TE OGH 2018/8/28 8Ob147/17a

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.08.2018
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr.

 Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Tarmann-Prentner, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Korn und Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** AG, *****, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. Amhof und Dr. Damian GmbH, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Hochedlinger Luschin Marenzi Kapsch Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 6.396.663,36 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. September 2017, GZ 1 R 46/17t-27, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom 23. Februar 2017, GZ 27 Cg 47/15b-23, Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das klagende Bankinstitut gewährte der Beklagten 2007 zwei zunächst in Schweizer Franken ausgenutzte endfällige Kredite. Am 10. 12. 2012 vereinbarten die Parteien die Konvertierung eines der Kredite in Euro, sowie in weiterer Folge eine Abstattung in Pauschalraten. Ebenfalls am 10. 12. 2012 einigten sich die Parteien über die Aufstockung des zweiten Kredits auf 8.431.535,27 EUR. Weiters erteilte die Beklagte einen Stop-Loss-Auftrag für diesen Kredit bei Erreichen eines Marktdevisenverkaufskurses von 1 EUR = 1,19 CHF. Nach Unterschreiten dieses Kurses konvertierte die Klägerin am 15. bzw 16. 1. 2015 mit einem Kurs von 1 EUR = 1,0073 CHF.

Mit Schreiben vom 1. 7. 2015 forderte sie die Beklagte auf, zur Rückführung des aushaftenden Kreditsaldos umgehend eine Zahlung von 1.780.951,51 EUR zu leisten, was die Beklagte als nicht vertragskonform ablehnte. Mit Schreiben vom 21. 7. 2015 sprach die Klägerin die Kündigung beider Kreditverträge zum 31. 8. 2015 aus. Nach Verwertung der Sicherheiten bestand am 2. 10. 2015 in den Geschäftsbüchern der Klägerin ein aushaftendes Obligo von 6.388.667,46 EUR.

Zu den zwischen den Parteien vereinbarten Sicherheiten gehörte auch ein von der Beklagten unterzeichneter Blankowechsel. Die Wechselwidmungserklärung enthält unter anderem folgende Bestimmung: „Es stehen uns im Fall einer derartigen Ausfertigung und Verwendung des Wechsels durch die Bank keine wie immer gearteten Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu. Für die Festsetzung der Höhe der der Bank zustehenden Forderungen und Ansprüche gelten die Handelsbücher der Bank sowie die Buchauszüge hieraus als ausschließlich maßgebend, und wir gestehen denselben uns gegenüber volle Beweiskraft zu.“

Mit Wechselklage begehrte die Klägerin unter Vorlage des (ausgefüllten) Wechsels im Original die Erlassung eines Wechselzahlungsauftrags über 6.396.663,36 EUR sA. Das Erstgericht erließ den Wechselzahlungsauftrag antragsgemäß.

Fristgerecht erhob die Beklagte dagegen Einwendungen. Sie machte geltend, dass die dem Wechsel zugrundeliegende Forderung nicht fällig sei. Die Kündigung der Kreditverträge sei unberechtigt erfolgt. Bei Abschluss der Kreditverträge sei darüber hinaus eine ungenügende Risikoaufklärung erfolgt. Im Zuge der Umstellung des Finanzierungskonzepts 2012 sei eine Stop-Loss-Order vereinbart worden. 2014 habe die Beklagte die Klägerin mehrfach kontaktiert, um die Kredite zu konvertieren, sei jedoch immer vertröstet worden. Sie sei darauf verwiesen worden, dass aufgrund der Stop-Loss-Order im schlechtesten Fall ein Wechselkurs von 1 EUR zu 1,19 CHF zugrundegelegt werde. Tatsächlich sei eine Konvertierung aber erst zu einem Kurs von 1 EUR zu 1,0073 CHF ausgeführt worden. Allein daraus resultiere ein Verlust von 1,6 Mio EUR. In der Folge hätten die Parteien Verhandlungen über Lösungsmöglichkeiten zur Abdeckung der Konvertierungsverluste geführt. Mit Schreiben vom 1. 7. 2015 habe die Klägerin die Beklagte zur Zahlung von 1.780.951,51 EUR aufgefordert. Eine entsprechende Klausel im Kreditvertrag, wonach die Klägerin für den Fall, dass aufgrund von Wechselkursschwankungen der vereinbarte Kredithöchstbetrag überschritten werde, berechtigt sei, die Rückzahlung der Aushaftung auf den Kredithöchstbetrag zu fordern, sei im Hinblick auf die Stop-Loss-Order fallen gelassen worden. Die Aufforderung der Klägerin sei daher zu Unrecht und ohne vertragliche Grundlage erfolgt. Die darauf gestützte Kündigung der Kreditverträge sei unwirksam, aufgrund vorangehender Zusagen zudem überraschend, treuwidrig und unredlich erfolgt. Die Forderung sei daher nicht fällig und der Blankowechsel zu Unrecht eingelöst worden. Auch die Höhe der Forderung werde bestritten. Weiters mache sie Gegenforderungen von 7,2 Mio EUR als Schadenersatz aus Fehlberatung geltend.

