Entscheidungsdatum
28.06.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G309 2177620-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundigen Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. am XXXX, vertreten durch XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 05.10.2017, OB: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.
II. Es wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vorliegen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 14.08.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde der Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass (Ausstellungsdatum: 07.01.2009) gewertet. Dem Antrag waren verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
2.1. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Facharzt für Orthopädie, vom 29.09.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 19.09.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Der BF leide an einer höhergradigen Funktionseinschränkung beider Schultern sowie an Kniegelenksabnützungen beidseits. Zu diesen Diagnosen wurde folgende gutachterliche Stellungnahme erstattet:
"Im Vordergrund steht die Beschwerdesymptomatik im Bereich der Kniegelenke und der Schultern.
Der Antragsteller wurde im Juni diesen Jahres mit einer Kreuzbandplastik im linken Kniegelenk versorgt. Es fand sich auch ein osteochondraler Defekt am medialen Femurkondylus welcher microfrakturiert wurde. Hier ist das Knie noch deutlich geschwollen und der Antragsteller weist ein ausgeprägtes Beugedefizit sowie ein linksseitiges Hinken auf. Am rechten Kniegelenk ist im August (eine Gelenksspiegelung mit Innenmeniskus- und Knorpelglättung vorgenommen worden. Hier ist der Antragsteller einigermaßen beschwerdefrei und zufrieden.
Weiters zeigen sich deutliche Funktionseinschränkungen im Bereich beider Schultern. Der Antragsteller zog sich rechts 2007 eine Luxationsfraktur zu, wurde operativ versorgt und im Februar 2008 nochmals revidiert. Hier zeigt sich eine deutliche Atrophie im Bereich des Schultergürtels und die Funktion ist hochgradig eingeschränkt. Die Horizontale wird nicht mehr erreicht. Im Bereich der linken Schulter besteht eine Impingementsymptomatik mit mittelgradiger Funktionseinschränkung. Der Schürzengriff ist beidseits gut durchführbar, der Nackengriff ist deutlich erschwert. Der Antragsteller weist ein linksseitiges Hinken bei Zustand nach Kreuzbandplastik und Microfrakturierung des osteochondralen Defektes am medialen Femurkondylus auf und gibt an, dass er nicht mehr weit gehen könne. Zur Untersuchung erscheint er ohne Hilfsmittel und ist, bis auf ein leichtes linksseitiges Hinken bei normaler Schrittlänge, zügig mobilisiert. Die Einschränkungen bestehen seit dem operativen Eingriff im Juni. Es ist davon auszugehen, dass es hier durch die weiterführenden Therapiemaßnahmen bis zum Ende des Jahres zu einer deutlichen Befundbesserung kommt. Eine dauerhafte Einschränkung der Mobilität ist nicht gegeben. Die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist auch weiterhin zumutbar."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.10.2017 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.
4. Mit Schreiben vom 17.11.2017 (Datum: Poststempel) erhob der BF seitens seiner rechtsfreundlichen Vertretung innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.10.2017. Darin wurden im Wesentlichen Verstöße gegen das Recht auf Parteiengehör sowie eine fehlerhafte Beweiswürdigung geltend gemacht und zusammengefasst vorgebracht, dem BF sei das von der belangten Behörde eingeholte Sachverständigengutachten nicht zur Kenntnis gebracht worden und hätte der BF andernfalls die Einholung von fachärztlichen Sachverständigengutachten beantragen können. Der BF leide an massiven Problemen der unteren Extremitäten, insbesondere der Knie. Es sei ihm nicht möglich, über weitere Distanzen zu einem öffentlichen Verkehrsmittel zu gehen. Aufgrund der starken Schulterproblematik sei es dem BF nicht möglich, Gegenstände über weitere Strecken hinweg zu tragen. Die Beschwerdebehörde möge nach Vorlage des Aktes der Beschwerde Folge geben, den Bescheid beheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverweisen oder in eventu dahingehend abändern, dass dem Antrag des BF stattgegeben werde.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde einlangend mit 24.11.2017 vorgelegt.
6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im erstatteten Gutachten vom 14.03.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung des BF, zusammengefasst folgendes festgehalten:
"Aktuell aufgrund des Untersuchungsbefundes unter Berücksichtigung der Anamnese und der Befunde ist festzuhalten dass eine deutliche Abnützung im Bereich des linken Kniegelenkes im Knorpelbereich mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung gegeben ist. Des weiteren eine deutliche Funktionseinschränkung im Bereich der rechten Schulter, weniger im Bereich der linken Schulter, mit ebenso Bewegungs- und Belastungseinschränkung gegeben ist."
Im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung wurde folgendes ausgeführt:
"[Aus den Diagnosen] resultierend ist festzuhalten dass zwar unter Schmerzen eine ausreichende Wegstrecke sicherlich durchführbar ist jedoch aufgrund der Bewegungseinschränkung im Kniegelenk der sichere Transport respektive, das Überwinden von Niveauunterschieden nicht sicher gegeben ist, insbesondere erscheint der sichere Transport aufgrund der eingeschränkte Hantierfunktion (Anhaltemöglichkeit) nicht gewährleistet."
7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 22.03.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es wurde keine Stellungnahme erstattet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.
Der BF leidet an einer höhergradigen Abnützung im Bereich des linken Kniegelenkes im Sinne einer Knorpelabnützung mit Bewegungs- und Belastungseinschränkung, wobei die Beugung im linken Kniegelenk bis maximal 90° möglich ist, und das Heben des Beines nur bis 25cm über dem Boden umsetzbar ist. Weiters leidet der BF an einer deutlichen Funktionseinschränkung, überwiegend im Bereich der rechten Schulter, durch welche ebenfalls eine eingeschränkte Beweglichkeit und Belastbarkeit gegeben ist. Durch die Funktionseinschränkung im Kniegelenk in Verbindung mit der Einschränkung im Bereich der rechten Schulter ist das Überwinden von Niveauunterschieden und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel, unter den üblichen Transportbedingungen, nicht gewährleistet.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.
Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte medizinische Sachverständigengutachten von XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 14.03.2018, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Abweichungen zu dem seitens der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten ergeben sich nachvollziehbar aus den durch persönliche Untersuchung erhobenen Funktionseinschränkungen am linken Kniegelenk, welche den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen im Zusammenhang der eingeschränkten Hantierungsfunktion des BF nicht möglich machen.
Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen und die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen klinischen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen. Das Sachverständigengutachten von XXXX wird der Entscheidung des erkennenden Gerichts daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen. Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragt haben.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).
Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Beim BF wurden neben Funktionseinschränkungen im linken Kniegelenk, aus welchen erhebliche Bewegungs- und Belastungseinschränkungen resultieren, deutliche Funktionseinschränkung im Bereich der rechten und der linken Schulter diagnostiziert, sodass der BF in seiner Hantierungsfunktion maßgeblich beeinträchtigt ist. Aufgrund des Zusammenwirkens dieser Funktionseinschränkungen ist es dem BF nicht möglich, ein öffentliches Verkehrsmittel sicher zu benutzen.
Da beim BF eine erhebliche Mobilitätseinschränkung festgestellt wurde und der BF zudem Inhaber eines Behindertenpasses ist, liegen die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2177620.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.10.2018