TE Bvwg Erkenntnis 2018/6/29 G309 2182053-1

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Veröffentlicht am 29.06.2018
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Entscheidungsdatum

29.06.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
GEG §6a Abs1
GEG §6b Abs4
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §8a Abs1

Spruch

G309 2182053-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Einzelrichter über den Antrag von XXXX, geb. am XXXX, auf Gewährung von Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Beschwerde, vom 18.12.2017, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes XXXX vom 27.11.2017, Zl. XXXX, beschlossen:

A)

Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im beantragten Umfang wird gemäß

§ 8a Abs. 1 und 2 VwGVG a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

Zu Spruchteil A):

Mit dem im Spruch näher bezeichneten Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes XXXX vom 27.11.2017 wurde die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF oder antragstellende Partei) zur Zahlung eines Gesamtbetrages von EUR 408,00 verpflichtet. Begründend wurde ausgeführt, dieser Betrag setze sich aus der mit Abwesenheitsurteil des Bezirksgerichtes XXXX vom 19.12.2016 rechtskräftig verhängten Geldstrafe in der Höhe von EUR 400,00 und der vorgeschriebenen Einhebungsgebühr in der Höhe von EUR 8,00 zusammen.

Mit Eingabe vom 18.12.2017 stellte die BF beim Präsidenten des Landesgerichtes XXXX den Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in "erforderlichem" Umfang, jedenfalls aber im Umfang der Beigebung eines Rechtsvertreters zur Erhebung einer Beschwerde. Des Weiteren wurde von der BF ausgeführt, sie besitze Dokumente, welche die Nichtigkeit, die Mangelhaftigkeit und die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung des Grundverfahrens beweisen und ihre Unschuld belegen würden, weshalb die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos anzusehen sei. Den Antrag begründend wurde ausgeführt, die BF sei keine Rechtsanwältin und benötige in der schwierigen Materie dringend den Beistand eines Rechtsvertreters, um eine Beschwerde in der Sache erheben zu können. Dem Antrag war ein Vermögensbekenntnis angeschlossen.

Zum beantragten Umfang der Verfahrenshilfe machte die BF geltend, der Antrag beziehe sich auf die einstweilige Befreiung 1.) der Gerichtsgebühren und anderer bundesgesetzlich geregelter staatlichen Gebühren, 2.) der Kosten von Amtshandlungen außerhalb des Gerichts,

3.) der Gebühren der Zeugen, Sachverständigen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer, 4.) der Kosten der notwendigen Verlautbarungen, 5.) der Kosten eines Kurators, 6.) der notwendigen Barauslagen, 7.) der von dem vom Gericht bestellten gesetzlichen Vertreter oder von dem der Partei beigegebenen Rechtsanwalt oder Vertreter geltend gemacht werden, 8.) der Sicherheitsleistung für Prozesskosten, 9.) der Reisekosten für die Anreise zur mündlichen Verhandlung sowie 10.) der Kosten für die Vertretung durch einen Rechtsanwalt.

Der Verwaltungsakt wurde seitens des Präsidenten des Landesgerichtes XXXX vorgelegt und langte mit 08.01.2018 beim erkennenden Gericht ein.

Gemäß § 8a Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) ist einer Partei Verfahrenshilfe zu gewähren, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 EMRK oder des Art. 47 GRC geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Voraussetzungen und Wirkungen der Verfahrenshilfe sind, sofern nicht anderes bestimmt, nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu beurteilen.

Nach der Rechtsprechung der Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte zu Art 6 EMRK (Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten) ist es nicht erforderlich, dass Verfahrenshilfe in allen erdenklichen Verfahren zu gewähren ist (EGMR 26.02.2002 Del Sol, Appl. 46.800/99 Rz 20). Die unentgeltliche Beigebung eines Verfahrenshelfers ist aber etwa dann geboten, wenn im konkreten Verfahren Anwaltszwang besteht, das Verfahrensrecht kompliziert ist oder eine schwierig zu entscheidende Rechtsfrage vorliegt. Zudem muss der Anschein eines fairen Verfahrens gewahrt werden, wobei es auch auf die Bedeutung der Angelegenheit für die Partei ankomme (EGMR 13.3.2007, Laskowska, Appl. 77.765/01, Rz 51, 54). Die Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers kann aber etwa von der finanziellen Situation der Partei, den (mangelnden) Erfolgsaussichten im Verfahren, den begrenzten Mitteln der öffentlichen Hand sowie von Rechten Dritter oder auch der Beschleunigung des Verfahrens abhängig gemacht werden (EGMR 13.3.2007, Laskowska, Appl. 77.765/01, Rz 52).

