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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AsylG 1997 §44 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Bachler, Dr. Rigler, Dr. Pelant und Dr. Büsser als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde der mj. RM in L, geboren am 13. Oktober 1982, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, diese vertreten durch Dr. Dieter Gallistl, Rechtsanwalt in 4020 Linz, Landstraße 15/IV, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 18. Dezember 1998, Zl. 200.546/0-V/15/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Äthiopien, die am 13. Februar 1997 in das Bundesgebiet eingereist ist, beantragte am 26. Juni 1997 die Gewährung von Asyl. Sie wurde am 17. Juli 1997 niederschriftlich einvernommen.
Die Behörde erster Instanz gab in ihrem, den Asylantrag abweisenden Bescheid vom 28. Juli 1997 das Vorbringen der Beschwerdeführerin folgendermaßen wieder:
"Sie hätten die letzte Zeit vor Ihrer Ausreise bei Ihrem Bruder gelebt und dieser sei auf Grund eines politischen Grundes verhaftet worden. Sie würden nicht wissen, wo sich dieser derzeit befinden würde bzw. ob dieser derzeit noch am Leben sei. Freunde Ihres Bruders hätten Ihnen mitgeteilt, dass Sie die Flucht ergreifen müssten, da Sie ansonsten im Gefängnis landen könnten. Sie hätten mit Ihrem Bruder alleine gelebt, da Ihre Eltern bereits verstorben seien und so hätten Sie niemanden gehabt, der Ihnen helfen hätte können.
Auf Grund des Umstandes, dass die Möglichkeit bestanden wäre, dass Sie ebenfalls ins Gefängnis kommen könnten, seien Sie geflüchtet.
Zur Frage, ob Sie weitere asylrelevante Gründe anzuführen hätten, führten Sie aus, dass man Sie, wären Sie in ihrem Heimatland verblieben, vermutlich eingesperrt oder umgebracht hätte.
Zur Frage, weshalb, führten Sie aus, dass Sie Angehörige der Volksgruppe der 'Amhara' seien. Bei dieser Volksgruppe würde es sich um eine Minderheit handeln und die Regierung würde diese Gruppierung verfolgen. Ihr Bruder sei politisch aktiv gewesen und man hätte ihn deshalb festgenommen.
Zur Frage, wann er festgenommen wurde, führten Sie aus, dass dies ca. zwei Wochen vor Ihrer Ausreise gewesen sei.
Zur Frage, ob es irgend einen Anlassfall gegeben hätte, weshalb man ihn festgenommen hat, führten Sie aus, dass er Mitglied einer politischen Partei namens Amaharsche Freiheitspartei gewesen sei.
Zur Zielsetzung dieser Partei befragt, würden Sie ausführen, dass diese Partei alle ethnischen Gruppierungen vereinigen möchte. Derzeit würde die Macht von der ethnischen Gruppe der 'Tigray' ausgeübt werden.
Zur Frage, ob Ihr Bruder an Anschlägen oder dergleichen beteiligt war, führten Sie aus, dass dieser lediglich politisch aktiv gewesen sei.
Zur Frage, ob Sie politisch aktiv waren, führten Sie aus, dass Sie lediglich wegen Ihres Bruders verfolgt werden würden. Sie seien nicht aktiv gewesen, seien jedoch Sympathisantin dieser Partei gewesen, da Sie ebenfalls Angehörige der gleichen Volksgruppe seien.
Zur Frage, von wem Sie erfahren haben, dass Sie Probleme bekommen könnten, führten Sie aus, dass Ihnen dies Freunde Ihres Bruders mitgeteilt hätten und Sie dies ebenfalls wissen würden."
Die Beschwerdeführerin habe mit ihrem Vorbringen asylrechtlich relevante Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können.
Hiezu führte die Erstbehörde Folgendes aus:
"Zu den von Ihnen als asylrelevant dargestellten Ausführungen wird festgestellt, dass diesen die begründete Furcht vor Verfolgung fehlt.
