Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C***** GmbH, *****, vertreten durch Vavrovsky Heine Marth Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei UBER B.V., *****, Niederlande, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Unterlassung, Veröffentlichung und Feststellung (Streitwert im Sicherungsverfahren 70.000 EUR), über den Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4. Juli 2018, GZ 3 R 32/18z-14, mit dem der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 24. April 2018, GZ 58 Cg 10/18f-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.
Der Beschluss des Rekursgerichts wird dahin abgeändert, dass er lautet:
„Einstweilige Verfügung:
Zur Sicherung des Unterlassungsbegehrens der klagenden Partei wird – gegen Erlag einer Sicherheitsleistung von 200.000 EUR oder Erlag einer Bankgarantie einer inländischen Bank über diesen Betrag – es der beklagten Partei ab sofort bis zur Rechtskraft des über das Unterlassungsbegehren ergangenen Urteils verboten, im geschäftlichen Verkehr – im räumlichen Anwendungsbereich der Verordnung des Landeshauptmanns von Wien betreffend die Betriebsordnung für das mit Kraftfahrzeugen betriebene Platzfuhrwerks-Gewerbe, das mit Personenkraftwagen betriebene Mietwagen-Gewerbe sowie das Gästewagen-Gewerbe in Wien (Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung) – ein Vermittlungssystem für Personenbeförderungsdienstleistungen durch Mietwagen-unternehmer anzubieten, bei dessen Inanspruchnahme Fahrgäste entgegen § 36 Abs 3 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung idF LGBl 2011/36 außerhalb der Betriebsstätte der Mietwagenunternehmer aufgenommen werden und diese Aufnahme nicht aufgrund einer in der Wohnung oder der Betriebsstätte des Mietwagenunternehmers erfolgten Bestellung durchgeführt wird, und dadurch Wettbewerbsverstöße durch ihre Mietwagen-Partnerunternehmer zu fördern.
Das Mehrbegehren, der beklagten Partei mittels einstweiliger Verfügung auch zu verbieten, die Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen mit Mietwagen anzubieten und/oder durchzuführen, wenn bei Durchführung dieser Personenbeförderungsdienstleistungen entgegen § 36 Abs 3 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung idF LGBl 2011/36 Fahrgäste außerhalb der Betriebsstätte der Mietwagenunternehmer aufgenommen werden und diese Aufnahme nicht aufgrund einer in der Wohnung oder der Betriebsstätte des Mietwagenunternehmers erfolgten Bestellung durchgeführt wird,
wird abgewiesen.
Die klagende Partei hat ein Viertel ihrer Kosten des Sicherungsverfahrens erster Instanz vorläufig und drei Viertel davon endgültig selbst zu tragen sowie jeweils die Hälfte ihrer Kosten des Rekursverfahrens und des Revisionsrekursverfahrens vorläufig bzw endgültig selbst zu tragen.
Die Klägerin ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.863,52 EUR (darin enthalten 1.233,75 EUR Pauschalgebühren) bestimmten Kosten des Sicherungsverfahrens aller drei Instanzen binnen 14 Tagen zu ersetzen.“
Text
Begründung:
Die Klägerin vermittelt Taxifahrten und übt zudem das Mietwagengewerbe aus. Die Vermittlungstätigkeit der Klägerin erfolgt insbesondere über Telefon sowie auch über eine Smartphone-Applikation.
Die Beklagte betreibt eine elektronische Vermittlungsplattform, auf der registrierte Nutzer (Kunden der Beklagten) unter Verwendung einer Smartphone-Applikation (UBER-App) Beförderungs-Dienstleistungs-verträge mit Mietwagen-Partnerunternehmen der Beklagten abschließen können. Dafür stellt die Beklagte ein Vermittlungssystem mittels einer Technologie bereit, mit deren Hilfe die Anfrage eines Kunden um eine Beförderungsleistung an registrierte Partner (Mietwagenunternehmer) übermittelt wird, wobei Mietwagenunternehmer und Fahrer gleichzeitig elektronisch über den Eingang einer Bestellung informiert werden; der Mietwagenunternehmer kann einer Fahrtanfrage widersprechen.
