TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/28 G309 2176988-1

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Veröffentlicht am 28.06.2018
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Entscheidungsdatum

28.06.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2176988-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 03.11.2017, OB: XXXX betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 26.07.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 (Parkausweis) ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde der Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und auf Vornahme dieser Zusatzeintragung in den Behindertenpass gewertet. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.

In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 16.09.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Der BF leide an degenerativen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen, an degenerativen Gelenksveränderungen mehrerer Lokalisationen sowie an einer Herzmuskelerkrankung mit Notwendigkeit einer Herzschrittmacherimplantation (2015). Der Gesamtgrad der Behinderung betrage 60 v.H. (von Hundert).

Zur Gesamtmobilität im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung wird hinsichtlich der Frage, welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zulassen würden, folgendes ausgeführt:

"Der AST kommt gehend mit [einer] Unterarmstützkrücke, die er re. trägt in die Ordination, ist in der Lage derzeit auch mit und ohne Hilfsmittel eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft zu überwinden, wenige Stufen in ein ÖV ein- und auszusteigen und in selbigen transportiert werden zu können. Hinsichtlich WS bestehen derzeit keine motorischen Ausfallssymptomatiken. Hinsichtlich der Gelenke der UE besteht eine ausreichende Bewegungsfunktion, sodass oben genannte Leistung erbracht werden kann."

3. Mit Schreiben der belangten Behörde vom 20.09.2017 wurde dem BF mitgeteilt, dass laut dem Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 60 v.H. festgestellt worden sei und die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses vorliegen würden. Mit einem weiteren Schreiben der belangten Behörde vom selben Tag wurde dem BF der beantragte Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 60 v.H. übermittelt.

4. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 03.11.2017 wurde seitens der belangten Behörde festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" nicht vorliegen würden. Die Entscheidung wurde im Wesentlichen auf das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten gestützt.

5. Mit Schreiben vom 14.11.2017 (Datum: Eingangsstempel) brachte der BF binnen offener Frist Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde ein. Unter Vorlage weiterer medizinischer Beweismittel führte der BF aus, er leide bei jeder Bewegung an Schmerzen und er könne kurze Wegstrecken ohne Hilfsmittel nicht überwinden. Die Schmerzen am Bewegungsapparat würden laufend zunehmen. Nicht nur das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, sondern auch die Fahrt selbst seien, wegen der Schüttelbewegungen, sehr schmerzhaft. Er bitte daher um eine erneute Begutachtung.

6. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde, einlangend mit 20.11.2017, vorgelegt.

7. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt.

7.1. In dem eingeholten Gutachten vom 08.03.2018 wurden, basierend auf persönlicher Untersuchung des BF, im Wesentlichen folgende Diagnosen festgehalten:

"Es bestehen keine hochgradigen Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten, die Gelenke sind in notwendigem Ausmaß ausreichend frei beweglich, die Muskulatur mittelkräftig u. der willkürlichen Kontrolle zugänglich, neurologische Ausfälle wie Lähmungszeichen oder dergleichen finden sich nicht; es findet sich auch keine dekompensierte Fußfehlform oder Gelenksinstabilitäten.

Die körperliche Belastbarkeit ist moderat bis mittelgradig eingeschränkt, das Herzkreislaufsystem kompensiert, Beschwerden werden hier nicht angegeben. Es bestehen keine wesentlichen Einschränkungen in psychischer, neurologischer oder intellektueller Sicht bzw. Funktionen u. damit verbunden auch keine therapieresistenten Phobien oder Zwangserkrankungen.

Es besteht keine schwere Immunschwäche. Es besteht weder eine hochgradige Sehbehinderung noch Blindheit oder Taubblindheit nach

BPGG."

7.2. Im Zusammenhang mit der beantragten Zusatzeintragung bzw. der Gesamtmobilität des BF wurde folgendes ausgeführt:

"Auch unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzen zeigt sich eine ausreichende Restleistungsfähigkeit im Bewegungs- und Stützapparat um kürzere Wegstrecken aus eigener Kraft zurückzulegen, ein Gehstock ist hier unterstützend hilfreich, jedoch aus Stabilitätsgründen nicht absolut notwendig.

Einfache Niveauunterschiede können aus eigener Kraft überwunden werden, wobei hier die oberen Extremitäten unterstützend eingreifen können. Unter Regelbedingungen ist eine ausreichende Anpassungsfähigkeit gegeben um öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Die moderat bis mittelgradigen objektivierbaren Funktionseinschränkungen erreichen auch in ihrem Zusammenwirken und unter Berücksichtigung der angegebenen Schmerzzustände zwar eine mittelgradige aber keine hochgradige dauernde Mobilitätseinschränkung.