Die Klägerin bestritt und brachte vor, dass die Beklagte aufgrund einer von dritter Seite erfolgten Beratung einen Kredit in Schweizer Franken samt Tilgungsträger gewünscht habe. Sie sei über sämtliche Risiken aufgeklärt worden. Weiters sei vereinbart worden, dass die Beklagte bei Überschreiten des vereinbarten Kredithöchstbetrags aufgrund von Wechselkursänderungen über Aufforderung die Differenz auf den Kredithöchstbetrag umgehend zahle oder neue Sicherheiten stelle. Die Klägerin sei darüber hinaus aufgrund der vereinbarten Kreditbedingungen zur Kündigung des Kredits aus wichtigem Grund berechtigt. Nachdem am 20. 1. 2015 der Stop-Loss-Auftrag ausgelöst worden sei, habe die Klägerin mit Schreiben vom 1. 7. 2015 die Rückführung der Aushaftung auf den Kredithöchstbetrag verlangt. Nachdem die Beklagte dem nicht entsprochen habe, habe die Klägerin die Kreditverträge gekündigt. Durch die Wechselwidmungserklärung seien Einwendungen aus dem Grundgeschäft, wie sie von der Beklagten erhoben würden, abbedungen. Für die Höhe der Wechselforderung seien ausschließlich die Auszüge aus den Handelsbüchern der Klägerin als maßgeblich vereinbart.

Das Erstgericht sprach in seinem Urteil aus, dass der Wechselzahlungsauftrag aufrecht bleibe. Die Beklagte sei schuldig, der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu ersetzen.

Rechtlich ging es davon aus, dass der Wechselschuldner, solange sich Gläubiger und Schuldner des Grundgeschäfts gegenüberstünden, dem Wechselgläubiger alles entgegensetzen dürfe, was er aus diesem Geschäft einwenden könne. Im vorliegenden Fall hätten die Parteien jedoch einen Ausschluss von Einwendungen aus dem Grundgeschäft vereinbart, was zwischen Unternehmern gültig sei. Sämtliche von der Beklagten erhobenen Einwendungen seien aber solche aus dem Grundgeschäft und könnten daher in diesem Verfahren nicht geltend gemacht werden.

Das Berufungsgericht gab der gegen dieses Urteil gerichteten Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung zurück an das Erstgericht. Nach Verwerfung der Nichtigkeitsberufung führte es aus, dass nach dem Wortlaut der Wechselwidmungserklärung die Parteien eine Überprüfung vom Bestand und Richtigkeit von Forderungen aus der Geschäftsbeziehung im Wechselprozess ausschließen wollten. Allerdings seien dem österreichischen Recht abstrakte Verpflichtungsgeschäfte fremd und nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam. Unter bestimmten Voraussetzungen würden abstrakte Verpflichtungen in drei- oder mehrpersonalen Verhältnissen akzeptiert, jedoch nicht im zweipersonalen Rechtsgeschäft. Die Unterfertigung eines Wechsels sei ein typischer Fall der Begründung einer weitestgehend abstrakten Verpflichtung, es sei jedoch zu beachten, dass sich die Ablösung vom Grundverhältnis nur innerhalb der Grenzen des Art 17 WG und damit im dreipersonalen Verhältnis ergebe. Solange der Wechsel nicht in die Hände eines Dritten gelangt sei, liege nur eine geminderte Abstraktheit in dem Sinn vor, dass vom Verpflichteten sämtliche Einreden aus dem Grundgeschäft erhoben werden könnten.