Ein Nutzer kann über die UBER-App unter Angabe von Anfangs- und Endpunkt eine Mietwagenfahrt bestellen. Bei einer Fahrtanfrage eines Nutzers mittels Smartphone wird vom Vermittlungssystem der Beklagten der Standort des Nutzers ermittelt und dieser nach seinem Zielort gefragt sowie der Fahrpreis angezeigt; in der Folge kann der Nutzer die Fahrt buchen. Der Fahrpreis wird von der Beklagten beim Nutzer eingehoben und (nach dem Abzug einer Provision) teilweise an den Mietwagenunternehmer weitergeleitet. Bei Anwendung des Taxitarifs wäre für die Fahrten jeweils ein höheres Fahrtentgelt angefallen.
Soweit im Rechtsmittelverfahren noch relevant beantragte die Klägerin zur Sicherung des inhaltsgleichen Unterlassungsbegehrens, es der Beklagten im geschäftlichen Verkehr mit einstweiliger Verfügung zu verbieten,
a) die Vermittlung von Personenbeförderungs-dienstleistungen mit Mietwagen anzubieten und/oder durchzuführen, wenn bei Durchführung dieser Personenbeförderungsdienstleistungen entgegen § 36 Abs 3 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung idF LGBl 2011/36 Fahrgäste außerhalb der Betriebsstätte der Mietwagenunternehmer aufgenommen werden und diese Aufnahme nicht aufgrund einer in der Wohnung oder der Betriebsstätte des Mietwagenunternehmers erfolgten Bestellung durchgeführt wird;
b) ein Vermittlungssystem für Personen-beförderungsdienstleistungen anzubieten, bei dessen Inanspruchnahme Fahrgäste entgegen § 36 Abs 3 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung idF LGBl 2011/36 außerhalb der Betriebsstätte der Mietwagenunternehmer aufgenommen werden und diese Aufnahme nicht aufgrund einer in der Wohnung oder der Betriebsstätte des Mietwagenunternehmers erfolgten Bestellung durchgeführt wird.
Die Beklagte biete entgegen § 36 der Wiener Taxi-, Mietwagen- und Gästewagen-Betriebsordnung (WrLBO), LGBl 1993/71 idgF, iVm § 1 Abs 1 Z 1 UWG ein Vermittlungssystem für Mietwagenfahrten an, bei dem die Bestellung nicht in der Betriebsstätte oder Wohnung des Gewerbetreibenden eingehe. Damit fördere die Beklagte einen Rechtsbruch der Mietwagenunternehmer, die an ihrem System teilnehmen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung des Sicherungsantrags. Aufgrund der Ausgestaltung ihres Vermittlungssystems liege kein Verstoß gegen § 36 Abs 3 WrLBO vor. Außerdem sei die bloße Bereitstellung der Online-Plattform keine Anstiftung oder Beihilfe zu einem Verstoß gegen die genannte Rechtsnorm. Aufgrund der Funktionsweise der UBER-App stimmten die Mietwagenunternehmer vorab zu, dass die Beförderungsanfragen gleichzeitig an die Fahrer weitergeleitet und von diesen bearbeitet werden. Schließlich sei § 36 Abs 3 WrLBO sowohl verfassungs- als auch unionsrechtswidrig.
