Entscheidungsdatum
28.06.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G309 2177946-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 12.05.2017, OB: XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 02.11.2016 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im am 30.01.2006 mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellten Behindertenpass sowie auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass ein. Dem Antrag war eine Reihe medizinischer Beweismittel angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde XXXX, Facharzt für Innere Medizin, mit Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In dem eingeholten Gutachten vom 07.05.2017 wird, nach persönlicher Untersuchung der BF hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung und zur Gesamtmobilität der BF im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Bei der BF würden eine koronare Herzkrankheit, degenerative Wirbelsäulenveränderungen sowie eine chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) vorliegen. Im Hinblick auf die Gesamtmobilität der BF wurde wie folgt befunden:
"1. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgesteiften Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
keine
2. Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?
nein
Gutachterliche Stellungnahme:
bei NYHA III kein Hinweis auf höhergradige eingeschränkte Ventrikelfunktion - somit eine Gehstrecke von 300-400m hiermit möglich. Angina pectoris Anfälle sind in erster Linie auf die spastisch geschlängelten Coronargefäße zurückzuführen. Die angegebenen Wirbelsäulenbeschwerden gleichbleibend zum Vorgutachten, auch keine Verschlechterung bzgl. der COPD vorliegend."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.05.2017 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf die im eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten getroffenen Ausführungen.
4. Mit Schreiben vom 26.05.2017 (Datum: Poststempel) erhob die BF binnen offener Frist Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid. Darin brachte sie zusammengefasst unter Vorlage einer Reihe medizinischer Beweismittel vor, sie leide - entgegen der Ausführungen im Gutachten - weder an einer COPD II, noch sei sie eine weinerliche, klagsame Person mit Dysthymie. Die Befunde zur Analgetikatherapie würden nicht auf sie zutreffen, es müsse sich daher um eine Patientenverwechslung handeln. Sie stelle daher nochmals die Anträge auf Erhöhung des Grades der Behinderung im Behindertenpass und auf den Parkausweis. Für den Fall, dass auch ihre Befunde "verschwunden" seien, reiche sie diese noch nach.
4.1. Mit dem der belangten Behörde mit E-Mail vom 11.06.2017 übermittelten Schreiben brachte die BF weitere medizinische Beweismittel in Vorlage. Sie äußerte sich darin im Wesentlich dahingehend, dass sie am 16.02.2017 Opfer eines Autounfalles geworden sei und dies langfristige Folgen nach sich ziehe. Die "Zahn traumatische Krankengeschichte" spiele keine Rolle für die neuerliche Festsetzung es Grades der Behinderung. Die Patientenverwechselung sei mit einer Patientin erfolgt, welche COPD 2 habe, die BF brachte dazu vor, sie leide nicht an COPD 2. Sie habe im Oktober 2016 ihrerseits die beiden Anträge auf "Erhöhung des Behindertenausweises und den Parkausweis" gestellt.
5. Im Ermittlungsverfahren zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung wurde ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
In dem Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 26.11.2017 wurden nach persönlicher Untersuchung der BF vom 27.10.2017 im Wesentlichen im Hinblick auf die Gesamtmobilität der BF folgende Diagnosen festgehalten:
5.1. Die BF leide unter einer koronaren Herzkrankheit, einem Lendenwirbelsäulensyndrom, einem Zwerchfellbruch mit Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters, einer Großzehenzertrümmerung rechts, einem Analprolaps sowie unter Schlafstörungen.
5.2. Bezugnehmend auf die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung und die Gesamtmobilität der BF wurde folgendes ausgeführt:
"Bei der Antragstellerin besteht eine koronare Herzkrankheit, insgesamt hatte die Antragstellerin schon vier Herzinfarkte, der letzte war 2014. Die Echokardiographie zeigt eine Bewegungsstörung im Bereich der Herzspitze sowie im Bereich des Septums. Ein Aneurysma ist ebenfalls bekannt. Die Herzleistung ist insgesamt jedoch noch erhalten. Während der Rehab konnte eine deutliche Leistungssteigerung (+87%) erzielt werden, die Antragstellerin nahm an einem Terraintraining der Gruppe 1 teil. Eine kurze Wegstrecke von 300-400 Metern ist der AST daher zumutbar.
Herzrhythmusstörungen konnten während der Untersuchung nicht festgestellt werden, auch während des Rehaaufenthaltes traten laut Reha-Bericht keine Herzrhythmusstörungen auf. Weiters besteht ein Zwerchfellbruch sowie eine Cardia Insuffizienz. Eine regelmäßige Magenschutztherapie wird nicht eingenommen.
Von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates konnten nur gering- bis mittelgradige Funktionseinschränkungen festgestellt werden. Aufgrund der Schmerzen in der rechten Großzehe besteht jedoch eine Gangstörung, welche aber nicht höhergradig ausgeprägt ist, beim Gehen erfolgt kein Abrollen über den Fußballen.
Psychischerseits bestehen lediglich Durchschlafstörungen, eine Therapie diesbezüglich besteht nicht. Von der Antragstellerin wird eine Stuhl- und Harninkontinenz angegeben. Im August 2015 bestand erstmals der Verdacht auf einen Analprolaps. Kleine Einlagen werden verwendet. Da auch eine Bedarfsmedikation von Molaxole besteht, dieses Medikament fördert den Stuhlgang, ist aber von keiner höhergradigen Inkontinenz auszugehen.
Die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit ist ausreichend, höhergradige Funktionseinschränkungen von Seiten des Stütz- und Bewegungsapparates bestehen nicht, die Gangstörung es ebenfalls nur mäßiggradig ausgeprägt, eine Störung der Greif- und Haltefunktion konnte nicht objektiviert werden. Bezüglich der Stuhl- und Harninkontinenz ist die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte ausreichend und zumutbar. Psychischerseits bestehen keine Einschränkungen.