Der Beklagten stünden daher nach wie vor die Einwendungen aus dem Grundgeschäft zu. Als solche habe sie geltend gemacht, dass die Kündigung der Kreditverträge zu Unrecht erfolgt sei. Nach den Vertragsbestimmungen sei die Klägerin zur Kündigung der Kreditverträge unter Einhaltung einer vierwöchigen Kündigungsfrist nur im Fall des Vorliegens „sachlich gerechtfertigter Gründe“ berechtigt. Sie habe sich darauf gestützt, dass die Beklagte das Begehren auf Abdeckung der Differenz zwischen dem aushaftenden Saldo und dem vereinbarten Kredithöchstbetrag abgelehnt habe. Es fehlten allerdings Feststellungen zur Behauptung der Beklagten, dass diese Vereinbarung im Zusammenhang mit der Stop-Loss-Order fallen gelassen worden sei. Sollte dies richtig sein, bestehe kein sachlicher Grund für eine Kündigung des Kreditvertrags. Andernfalls sei jedenfalls auch das Vorbringen der Beklagten zu berücksichtigen, dass ihr von der Klägerin gesagt worden sei, dass der zusätzliche Verlust eines Jahres-Cash-Flows keinen Handlungsbedarf für die Klägerin nach sich ziehe.

Auf eine Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Beklagten als Grund für eine berechtigte Kündigung habe sich die Klägerin nicht berufen. Diesbezüglich lägen aber auch keine ausreichenden Feststellungen vor, dass es tatsächlich zu einer solchen Verschlechterung gekommen sei, die eine Gefährdung der Rückführung der Kredite zur Folge habe.

Sollte die Klagsforderung dem Grunde nach zu Recht bestehen, werde der Inhalt der Wechselwidmungserklärung, wonach die Auszüge aus den Handelsbüchern für den Anspruch relevant seien, durch Auslegung zu ermitteln sein.

Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil zur Wirksamkeit der Vereinbarung eines Einwendungsausschlusses beim Wechsel zwischen den Parteien des Grundgeschäfts keine höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege.

Gegen diese Entscheidung wendet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss dahingehend abzuändern, dass der Wechselzahlungsauftrag aufrecht bleibt, in eventu den Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht oder an das Erstgericht zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt, den Rekurs zurückzuweisen, in eventu ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

1. In einem Wechsel-(mandats-)verfahren ist zur Begründung der Berechtigung der Forderung allein zu prüfen, ob der geltend gemachte Anspruch aufgrund des Wechsels berechtigt ist (vgl 8 Ob 2328/96b). Dazu reicht es aus, dass sich der Kläger zunächst auf die von ihm geltend gemachte abstrakte Wechselforderung stützt (8 Ob 52/14a). Es gilt der Grundsatz der „beschränkten Kognition“ (Kodek in Rechberger4 vor § 555 ZPO Rz 2 mwN).