Bei einer solchen muss es sich um eine handeln, die aus objektiver Sicht begründet ist und einen weiteren Verbleib des Asylwerbers in seinem Heimatland unerträglich erscheinen lässt. Bei Ihren Befürchtungen handelt es sich jedoch lediglich um Vermutungen, also bloß um subjektiv empfundene Furcht, die durch keinerlei Anhaltspunkte für konkret gegen Sie gerichtete oder geplante Verfolgungshandlungen untermauert werden konnte.
Sie führten lediglich aus, Ihr Bruder sei politisch tätig gewesen und man hätte diesen festgenommen. Dies haben Sie jedoch nicht einmal selbst beobachtet, da Sie nach Befragung anführten, dass Sie zu diesem Zeitpunkt nicht zu Hause gewesen wären. Die von Ihnen zum Asylgrund erhobenen Angaben, also dass man Ihren Bruder arrestiert hätte bzw. dass die Möglichkeit nunmehr bestehen würde, dass man auch Sie arrestieren könnte, beruhen nur auf Ihren eigenen Vermutungen bzw. auf Informationen, welche Sie angeblich von Freunden Ihres Bruders erhalten haben.
Sie behaupteten jedoch während der gesamten Einvernahme nicht, jemals Probleme seitens der äthiopischen Regierung bzw. deren Behörden gehabt zu haben, sodass die oben angeführte Feststellung in allen Punkten Bestätigung findet.
Eine weitere Bestätigung für die obige Feststellung stellt jener Umstand dar, dass Sie im Zuge der fremdenpolizeilichen Niederschrift am 03.07.1997 vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land, unter der Zahl: Sich40-24617, ausführen, dass Sie niemals Probleme mit den äthiopischen Behörden gehabt hätten und Sie auch damit einverstanden wären, dass über die österreichische Botschaft Ihre Daten überprüft werden würden bzw. über die äthiopische Botschaft in Österreich eine Überprüfung durchgeführt werden würde.
Sollten Sie jedoch tatsächlich einer Verfolgung seitens des Heimatstaates ausgesetzt gewesen sein, so hätten Sie nach ho. Ansicht einer derartigen Absichtserklärung nie zugestimmt.
Sollte Ihr Bruder jedoch bei einer nicht legalen Organisation tätig gewesen sein, welche sich 'Amharsche Freiheitsbewegung' benannt hat und dieser tatsächlich auf Grund seiner Mitgliedschaft oder Aktivitäten für diese Organisation festgenommen worden sein, so kann dies durchaus auch im Sinne der innerstaatlichen Strafrechtspflege geschehen sein. Sie konnten nicht angeben, welche Aufgabe dieser für diese Organisation verfolgt. Sie führten dazu befragt, lediglich aus, diese Partei würde versuchen, die ethnischen Gruppierungen zu vereinen, da derzeit die Macht von einer ethnischen Gruppe, nämlich den 'Tigray' ausgeübt werden würde.
Zu diesen Angaben wird ausgeführt, dass diese lediglich allgemein gehalten werden und diese in weiten Teilen nicht der derzeitigen tatsächlichen politischen Landschaft Äthiopiens entsprechen.
So darf zum Beispiel ausgeführt werden, dass die derzeitige Regierungsmacht in Äthiopien von der EPRDF, also von der Ethiopian People's Revolutionary Democratic Front, ausgeübt wird. Bei dieser Partei handelt es sich um eine Sammelpartei, welche sich aus vier Gruppierungen, nämlich der TPLF, Tigray People's Liberation Front, der ANDM, Amhara National Democratic Movement, der EDORM, Ethiopian Democratic Officers Revolutionary Movement und der OPDO, Oromo People's Democratic Organization, zusammensetzt. Diese Sammelpartei setzt sich somit aus den größten Ethnien Äthiopiens sowie aus einer Verbindung ehemaliger Armeeoffiziere, welche sich zusammengeschlossen haben und sich der TPLF angeschlossen haben, zusammen. Bei der Tigray People's Liberation Front, also der Partei, die derzeit von den Angehörigen der Tigray bestimmt wird, handelt es sich nur um einen Teil der Regierungspartei. Es kann somit nicht davon gesprochen werden, dass die Macht im Staate von der Minderheit, nämlich den Tigre und den Tigray, ausgeht.
