Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. S***** P*****, vertreten durch Dr. Josef Pfurtscheller, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei W***** GmbH, *****, vertreten durch Mag. Ruben Steiner, Rechtsanwalt in Telfs, und die Nebenintervenientin auf Seiten der beklagten Partei H*****gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Roland Kometer, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen Mängelbehebung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck vom 10. Mai 2018, GZ 1 R 56/18x-62, mit dem das (richtig: End-)Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 5. März 2018, GZ 6 Cg 102/15h-56, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei und der Nebenintervenientin die mit jeweils 1.017,90 EUR (darin 169,65 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortungen binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Text
Begründung:
Der Kläger begehrt von der beklagten Bauträgerin nach rechtskräftiger Teilabweisung zuletzt nur mehr die Behebung eines Mangels der Entsorgung des Oberflächenwassers in bestimmt bezeichneter Form auf den Terrassen von zwei Eigentumswohnungen.
Das Berufungsgericht hatte im ersten Rechtsgang das angefochtene Ersturteil insoweit aufgehoben und die Rechtssache an das Erstgericht zurückverwiesen, um mit dem Kläger die Notwendigkeit der Beibringung eines die Klagsführung rechtfertigenden Mehrheitsbeschlusses der Eigentümergemeinschaft zu erörtern und ihm die Gelegenheit zu verschaffen, einen solchen (oder einen die Zustimmung ersetzenden Beschluss des Außerstreitgerichts) herbeizuführen. Es hatte dazu erläutert, dass wenn die „Außenhaut“ des Gebäudes, also ein allgemeiner Teil der Liegenschaft, betroffen sei und durch das Vorgehen eines Einzelnen Gemeinschaftsinteressen beeinträchtigt sein könnten, etwa bei Wahl des Gewährleistungsbehelfs oder jener zwischen Naturalrestitution oder Geldersatz, die Individualrechte aufeinander abzustimmen seien.
Der Klagevertreter richtete daraufhin ein Schreiben an sämtliche Miteigentümer, in dem er um Zustimmung zur Klagsführung unter Beilage einer vorbereiteten Erklärung ersuchte und erwirkte so die Zustimmung von 36 Miteigentümern (3380/5770 Anteile). Weitere 26 Miteigentümer (2390/5770 Anteile) gaben aber keine Zustimmungserklärung ab. Unstrittig erfolgte kein Hausanschlag über das Abstimmungsverhalten der Miteigentümer.
Das Berufungsgericht bestätigte im zweiten Rechtsgang die Abweisung auch dieses Teils des Klagebegehrens durch das Erstgericht unter Hinweis auf seine schon im Aufhebungsbeschluss vertretene Rechtsansicht zur Notwendigkeit der Abstimmung der Individualinteressen und teilte den Standpunkt des Erstgerichts, es liege mangels Hausanschlag kein rechtswirksamer Mehrheitsbeschluss vor. Den Wert des Entscheidungsgegenstands bewertete es mit jeweils (pro Wohnung) 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigend und erklärte die Revision nachträglich für zulässig, weil der Kläger eine Judikaturdivergenz zur Frage, ob es für die Rechtswirksamkeit eines (Umlauf-)Beschlusses der Bekanntgabe des Ergebnisses bedürfe, habe aufzeigen können.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision nicht zulässig, was nur einer kurzen Begründung bedarf (§ 510 Abs 3 ZPO):
1. Die Wahl des Gewährleistungsbehelfs wegen Mängeln allgemeiner Teile steht grundsätzlich nicht dem einzelnen Wohnungseigentümer allein zu, sondern es ist darüber ein Mehrheitsbeschluss der Eigentümergemeinschaft oder eine substituierende Entscheidung des Außerstreitrichters erforderlich (RIS-Justiz RS0108158 [T26, T27]); (nur) soweit Gemeinschaftsinteressen nicht gefährdet sind, kann der einzelne Mit- und Wohnungseigentümer seine auch allgemeine Teile der gemeinschaftlichen Sache betreffenden Gewährleistungs- oder Schadenersatzansprüche allein geltend machen (s RIS-Justiz RS0108158 [T7, T21]). Gerade in der einzigen vom Revisionswerber dazu zitierten Entscheidung (5 Ob 21/09p) wird das Erfordernis eines Mehrheitsbeschlusses nur für ein (hier nicht gestelltes) Feststellungsbegehren über die Haftung für künftige Schäden verneint, ansonsten aber daran festgehalten und ausdrücklich erläutert, es sei davon im Regelfall auszugehen; jene Umstände, die eine Beurteilung dieser Frage zuließen, seien als anspruchsbegründend anzusehen und deshalb von der Behauptungs- und Beweislast der (dortigen) Kläger (als einzelne Mit- und Wohnungseigentümer) umfasst.