Das Erstgericht erließ die beantragte einstweilige Verfügung mit dem zuvor angeführten Inhalt. Das Mehrbegehren (Bewerbung der Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen durch Mietwagen sowie Bewerbung eines Vermittlungssystems für Personenbeförderungsdienstleistungen) wies es rechtskräftig ab. Das Sicherungsverfahren sei nicht geeignet, Feststellungen zum Vorliegen eines Dienstes der Informationsgesellschaft im Sinn der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr zu treffen. Der Beurteilung sei daher österreichisches Recht zugrunde zu legen. Durch das von der Beklagten bereitgestellte Vermittlungssystem werde § 36 Abs 3 WrLBO umgangen, zumal die bloße Information des Mietwagenunternehmers vom Eingang einer Beförderungsanfrage die Annahme des Auftrags durch den Unternehmer nicht ersetze. Die Beklagte habe zum Gesetzesbruch durch ihre Mietwagen-Partner beigetragen.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Das Vermittlungssystem der Beklagten führe letztlich dazu, dass die Entscheidung über die Annahme eines Beförderungsauftrags dem Fahrer überlassen werde. Dadurch werde § 36 Abs 3 der WrLBO verletzt. Die Rechtsansicht der Beklagten sei nicht vertretbar. Auf die von der Beklagten geltend gemachte Verfassungs- und Unionsrechtswidrigkeit könne im Provisorialverfahren nicht eingegangen werden. Eine allgemeinere Fassung des Unterlassungsbegehrens sei zulässig, um Umgehungen zu verhindern. Das Unterlassungsgebot sei auch hinsichtlich der Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen nicht zu weit gefasst. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung zu § 36 Abs 3 WrLBO im Zusammenhang mit dem von der Beklagten angebotenen Vermittlungssystem fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Beklagten, der auf eine gänzliche Abweisung des Sicherungsantrags abzielt.
Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Klägerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht genannten Gründen zulässig; er ist teilweise auch berechtigt.
Die Beklagte führt in ihrem Revisionsrekurs aus, dass das hier zu prüfende UBER-System so ausgestaltet sei, dass es als Online-Vermittlungssystem den österreichischen gesetzlichen Anforderungen entspreche oder diese Ansicht zumindest vertretbar sei. Das Gesetz verlange nicht, dass die beim Gewerbetreibenden einlangende Bestellung von diesem aktiv bearbeitet und im Einzelfall angenommen werde; vielmehr genüge eine Vorab-Zustimmung des Gewerbetreibenden. Außerdem gelange das Herkunftslandprinzip nach § 20 ECG zur Anwendung. Die Entscheidung des Rekursgerichts verstoße sowohl gegen Unionsrecht als auch gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Freiheit der Erwerbsausübung. Schließlich sei das Unterlassungsbegehren zu weit gefasst, weil für die allgemeine Untersagung von Vermittlungstätigkeiten keine Grundlage bestehe.
Dazu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:
I. Zu den unionsrechtlichen Einwänden der Beklagten:
1.1 In der Entscheidung C-434/15, Asociación Profesional Elite Taxi, hat der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) in einem Fall zu UBER-Spanien ausgesprochen, dass UBER zwar einen Vermittlungsdienst erbringt, dieser Vermittlungsdienst aber mit einer Verkehrsdienstleistung (Personenbeförderungsdienst als Gesamtleistung) derart verbunden ist, dass er als integraler Bestandteil einer Gesamtdienstleistung, die hauptsächlich aus einer Verkehrsdienstleistung im Sinn von Art 58 Abs 1 AEUV besteht, einzustufen ist und nicht unter die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr fällt. Für diese Beurteilung des EuGH war entscheidend, dass UBER ein Beförderungsangebot durch Software-Tools zugänglich macht und organisiert und ohne diese Applikation die Verkehrsdienstleistungen nicht erbracht und die Kunden diese Dienste nicht in Anspruch nehmen würden, sowie dass UBER einen entscheidenden Einfluss auf die Bedingungen für die Leistungserbringung (Einflussnahme auf den Preis, Einhebung des Preises, Qualitätskontrolle) ausübt (Rn 38 bis 40).
