TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/24 97/13/0022

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Veröffentlicht am 24.11.1999
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Index

32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;

Norm

EStG 1988 §2 Abs3 Z3;
EStG 1988 §23;
EStG 1988 §4 Abs1;
EStG 1988 §6 Z8 litb;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Fellner, Dr. Hargassner, Mag. Heinzl und Dr. Fuchs als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Fössl, über die Beschwerde der I KG & Co in W, vertreten durch Dr. Daniel Charim, Rechtsanwalt in Wien IX, Wasagasse 4, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. Mai 1996, GZ 16-96/3095/11, betreffend Feststellung der Einkünfte 1993, Gewerbesteuer 1993 und Einheitswert des Betriebsvermögens zum 1. Jänner 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Nach dem Bericht über eine bei der Beschwerdeführerin vorgenommene abgabenbehördliche Prüfung wurde in der Bilanz zum 31. Dezember 1993 eine Rückstellung für drohende Verluste in der Höhe von S 3,780.156,03 ausgewiesen. Es habe sich dabei um einen "negativen Firmenwert" gehandelt, der folgendermaßen entstanden sei:

Mit Wirkung vom 1. Oktober 1993 sei die Fa I (=Beschwerdeführerin; richtig: die Gesellschaftsanteile an der beschwerdeführenden Kommanditgesellschaft) für einen Kaufpreis von S 5,800.000,-- an die I GmbH und Birgit S verkauft worden. Das Kapital der Beschwerdeführerin habe zum Veräußerungszeitpunkt S 9,553.336,03 betragen. Der Unterschiedsbetrag zwischen den Buchwerten der Bilanz und dem Kaufpreis sei die bilanzierte Rückstellung für Verluste. Dipl. Ing. A (bisheriger Gesellschafter) habe dazu erklärt, die Gewinne des Unternehmens seien seit dem Jahre 1985 rückläufig gewesen. Es sei absehbar gewesen, dass das Unternehmen Verluste erwirtschaften würde. Bei allen Verkaufsgesprächen habe sich gezeigt, dass die Anbote unter dem Kapitalkonto gelegen seien. Außerdem seien noch subjektive Momente für die Veräußerung der Anteile ausschlaggebend gewesen.

Der Prüfer vertrat die Auffassung, dass der Erwerber des Betriebes den Differenzbetrag zwischen Kapitalkonto und Kaufpreis sofort als Gewinn zu versteuern habe. Er löste die Rückstellung für drohende Verluste im Jahre 1993 zur Gänze gewinnerhöhend auf.

Das Finanzamt erließ dem Prüfungsbericht folgend entsprechende Abgaben- und Feststellungsbescheide. In der Berufung gegen diese Bescheide wurde zum Sachverhalt ausgeführt, weder im Anlagevermögen noch im Umlaufvermögen seien zum Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels Reserven für eine Abstockung vorhanden gewesen. Im Anlagevermögen seien zum 31. Dezember 1993 Buchwerte in Höhe von S 34.375,-- ausgewiesen worden. Beim Umlaufvermögen seien die vorgenommenen Teilwertabschreibungen durch den Prüfer rückgängig gemacht worden. Die unterpreisige Veräußerung der Gesellschaftsanteile habe vornehmlich auf der subjektiven negativen Einschätzung der zukünftigen Ertragslage beruht. Dass die Ertragslage nicht zu pessimistisch beurteilt worden sei, ergebe sich aus dem vorläufigen Betriebsergebnis des Wirtschaftsjahres 1994/1995, welches zum 31. Jänner 1995 ein bestenfalls ausgeglichenes Ergebnis ausweise. Mangels einer möglichen Abstockung sei der Ausweis eines passiven Ausgleichspostens in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen dem Kaufpreis und dem Wert der übernommenen Gesellschaftsanteile unerlässlich gewesen. Im Falle einer möglichen Abstockung bei Wirtschaftsgütern des Anlage- und Umlaufvermögens würde eine Gewinnrealisierung nicht sofort, sondern erst nach Maßgabe der Veräußerung der Waren oder des ganzen Unternehmens eintreten. Es fehle jede wirtschaftliche Begründung dafür, dass mangels möglicher Abstockung eine sofortige Versteuerung des Unterschiedsbetrages Platz greifen sollte.

