TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/23 G304 2174330-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.06.2018
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Entscheidungsdatum

23.06.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2174330-1/10E

Schriftliche Ausfertigung des am 21.06.2018 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Helmut WEIß als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 06.09.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2018 zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 idgF. iVm. §§ 42 und 45 Bundesbehindertengesetz (BBG), BGBl. Nr. 22/1970 idF. BGBl. I Nr. 138/2013 wird die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ersuchte mit Schreiben vom 03.07.2017, eingelangt bei der zuständigen Landesstelle des Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) am 06.07.2017, um Ausstellung eines Behindertenparkausweises und legte ihrem Antrag medizinische Unterlagen als Beilagen bei.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein ärztliches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 01.09.2017 eingeholt, wobei folgende "Gutachterliche Stellungnahme" abgegeben wurde:

"Die Funktion des Stütz- und Bewegungsapparates ist gut ausreichend, um eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft zurücklegen zu können, ein öffentliches Verkehrsmittel sicher be- und entsteigen zu können und den sicheren Transport zu gewährleisten. Eine hochgradige kardiopulmonale Leistungseinschränkung, höhergradige Sehbehinderung oder Blindheit, eine schwere geistige Behinderung oder psychiatrische Erkrankung mit Verhaltensstörung liegen nicht vor. Die Versorgung mittels suprapubischen Katheters und die Notwendigkeit eines Harnsackes hat keine negativen Auswirkungen auf die Benützbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel, da es üblicherweise nicht zu ungewolltem Harnaustritt kommt. Eine maßgebliche Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit bei Tumorerkrankung liegt nicht vor."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.09.2017 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 01.09.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor.

Folgende Anmerkung wurde angefügt:

"Da Ihnen laut dem aktuellen ärztlichen Sachverständigengutachten vom 1.9.2017 die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln zumutbar ist, kann der gewünschte Parkausweis leider nicht ausgestellt werden."

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Dabei wurde auf die gesundheitlichen Beeinträchtigungen des BF hingewiesen und vorgerbacht, dass entgegen des Sachverständigengutachtens die Tumorerkrankung des BF eine maßgebliche Einschränkung seiner körperlichen Leistungsfähigkeit auslöse, und sein sich ausbreitendes Prostatakarzinom und der suprapubische Katheter negative Auswirkungen auf die Benutzbarkeit öffentlicher Verkehrsmittel habe. Es wurde um positive Erledigung seiner Angelegenheit ersucht.

5. Am 23.10.2017 langte beim Bundesverwaltungsgericht die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 14.11.2017, Zl. G304 2174330-1/2Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten aufgrund der Aktenlage zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Zustellung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

7. In dem eingeholten aktenmäßigen Gutachten von Dr. XXXX vom 16.11.2017 wurde keine erhebliche Funktionseinschränkung festgestellt und folgende "Stellungnahme zur Einwendung" abgegeben:

"Da Vorhandensein des suprapubischen Katheters ist unbestritten und macht ebenso unbestritten subjektive Beschwerden. Die orthopädischen Schädigungen der unteren Extremität bedingen klinisch keine höhergradige Mobilitätsminderung. Die Tumorerkrankung bedingt bei ausreichender Kräftigkeit (Größe 176, Gewicht 89 kg) keine nachvollziehbare Einschränkung der körperlichen Leistungsfähigkeit.

"

8. Mit Verfügung des BVwG vom 01.12.2017, Zl. G304 2174330-1/4Z, dem BF zugestellt am 19.12.2017, wurde dem BF das eingeholte Sachverständigengutachten vom 16.11.2017 übermittelt und ihm zur Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung dieser Verfügung Stellung zu nehmen.

9. Mit Schreiben des BF vom 29.12.2017 wurde zum dem BF vorgehaltenen Sachverständigengutachten eine schriftliche Stellungnahme, die am 02.01.2018 beim BVwG eingelangt ist, abgegeben. In dieser wurde bemängelt, dass der vom BF vorgelegte Befund einer Universitätsklinik vom 27.09.2017, wonach beim BF Lymphknotenmetastasen beidseitig im Becken bestehen, in der sachverständigen Stellungnahme überhaupt nicht gewürdigt worden sei, und entgegen des Sachverständigengutachtens eine erhebliche körperliche Belastbarkeit bestehe. Es seien zudem an den Füßen Schwellungen der Zehen aufgetreten, die beim Auftreten Schmerzen verursachen und eine Mobilitätseinschränkung zur Folge haben würden.

10. Am 21.06.2018 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt, an der der BF und Dr. XXXX, Amtssachverständiger für Allgemeinmedizin, teilnahmen. Ein Vertreter der belangten Behörde ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen.

Diese Verhandlung, an deren Ende das Beweisverfahren geschlossen

wurde, gestaltete sich auszugsweise wie folgt (VR=

verhandlungsleitende Richterin, BF= Beschwerdeführer, BR=

Beisitzender Richter; SV= Sachverständiger; LR= Laienrichter):

"VR: Mit welchen Ausführungen im Gutachten vom 16.11.2017 die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung betreffend, sind Sie nicht einverstanden?