1.2 Nach dem der Entscheidung des EuGH zugrunde liegenden Sachverhalt wurden über die UBER-App Beförderungsaufträge zu nicht berufsmäßigen Fahrern, die das eigene Fahrzeug benutzten, vermittelt. Der Unterschied zum hier zu beurteilenden System (Vermittlung gegenüber selbständigen Mietwagenunternehmern, die ihrerseits
die Fahrer beschäftigen) ist – entgegen der Ansicht der Beklagten – für die Qualifikation als Verkehrsdienstleistung nach den vom EuGH vorgegebenen Kriterien ohne Belang.
Auch beim hier zu beurteilenden UBER-System handelt es sich daher um eine Verkehrsdienstleistung und nicht um einen Dienst der Informationsgesellschaft nach der Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr. Aus diesem Grund kommt den Ausführungen der Beklagten zum Herkunftslandprinzip nach § 20 ECG keine Bedeutung zu.
1.3 Das Gleiche gilt für die Überlegungen der Beklagten zur Dienstleistungsfreiheit. Der EuGH hat in der zitierten Entscheidung auch ausdrücklich festgehalten, dass eine Verkehrsdienstleistung im Sinn von Art 58 Abs 1
AEUV vom Anwendungsbereich des Art 56 AEUV sowie
vom Anwendungsbereich der Dienstleistungs-Richtlinie 2006/123/EG ausgenommen ist.
1.4 Das weitere Argument der Beklagten, eine Geschäftspraktik dürfe vom nationalen Gesetzgeber nur dann generell verboten werden, wenn sie nach der RL-UGP unter allen Umständen unlauter sei, was für den hier angelasteten Verstoß nicht der Fall sei, ist ebenfalls nicht überzeugend.
Richtig ist, dass die RL-UGP zu einer Vollharmonisierung des verbraucherschützenden Lauterkeitsrechts führt (4 Ob 107/15m). Allerdings regelt die RL-UGP nur unlautere Geschäftspraktiken zwischen Unternehmern und Verbrauchern (Art 3 Abs 1 leg cit). Demgegenüber betrifft die hier maßgebende Generalklausel des § 1 Abs 1 Z 1 UWG unlautere Geschäftspraktiken im
– unionsrechtlich unberührt gebliebenen – Verhältnis zwischen Mitbewerbern (4 Ob 186/08v). Geht es also um das Erlangen eines ungerechtfertigten Vorsprungs infolge Rechtsbruchs zum Nachteil gesetzestreuer Mitbewerber (unternehmerschützendes Lauterkeitsrecht), so kommt den Vorgaben der RL-UGP keine Bedeutung zu, und zwar auch dann nicht, wenn die zu prüfenden Gesetzesbestimmungen neben den verfahrensgegenständlichen (mitbewerber-schützenden) Gesichtspunkten zusätzlich auch verbraucherschützenden Zwecken dienen.
Im Anlassfall betrifft das Unterlassungsgebot ausschließlich einen Rechtsbruch zum Nachteil gesetzestreuer Mitbewerber.
II. Zu den Rechtsverstößen der Mietwagen-Partner der Beklagten und zum Beitrag der Beklagten:
2.1 Die Klägerin wirft der Beklagten vor, mit dem von ihr angebotenen Vermittlungssystem einen Verstoß ihrer Mietwagen-Partner gegen die Vorschriften für das Mietwagen-Gewerbe zu fördern.
Für die Durchführung von Personenbeförderungen mittels PKW stehen zwei unterschiedliche Systeme, nämlich das Taxi-Gewerbe einerseits und das Mietwagen-Gewerbe andererseits zur Verfügung. Ein Taxi kann von jeder Person an öffentlichen Orten in Anspruch genommen oder mit Fernmeldeeinrichtungen angefordert werden. Innerhalb der Tarifgebiete sind die Taxameter zu verwenden, sodass die Tarife vorgegeben sind und eingehalten werden müssen. Demgegenüber erfordert eine Mietwagenfahrt unter Bereitstellung eines Lenkers eine gesonderte Bestellung der Fahrt beim Mietwagen-Unternehmer. Nach Durchführung des Transports muss der Mietwagen grundsätzlich wieder zur Betriebsstätte des Mietwagen-Unternehmers zurückkehren. Das Entgelt für die Mietwagenfahrt unterliegt der freien Vereinbarung.