2. Die Abstraktheit einer Wechselforderung geht jedoch nicht so weit, dass das Fehlen, die Nichtigkeit oder der Wegfall des Grundgeschäfts ohne jede rechtliche Bedeutung für die Wechselforderung wäre. Zwischen den Parteien des Grundgeschäfts führt sie zu einer Umkehr der Beweislast. Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, den Bestand der Wechselforderung durch substantielle Behauptungen darzulegen und zu beweisen. Es obliegt vielmehr dem Schuldner, den Nachweis für das Fehlen, die Nichtigkeit oder den Wegfall des Grundgeschäfts zu erbringen (RIS-Justiz RS0043426). Art 17 WG schließt nur solche Einwendungen aus, die auf Beziehungen zu Dritten beruhen. Solange sich Gläubiger und Schuldner des Grundgeschäfts gegenüberstehen, darf der Wechselschuldner dem Wechselgläubiger alles entgegensetzen, was er aus diesem Geschäft einwenden kann (RIS-Justiz RS0082420; RS0114336; RS0082465).

3. Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt darin, dass die Parteien des Grundgeschäfts in der Wechselwidmungserklärung derartige Einwendungen aus dem Grundgeschäft ausdrücklich ausgeschlossen haben. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass ein solcher Ausschluss nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam ist. Der Oberste Gerichtshof erachtet die Begründung des Berufungsgerichts für zutreffend, die Ausführung im Rekurs dagegen als nicht stichhaltig. Es kann daher im Wesentlichen auf die Begründung des Berufungsgerichts verwiesen werden (§ 510 Abs 3 ZPO).

4. Ergänzend ist auszuführen:

Abstrakte Verpflichtungen sind in der Regel unwirksam. Abstrakte Schuldversprechen, bei denen also ein Partner dem anderen eine Leistung zu schulden verspricht, ohne dass ein Rückgriff auf die damit verfolgten, vom Gesetz anerkannten wirtschaftlichen Zwecke zulässig wäre (insbesondere Austausch, Sicherung, Freigebigkeit, Streitbereinigung), sind regelmäßig unwirksam (vgl Rummel in Rummel/Lukas, ABGB4 § 859 Rz 55 mwN). Dies wird insbesondere aus dem im § 937 ABGB verankerten Verbot der Vereinbarung des Ausschlusses jeglicher Einwendungen gegen die Gültigkeit eines Vertrags abgeleitet (vgl Perner in Schwimann/Kodek, ABGB4 IV § 937 Rz 4; P. Bydlinski in KBB5 § 937 Rz 3; Koziol, Zur Gültigkeit abstrakter Schuldverträge im österreichischen Recht, GS Gschnitzer, 240).

Richtig hat das Berufungsgericht darauf verwiesen, dass unter bestimmten Voraussetzungen abstrakte Verpflichtungen allerdings in drei- oder mehrpersonalen Verhältnissen akzeptiert werden, zum Beispiel im Wertpapierrecht, bei der Anweisung oder im dreipersonalen Garantieverhältnis (vgl Rummel aaO, Rz 57). Koziol (Der Garantievertrag, 33) führt dazu aus: „Für die Zulässigkeit solcher abstrakten Rechtsgeschäfte, an denen drei Personen beteiligt sind, spricht zunächst der Gedanke der Verkehrssicherheit. Andererseits ist entscheidend, dass zwar zwischen Verpflichtetem und Begünstigtem eine abstrakte Verbindlichkeit besteht, jedoch eine Kette von Grundverhältnissen gegeben ist und auf diesem Umweg auch eine Berufung auf den Rechtsgrund und auf alle Einwendungen möglich ist. Verpflichtung einerseits und Berechtigung andererseits sind daher im Ergebnis nicht abstrakt, sondern kausal, allerdings auf einem Umweg. Das genügt jedoch sowohl für eine ausreichende Inhaltskontrolle als auch zur Vermeidung des Ergebnisses, dass jemand ohne materielle Grundlage eine endgültige Zuwendung an einen anderen vornehmen muss bzw behalten kann.“ Dagegen spreche gegen die Zulässigkeit abstrakter zweipersonaler Garantien die besondere Gefährlichkeit für den Schuldner. Vom Grundverhältnis materiell losgelöste abstrakte Verträge würden die Möglichkeit eröffnen, zahlreiche zwingende Vorschriften, insbesondere gesetzliche Verbote und auch Formvorschriften zu umgehen und eine Inhaltskontrolle durch den Richter unmöglich machen. Die volle Loslösung von der Causa bei den abstrakten Versprechen bedeute nichts anderes als einen allgemeinen Verzicht auf sämtliche Einwendungen aus dem Grundverhältnis, die die Gültigkeit des Vertrags, die Nichterfüllung durch den Partner usw betreffen (Koziol aaO, 30).