BF: Mich hat vor allem gestört, dass ein Gutachten erstattet wurde, ohne dass ich zur Begutachtung vorgeladen wurde und ich mit dem Gutachter sprechen konnte.

Die VR verweist auf das schriftliche Beschwerdevorbringen, wonach der BF lediglich neue Tatsachen bzw. medizinische Beweismittel vorgebracht h at, und die erfolgte Begutachtung durch die SV in der ersten Instanz prinzipiell nicht gerügt hat. In solchen Fällen ist es durchaus üblich einen SV um ein Aktengutachten zu ersuchen, ob die neu vorgelegten Beweismittel Auswirkungen auf das Vorgutachten haben.

Der BF bestätigt, dass die Untersuchung durch Dr. XXXX gründlich war.

BF: Ich möchte noch angeben, dass mir auch die Verhältnismäßigkeit nicht verständlich war, wonach für den BP mit 80% Behinderung keine Untersuchung von Nöten war, und für diese Zusatzeintragung solch ein Aufwand betrieben wird.

VR: Warum sind Sie der Meinung, dass Sie keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen können?

BF: Ich verweise auf meine bisherige Krankengeschichte. Des Weiteren möchte ich angeben, dass bei einer nuklearmedizinischen Untersuchung am 27.09.2017 festgestellt wurde, dass sich im Bereich des Beckens Lymphknotenmethastasen gebildet haben. Dies entzieht mir sehr viel an Energie und ich fühle mich dadurch kraftlos. Ich bin dauernd katheterversorgt und habe mir deshalb immer einen sogenannten Stomabeutel mitzutragen. Dieser Katheter führt durch den Bauch in die Blase und muss monatlich gewechselt werden.

Zum Zustand meiner unteren Extremitäten gebe ich an, dass mir vom Arzt mittlerweile Schhmetterlingseinlagen, die in den Schuh einzubauen sind, verordnet wurden. Auch diese haben nichts gebracht, womit ich aufgrund mit meiner Spreizfußproblematik erheblich in meiner Mobilität eingeschränkt bin.

Ich bin aufgrund meines Gesamtgesundheitszustandes der Ansicht, dass mir die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr zugemutet werden kann.

VR: Wie weit können Sie am Stück zu Fuß gehen?

BF: Das kann ich nicht angeben. Ich schau, dass ich so weit als möglich zum Ziel mit dem Auto fahre. Als Beispiel kann ich nennen, dass ich in der (...-)-gasse parke und dann zu Fuß in das (...) gehe. Diese Strecke schafft mich dann schon etwas. Ich schätze, dass ich ca. 300m gehen kann.

VR: Haben Sie Probleme mit dem Stiegensteigen?

BF: Ja, ich kann zwar mit Anhalten Stufen überwinden aber nur sehr langsam.

BR: Verwenden Sie eine Gehhilfe?

BF: Nein, noch nicht.

BR: Wie sind Sie zur Verhandlung gekommen?

BF: Mit dem Auto. Es parkt am (...-)platz, ich schätze ca. 100m entfernt.

BR: Beziehen Sie Pflegegeld?

BF: Nein.

Dem SV wird der vom BF vorgelegte Befund von Dris XXXX von Juni 2018 vorgelegt. Die VR belehrt den BF über das im gegenständliche Verfahren bestehende Neuerungsverbot.

VR an SV: Wie beurteilen Sie den Gesundheitszustand in Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

SV: In den Vorgutachten ist die Fußproblematik bislang nicht erwähnt, sondern findet sich dies nunmehr erstmalig in dem Befund den der BF heute bei der Verhandlung vorgelegt hat.

Die VR verliest den Befund vom 14.06.2017 von Dr. XXXX und DR. XXXX (AS 25).

VR an SV: Handelt es sich bei dem hier festgestellten Leiden der Sprunggelenke um jenes Leiden, das auch in dem Befund vom Juni 2018 beschriebene wird?

SV: Im weiteren Sinne ist die damals beschriebene Problematik mit der aktuell beklagten Fußproblematik in Einklang zu bringen.

VR: Wie wirkt sich das auf die beantragte Zusatzeintragung aus?

SV: Wie im Facharztbefund Dris XXXX angedeutet ist davon auszugehen, dass mit einem entsprechenden Hilfsmittel oder Heilbehelf in Einklang mit den Angaben des BF eine relevante Wegstrecke die auch jetzt zurückgelegt werden kann, zurückzulegen ist.

Der BF erläutert dem BF die Voraussetzung für die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung.

BF: Meiner Ansicht nach ist meine körperliche Belastbarkeit durch meinen Gesundheitszustand insgesamt erheblich eingeschränkt. Zum einen entzieht mir meine Krebserkrankung äußerst viel Energie und kommt mein Leiden an den unteren Extremitäten noch dazu. Aufgrund dieses Gesundheitszustandes schaffe ich es nicht mehr öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

BR: Wann sind Sie zuletzt mit einem ÖV gefahren?

BF: Dies kommt selten vor, zum Beispiel, wenn mein Auto zum Service muss. Ich wohne in (...) und fährt dort ein Linienbus, und nehme ich dann den bis nach (...) (3 Stationen).