2.2 Die hier maßgebende Bestimmung des § 36 Abs 3 WrLBO – dem früher (bis zur Aufhebung durch BGBl 1993/951) § 53 Abs 3 der (Bundes-)Betriebsordnung für den nichtlinienmäßigen Personenverkehr (BO 1986) entsprochen hatte – lautet:
„Besondere Bestimmungen für das mit Personenkraftwagen betriebene Mietwagen-Gewerbe
Die Aufnahme der Fahrgäste darf nur am Standort (in der Betriebsstätte) des Gewerbetreibenden oder an dem Ort erfolgen, der aufgrund einer in der Wohnung oder Betriebsstätte des Gewerbetreibenden eingegangenen Bestellung für die Fahrgastaufnahme vorgesehen ist. Dies gilt auch für Kraftfahrzeuge, die mit Funk oder Autotelefon ausgestattet sind. Mit Mietwagen ist nach Beendigung des Auftrags wieder zu einer Betriebsstätte des Gewerbetreibenden zurückzukehren. Bei Leerfahrten dürfen Fahrgäste nicht aufgenommen werden, es sei denn, es handelt sich um eine in der Betriebsstätte oder in der Wohnung des Gewerbetreibenden eingelangte Bestellung auf Abholung von Fahrgästen.“
2.3 Nach dem klaren Wortlaut dieser Bestimmung muss einer Aufnahme von Fahrgästen an einem beauftragten Abholort eine beim Gewerbetreibenden (Wohnung oder Betriebsstätte) eingegangene Bestellung zugrunde liegen. Dies gilt auch für eine Aufnahme an einem beauftragten Abholort anlässlich einer Leerfahrt; aus der Rückkehrpflicht folgt, dass es sich bei einer solchen Leerfahrt um eine „Heimfahrt“ (zur Betriebsstätte) nach einem beauftragten Kundentransport handelt. Eine „spontane“ Aufnahme von Fahrgästen ist untersagt (vgl auch VwGH 90/03/0118; 90/03/0041; LVwG Wien VGW-021/051/1080/2017).
Die Anordnung, dass die Bestellung (Anforderung eines Fahrzeugs: VwGH Ra 2014/03/0006) beim Gewerbetreibenden einlangen muss, verfolgt keinen Selbstzweck. Vielmehr entspricht sie dem Prinzip, dass die Entscheidung, ob die angefragte Fahrt durchgeführt wird oder nicht, beim Unternehmer liegt. Nach dem Zweck der Bestimmung hat der Unternehmer – nach Maßgabe wirtschaftlicher Überlegungen – über die Durchführung der Fahrten zu disponieren. Der Unternehmer hat somit die Entscheidung zu treffen und diese – im Sinn einer Arbeitsanweisung bzw eines Fahrtauftrags – an den Fahrer weiterzuleiten. Der Auftrag an den Fahrer hat von der Wohnung oder Betriebsstätte des Unternehmers auszugehen.
Wie der Unternehmer die von ihm getroffene Entscheidung an den Fahrer technisch weiterleitet, bleibt unerheblich. Unschädlich ist auch, wenn der Unternehmer von einem Vermittler (hier von der Beklagten) von einer Fahrtmöglichkeit informiert wird, sofern die Entscheidung über die Annahme und Durchführung des Fahrtauftrags vom Unternehmer getroffen wird. Die bloße Information des Unternehmers über die vom Fahrer angenommene Fahrt (hier) über das Vermittlungssystem der Beklagten entspricht diesen Anforderungen hingegen nicht. Bei der von der Beklagten vertretenen Auffassung, wonach aufgrund der Nutzung des UBER-Systems von einer zu unterstellenden Vorab-Zustimmung des Unternehmers auszugehen sei, handelt es sich um einen Umgehungsversuch; ein solches System entspricht nicht den gesetzlichen Anforderungen.