5. Auch in der Rechtsprechung wurde darauf verwiesen, dass materiell abstrakte Rechtsgeschäfte nach österreichischem Recht, wie sich aus den Bestimmungen über die Anweisung (§ 1402 ABGB) und über den in die Hände eines Dritten gelangten Wechsel (Art 17 WG) ergibt, wirksam seien, wenn es sich um dreipersonale Verhältnisse handelt. Dafür spreche der Gedanke der Verkehrssicherheit sowie der Umstand, dass die Verbindlichkeit des Garanten durch eine Kette von Grundverhältnissen gerechtfertigt sei (vgl 4 Ob 2330/96t). Dagegen wurde im zweipersonalen Verhältnis das Entstehen einer abstrakten Verbindlichkeit abgelehnt (so etwa 2 Ob 204/10d mit ausführlicher Begründung zur Gutschrift bei Kreditinstituten; 1 Ob 27/01d zum Anerkenntnis).

6. Wie dargelegt wird beim Wechsel grundsätzlich davon ausgegangen, dass, solange er nicht an einen Dritten gelangt, nur eine geminderte Abstraktheit vorliegt, weil vom Verpflichteten sämtliche Einwendungen aus dem Grundgeschäft erhoben werden können. Gelangt der Wechsel in die Hände Dritter, sind nach Art 17 WG dem Verpflichteten auch die Einreden aus dem Grundgeschäft abgeschnitten. Im Interesse der Verkehrssicherheit lässt die Rechtsordnung hier zu, dass im Verhältnis des Dritten zum Verpflichteten allein das abstrakte Versprechen Bedeutung hat. Allerdings wird dies auch hier damit gerechtfertigt, dass auch bei völliger Loslösung vom Grundverhältnis gegenüber dem Dritten dem Verpflichteten die Möglichkeit bleibt, gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger auf das Grundverhältnis zurückzugreifen. Bei mangelnder Gültigkeit des Grundgeschäfts muss der Verpflichtete dem Dritten zwar zahlen, er kann aber seinerseits wiederum seinen ursprünglichen Gläubiger in Anspruch nehmen (vgl Koziol, Zur Gültigkeit abstrakter Schuldverhältnisse im österreichischen Recht, GS Gschnitzer, 243 f). Sieht man den Verkehrsschutz und die Umlauffähigkeit der Wechselforderung als Grundlage für einen Einwendungsausschluss an, ist dieser dort nicht angebracht, wo noch kein „Verkehrsgeschäft“ vorliegt, also kein Dritter beteiligt ist. Solange sich die Parteien des Grundgeschäfts gegenüberstehen und keine Weiterbegebung bzw Ausstellung an einen Dritten stattgefunden hat, ist ein Einwendungsausschluss auf dieser Basis nicht möglich und auch nicht erforderlich. In diesem Fall beeinträchtigt die Zulassung von Einreden aus dem Grundgeschäft die Umlauffähigkeit des Papiers nicht (Krejci, Unternehmensrecht mit Wertpapierrecht, 624).

Für diese, vom erkennenden Senat geteilten Gründe, die gegen einen Einwendungsausschluss sprechen, macht es aber keinen Unterschied, ob dieser ausdrücklich vereinbart wurde oder nicht. Auch im Wechselrecht besteht keine Rechtfertigung für die Begründung einer rein abstrakten Verbindlichkeit im zweipersonalen Verhältnis, also solange sich die Parteien des Grundgeschäfts gegenüberstehen. Vielmehr müssen dem Schuldner in einem solchen Fall die Einwendungen aus dem Grundgeschäft erhalten bleiben. Erst mit Begebung des Wechsels verlangt die Verkehrsfähigkeit des Wertpapiers den Ausschluss von Einwendungen. Damit ist aber eine Vereinbarung, wonach, solange sich die Parteien des Grundgeschäfts gegenüberstehen, Einwendungen aus dem Grundgeschäft ausgeschlossen werden, nach § 879 Abs 1 ABGB unwirksam.