Des Weiteren kann nicht davon gesprochen werden, dass es sich bei den 'Amhara' um eine Minderheit handelt. Gerade diese Gruppierung hat einen Bevölkerungsanteil von 25 %. Es ist zwar richtig, dass es immer wieder Zwischenfälle gibt, die jedoch in der Geschichte Äthiopiens zu begründen sind. Die 'Amhara' haben in Äthiopien bereits unter der Kaiserzeit Haile Selassie aber auch unter den Nachfolgeregierungen immer wieder, trotzdem sie nur einen Bevölkerungsanteil von 25 % ausgemacht haben, die Macht ausgeübt. Nunmehr sind jedoch auch andere Gruppierungen, unter anderem die ethnische Gruppe der Oromo, die 40 % der Staatsbevölkerung ausmachen, an der Regierung beteiligt. Viele Angehörige der 'Amhara' sind jedoch nicht bereit, zu akzeptieren, dass auch diese Minderheit an der Regierung beteiligt wird. Es kommt daher laut internationaler Berichte immer wieder zu Auseinandersetzungen, die jedoch nicht dem äthiopischen Staat bzw. dessen Behörden zuzurechnen sind, sondern durch militante Gruppierungen, unter anderem auch durch Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Amhara, initiiert werden.
Ergänzend darf auch ausgeführt werden, dass bei den letzten Wahlen die ANDM, also die Amhara National Democratic Movement, in Amhara die Mehrheit erhielt und somit auch die dortige Lokalregierung stellt.
Des Weiteren besteht für Angehörige der Bevölkerungsgruppe der Amhara die Möglichkeit, den politischen Willen in der legalen Oppositionspartei AAPO, also in der 'All Amhara People's Organization' kundzutun. Diese legale Partei vertritt die von Ihnen dargelegten Interessen, wie z.B. Einheit des äthiopischen Staates auf anerkannte bzw. legale Art und Weise.
Ihre bloße Feststellung, die 'Amhara' würden unterdrückt werden, geht somit bezugnehmend auf die oben angeführten Ausführungen gänzlich ins Leere.
Abschließend darf noch einmal festgestellt werden, dass Sie im Zuge des Asylverfahrens keinerlei individuell gerade gegen Sie gerichtete Verfolgungshandlungen seitens der äthiopischen Regierung bzw. deren Behörden behaupten konnten. Dies jedoch wäre eine unabdingbare Voraussetzung für eine etwaige Asylgewährung."
In der dagegen erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin Folgendes vor:
"So wird im angefochtenen Bescheid die nicht näher begründete Behauptung erhoben, dass die Verhaftung meines Bruders durchaus im Sinne Strafrechtspflege geschehen sein kann. Die Erstbehörde hat es aber unterlassen, die Tätigkeit der 'Amharschen Freiheitsbewegung' zu überprüfen, obwohl dieser Umstand für die Beurteilung meiner Verfolgungssituation von entscheidender Bedeutung ist. Daher entbehrt der oben genannten 'kann'-Behauptung jedwede Grundlage.
Der Übertragung der Verfolgungsgefahr von meinem Bruder auf meine Person ist auch insofern stärkeres Gewicht zu verleihen, als ich ein zum Zeitpunkt der Flucht 15 Jahre altes, verwaistes Mädchen war, mich daher in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu meinem Bruder befand und Vorwürfe gegenüber meinem Bruder somit leicht auf mich übertragen werden können.
Der Umstand meines geringen Alters und die damit verbundene Unerfahrenheit im Umgang mit Behörden lässt auch die Schlussfolgerung nicht zu, dass mein Einverständnis, über die österreichische Botschaft bzw. über die äthiopische Botschaft in Österreich meine Daten zu überprüfen, einer Nichtexistenz von Verfolgung gleichzusetzen ist.
Der Argumentation, dass die Volksgruppe der Amharen in ihrer Gesamtheit erfolgreich am politischen Leben partizipieren kann ist insofern nicht zu folgen, als beispielsweise laut Amnesty-Jahresbericht 1997 ein Prozess gegen Professor Asrat Woldeyes, den Vorsitzenden der 'All-Amhara People's Organisation' wegen Aufwiegelung zur Rebellion im Jahr 1996 stattfand. Die im angefochtenen Bescheid angeführte 'Möglichkeit der Bevölkerungsgruppe der Amharen, den politischen Willen in der legalen Oppositionspartei AAPO, also in der 'All Amhara People's Organization' kundzutun' ist daher äußerst geringe Bedeutung beizumessen."