2.4 Diese Beurteilung steht mit der Entscheidung des VfGH zu V 52/91 (zu § 53 Abs 3 BO 1986) im Einklang. Nach dieser Entscheidung hat die erwähnte Norm folgenden Inhalt:
„Bestellungen von Mietwagen sind – auf welche Art immer (persönlich, schriftlich, telefonisch) – in der Betriebsstätte oder der Wohnung des Gewerbetreibenden aufzugeben. Der Fahrgast kann dann aber an jedem beliebigen, anlässlich dieser Bestellung vereinbarten Ort aufgenommen werden, auch wenn sich der Mietwagen gerade auf der Rückfahrt zur Betriebsstätte und insofern auf einer Leerfahrt befindet. Die Methode, wie der Mietwagenlenker von der erfolgten Bestellung erfährt, ist ihm und dem Gewerbetreibenden überlassen.“
3. Aus den angeführten Grundsätzen folgt, dass eine gleichzeitige Information des Mietwagenunternehmers und des Fahrers über die zu erbringende Beförderungsleistung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht (vgl auch BGH I ZR 3/16 = GRUR 2017, 743 zur ähnlichen Rechtslage in Deutschland), sowie dass der Umfang der Beförderungsleistung (nach Anfangs- und Endpunkt) im Bestellzeitpunkt (vor der Information des Fahrers) bestimmt sein muss (vgl VwGH Ra 2014/03/0006).
4.1 Im Anlassfall wird nach der Bestellung (Fahrtanfrage) durch den Nutzer vom Vermittlungssystem der Beklagten ein Fahrer ausgewählt, der – über das Vermittlungssystem – über die Anfrage informiert wird und den Auftrag bestätigt. Gleichzeitig erfolgt über das Vermittlungssystem eine automatische E-Mail-Benachrichtigung des Mietwagenunternehmers, der der Fahrt (theoretisch) widersprechen kann. Der Fahrpreis wird von der Beklagten eingehoben und (teilweise) an den Mietwagenunternehmer weitergeleitet.
Bei diesem System trifft die Entscheidung über die Durchführung der gewünschten Fahrt nicht der Mietwagenunternehmer. Die von der Beklagten im Sinn einer Vorab-Zustimmung konstruierte Widerspruchslösung genügt den gesetzlichen Anforderungen nicht. Aus diesem Grund kommt einer weiteren Feststellung dazu, ob die Mietwagenunternehmer die automatischen E-Mail-Benachrichtigungen über durchgeführte Fahrten lesen oder nicht, sowie den in diesem Zusammenhang angestellten Überlegungen der Beklagten zur Beweislast keine Bedeutung zu.
Hinzu kommt, dass nach dem bescheinigten Sachverhalt beauftragte Fahrten nicht nur bei Leerfahrten zur Betriebsstätte angenommen werden, sondern sich die Fahrer zwischen der Beendigung eines Transports und der Durchführung eines neuen Transports nicht auf die Rückfahrt zur Betriebsstätte begeben. Auch diese Vorgangsweise widerspricht § 36 Abs 3 WrLBO.
4.2 Durch die Verwendung des hier zu beurteilenden Vermittlungssystems der Beklagten verstoßen die Mietwagen-Partner der Beklagten somit gegen § 36 Abs 3 WrLBO.
4.3 Die Beklagte trägt zu den Normverstößen bei, indem sie diese durch die Bereitstellung der UBER-App ermöglicht und fördert. Damit ist sie Gehilfin der Mietwagenunternehmer.
Der Unterlassungsanspruch richtet sich nach der Rechtsprechung auch gegen denjenigen, der einen anderen zu einem lauterkeitswidrigen Verhalten veranlasst, dieses bewusst fördert oder für sich ausnützt (RIS-Justiz RS0079462 [T15]; RS0079765 [T20 und T24]), und auf dessen maßgeblichen Willen es beruht (RIS-Justiz RS0079539; 4 Ob 66/17k). Diese Voraussetzungen sind hier gegeben.