7. Der im Rekurs angesprochene Umstand, dass nach der Rechtsprechung die Klage aus dem Grundgeschäft und die Wechselklage nicht im Verhältnis der Identität stehen, ändert daran nichts. Die inhaltlich beschränkte Entscheidungsbefugnis im Wechselverfahren ist eine Begleiterscheinung der materiellen Wechselstrenge, also der abstrakten Natur der im Wechsel verbrieften Forderung. Das Bestehen der Klagsforderung wird daher ausschließlich aus der Gültigkeit des Wertpapiers abgeleitet. Das nimmt dem Beklagten jedoch nicht die Möglichkeit im Rahmen des Art 17 WG Einwendungen zu erheben (vgl Enzinger, Streitfragen zum Streitgegenstand im Wechselprozess, JBl 2006, 705 [706]). Daraus wurde sogar abgeleitet, dass der Beklagte, der ihm mögliche Einwendungen im Wechselprozess nicht erhoben hat, in der Folge nicht unter Berufung auf das Grundgeschäft Ansprüche geltend machen kann (8 Ob 213/99b).

Die Ansicht der Klägerin, dass allein aufgrund der fehlenden Identität der Forderung aus dem Grundgeschäft und aus dem Wechsel Einwendungen aus dem Grundgeschäft ausgeschlossen sind, hätte zur Folge, dass dies unabhängig von einer entsprechenden Vereinbarung der Parteien gelten müsste, und steht damit nicht nur in Widerspruch zur zitierten Lehre und Rechtsprechung, sondern auch zu Art 17 WG, der einen solchen Ausschluss nur bei Weitergabe des Wechsels annimmt (vgl RIS-Justiz RS0082465).

Soweit der Rekurs darauf verweist, dass im Wertpapierrecht und bei Anweisungen abstrakte Verpflichtungen als zulässig erachtet werden, übergeht er, dass dies regelmäßig nur im dreipersonalen, nicht im zweipersonalen Rechtsverhältnis gilt.

8. Wenn sich die Klägerin darauf beruft, dass Aufrechnungsverbote grundsätzlich zulässig sind, womit sie offenbar eine Konversion der Nebenabrede in ein Aufrechnungsverbot anstrebt, muss darauf derzeit noch nicht eingegangen werden, weil sich die Einwendungen der Beklagten zunächst gegen die Berechtigung der Klagsforderung wenden. Erst wenn diese feststeht, muss auf die ebenfalls geltend gemachten Gegenforderungen eingegangen werden.

9. Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Vereinbarung eines Einwendungsausschlusses aus dem Grundgeschäft zwischen Gläubiger und Schuldner des Grundgeschäfts für den Fall, dass sie sich in einem Wechselverfahren als Wechselschuldner und Wechselgläubiger gegenüberstehen, aufgrund der Unzulässigkeit abstrakter Verpflichtungsgeschäfte nach § 879 Abs 1 ABGB nichtig ist.

10. Gegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zu den Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Kündigung der zwischen den Parteien vereinbarten Kredite wendet sich der Rekurs nicht. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden.

Soweit das Berufungsgericht davon ausgeht, dass der Sachverhalt in der von ihm dargelegten Richtung noch nicht genügend geklärt ist, ist dem vom Obersten Gerichtshof, der keine Tatsacheninstanz ist, nicht entgegenzutreten (RIS-Justiz RS0042179).

11. Dem Rekurs war daher nicht Folge zu geben.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.

Textnummer

E122771

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2018:0080OB00147.17A.0828.000

Im RIS seit

08.10.2018

Zuletzt aktualisiert am

19.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten