Index
L65000 Jagd Wild;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Böheimer, über die Beschwerde der Österreichischen Bundesforste AG in Wien, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 11. Dezember 1997, Zl. IIIa2-1704/1, betreffend Auflösung eines Jagdpachtvertrages (mitbeteiligte Parteien: HM und IM, beide in M), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Kufstein vom 4. November 1997 wurde dem Antrag der Beschwerdeführerin (als Verpächterin) vom 10. September 1997 auf Auflösung des mit den mitbeteiligten Parteien (als Pächtern) abgeschlossenen Jagdpachtvertrages, betreffend die Eigenjagd "Sonnberg", wegen Nichtbezahlung des Jagdpachtschillings (Restbetrag) für das Jagdjahr 1997/98 nach Anhören des Bezirksjagdbeirates gemäß § 20 lit. d Tiroler Jagdgesetz 1983, LGBl. Nr. 60, (TJG) Folge gegeben und der Jagdpachtvertrag aufgelöst.
Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die mitbeteiligten Parteien mit der Zahlung des Pachtzinses - trotz der vom Gesetz geforderten schriftlichen Mahnung seitens der Beschwerdeführerin - länger als drei Monate in Verzug seien. Die Behörde sei daher verpflichtet gewesen, den Jagdpachtvertrag gemäß § 20 lit. d TJG aufzulösen.
In den dagegen erhobenen Berufungen brachten die mitbeteiligten Parteien vor, dass sie zwischenzeitig den noch offenen Restbetrag beglichen hätten.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde den Berufungen Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos behoben.
In der Begründung dieses Bescheides geht die belangte Behörde in sachverhaltsmäßiger Hinsicht davon aus, dass die mitbeteiligten Parteien nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides einen Betrag von S 175.000,-- an die Beschwerdeführerin bezahlt hätten. Der Jagdpachtschilling betrage S 263.040,--. Eine Akontozahlung von S 170.000,-- sei von den mitbeteiligten Parteien bereits vor Pachtauflösung geleistet worden, sodass - unabhängig von allfälligen Verzugszinsen und von der offensichtlich bereits nicht mehr in der vollen Höhe zur Verfügung stehenden Kaution - der Pachtschilling für das Jagdjahr 1997/98 als entrichtet angesehen werden müsse.
In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die in § 20 TJG vorgesehene Auflösung des Jagdpachtvertrages aus dem Grunde der nicht rechtzeitigen Zahlung des Pachtschillings stelle grundsätzlich einen von der Verwaltungsbehörde wahrzunehmenden, jedoch "rein privatrechtlichen" Tatbestand dar. Ein solcher könne "wohl nicht so weit gehen", dass eine zwar verspätete, letztlich aber doch geleistete Zahlung von der Berufungsbehörde unberücksichtigt bleibe. Gesetzliche Bestimmungen seien immer verfassungskonform auszulegen. Das bedeute für den konkreten Fall, dass durch die Bestimmungen des Jagdrechtes nur so weit in das privatrechtliche Innenverhältnis zwischen Verpächter und Pächter eingegriffen werden dürfe, "als öffentliche Rechte in überwiegendem Maße davon berührt werden". Dies sei jedoch nicht der Fall. Der Verpächterin könne ohne Weiteres zugemutet werden, bei rein privatrechtlichen Vertragsverletzungen aus dem Pachtverhältnis gerichtliche Schritte zu unternehmen. Es könne auch nicht Aufgabe der Verwaltungsbehörde sein, den Verpächtern eine Hilfestellung zu geben, wenn sie sich von unliebsamen Pächtern trennen wollten. Hätte der Gesetzgeber "das einmalige Eintreten des Verzuges als absoluten Auflösungsgrund betrachtet, so hätte auch die entsprechende gesetzliche Regelung dahingehend zu lauten und müsste das Erlöschen des Pachtvertrages kraft Gesetzes eintreten".
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 lit. d TJG hat die Bezirksverwaltungsbehörde den Jagdpachtvertrag auf Antrag des Verpächters oder von Amts wegen aufzulösen, wenn ein Pächter mit der Bezahlung des Pachtschillings trotz schriftlicher Mahnung länger als drei Monate in Verzug ist. Vor der Entscheidung über einen Antrag ist der Bezirksjagdbeirat zu hören.
Die Beschwerdeführerin lässt die Sachverhaltsannahme hinsichtlich der (vollständigen) Bezahlung des Pachtschillings nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides unbestritten. Sie wendet sich lediglich gegen die rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, dass die Berufungsbehörde Änderungen des Sachverhaltes bei der im Beschwerdefall maßgebenden Rechtslage zu berücksichtigen habe.
Wenn nun die in § 66 Abs. 4 AVG verankerte grundsätzliche Verpflichtung der Rechtsmittelbehörde zur Entscheidung in der Sache selbst die Verpflichtung miteinschließt, auch Änderungen der Sach- und Beweislage, welche erst nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides eingetreten oder hervorgekommen sind, in der Berufungsentscheidung zu berücksichtigen, so gilt nur dann anderes, wenn die Auslegung der Verwaltungsvorschriften ergibt, dass eine vor der Erlassung des Berufungsbescheides bestandene Sachlage von Bedeutung ist. Derartiges ist aber im Lichte des hier anzuwendenden § 20 lit. d TJG nicht zu finden.