Es besteht daher keine Funktionsbeeinträchtigung, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulässt.
Eine schwere Erkrankung des Immunsystems besteht nicht."
5. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde, einlangend mit 27.11.2017, vorgelegt.
6. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde der BF seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben 19.01.2018, zugestellt durch Hinterlegung am 25.01.2018, zur Kenntnis gebracht und ihr die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses und hat ihren Wohnsitz im Inland.
Die BF leidet unter einer koronaren Herzkrankheit, einem Lendenwirbelsäulensyndrom, einem Zwerchfellbruch mit Insuffizienz des unteren Ösophagussphinkters, einer Großzehenzertrümmerung rechts mit einer geringen Gangstörung, einem Analprolaps sowie an einer Schlafstörung.
Die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit der BF ist ausreichend, sodass der BF die Bewältigung einer Wegstrecke von 300 m bis 400 m möglich ist. Im Hinblick auf den Stütz- und Bewegungsapparat liegen gering- bis mittelgradige Funktionseinschränkungen vor, eine hochgradige Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten liegt jedoch nicht vor.
Der bei der BF festgestellte Analprolaps wird mit einer stuhlfördernden Bedarfsmedikation behandelt. Die Benützung handelsüblicher Inkontinenzprodukte ist ausreichend und zumutbar. Eine anhaltende schwere Erkrankung des Verdauungstraktes oder imperativer Stuhldrang konnten nicht festgestellt werden.
Das selbstständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke und das Ein- und Aussteigen in bzw. aus einem öffentlichen Verkehrsmittel sind ihr bei üblichen Niveauunterschieden möglich, ebenso wie der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel. Es bestehen keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit und keine Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass, liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Die Feststellungen zum ausgestellten Behindertenpass sind dem von der belangten Behörde übermittelten Akt zu entnehmen. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnortes der BF ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.
Das zum Gesundheitszustand der BF seitens der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten des AmtssachverständigenXXXX, Facharzt für Innere Medizin, vom 26.11.2017 ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
In der Beschwerde wurde seitens der BF hingegen nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit die diagnostizierten gesundheitlichen Einschränkungen in einem Ausmaß vorliegen würden, welches zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen würde. Weitere medizinische Beweismittel oder Darstellungen wurden von der BF nicht in Vorlage gebracht, insb. wurden in der Beschwerde weder das Vorliegen einer anhaltenden schweren Erkrankung des Verdauungstraktes noch das Leiden unter imperativen Stuhldrang behauptet oder etwa auch durch Vorlage dementsprechender medizinischer Beweismittel in diese Richtung untermauert.
Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens von XXXX wurde der BF im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und durch Hinterlegung zugestellt. Eine Stellungnahme seitens der BF erfolgte nicht.
Das Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Innere Medizin, wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.
Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d leg. cit. vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen XXXX, Facharzt für Innere Medizin, zufolge leidet die BF an einer koronaren Herzkrankheit, an einem Lendenwirbelsyndrom, an einer Großzehenzertrümmerung rechts, die eine geringe Gangstörung auslöst, an einem Analprolaps sowie an Schlafstörungen.
Diese Leiden bewirken nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität. Eine Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß konnte nicht festgestellt werden.
Nach der Rechtsprechung des VwGH kann Inkontinenz zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen und eine entsprechende Zusatzeintragung in den Behindertenpass rechtfertigen (VwGH 17.06.2013, Zl. 2010/11/0021; 23.02.2011, Zl. 2007/11/0142). Die Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen führen dahingehend aus, dass "bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes" in Ausnahmefällen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar sei (dazu VwGH 09.11.2016, Ra 2016/11/0137; 21.04.2016, Ra 2016/11/0018). Dies gelte bei anhaltend schweren Erkrankungen des Verdauungstraktes in Verbindung mit einer krankheitstypischen, ausgeprägten körperlichen Schwäche und eines reduzierten Ernährungs- und Allgemeinzustandes. Eine solche Erkrankung bzw. ein derartiges Leiden wurde weder seitens der BF in deren Beschwerde behauptet noch im Ermittlungsverfahren festgestellt.
Dem Gutachten der medizinischen Sachverständigen zufolge leidet die BF an einem Analprolaps. Eine schwere anhaltende Erkrankung des Verdauungstraktes im Sinne der Erläuterungen der anzuwendenden Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen konnte nicht festgestellt werden, zumal Ausführungen zu einer solchen in der Beschwerde der BF unterblieben ist. So führte der Amtssachverständigen Dr. XXXX im fachärztlichen Sachverständigengutachten aus, dass der BF stuhlfördernde Medikamente verschrieben wurden und die BF keine Einlagen verwende und demnach nicht von einer höhergradigen Inkontinenz auszugehen sei.
Es wurden keine erheblichen Einschränkungen der Funktion der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems festgestellt. Die BF kann eine Wegstrecke von mehr als 300 m zurücklegen, das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln sind ihr aus medizinischer Sicht möglich. Es wurden keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, festgestellt.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist die "Sache" des bekämpften Bescheides (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; des Weiteren Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RN 833). Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht über Rechtssachen entscheiden, die nicht Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens und Entscheidung waren. Fallgegenständlich war "Sache" und Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde die Beurteilung der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass.
Der gestellte Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Behindertenpass ist noch nicht erledigt, und wird daher von der belangten Behörde noch ein diesbezügliches Verfahren zu führen sein.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2177946.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.10.2018