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 18. Dezember 1998 wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 7 AsylG ab. Sie erhob die vom Bundesasylamt in dessen Bescheid "richtig und vollständig" wiedergegebenen Angaben der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer niederschriftlichen Vernehmung zum Inhalt des angefochtenen Bescheides. Nach Wiedergabe des Inhaltes der Berufung und allgemeinen rechtlichen Ausführungen führte die belangte Behörde aus, sie stelle als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, dass die Beschwerdeführerin ihr Heimatland verlassen habe, weil sich ihr Bruder politisch betätigte und in der Folge inhaftiert worden sei.
Die belangte Behörde schloss sich der von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen rechtlichen Beurteilung vollinhaltlich an und erhob "die entsprechenden Passagen" des erstinstanzlichen Bescheides zum Bestandteil des angefochtenen Bescheides. Die belangte Behörde ergänzte:
"Die Berufungswerberin hat in keinem Stadium des Verfahrens dargetan und auch nicht glaubhaft gemacht, dass sie in ihrem Heimatstaat aus einem der in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Gründen persönlich in irgendeiner Form konkret das Ziel von staatlichen Verfolgungshandlungen gewesen wäre, sondern beschränkt sich ihr Vorbringen lediglich auf die von ihr geäußerte Vermutung, auf Grund der politischen Betätigung ihres Bruders ebenfalls verfolgt zu werden. Auch in ihrer Berufung führte die Berufungswerberin aus, sie hätte sich in einem starken Abhängigkeitsverhältnis zu ihrem Bruder befunden, sodass Vorwürfe ihm gegenüber leicht auf sie übertragen werden könnten. Damit hat die Berufungswerberin aber neuerlich einer bloßen Befürchtung im Hinblick auf ein potentielles Geschehnis Ausdruck verliehen und keinen konkreten Übergriff auf ihre Person geltend gemacht. Den Ausführungen der Berufungswerberin lässt sich auch kein Hinweis auf tatsächlich in ihrer Heimat vorgekommene Fälle einer 'Sippenhaftung' entnehmen, sodass die angeblich gegen ihren Bruder gerichtete Verfolgung ohne Hinzutreten weiterer Umstände nicht automatisch die Flüchtlingseigenschaft der Berufungswerberin zu indizieren vermag. Unter Zugrundelegung des erstatteten Vorbringens ist es der Berufungswerberin somit nicht gelungen, ihre lediglich subjektiv empfundene Furcht objektiv nachvollziehbar zu machen, und stellt auch die Zugehörigkeit zu einer Minderheit für sich allein noch kein Grund für die Asylgewährung dar. Da die Berufungswerberin selbst laut eigenen Angaben keinerlei politische Aktivität entfaltet hatte, bestand für die erstinstanzliche Behörde aus genannten Gründen keine Veranlassung, die Tätigkeit der 'Amharschen Freiheitsbewegung' zu überprüfen und diesbezüglich nähere Ermittlungen anzustellen."
Der Beschwerdeführerin drohe keine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde, verzichtete jedoch auf die Erstattung einer Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin rügt zunächst als Begründungsmangel die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise, näher bezeichnete Teile des erstinstanzlichen Bescheides durch Verweis zu übernehmen. Die belangte Behörde war jedoch dazu berechtigt, die oben bezeichneten Teile des erstinstanzlichen Bescheides zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu erheben, ohne sie wiederholen zu müssen (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1995, Zl. 95/01/0045, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Die übernommenen Teile des erstinstanzlichen Bescheides sind nach der im angefochtenen Bescheid gewählten Bezeichnung nachvollziehbar zu erkennen.
Zentraler Aspekt der dem § 7 AsylG 1997 zugrundeliegenden, in Art. 1 Abschnitt A Z. 2 Genfer Flüchtlingskonvention definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde. Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates zu begründen. Die Verfolgungsgefahr steht mit der wohlbegründeten Furcht in engstem Zusammenhang und ist Bezugspunkt der wohlbegründeten Furcht. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 1995, Zl. 94/20/0858).
Soweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde vorwirft, sie wäre der ihr aufgegebenen Ermittlungspflicht nicht nachgekommen, ist festzuhalten, dass der für den Umfang der Ermittlungspflicht maßgebliche § 28 Asylgesetz 1997 wohl bestimmt, dass die Behörde in allen Stadien des Verfahrens von Amts wegen darauf hinzuwirken hat, dass die für die Entscheidung erheblichen Angaben über die zur Begründung des Asylantrages geltend gemachten Umstände vervollständigt, die Bescheinigungsmittel für diese Angaben bezeichnet oder die angebotenen Bescheinigungsmittel ergänzt und überhaupt alle Aufschlüsse gegeben werden, welche zur Begründung des Asylantrages notwendig erscheinen.
Erforderlichenfalls sind Bescheinigungsmittel auch von Amts wegen beizuschaffen. Diese Gesetzesstelle, die eine Konkretisierung der aus § 37 AVG in Verbindung mit § 39 Abs. 2 AVG hervorgehenden Verpflichtung der Verwaltungsbehörden, den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt von Amts wegen vollständig zu ermitteln und festzustellen, darstellt, begründet aber keine über den Rahmen der angeführten Vorschriften hinausgehende Ermittlungspflicht. Nur im Fall hinreichend deutlicher Hinweise im Vorbringen eines Asylwerbers auf einen Sachverhalt, der für die Glaubhaftmachung wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention in Frage kommt, hat die Behörde gemäß § 28 Asylgesetz 1997 in geeigneter Weise auf eine Konkretisierung der Angaben des Asylwerbers zu dringen. Aus dieser Gesetzesstelle kann aber keine Verpflichtung der Behörde abgeleitet werden, Asylgründe, die der Asylwerber gar nicht behauptet hat, zu ermitteln (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 14. Oktober 1998, Zl. 98/01/0222).
Die Beschwerdeführerin hat sowohl Name, Organisation als auch Tätigkeit der "Amharschen Freiheitspartei (oder -bewegung)", welche sie anlässlich der Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Linz-Land als "Amachara Nesant Party" bezeichnet hatte, im Verwaltungsverfahren nur vage umschrieben. Sie hat insbesondere dem ihrem Vorbringen zur Verfolgung der Amharen von der Behörde erster Instanz im erstinstanzlichen Bescheid entgegengehaltenen Argument, dass jedenfalls nicht alle Mitglieder der amharischen Volksgruppe Verfolgung unterlägen, weil eine amharische Partei (ANDM - Amhara National Democratic Movement) in der regierenden Sammelpartei vertreten sei und es eine legale Oppositionspartei gäbe, in der Berufung nur entgegengehalten, es habe ein Prozess gegen den Vorsitzenden der legalen Oppositionspartei stattgefunden. Sie hat aber keine näheren Angaben zur "Amharschen Freiheitsbewegung" und der Art des Vorgehens der äthiopischen Behörden gegen deren Mitglieder gemacht. Insbesondere hat sie nie behauptet, dass gegen politisch nicht tätige Mitglieder dieser Partei Verfolgungsmaßnahmen ergriffen würden. Des Weiteren hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren nicht konkret behauptet, dass Familienangehörige von politisch tätigen Mitgliedern der Amharschen Freiheitsbewegungen in asylrelevanter Weise verfolgt würden. Sie hat hiezu auch keine konkreten Beispiele genannt. Sie äußerte lediglich in unbestimmter Form eine Befürchtung, dass gegen ihren Bruder erhobene Vorwürfe auch auf sie übertragen werden könnten. Insoferne die Beschwerdeführerin in der Beschwerde hiezu zu erklären versucht, sie sei zum Zeitpunkt der Einvernahme 15 Jahre alt gewesen, weshalb betreffend ihres Verhaltens und ihrer Aussagen (Anm.: in Österreich) sie nicht wie eine Erwachsene behandelt werden könne, übersieht sie, dass sie im Verwaltungsverfahren mit Zustimmung des gesetzlichen Vertreters (Bezirkshauptmannschaft Linz-Land) durch eine Mitarbeiterin einer allgemein bekannten Asylhilfeorganisation (SOS-Mitmensch) vertreten war und ihre Angaben trotz dieser in der gegenständlichen Materie kundigen Vertretung dennoch nicht konkretisiert wurden.