III. Zu den verfassungsrechtlichen Einwänden der Beklagten:
5. Auf eine Verletzung der Erwerbsfreiheit kann sich die Beklagte nicht berufen.
Der VfGH hat sich in der Entscheidung zu V 52/91 mit der Rechtmäßigkeit des inhaltsgleichen § 53 Abs 3 BO 1986 im Lichte der Freiheit der Erwerbsausübung bereits befasst und (unter anderem) den auf die Aufhebung dieser Bestimmung gerichteten Individualantrag abgewiesen. Dazu hat der VfGH ausgeführt, dass es aufgrund der vom Gesetzgeber angeordneten Differenzierung zwischen Taxis und Mietwagen sachlich gerechtfertigt ist, dass die BO 1986 auch in Ansehung des Ortes der Aufnahme von Fahrgästen für Mietwagen eine andere Regelung vorsieht als jene, die für Taxis gilt. Zudem hat der VfGH ausgesprochen, dass das Gebot des § 53 Abs 3 BO 1986 zur Zielerreichung geeignet ist und keine unadäquate Einschränkung der Erwerbsausübungsfreiheit begründet.
Die Schranken der Freiheit der Erwerbsausübung werden durch die in Rede stehende Anordnung für Mietwagenunternehmer somit nicht überschritten (vgl allgemein auch VfGH G 347/2016 und V 44/2013). Die von der Beklagten angesprochenen verfassungsrechtlichen Bedenken bestehen daher nicht.
IV. Zum Rechtsbruch:
6.1 Ein Verstoß gegen eine nicht dem Lauterkeitsrecht im engeren Sinn zuzuordnende generelle Norm ist dann als unlautere Geschäftspraktik oder als sonstige unlautere Handlung im Sinn des § 1 Abs 1 Z 1 UWG zu werten, wenn die Norm nicht auch mit guten Gründen in einer Weise ausgelegt werden kann, dass sie dem beanstandeten Verhalten nicht entgegensteht (RIS-Justiz RS0123239). Nach der Rechtsprechung ist eine Rechtsauffassung dann unvertretbar, wenn ihr ein klarer Gesetzeswortlaut, die offenkundige Absicht des Gesetzgebers, die Rechtsprechung der zuständigen Höchstgerichte oder die einschlägige Spruchpraxis der zuständigen Behörden entgegensteht (vgl 4 Ob 47/16i; 4 Ob 230/17b).
Wie bereits ausgeführt, sind die Verstöße der Mietwagenunternehmer, die von der Beklagten ermöglicht und gefördert werden, nach dem Wortlaut der Norm und der vorliegenden Rechtsprechung vor allem des VfGH eindeutig. Die von der Beklagten ins Treffen geführten Rechtsansichten sind demnach nicht vertretbar.
6.2 Dass der zugrunde liegende Normenverstoß und die daraus resultierenden Wettbewerbsverletzungen geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil von rechtstreuen Mitbewerbern der Mietwagenunternehmer nicht bloß unerheblich zu beeinflussen, kann die Beklagte nicht ernsthaft bestreiten. Nach dem bescheinigten Sachverhalt wären die Taxientgelte für die vom Erstgericht festgestellten Fahrten mit Mietwagen-Partnern der Beklagten jeweils höher gewesen. Die Inanspruchnahme des Vermittlungssystems der Beklagten ist demnach jedenfalls geeignet, die Nachfrage nach Personentransporten von Taxi-Unternehmern zu den Mietwagen-Partnern der Beklagten zu verlagern.
6.3 Die Vorinstanzen haben der Beklagten somit zu Recht einen Beitrag zum Verstoß der Mietwagen-Partner der Beklagten gegen § 36 Abs 3 WrLBO und damit einen Rechtsbruch nach § 1 Abs 1 Z 1 UWG angelastet.
