TE OGH 1984/12/6 8Ob575/84

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Veröffentlicht am 06.12.1984
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zadrúzna Z*****, vertreten durch Dr. Johann Wiegele, Rechtsanwalt in Villach, wider die beklagte Partei Maria M*****, vertreten durch Dr. Kurt Dellisch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen Herausgabe von Sparbüchern (Streitwert 1.841.263 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. März 1984, GZ 4 R 29/84-30, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 30. Dezember 1983, GZ 19 Cg 555/81-25, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Akten werden dem Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht mit dem Auftrag zurückgestellt, seinen Beschluss durch den Ausspruch zu ergänzen, ob der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstands in Ansehung eines jeden einzelnen Sparbuchs, dessen Herausgabe von der klagenden Partei verlangt wird, 15.000 S und, falls dies bejaht wird, 300.000 S übersteigt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte die Verurteilung der Beklagten zur Herausgabe von 32 Sparbüchern der H***** in Klagenfurt, die sie im Einzelnen nach Sparbuchnummer, Name der Spareinlage und eingezahltem Betrag bezeichnete. Sie bewertete ihr Klagebegehren mit 1.841.263 S.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Der gegen diese Entscheidung gerichteten Berufung der Klägerin gab das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge. Es hob das Urteil des Erstgerichts unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurück. Seinen Rechtskraftvorbehalt begründete das Berufungsgericht damit, dass die aufgetretenen Rechtsfragen insgesamt von erheblicher Bedeutung seien.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und in der Sache selbst durch Urteil im Sinne der Bestätigung der Entscheidung des Erstgerichts zu erkennen; hilfsweise beantragt sie, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und dem Berufungsgericht die neuerliche Entscheidung in der Sache unter Abstandnahme von den angeführten Aufhebungsgründen und den dem Erstgericht erteilten Ergänzungsaufträgen aufzutragen.

Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Rekurs der Beklagten nicht Folge zu geben.

Ob und inwieweit das Rechtsmittel der Beklagten zulässig ist, kann derzeit noch nicht beurteilt werden.

Gemäß § 519 Abs 2 ZPO darf das Berufungsgericht einen Rechtskraftvorbehalt nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO nur aussprechen, wenn der Rekurs nicht schon nach § 528 Abs 1 ZPO unstatthaft ist und es die Voraussetzungen des § 502 Abs 4 ZPO gegeben erachtet. Übersteigt daher der Wert des Beschwerdegegenstands 15.000 S nicht, ist der Rechtskraftvorbehalt wirkungslos und kann er einen nach § 528 ZPO unstatthaften Rekurs nicht zulässig machen (AB 1337 BlgNR 15. GP 23); übersteigt dieser Wert 300.000 S nicht, hat sich die Überprüfung des berufungsgerichtlichen Aufhebungsbeschlusses durch den Obersten Gerichtshof auf erhebliche Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 4 Z 1 ZPO zu beschränken. Das Berufungsgericht hat deshalb, wenn es in seinem Aufhebungsbeschluss einen Rechtskraftvorbehalt anordnet und der Beschwerdegegenstand nicht in einem Geldbetrag besteht, in sinngemäßer Anwendung der §§ 526 Abs 3, 500 Abs 2 Z 1 und 3 ZPO in die Entscheidung auch einen Ausspruch darüber aufzunehmen, ob der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstands 15.000 S, bejahendenfalls auch, ob er 300.000 S übersteigt. Der Rechtskraftvorbehalt selbst ersetzt die erforderlichen Aussprüche über die Bewertung des Streitgegenstands deshalb nicht, weil er an sich nur ausgesprochen werden darf, wenn der Streitwert den im § 500 Abs 2 Z 1 ZPO genannten Schwellwert übersteigt und der Oberste Gerichtshof außerdem gemäß § 526 Abs 2 ZPO bei der Prüfung der Zulässigkeit des Rechtsmittels an einen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 519 Abs 1 Z 3 ZPO nicht gebunden ist, wohl aber an einen Bewertungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz (RZ 1984/87; 8 Ob 591/84 ua).