VR: Können Sie in einem öffentlichen Verkehrsmittel sicher stehen?

BF: Ja, so eine kurze Strecke sicher. Aber wenn die Leute den Stomabeutel sehen, springen sie sofort auf und bieten mir einen Sitzplatz an.

Der BR erläutert dem BF die gesetzlichen Bestimmungen und die verfahrensrechtlichen Möglichkeiten.

(...)."

Die verhandelnde Richterin verkündete nach Durchführung der nichtöffentlichen Beratung des Senates das die Beschwerde des BF abweisende Erkenntnis samt wesentlichen Entscheidungsgründen und erteilte die Rechtsmittelbelehrung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Im vom BVwG eingeholten aktenmäßigen Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 16.11.2017 wurde auf subjektive Beschwerden hinsichtlich des suprapubischen Katheters hingewiesen und in Hinblick auf die orthopädischen Beeinträchtigungen keine höhergradige Mobilitätseinschränkung und hinsichtlich der Tumorerkrankung eine nachvollziehbare Einschränkung der körperlichen Leistungs- und Belastbarkeit des BF festgestellt.

Der BF verwies nach Vorhalt dieses Sachverständigengutachtens in einer dazu abgegebenen schriftlichen Stellungnahme auf eine erhebliche Einschränkung seiner körperlichen Belastbarkeit und eine erhebliche Mobilitätseinschränkung.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 gab der BF schätzungsweise an, "ca. 300m gehen" zu können, und noch keine Gehhilfe zu benötigen.

Hinsichtlich der vorgebrachten Fußproblematik und einem dazu vorgelegten aktuellen Befund von Juni 2018 führte der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung aus, dass die in den beiden im Verwaltungsakt einliegenden Sachverständigengutachten von Dr. XXXX und von Dr. XXXX von 2017 festgestellten Leiden der Sprunggelenke im weiteren Sinne mit der aktuell beklagten Fußproblematik in Einklang zu bringen sei, und die Zurücklegung einer relevanten Wegstrecke mithilfe von Hilfsmitteln oder Heilbehelfe möglich sei.

Der BF gab an:

"Meiner Ansicht nach ist meine körperliche Belastbarkeit durch meinen Gesundheitszustand insgesamt erheblich eingeschränkt. Zum einen entzieht mir meine Krebserkrankung äußerst viel Energie und kommt mein Leiden an den unteren Extremitäten noch dazu. Aufgrund dieses Gesamtzustandes schaffe ich es nicht mehr öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.

Auf die Frage, ob der BF in einem öffentlichen Verkehrsmittel sicher stehen könne, antwortete der BF: "Ja, so eine kurze Strecke sicher.

(...)."

Da der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, der BF könne jedenfalls mit einem entsprechenden Hilfsmittel oder Heilbehelf eine relevante Wegstrecke zurücklegen, der BF selbst Stufen - wenn auch mit Anhalten und nur sehr langsam - überwinden und eine "kurze Strecke" in einem öffentlichen Verkehrsmittel "sicher stehen", wurde von einer dem BF mögliche Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen.

In der mündlichen Verhandlung wurde somit nichts Gegenteiliges zum dem BF vorgehaltenen aktenmäßig erstellten Sachverständigengutachten vom 16.11.2017, in dem keine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, die selbstständige Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke, die Überwindung von Niveauunterschieden und ein sicherer Transport festgestellt worden sei, festgehalten.

Das vom BVwG eingeholte Sachverständigengutachten von Dr. XXXX vom 16.11.2017 konnte somit nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 21.06.2018, in welcher die vom BF in einer schriftlichen Stellungnahme gegen das aktenmäßig erstellte Gutachten erhobenen Einwendungen entkräftet werden konnten, gegenständlicher Beweiswürdigung zugrunde gelegt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte ärztliche Gutachten von Dr. XXXX vom 16.11.2017 erfüllt den Anspruch der Schlüssigkeit im vollen Umfang. Das Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch. Es wurde in diesem Gutachten weder eine direkte erhebliche Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten noch eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit festgestellt und davon ausgegangen, dass dem BF die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke, die Überwindung von Niveauunterschieden und ein sicherer Transport gegeben sei.

In der mündlichen Verhandlung vom 21.06.2018 konnten nach Erörterung der gesundheitlichen Situation des BF in Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel die vom BF in einer zum ihm vorgehaltenen Sachverständigengutachten erhobenen Einwendungen entkräftet und, wie im aktenmäßigen Sachverständigengutachten vom 16.11.2017, die Zurücklegbarkeit einer relevanten Wegstrecke - wegen der Fußproblematik gegebenenfalls unter Verwendung der zweckmäßigen Behelfe, die Überwindung von Niveauunterschieden und eine sichere Transportmöglichkeit - jedenfalls über eine kurze Strecke - festgestellt werden.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass beim BF die Voraussetzungen für die Feststellung, dass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, nicht vorliegen.

Da die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in den Behindertenpass fehlen, ist damit auch die Grundvoraussetzung für die Ausstellung eines Behindertenparkausweises nicht gegeben.

Es war spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2174330.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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