Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat am 26. September 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Ertl, LL.M., als Schriftführer in der Strafsache gegen Andreas K***** wegen Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 10. April 2018, GZ 15 Hv 7/18x-38, sowie über dessen Beschwerde gegen einen gleichzeitig gefassten Beschluss auf Verlängerung einer Probezeit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Andreas K***** mehrerer Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A), des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs 1 StGB (B), mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach „§ 83 Abs 1, teils Abs 2 StGB“ (C; richtig: mehrerer Vergehen der Körperverletzung nach § 83 Abs 2 StGB zu C1 und eines Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu C2, US 11 f), mehrerer Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB (D), mehrerer Vergehen der Nötigung nach §§ 15 Abs 1, 105 Abs 1 StGB (E) und mehrerer Vergehen nach § 50 Abs 1 WaffG (F) schuldig erkannt.
Soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde relevant, hat er in G***** Mag. Ulrike Ka*****
A) zur Duldung des Beischlafs und zu einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar
1. am Abend des 9. Juni 2017 oder in der Nacht von 9. auf 10. Juni 2017 mit Gewalt und durch Entziehung der persönlichen Freiheit, indem er sich in seiner Wohnung vor die Eingangstüre stellte, diese zusperrte, sie auf das Bett stieß, ihr die Hose auszog, ihr seinen Ellbogen ins Gesicht stieß und sie an den Haaren zurückriss, sodass sie ihre Gegenwehr aufgab, und einen vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog;
2. am Abend des 24. Oktober 2017 oder in der Nacht von 24. auf 25. Oktober 2017 mit Gewalt, durch Entziehung der persönlichen Freiheit sowie durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (§ 89 StGB), indem er die Wohnungstüre versperrte, sie in einem Brief aufforderte, ihm „einen zu blasen“, ihr für den Fall, dass sie versuchen sollte, ihm den Penis dabei abzubeißen, androhte, ihr ein 9-mm-Projektil in den Kopf zu schießen, sie darin weiters aufforderte, die Vornahme vaginalen Geschlechtsverkehrs an ihr zu dulden, ihr androhte, sollte sie um Hilfe schreien, dafür zu sorgen, dass sie nie mehr schreien werde, und ihrer Tochter etwas anzutun, und er
a) ihr eine Pistole vorhielt und drohend damit hantierte und sie damit und durch den Ausspruch „Ich jage dir sonst eine 9 mm in den Kopf!“ zur Vornahme des Oralverkehrs zwang, sie danach auf das Bett warf, sie an den Haaren riss, ihr mit der Faust ins Gesicht schlug, während er versuchte, sie mit seinem Penis anal zu penetrieren, was jedoch aufgrund der Gegenwehr nicht gelang, sie auf den Rücken drehte, sie nochmals schlug, sich mit seinem Körper auf sie legte, ihr den Ellbogen gewaltsam auf das Gesicht bzw den Nasen- und Mundbereich drückte und einen vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog,
b) nach einer Schlafphase, als sie die Wohnung verlassen wollte, sie zum Bett zurückführte und neuerlich einen vaginalen Geschlechtsverkehr an ihr vollzog,
B) von 9. auf 10. Juni 2017 dadurch, dass er sie während eines die Dauer der zu A1 dargestellten Tat bei weitem übersteigenden Zeitraums von mehreren Stunden in seiner Wohnung einsperrte, widerrechtlich gefangen gehalten;
C) teils am Körper verletzt, teils am Körper misshandelt und dadurch zumindest fahrlässig verletzt, und zwar
1. zwischen August 2016 und 25. Oktober 2017 in zumindest fünf Angriffen durch Versetzen von Stößen, wodurch sie gegen Einrichtungsgegenstände fiel, jeweils in Form von Hämatomen am Körper;
2. am 31. Oktober 2017 durch Versetzen zweier Faustschläge in ihr Gesicht in Form von Hautrötungen auf Nase und Oberlippe;
D) zwischen August 2016 und 31. Oktober 2017 mehrfach durch die sinngemäße Ankündigung, er werde Nacktfotos von ihr auf der von ihr verwalteten Facebook-Seite im Internet veröffentlichen oder E-Mails mit solchen Photos an ihre Arbeitskontakte versenden, mit einer Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung bedroht, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen;
E) zwischen 25. und 31. Oktober 2017 durch mehrfache Ankündigungen, sollte sie Anzeige bei der Polizei erstatten, werde er ihrer Tochter etwas antun, was schlimmer sei, als sie es sich vorstellen könne, somit durch gefährliche Drohung mit (zumindest) einer Körperverletzung einer Angehörigen zu einer Unterlassung, nämlich keine Anzeige bei der Polizei zu erstatten, zu nötigen versucht.
Rechtliche Beurteilung
Die gegen A bis E des Schuldspruchs aus Z 5 und Z 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl.
Der Rechtsmittelwerber führt zu A1 des Schuldspruchs aus, das Erstgericht hätte übergangen (Z 5 zweiter Fall), dass er sich am 15. Mai 2017 seinen rechten fünften Mittelfußknochen gebrochen habe, weshalb er bis 30. Mai 2017 einen Gips tragen musste, „was in der Hauptverhandlung im Rahmen des Beweisverfahrens (auch oberflächlich) angesprochen wurde“, und anschließend einen sogenannten „Geishaschuh“, wobei er bis zumindest 10. Juli 2017 arbeitsunfähig und beim Gehen auf Krücken angewiesen war. Dabei verabsäumt er es jedoch einerseits, ein in der Hauptverhandlung vorgekommenes Beweismittel konkret zu bezeichnen, andererseits macht er nicht klar, weshalb die angesprochene Verletzung der Tat erörterungsbedürftig entgegen stehen sollte (vgl RIS-Justiz RS0116767, RS0099578, RS0124172).