In einer Stellungnahme des Prüfers zur Berufung wurde unter anderem ausgeführt, bei der Warengruppe "gebrauchte Maschinen" sei der Verkaufspreis in den Jahren 1991 bis 1993 in der Regel über dem Einstandspreis gelegen gewesen. Die Lagerumschlagshäufigkeit habe bei den gebrauchten Maschinen 2,75 bis 3,86 und bei den Ersatzteilen zwischen 1,34 und 1,8 betragen. Die Teilwertabschreibung der gebrauchten Maschinen sei daher nicht zugelassen worden; bei den Ersatzteilen sei eine pauschale Teilwertabschreibung von 30 % "gewährt" worden. Die Warengruppen gebrauchte Maschinen und Ersatzteile hätte 10 bis 14 % des gesamten Warenbestandes betragen. Die Meinung, beim Umlaufvermögen seien keine Reserven für eine Abstockung vorhanden, könne nicht geteilt werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, es sei davon auszugehen, dass weder im Anlagevermögen noch im Umlaufvermögen zum Zeitpunkt des Gesellschafterwechsels Reserven für eine Abstockung um den Differenzbetrag zwischen dem Wert der übernommenen Kapitalkonten und dem für den Erwerb der Gesellschaftsanteile entrichteten Kaufpreis vorhanden gewesen seien. Die meisten Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens seien bereits abgeschrieben gewesen. Bei den Warenvorräten habe es sich um gängige Handelswaren gehandelt. Der Wert des gesamten Warenlagers werde mehrmals im Jahr umgesetzt. Auch die anderen Aktivposten der Bilanz kämen für eine Abwertung nicht in Frage. So seien die Lieferforderungen schon einzelwertberichtigt ausgewiesen worden. Auch in der Bilanz angeführte Passivposten seien im Zuge der Betriebsprüfung berichtigt worden. Die in den Rückstellungen vorhandenen stillen Reserven seien aufgedeckt worden. Es könne von den Teilwerten entsprechenden Buchwertansätzen ausgegangen werden, wobei kein Raum für eine Abstockung dieser Buchwerte um den Differenzbetrag zwischen übernommenen Kapitalkonten und Kaufpreis bleibe. In diesem Differenzbetrag sei eine Vermögenszuwendung aus betrieblichen Gründen zu sehen. Für die unterpreisige Abfindung seien seitens der ausscheidenden Gesellschafter betriebliche Gründe ausschlaggebend gewesen. Unter Berufung auf Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch, § 6, Rz 236, vertrat die belangte Behörde die Auffassung, es sei daher der Differenzbetrag als steuerpflichtiger Gewinn der verbleibenden Gesellschafter zu erfassen. Hingegen sei der Ansatz eines negativen Firmenwertes unzulässig.

Die Behandlung der gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde wurde vom Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 26. November 1996, B 2069/96-3, abgelehnt; gleichzeitig wurde die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen erkennbar davon aus, dass es sich bei dem in Rede stehenden Erwerb der Gesellschaftsanteile an der beschwerdeführenden Personengesellschaft nicht etwa um ein (teilweise) unentgeltliches, sondern vielmehr um ein entgeltliches Rechtsgeschäft gehandelt hat. Bei einem solchen entgeltlichen Erwerb eines Betriebes sind die Wirtschaftsgüter mit den Anschaffungskosten anzusetzen (vgl § 6 Z 8 lit b EStG 1988). Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem Erkenntnis vom 7. Oktober 1953, Zl 30/51, Slg Nr 820 (F), zu einem ähnlich gelagerten Fall ausgesprochen hat, ist der Erwerb von Anteilen an einer Personengesellschaft zu unter dem anteiligen Gesellschaftskapital liegenden Abfertigungsbeträgen möglicherweise ein vorteilhaftes Rechtsgeschäft. Dieser Vorteil werde aber im Augenblick des Geschäftsabschlusses noch nicht realisiert und sei deshalb auch nicht zu versteuern. Er wäre vielmehr erst dann und nur soweit als Gewinn aus Gewerbebetrieb steuerlich erfassbar geworden, als die quotenmäßigen Anteile an den erworbenen Wirtschaftsgütern wieder umgesetzt, also die Waren veräußert, die Forderungen eingegangen, die Anlagegüter abgestoßen worden wären oder das ganze Unternehmen veräußert worden wäre. Im hg Erkenntnis vom 29. Jänner 1974, Zl 1945/73, Slg Nr 4638 (F), wurde zum Erwerb eines Kommanditanteils ausgesprochen, es seien die tatsächlichen Anschaffungskosten anzusetzen, soweit diese niedriger sind als der Teilwert. Der Ansatz eines negativen Firmenwertes komme nicht in Betracht. Es besteht kein Anlass, von der dargestellten Auffassung im Geltungsbereich des EStG 1988 abzugehen. Die Auffassung der belangten Behörde würde demgegenüber darauf hinauslaufen, eine Realisierung des durch den preisgünstig erfolgten Erwerb des ganzen Unternehmens in Aussicht stehenden Vorteils bereits vor den jeweiligen Geschäftsfällen anzunehmen. Ein Gewinn aus dem jeweiligen Geschäftsfall darf aber erst ausgewiesen werden, wenn er durch einen entsprechenden Umsatzakt in Erscheinung getreten ist. Da die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie ihren Bescheid mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet.

Zur Klarstellung ist dabei noch darauf hinzuweisen, dass die Auffassung der Beschwerdeführerin, eine von ihr als "negativer Firmenwert" bezeichnete passive Rechnungsabgrenzung sei analog zur Abnutzung eines positiven Firmenwertes innerhalb von 15 Jahren aufzulösen, dem festgestellten Sachverhalt nicht gerecht wird. Vielmehr wird insbesondere auf Grund der von der belangten Behörde festgestellten Umsetzung des Warenvorrates und überhaupt der Zusammensetzung des Vermögens der Beschwerdeführerin eine Gewinnrealisierung zweifellos in einem wesentlich kürzeren Zeitraum als dem von der Beschwerdeführerin angenommenen Zeitraum von 15 Jahren erfolgen.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben, wobei von der Durchführung der beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs 2 Z 6 VwGG abgesehen werden konnte.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl Nr 416/1994. Dabei war ein Ersatz von Stempelgebühren nicht

zuzusprechen, da die Beschwerdeführerin solche im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht entrichtet hat.

Wien, am 24. November 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1997130022.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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