Der Gutachter ist zwar davon überzeugt, dass die geklagten schmerzbedingten Funktionsbeeinträchtigungen bestehen, diese können aber willentlich in wesentlichem Umfang überwunden werden und eine erweiterte Schmerzbehandlung ist möglich. Eine tatsächliche eigenständige Schmerzkrankheit mit Therapieresistenz entsprechend ausbehandeltem Schema nach WFIO ist definitiv nicht gegeben."

8. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 28.03.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

9. Mit Schreiben vom 11.04.2018 (Datum: Eingangsstempel) nahm der BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung und führte dazu aus, das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel würde ihm große Schmerzen bereiten. Er bitte daher darum, dies zu berücksichtigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Der BF leidet an degenerativen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen, an degenerativen Gelenksveränderungen mehrerer Lokalisationen sowie an einer Herzmuskelerkrankung mit Notwendigkeit einer Herzschrittmacherimplantation (2015).

Es bestehen keine hochgradigen Funktionseinschränkungen der unteren Extremitäten, die Gelenke sind in notwendigem Ausmaß ausreichend frei beweglich und die Muskulatur mittelkräftig. Der BF ist in seiner körperlichen Belastbarkeit mittelgradig eingeschränkt, neurologische Ausfälle konnten beim BF nicht festgestellt werden. Auch unter Berücksichtigung der Schmerzen des BF, ist eine ausreichende Restleistungsfähigkeit im Bewegungs- und Stützapparat gegeben. Eine eigenständige Schmerzkrankheit mit Therapieresistenz entsprechend ausbehandelten Schema nach WHO, konnte nicht festgestellt werden. Dem BF ist es möglich, kürzere Wegstrecken, allenfalls durch Zuhilfenahme von Gehstöcken, zurückzulegen und einfache Niveauunterschiede aus eigener Kraft zu überwinden. Der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Transportbedingungen ist dem BF ebenfalls möglich.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Das eingeholte medizinische Sachverständigengutachten des dem Ermittlungsverfahren seitens des erkennenden Gerichts hinzugezogenen Amtssachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch und erfüllt die Voraussetzungen der Vollständigkeit und Schlüssigkeit. Der Amtssachverständige kommt auch im Vergleich zum erstinstanzlichen Vorgutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung zu einem übereinstimmenden Ergebnis.

Es wurde im Gutachten auf die Art und das Ausmaß der Leiden des BF eingegangen sowie zu deren Bedeutung für die vom BF beantragten Zusatzeintragung Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Die vom BF zum Ergebnis der Beweisaufnahme erstattete schriftliche Stellungnahme wiederholte das von XXXX bereits miteinbezogene Vorbringen des BF im Hinblick auf die Auswirkungen der Transportgegebenheiten in öffentlichen Verkehrsmitteln (Rütteln, Ruckeln etc.) auf die gegebene Schmerzempfindung des BF und war daher nicht geeignet, das vollständige und schlüssige Gutachten von Dr. WEISS zu entkräften. Eine tatsächliche eigenständige Schmerzkrankheit mit Therapieresistenz, entsprechend ausbehandeltem Schema nach WHO, liegt beim BF nicht vor.

Das Sachverständigengutachten wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur - also medizinisches Fachwissen - gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das

36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche sowie bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt (VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0242; 14.05.2009, Zl. 2007/11/0080).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, Zl. 1353/78).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Der BF leidet an degenerativen Wirbelsäulen- und Bandscheibenveränderungen, an degenerativen Gelenksveränderungen mehrerer Lokalisationen sowie an einer Herzmuskelerkrankung. Erhebliche Einschränkungen der Funktion der unteren oder der oberen Extremitäten bzw. eine dauerhafte Mobilitätseinschränkung konnten nicht festgestellt werden.

Ohne Zweifel beeinträchtigen die festgestellten Funktionseinschränkungen und die dadurch ausgelösten Schmerzen den BF in seiner körperlichen Belastbarkeit bzw. Mobilität. Es ist auch nachvollziehbar, dass die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln in bestimmten Verkehrssituationen mit Schmerzen einhergehen können. Eine beim BF vorliegende austherapierte Schmerzkrankheit mit Therapieresistenz liegt nicht vor. Eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.

Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist dem BF somit möglich und zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2176988.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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