Soweit die Mängelrüge auf das zu A2 wiedergegebene Schreiben (ON 5, AS 181 ff) Bezug nimmt und die vom Erstgericht vorgenommene Interpretation kritisiert, spricht sie keine Anfechtungskategorie der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO an, sondern kritisiert lediglich nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die dem Schöffengericht vorbehaltene Beweiswürdigung.
Entgegen dem weiteren Vorbringen (Z 5 zweiter Fall) hat das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten betreffend ein Rollenspiel bei A2 des Schuldspruchs sehr wohl berücksichtigt (US 17 f), jedoch nicht für glaubwürdig erachtet, was als Ausfluss freier Beweiswürdigung mit Nichtigkeitsbeschwerde nicht bekämpfbar ist.
Auch die Argumentation, die Privatbeteiligte habe bei ihrer Vernehmung nur das tatsächlich – allerdings im Einvernehmen – Stattgefundene schildern müssen, weshalb die Gefahr, sich in Widersprüchlichkeiten zu verwickeln, nicht bestanden habe und es für sie daher ein Leichtes gewesen sei, wissentlich eine glaubwürdige Falschbelastung vorzunehmen, übt bloß unzulässige Beweiswürdigungskritik.
Soweit der Rechtsmittelwerber auf die – vom Erstgericht in die Erwägungen einbezogene (US 14 ff) – Aussage der Zeugin Lena Ka***** Bezug nimmt, ist zu erwidern, dass es kein Begründungsmangel ist, wenn das Gericht nicht den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen wie überhaupt aller Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, und sich nicht mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzt. Es genügt vielmehr, wenn der Gerichtshof in gedrängter Form die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und logisch einwandfrei und zureichend begründet, warum er von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen (RIS-Justiz RS0098377 [T16]).
Zum Verweis der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) auf die Aussagen der Zeugen Jürgen S***** und Claudia R*****, wonach das Opfer unabhängig, emanzipiert, sehr „taff“ und zielstrebig sei, ist festzuhalten, dass Gegenstand einer Zeugenaussage nur sinnliche Wahrnehmungen des Zeugen über Tatsachen sind. Die Wiedergabe des subjektiven Eindrucks eines Zeugen fällt nicht in den Rahmen seines gerichtlichen Zeugnisses (RIS-Justiz RS0097545).
Entgegen dem Vorwurf offenbar unzureichender Begründung (Z 5 vierter Fall) der Feststellungen zur subjektiven Tatseite begegnet deren Ableitung aus dem äußeren Geschehen (US 22) vorliegend unter dem Aspekt der Begründungstauglichkeit keinen Bedenken. Der Schluss von einem gezeigten Verhalten auf ein zugrundeliegendes Wollen oder Wissen ist rechtsstaatlich vertretbar und bei einem – wie hier – leugnenden Angeklagten in aller Regel methodisch gar nicht zu ersetzen (RIS-Justiz RS0116882, RS0098671).
Der Nichtigkeitsgrund nach Z 5a greift nach seinem Wesen erst dann, wenn Beweismittel, die in der Hauptverhandlung vorkamen oder vorkommen hätten können und dürfen, nach allgemein menschlicher Erfahrung gravierende Bedenken gegen die Richtigkeit der bekämpften Urteilsannahmen aufkommen lassen (RIS-Justiz RS0119583 [T3]). Mit dem bloßen Hinweis auf den bereits erwähnten Bruch des Mittelfußknochens werden derartige Bedenken jedoch nicht geweckt.
Aus Z 5a können Mängel der Sachverhaltsermittlung nur mit der Behauptung gerügt werden, dass der Beschwerdeführer an einer darauf abzielenden Antragstellung (§ 281 Abs 1 Z 4 StPO) gehindert war (RIS-Justiz RS0115823). Der Rechtsmittelwerber führt aus, das Erstgericht wäre verpflichtet gewesen, „amtswegig weitere Beweise zum körperlichen Gesundheitszustand des Angeklagten aufzunehmen – etwa ein medizinisches Sachverständigengutachten einzuholen – und die vernommenen Zeugen entsprechend zu befragen“. Indem er erklärt, er wäre aufgrund der vorgelegten Krankenunterlagen betreffend den angesprochenen Knochenbruch davon ausgegangen, dass das Erstgericht keine Zweifel am Vorliegen der Verletzung und an deren Folgen habe, weshalb diesbezüglich keine weiteren Beweisanträge gestellt wurden, legt er einen derartigen Hinderungsgrund nicht dar. Außerdem macht die Nichtigkeitsbeschwerde nicht klar, weshalb hier ein erheblicher Tatumstand vorliegen sollte, weshalb die Verletzung am Fuß des Angeklagten einer Tatbegehung entgegenstehen sollte (vgl RIS-Justiz RS0114036 [T4]).
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus sich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung und die Beschwerde ergibt (§ 285i, § 498 Abs 3 StPO).
Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.
Textnummer
E122791European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2018:0150OS00092.18W.0926.000Im RIS seit
09.10.2018Zuletzt aktualisiert am
09.10.2018