TE Bvwg Beschluss 2018/6/25 W159 2198972-1

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Veröffentlicht am 25.06.2018
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Entscheidungsdatum

25.06.2018

Norm

AsylG 2005 §3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W159 2198972-1/3Z

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.05.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 18 Absatz 5 BFA-VG idgF die

aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Afghanistan, gelangte (spätestens) am 25.11.2015 unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich und stellte noch am gleichen Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 22.05.2018 Zl. XXXX wurde unter Spruchteil I. der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigen abgewiesen, unter Spruchteil II. dieser Antrag auch hinsichtlich zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen, unter Spruchteil III. ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, unter Spruchteil IV. eine Rückkehrentscheidung erlassen, unter Spruchteil V. die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt, unter Spruchteil VI. keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, unter Spruchteil VII. einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und unter Spruchteil VIII. ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst Gmbh. Fristgerecht Beschwerde gegen alle Spruchteile. In der Beschwerde wurde die Gefahr einer Verletzung insbesondere vom Art. 2 und 3 EMRK (zumindest impliziert) vorgebracht und die Beweiswürdigung substantiiert kritisiert. Hinsichtlich der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde ausdrücklich die Zuerkennung desselben beantragt und insbesondere vorgebracht, dass der Beschwerdeführer als Musiker bei einer Rückkehr nach Afghanistan ein sehr leicht zu treffendes Angriffsziel wäre und er keine Hilfestellung bei einer Rückkehr zu erwarten hätte. Weiters werde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unter Bezugnahme auf § 47 Abs. 2 GRC ausdrücklich beantragt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I 2013/33 idgF, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl I Nr. 10/2013 idgF, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Eine derartige Regelung wird in den einschlägigen Normen (VwGVG, BFA-VG, AsylG) nicht getroffen und es liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Die Entscheidung über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung ist nicht als Entscheidung in der Sache selbst zu werten; vielmehr handelt es sich dabei um eine der Sachentscheidung vorgelagerte (einstweilige) Verfügung, die nicht geeignet ist, den Ausgang des Verfahrens vorwegzunehmen. Es ist in diesem Zusammenhang daher lediglich darauf abzustellen, ob es - im Sinne einer Grobprüfung - von vornherein ausgeschlossen erscheint, dass die Angaben der beschwerdeführenden Parteien als "vertretbare Behauptungen" zu qualifizieren sind, die in den Schutzbereich der hier relevanten Bestimmungen der EMRK reichen.

Im vorliegenden Fall kann eine Entscheidung über die dem Bundesverwaltungsgericht vorliegende Beschwerde innerhalb der relativ kurzen Frist des § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht getroffen werden. Der Beschwerdeführer macht ein reales Risiko einer Verletzung der hier zu berücksichtigenden Konventionsbestimmungen insbesondere Art. 2 und 3 EMRK geltend. Bei einer Grobprüfung dieses Vorbringens kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich dabei um "vertretbare Behauptungen" handelt.

Darüber hinaus hat der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde den Sachverhalt (und die Beweiswürdigung) nicht bloß unsubstantiiert bestritten, sondern diesbezüglich ein konkretes und substantiiertes Vorbringen erstattet.

Dazu führt der Verwaltungsgerichtshof hinsichtlich der Verhandlungspflicht nach § 21 Absatz 7 BFA-VG in ständiger Judikatur wie folgt aus:

Der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt muss von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des BVwG immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das BVwG die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes eben außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten ist bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 08. September 2015, Ra 2014/01/022, mwN und viele andere mehr).

Vor dem Hintergrund dieser Judikatur und des Beschwerdevorbringens erscheint im vorliegenden Fall eine mündliche Beschwerdeverhandlung erforderlich. Dies wäre jedoch bei einem sofortigen Vollzug der angefochtenen Entscheidung nicht möglich, da die Beschwerdeverhandlung die Anwesenheit des Beschwerdeführers regelmäßig voraussetzt. Es mag wohl zutreffend sein, dass die Suchtgiftkriminalität eine besondere Gefährlichkeit innewohnt, im vorliegenden Fall ist jedoch lediglich eine Anzeige wegen Eigenkonsums von Cannabis aktenkundig, die nicht eine im Strafregister aufscheinende Verurteilung gemündet hat (!).

Schließlich hat der Europäische Gerichtshof erst jüngst entschieden, dass abgelehnte Asylwerberinnen in der Regel das Recht haben, solange in einem EU-Staat bleiben, bis ein Gericht endgültig über ihren Status entschieden hat (EUGH vom 19.06.2018, RSC-181/16). Auch dieses Judikat spricht gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung.

Eine öffentliche mündliche Verhandlung konnte hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gem. § 24 Abs. 2 VwGVG entfallen.

Zu B)

Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Schließlich wurde die gegenständliche Entscheidung mit der aktuellen Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes und des Europäischen Gerichtshofes begründet. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W159.2198972.1.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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