniert werde.
Die Revision erweist sich als nicht zulässig.
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Das Bundesverwaltungsgericht beurteilte das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin als glaubhaft, verneinte jedoch eine aktuelle asylrelevante Verfolgungsgefahr bei einer Rückkehr und begründete dies unter anderem mit der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in Moskau oder St. Petersburg. Der Annahme einer solchen innerstaatlichen Fluchtalternative tritt die Revisionswerberin entgegen, die Revision vermag aber nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung im Zusammenhang mit der Annahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative in unvertretbarer, vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifender Weise vorgenommen worden wäre (vgl. z.B. VwGH 19.12.2017, Ra 2017/18/0307, mwN).
8 Ausgehend davon gelingt es der Revisionswerberin auch nicht, mit dem Hinweis auf § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz ist nach dieser Bestimmung nur zu erteilen, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, dass dies zum Schutz vor weiterer Gewalt erforderlich ist.
9 Diese Voraussetzung ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht erfüllt, weil das Verwaltungsgericht - wie dargelegt - in Bezug auf das Fluchtvorbringen der Revisionswerberin, welches sich zentral auf auch in § 57 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 geregelte Aspekte häuslicher Gewalt bezog, in aus dem Blickwinkel des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zu beanstandender Weise seiner Entscheidung das Bestehen einer zumutbaren innerstaatlichen Fluchtalternative in der Russischen Föderation zugrunde legte. Auf dem Boden der diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts steht fest, dass im Fall der Rückkehr der Revisionswerberin in ihren Herkunftsstaat bei Inanspruchnahme der aufgezeigten Fluchtalternativen ausreichender Schutz vor weiterer Gewalt besteht (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0119-0121; 12.11.2015, Ra 2015/21/0023-0024).
10 Wenn die Revision schließlich die Missachtung der Bestimmungen des § 20 Abs. 1 AsylG 2005 durch das BFA verbunden mit der Frage ins Treffen führt, ob dieser Fehler im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geheilt werden könne, ist auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen. Demnach kann ein vor der Verwaltungsbehörde unterlaufener Verfahrensfehler durch ein ordnungsgemäß vor dem Verwaltungsgericht geführtes Beschwerdeverfahren saniert werden (vgl. etwa VwGH 29.1.2015, Ra 2014/07/0102; 10.9.2015, Ra 2015/09/0056; 25.4.2017, Ra 2016/18/0234; siehe auch VwGH 5.2.2018, Ra 2017/03/0091).
11 Die Revision rügt einen aus der Nichtbeachtung des § 20 Abs. 1 AsylG 2005 resultierenden Verfahrensmangel (vgl. hingegen im Fall der Missachtung der Bestimmungen des § 20 Abs. 2 AsylG 2005 im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, welche die Zuständigkeit des Gerichts berührt, VwGH 27.6.2016, Ra 2014/18/0161). Eine Heilung des in der Revision beanstandeten Verfahrensmangels ist im vorliegenden Fall durch das im Einklang mit § 20 Abs. 2 AsylG 2005 von einer Richterin geführte verwaltungsgerichtliche Verfahren erfolgt. Betreffend die Bestimmungen des § 20 AsylG 2005 legt die Revision folglich nicht dar, dass fallbezogen die Voraussetzungen gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG erfüllt wären.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 6. September 2018
Schlagworte
Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2018:RA2018180191.L00.1Im RIS seit
09.10.2018Zuletzt aktualisiert am
13.11.2018