Die belangte Behörde war daher auf Grund dieser unbestimmten Angaben nicht zu den von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde geforderten Ermittlungen verpflichtet. Im Übrigen zeigt die Beschwerdeführerin auch mit dem Hinweis in der Beschwerde, "1995 und 1996 soll es zu (auch sexuellen) Übergriffen von Sicherheitsorganen gegen weibliche Familienmitglieder von flüchtigen Mitgliedern bewaffneter oppositioneller Gruppen gekommen sein, um diese zur Aufgabe zu nötigen" - selbst wenn diese neuen Sachverhaltsangaben nicht dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot unterlägen -, nicht die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels auf. Denn die wiedergegebene Passage ist ebenfalls nur eine unbestimmte und nicht belegte Behauptung, sie bezieht sich auf Familienmitglieder von flüchtigen Mitgliedern bewaffneter oppositioneller Gruppen. Beim Bruder der Beschwerdeführerin handelt es sich auch nach ihren Angaben jedenfalls nicht um ein auf der Flucht befindliches Mitglied, und aus ihren Angaben ist nicht zu ersehen, dass es sich bei der Amharschen Freiheitsbewegung überhaupt um eine bewaffnete oppositionelle Gruppe handelt.
Die belangte Behörde handelte sohin nicht rechtswidrig, wenn sie ein Durchschlagen der den Bruder der Beschwerdeführerin treffenden Verfolgung nicht angenommen hat, weil auf Grund der im Verwaltungsverfahren nicht ausreichend dargelegten konkreten Situation nicht davon ausgegangen werden könne, dass gegen ihren Bruder gesetzte Verfolgungshandlungen auch zu - die Intensität von asylrelevanten Verfolgungshandlungen erreichenden - Maßnahmen gegen andere Familienmitglieder führen werden.
Insofern die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behauptet, weil zur Verfolgungssicherheit in Ungarn keine Ermittlungen durchgeführt worden seien, so geht dieses Vorbringen schon deshalb ins Leere, weil eine Verfolgungssicherheit in Ungarn gar nicht Thema des angefochtenen Bescheides ist.
Zuletzt behauptet die Beschwerdeführerin die Verfassungswidrigkeit der Übergangsbestimmung des § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG. Es gäbe in den unter die genannte Gesetzesstelle fallenden Fällen keine Non-Refoulement-Prüfung. Die Beschwerdeführerin übersieht, dass es in den der Übergangsbestimmung unterliegenden Fällen genauso wie in den nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des AsylG und des Fremdengesetzes 1997 - welche verfassungsrechtlich nicht als bedenklich erachtet wurde - entschiedenen Fällen dabei bleibt, die Non-Refoulement-Prüfung im fremdenrechtlichen Verfahren (§ 75 Fremdengesetz 1997) durchzuführen und nicht bereits in das Asylverfahren vorzuziehen. Das Außerkrafttreten des Asylgesetzes 1991 mit 1. Jänner 1998 brachte keine Änderung, weil eine dem § 8 AsylG entsprechende (nach dem Willen des Gesetzgebers lediglich aus verfahrensökonomischen Gründen bereits in das Asylverfahren vorverlegte) Verpflichtung der Asylbehörden im Asylgesetz 1991 gar nicht vorgesehen war. Schon aus diesen Gründen und unter Hinweis auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 17. März 1999, B 136/99-2, mit dem der Verfahrenshilfeantrag der Beschwerdeführerin zur Erhebung einer Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als offenbar aussichtslos abgewiesen wurde, sieht der Verwaltungsgerichtshof keinen Grund, der Anregung der Beschwerdeführerin auf Anfechtung des § 44 Abs. 1 letzter Satz AsylG wegen Verfassungswidrigkeit nachzukommen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Wien, am 24. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999010280.X00Im RIS seit
20.11.2000