Wie die belangte Behörde an sich zutreffend erkennt, hat der Gesetzgeber den Tatbestand für die Auflösung eines Pachtvertrages in § 20 lit. d TJG nicht so gestaltet, dass mit dem Eintritt des Verzuges (trotz schriftlicher Mahnung) bereits ex lege die Auflösung des Pachtvertrages eintritt. Die funktionelle Stellung des vom Gesetzgeber hier vorgesehenen, rechtsgestaltenden - und zwar rechtsvernichtenden - Verwaltungsaktes liegt gerade darin, dass nicht schon ein erfolgter Zahlungsverzug zu einem Rechtsverlust führen soll, sondern der Zahlungsverzug (nur) Tatbestandsvoraussetzung für die Ermächtigung der Behörde zur Rechtsgestaltung ist, wobei diese Rechtsgestaltung (solange) zulässig ist, solange ein Verzug vorliegt (arg.: in Verzug ist); die Tatbestandsvoraussetzungen sind also nicht so gestaltet, dass jedenfalls schon mit dem (in der Vergangenheit) erfolgten Eintritt eines bestimmten Zeitpunktes der Jagdpachtvertrag aufzulösen ist.
Daraus ist zu schließen, dass dann, wenn der Pächter mehr als drei Monate mit der (vollständigen) Bezahlung seines Pachtschillings in Verzug war, eine Bezahlung des Pachtschillings aber (nachträglich) erfolgt ist, die Behörde zur Auflösung des Pachtvertrages nicht (mehr) ermächtigt ist. In diesem Sinne trifft daher die Auffassung der belangten Behörde nicht zu, dass eine spätere Zahlung die einmal eingetretene Tatbestandsmäßigkeit nicht beseitige.
Der hier anzuwendenden Bestimmung kann aber auch nicht entnommen werden, dass dieses Auslegungsergebnis nur für das Verfahren bis zur Erlassung des Bescheides der Behörde erster Instanz gelten könne.
Es gilt daher auch für den Beschwerdefall, dass für die Berufungsbehörde die zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Sachlage maßgebend ist.
Daran vermag auch nichts zu ändern, wenn sich die Beschwerdeführerin zur Stützung ihres Rechtsstandpunktes auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes beruft, wonach der Grundsatz der Berücksichtigung von Änderungen der Sach- und Rechtslage durch die Berufungsbehörde dann nicht gelte, wenn lediglich der Zustand herbeigeführt werde, der im angefochtenen Bescheid gefordert werde. Die Beschwerdeführerin übersieht dabei, dass die von ihr herangezogenen Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens4, E 155 ff zu § 66 Abs. 4 AVG) zu so genannten Leistungsbescheiden ergingen. Damit erübrigt sich auch eine Erörterung, inwiefern die in diesen Erkenntnissen getroffenen Ausführungen über die anzuwendende Sachlage von der jeweiligen (damals) in Betracht gekommenen materiellen Rechtslage zu trennen sind.
Da im Beschwerdefall für die Berufungsbehörde die zum Zeitpunkt der Erlassung ihres Bescheides geltende Sachlage maßgebend ist, war auch die Frage nicht näher zu prüfen, ob die von der belangten Behörde vertretene und von der Beschwerdeführerin bekämpfte Auffassung zutreffend ist, dass durch die Bestimmungen des Jagdrechtes nur so weit in das privatrechtliche Innenverhältnis zwischen Verpächter und Pächter eingegriffen werden dürfe, "als öffentliche Rechte in überwiegendem Maße" berührt würden (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Regelung vgl. nochmals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/03/0360).
Die belangte Behörde belastete aber aus folgendem, in der Beschwerde nicht geltend gemachten Grund ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit:
Es bestehen keine Zweifel, dass mit dem angefochtenen Bescheid der Bescheid der Unterbehörde nach § 66 Abs. 4 AVG "ersatzlos" behoben wurde.
Gemäß § 66 Abs. 4 AVG hat die Berufungsbehörde, sofern die Berufung nicht als unzulässig oder verspätet zurückzuweisen ist, immer in der Sache selbst zu entscheiden.
Dies bedeutet, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Berufungsbehörde den unterinstanzlichen Bescheid unter ausdrücklicher Berufung auf die Bestimmung des § 66 Abs. 4 AVG (ersatzlos) behebt, diese Entscheidung - anders als im Falle einer Behebung nach § 66 Abs. 2 leg. cit. - insofern endgültig ist, als die Unterbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Mai 1993, Zl. 92/04/0263).
Die - gemäß § 66 Abs. 4 AVG erfolgte - ersatzlose Behebung des erstinstanzlichen Bescheides durch die belangte Behörde hätte daher zur Folge, dass ein Abspruch über den dem Bescheid zugrunde liegenden Antrag der Beschwerdeführerin, obwohl ein solcher vorzunehmen ist, nicht mehr möglich wäre. Der angefochtene Bescheid der Berufungsbehörde ist daher mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet.
Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994 (vgl. auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Jänner 1998, Zl. 94/17/0099).
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 24. November 1999
Schlagworte
Jagdrecht und Jagdrechtsausübung Eigenjagd Ausübung und Nutzung Verpachtung Pachtvertrag Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1998030048.X00Im RIS seit
21.02.2002