Rechtliche Beurteilung

Der in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vereinzelt vertretenen Meinung, dass dann, wenn das Klagebegehren auf Herausgabe eines Sparbuchs gerichtet ist, eine Bewertung im Sinne der Bestimmungen des § 500 Abs 2 ZPO nicht zulässig sei, weil der Wert des Sparbuchs einer zahlungsfähigen Sparkasse dem Geldwertbetrag der Einlage gleichstehe und daher der Streitgegenstand in einem Geldbetrag bestehe, der dem Saldo des Einlagebuchs entspreche (Zbl 1936/486; 1 Ob 521/82), vermag der erkennende Senat nicht zu folgen. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Bestimmung des § 500 Abs 2 ZPO haben die dort angeführten Aussprüche zu erfolgen, wenn der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entscheidet, nicht ausschließlich in einem Geldbetrag besteht. Der Anspruch auf Herausgabe eines Sparbuchs hat keine Geldleistung zum Gegenstand, sondern nur die Durchsetzung eines behaupteten Rechts am Sparbuch; er betrifft kein Recht aus dem Papier, sondern nur ein Recht am Papier. Seine Durchsetzung kann nur durch Abnahme des Sparbuchs (§ 346 EO), nicht aber durch Exekution zur Hereinbringung einer Geldforderung erfolgen. Im Zusammenhang mit der Herausgabe eines Inhaberpapiers hat der Oberste Gerichtshof durchaus zutreffend ausgeführt, dass sich der Wert des Inhaberpapiers keineswegs mit der Geldsumme, auf die es laute, decken müsse und dass in einem solchen Fall nicht gesagt werden könne, dass der Klagsanspruch nur formell auf Herausgabe des Wertpapiers, in Wahrheit aber auf Zahlung einer Geldsumme gerichtet sei (EvBl 1968/96). In verstärktem Maße muss diese Überlegung für das Begehren auf Herausgabe eines Sparbuchs gelten, zumal hier durchaus nicht mit Sicherheit davon ausgegangen werden kann, dass der Besitz des Sparbuchs allein zur Durchsetzung der darin beurkundeten Forderung gegen den Aussteller genügt. Der erkennende Senat vertritt daher die Rechtsmeinung, dass ein Begehren auf Herausgabe eines Sparbuchs keine Geldleistung zum Gegenstand hat, dass hier der Streitgegenstand nicht in einem Geldbetrag besteht und dass daher im Falle eines solchen Begehrens die im § 500 Abs 2 ZPO normierten Bewertungsvorschriften anzuwenden sind.

Im vorliegenden Fall hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Herausgabe mehrerer Sparbücher geltend gemacht; diese mehreren Ansprüche wären im Rahmen der für die Rechtsmittelzulässigkeit maßgeblichen Wertermittlung nur unter der Voraussetzung des § 55 JN Zusammenzurechnen, wenn sie nämlich in einem rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhang stehen (Fasching Zivilprozessrecht 844 Rdz 1831; Petrasch in ÖJZ 1983, 201; SZ 24/335 uva). In rechtlichem Zusammenhang stehen Ansprüche, wenn sie aus einer einheitlichen Rechtsvorschrift oder einem einheitlichen Rechtsgeschäft abgeleitet werden; in einem tatsächlichen Zusammenhang stehen alle Klagsansprüche, die aus dem selben Klagssachverhalt abzuleiten sind. Dies ist dann der Fall, wenn das für einen Anspruch erforderliche Sachvorbringen ausreicht, auch über die anderen geltend gemachten Ansprüche entscheiden zu können, ohne dass noch ein ergänzendes Sachvorbringen erforderliche wäre (Fasching Kommentar I 344 f). Derartiges ergibt sich aber aus dem Vorbringen der Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht. Aus diesem Vorbringen ist insbesondere nicht abzuleiten, dass die Beklagte aufgrund eines einheitlichen Rechtsgeschäfts oder Rechtsverhältnisses zur Herausgabe aller Sparbücher verpflichtet wäre und dass notwendig hinsichtlich aller Sparbücher in gleicher Weise entschieden werden müsste; das Vorbringen der Klägerin reicht für die Annahme eines rechtlichen oder tatsächlichen Zusammenhangs ihrer geltend gemachten Herausgabeansprüche bezüglich der einzelnen Sparbücher nicht aus.

Unter diesen Umständen ist bei der dargestellten Rechtslage zur Beurteilung der Rechtsmittelzulässigkeit der Ausspruch des Berufungsgerichts erforderlich, ob der von der Aufhebung betroffene Wert des Streitgegenstands in Ansehung eines jeden einzelnen Sparbuchs, dessen Herausgabe von der Klägerin verlangt wird, 15.000 S und, wenn dies bejaht wird, 300.000 S übersteigt. Da das Berufungsgericht diesen erforderlichen Ausspruch unterlassen hat, ist ihm seine Nachholung durch Berichtigung (Ergänzung) des Spruchs seiner Entscheidung aufzutragen.

Textnummer

E122775

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00575.840.1206.000

Im RIS seit

08.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2018
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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