Angesichts dieser Judikatur kann der Kläger, der im Verfahren erster Instanz weder vorbrachte noch darlegte, dass und aufgrund welcher Umstände und Erwägungen eine Beeinträchtigung von Interessen der anderen Miteigentümer nicht zu besorgen sei, sondern im zweiten Rechtsgang bloß die Einholung eines wirksamen Mehrheitsbeschlusses behauptete, keine Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts zur Frage der Notwendigkeit der Rechtfertigung der Klage durch einen Mehrheitsbeschluss aufzeigen. Dass Eingriffe in die Terrassenabdeckung, bei der auch die Feuchtigkeitsisolierung berührt werden kann, von vorneherein ungeeignet wären, die Interessen der Übrigen zu gefährden, kann nicht gesagt werden.
2. Die angefochtene Entscheidung steht auch insoweit in Einklang mit der herrschenden Rechtsprechung, als danach ein schriftlicher Umlaufbeschluss nicht bereits mit dem Erreichen der Mehrheit zustande kommt, sondern vielmehr die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich ist, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen. Die Bindung der Teilnehmer an ihre Erklärung tritt nämlich erst ein, wenn sie allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten – im Sinn der besonderen Kundmachungsnorm des § 24 Abs 5 WEG – zugegangen ist; bis zu diesem Zeitpunkt kann jeder Mit- und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen (RIS-Justiz RS0106052 [bes T4, T6, T11]; 5 Ob 16/16p mwN uva).
Der Revisionswerber beruft sich für den von ihm eingenommenen – der herrschenden Ansicht aber widersprechenden – Standpunkt, der Hausanschlag sei nur für den Beginn der Anfechtungsfrist bedeutsam und für das konstitutive Zustandekommen des Beschlusses der Mit- und Wohnungseigentümer nicht notwendig, weil deren Bindung an das Abstimmungsverhalten bereits eingetreten sei, „wenn allen Miteigentümern entsprechende Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt“ worden sei, auf zwei Entscheidungen des fünften Senats. Die Entscheidung 5 Ob 155/06i ist aber für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht einschlägig, weil sie zu einer Abstimmung in einer Eigentümerversammlung erging, bei der – anders als bei Beschlussfassung im Umlaufweg – vor der Abstimmung eine Beratung vorgesehen ist. Die Möglichkeit der gegenseitigen argumentativen Beeinflussung der Miteigentümer soll aber nicht dadurch ausgeschaltet sein, dass bei einer Abstimmung im Umlaufweg Meinungsäußerung und Abstimmungsverhalten endgültig zusammenfallen (so schon 5 Ob 2306/96w). Auch die zweite vom Rechtsmittelwerber zitierte (im Rahmen einer Zurückweisung einer außerordentlichen Revision) zu 5 Ob 172/05p ergangene Entscheidung ist mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, lag doch der damals geäußerten Rechtsansicht, dass nur bis zu dem Zeitpunkt, nach dem allen Wohnungseigentümern Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden sei, ein Wohnungseigentümer an seine bereits abgegebene Erklärung nicht gebunden sei, die
– hier eben nicht gegebene – Sonderkonstellation einer einstimmigen Beschlussfassung aller Mit- und Wohnungseigentümer zugrunde. Schon zu 5 Ob 18/07v stellte der fünfte Senat anlässlich eines Falles, in dem das genaue (nicht einstimmige) Abstimmungsergebnis den Miteigentümern nicht bekannt gegeben worden war, klar, dass eine Bindung deswegen noch nicht eingetreten war und daher die Miteigentümer, die ursprünglich ihre Zustimmung erteilt hatten, diese widerrufen konnten. Eine Judikaturdivergenz, die anlässlich der Lösung dieses Rechtsstreits einer Klarstellung bedürfte, liegt damit nicht vor.
3. Die Revision, die insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, ist demnach zurückzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 ZPO iVm § 50 ZPO. Die Beklagte und die Nebenintervenientin haben auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels des Klägers hingewiesen, weshalb ihnen die Kosten der jeweiligen Revisionsbeantwortung als zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig zuzuerkennen sind. Dabei ist jedoch angesichts der Bewertung des gesamten Begehrens durch den Kläger mit 29.145 EUR unter Berücksichtigung der Teilabweisung schon im ersten Rechtsgang und der festgestellten Behebungskosten von einer Bemessungsgrundlage von gerundet 14.500 EUR auszugehen.
Textnummer
E122795European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0010OB00136.18H.0829.000Im RIS seit
09.10.2018Zuletzt aktualisiert am
05.06.2020