TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/24 99/01/0314

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Veröffentlicht am 24.11.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §13 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Bundesministers für Inneres gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 29. April 1999, Zl. 207.211/0-VIII/23/98, betreffend Asylgewährung (mitbeteiligte Partei: B M, geboren am 15. Jänner 1980, 1210 Wien, Voltagasse 28-38/13/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Mitbeteiligte, ein der albanischen Volksgruppe zugehöriger jugoslawischer Staatsangehöriger aus dem Kosovo, der am 8. September 1998 in das Bundesgebiet eingereist ist, hat am selben Tag einen Asylantrag gestellt. Bei seiner niederschriftlichen Vernehmung durch das Bundesasylamt am 7. Oktober 1998 hat er sich im Wesentlichen nur auf die allgemeine Lage von ethnischen Albanern in seiner Heimat, welche von Massakern und Vertreibungen durch die Serben gekennzeichnet sei, berufen.

Mit Bescheid vom 3. Dezember 1998 hat das Bundesasylamt den Asylantrag gemäß § 7 Asylgesetz 1997 - AsylG, BGBl. I Nr. 76, abgewiesen und gemäß § 8 leg. cit. festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Mitbeteiligten in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei.

Die Abweisung des Asylantrages hat der Mitbeteiligte mit Berufung bekämpft. Im Zuge des Berufungsverfahrens hat das Bundesasylamt den Telefax-Bericht der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit vom 29. Jänner 1999 vorgelegt, aus welchem sich ergibt, dass der Mitbeteiligte am 28. Jänner 1999 wegen des Verdachtes der Vergewaltigung aufgrund eines richterlichen Haftbefehles festgenommen und in die Justizanstalt Graz-Jakomini eingeliefert worden sei. Mit diesem Bericht hat sich die belangte Behörde nicht auseinander gesetzt.

Mit Bescheid vom 29. April 1998 hat die belangte Behörde der Berufung stattgegeben und dem Mitbeteiligten gemäß § 7 AsylG Asyl gewährt sowie gemäß § 12 leg. cit. festgestellt, dass dem Mitbeteiligten die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde aus, dass in der Bundesrepublik Jugoslawien gezielte "ethnische Säuberungen" stattfänden, die sich gegen alle Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo richteten und zur Folge hätten, dass diese auch in anderen Landesteilen nicht vor Verfolgung sicher seien oder keine Lebensgrundlage vorfänden. Eine Entspannung der Situation sei derzeit nicht in Sicht. Davon ausgehend vertrat sie die Ansicht, dass die bloße Zugehörigkeit zur Ethnie der Albaner ausreiche, um die Flüchtlingseigenschaft des Mitbeteiligten zu begründen. Eine öffentliche mündliche Verhandlung habe unterbleiben können, weil die im Berufungsverfahren ermittelten Feststellungen über die allgemeine Lage von ethnischen Albanern im Kosovo den Parteien bekannt gegeben worden und von diesen unwidersprochen geblieben seien. Es sei daher nicht zu erwarten gewesen, dass die Durchführung einer Verhandlung zu einem anderen Ergebnis hätte führen können.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde rügt der Bundesminister für Inneres, dass die belangte Behörde keine mündliche Verhandlung durchgeführt und eine Überprüfung unterlassen habe, ob der Asylausschließungsgrund gemäß § 13 Abs. 2 AsylG gegeben sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 2 erster Satz AsylG ist die Gewährung von Asyl ausgeschlossen, wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten.

Welche Delikte als "besonders schweres Verbrechen" zu qualifizieren sind und unter welchen Bedingungen die Begehung eines derartigen Verbrechens einen Asylausschließungsgrund darstellt, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0288, auf welches des Näheren gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargestellt. Danach handelt es sich bei einer Vergewaltigung um ein typischerweise besonders schweres Verbrechen, das zum Ausschluss der Asylgewährung führen kann.

Aus dem vom Bundesasylamt im Berufungsverfahren vorgelegten Bericht der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit ist ersichtlich, dass der Mitbeteiligte wegen des Verdachtes der Vergewaltigung aufgrund eines richterlichen Befehles festgenommen und in eine Justizanstalt eingeliefert worden ist. Daraus ergibt sich, dass gegen ihn ein gerichtliches Vorverfahren wegen Vergewaltigung anhängig ist. Da die rechtskräftige Verurteilung wegen dieses Deliktes einen für die Asylgewährung relevanten Umstand darstellen kann, wäre die belangte Behörde aufgrund des ihr zur Kenntnis gebrachten anhängigen gerichtlichen Verfahrens wegen dieses Deliktes gegen den Asylwerber verpflichtet gewesen, - gemäß § 39 Abs. 2 AVG von Amts wegen - zu erheben, ob der Asylwerber rechtskräftig verurteilt worden ist.

Der unabhängige Bundesasylsenat ist gemäß Art. 129 und 129c B-VG idF BGBl. I Nr. 87/1997 ein unabhängiger Verwaltungssenat, der gemäß § 23 AsylG das AVG anzuwenden hat. Gemäß Art. II Abs. 2 Z. 43a EGVG idF BGBl. I Nr. 28/1998 hat er jedoch § 67d AVG, welche Bestimmung die Pflicht zur Durchführung einer Verhandlung normiert, mit der Maßgabe anzuwenden, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Berufung geklärt erscheint. Dies ist nach der Judikatur (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0308) dann der Fall, wenn der Sachverhalt nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens und schlüssiger Beweiswürdigung der Behörde erster Instanz festgestellt wurde und in der Berufung kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz entgegenstehender oder darüber hinausgehender Sachverhalt - erstmalig und mangels Bestehens eines Neuerungsverbotes zulässigerweise - neu und in konkreter Weise behauptet wird.

Bei der Tatsache, dass gegen den Mitbeteiligten ein Gerichtsverfahren wegen Vergewaltigung anhängig ist, handelt es sich um einen über das Ergebnis des Ermittlungsverfahren der Behörde erster Instanz hinausgehenden Sachverhalt, der durch Vorlage des diesbezüglichen Berichtes der Generaldirektion für die öffentliche Sicherheit in konkreter Weise behauptet worden ist. Die belangte Behörde wäre daher schon deshalb jedenfalls verpflichtet gewesen, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Relevanz der aufgezeigten Mangelhaftigkeit ist gegeben, weil der Mitbeteiligte - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 7. April 1999 tatsächlich wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten, davon neun Monate bedingt, verurteilt, und die Vollstreckbarkeit dieses (somit rechtskräftigen) Urteiles am 12. April 1999 - somit noch vor Erlassung des angefochtenen Bescheides - bestätigt worden ist.

Aufgrund der aufgezeigten Mangelhaftigkeit des Verfahrens war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 24. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999010314.X00

Im RIS seit

26.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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