V. Zum Unterlassungsbegehren:
7.1 Die Beklagte ist allerdings mit ihrer Ansicht im Recht, dass das Unterlassungsgebot der Vorinstanzen zu weit ausgefallen ist.
Die Klägerin nimmt die Beklagte als Beitragstäterin bzw als Gehilfin in Anspruch. Der Tatbeitrag der Beklagten besteht in der Bereitstellung eines Vermittlungssystems (UBER-App), dessen Einsatz den Normenverstoß ermöglicht, was von der Beklagten bewusst gefördert wird. Dieser Umstand muss im Unterlassungsgebot zum Ausdruck gelangen; das Unterlassungsgebot hat auf die Beitragshandlungen Bezug zu nehmen. Dabei kann dem Unterlassungsbegehren eine allgemeinere Fassung gegeben werden, um Umgehungen zu vermeiden (RIS-Justiz RS0037733; RS0037607). Auch bei einer solchen allgemeineren Fassung des Unterlassungsbegehrens darf vom Spruch aber nur der Kern der Verletzungshandlungen erfasst sein (RIS-Justiz RS0000771 [T4]; 4 Ob 61/14w; vgl auch 4 Ob 184/15k).
7.2 Der Beklagten ist zuzustimmen, dass die allgemeine Untersagung von Vermittlungshandlungen (nicht nur das Anbieten, sondern auch die Durchführung der Vermittlung) über die Bereitstellung des beanstandeten Vermittlungssystems hinausgeht. Die Klägerin rechtfertigt in der Revisionsrekursbeantwortung das erste Unterlassungsgebot (Anbieten und Durchführen der Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen) damit, dass die Beklagte auch selbst Fahrten vermittle, bei deren Durchführung die jeweiligen Mietwagenunternehmer gegen § 36 Abs 3 WrLBO verstießen. Derartige weitergehende Vermittlungshandlungen lassen sich dem bescheinigten Sachverhalt allerdings nicht entnehmen. Das Unterlassungsgebot ist daher auf das zweite Unterlassungsgebot der von den Vorinstanzen erlassenen einstweiligen Verfügung zu beschränken; dieses Unterlassungsgebot ist durch Bezugnahme auf die Gehilfeneigenschaft der Beklagten geringfügig zu modifizieren.
VI. Ergebnis:
8. Insgesamt haben die Vorinstanzen den Beitrag der Beklagten zum Rechtsbruch ihrer Mietwagen-Partner zu Recht bejaht. Das Unterlassungsgebot wurde hinsichtlich des Anbietens und der Durchführung der Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen mit Mietwagen aber zu weit gefasst. Insoweit war dem Revisionsrekurs der Beklagten teilweise Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 43 Abs 1, 50 ZPO. Die Klägerin hat die Unterlassungsbegehren mit zweimal 35.000 EUR bewertet. Der vom Erstgericht rechtskräftig abgewiesene Teil betraf die Bewerbung der Vermittlung von rechtswidrigen Mietwagenfahrten sowie die Bewerbung des Vermittlungssystems. Der Zuspruch der Vorinstanzen betraf einerseits die Durchführung der Vermittlung von Personenbeförderungsdienstleistungen und andererseits das Anbieten eines Vermittlungssystems für Personenbeförderungsdienstleistungen. Die Klägerin ist mit dem zuletzt erwähnten Begehren und daher insgesamt mit einem Viertel (erste Instanz) bzw zur Hälfte (im Rechtsmittelverfahren) durchgedrungen. Dies war im Rahmen der Kostenentscheidung entsprechend zu berücksichtigen. Die von der Beklagten verzeichnete inländische Umsatzsteuer war jedoch nicht zu berücksichtigen (§ 3a Abs 6 UStG).
Schlagworte
UBER?System,Textnummer
E122772European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0040OB00162.18D.0925.000Im RIS seit
08.10.2018Zuletzt aktualisiert am
18.04.2019