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr und in Form der Beigebung eines Rechtsvertreters nach § 8a VwGVG iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a sowie Z. 3 ZPO war aus den darzulegenden Gründen abzuweisen:

Die BF bezieht monatlich Familienbeihilfe in der Höhe von EUR 197,00, Soziale Mindestsicherung in der Höhe von EUR 844,46 und Unterhalt von XXXX in der Höhe von EUR 216,00. Für die Benützung ihrer Wohnung samt Betriebs-, Heiz- und Stromkosten muss sie monatlich in Summe EUR 292,00 aufwenden. Der sechzehnjährige Sohn der BF lebt mit ihr im selben Haushalt.

Die BF gibt im verfahrensgegenständlichen Antrag an, gemeinsam mit XXXX Solidarschuldnerin für die durch den Ankauf eines Grundstückes, den Bau eines Hauses und der Finanzierung einer Selbstständigkeit zu sein, jedoch keine monatlichen Rückzahlungen leisten zu müssen.

Der BF verbleiben somit monatlich EUR 965,46 um die Aufwendungen für den täglichen Bedarf zu bestreiten.

Es ist demnach davon auszugehen, dass die Antragstellerin über ausreichende Mittel verfügt, um die Kosten der Eingabegebühr ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts tragen zu können.

Aus den Angaben der BF im verfahrensgegenständlichen Antrag geht hervor, dass diese über entsprechende Fähigkeiten für die Geltendmachung von Ansprüchen in einem gebührenrechtlichen Verfahren verfügt und durchaus in der Lage ist, ihre Rechte selbst wahrzunehmen. Zudem sind rechtliche oder tatsächliche Schwierigkeiten, die eine rechtsanwaltliche Vertretung im vorliegenden Fall erforderlich machen würden, nicht zu erwarten und nicht zu erkennen. Zudem besteht in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten keine Anwaltspflicht und ist der entscheidungsrelevante Sachverhalt grundsätzlich von Amts wegen zu ermitteln.

Mit Abwesenheitsurteil vom 19.12.2016 wurde die BF zur Zahlung einer Geldstrafe in der Höhe von EUR 400,00 verurteilt (Grundverfahren). Wird eine nach der Strafprozessordnung fällige Geldstrafe nicht unverzüglich beglichen, so ist ein Zahlungsauftrag nach § 6a Abs. 1 Gerichtliches Einbringungsgesetz (GEG) zu erlassen. Nach § 6b Abs. 4 GEG können im Verfahren zur Einbringung einer Geldstrafe oder einer Gebühr (dazu § 1 Z 1 und Z 2 GEG) im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit der im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden. Die Vorschreibungsbehörde ist damit an die an die Entscheidung der Gerichte gebunden (in etwa VwGH 30.06.2016, Ra 2016/16/0034: 20.05.2015, Ra 2015/10/0050, 21.09.2005, 2003/16/0488 mwN, Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren11 (2014) E 27 zu § 6b GEG).

Der Vorschreibungsbehörde kommt eine selbstständige Prüfungsbefugnis hinsichtlich einer gerichtlichen Strafe im Hinblick auf deren Gesetzmäßigkeit und Höhe auch nicht zuletzt aufgrund der in Art 94 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) geregelten Trennung von Verwaltung und Justiz zu. Aus diesem Grund ist somit auch die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes auf die Prüfung der Rechtsmäßigkeit der Vorschreibung bzw. der Vorschreibungsgebühr in der Höhe von EUR 8,00 im Sinne des Gerichtlichen Einbringungsgesetzes beschränkt (dazu auch Wais/Dokalik, Gerichtsgebühren11 (2014) E 32 zu § 6b GEG). Eine komplexe Rechtssache, in der die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich wäre, liegt daher nicht vor.

Als weitere Kriterien haben in die Entscheidung über die Verfahrenshilfe die Komplexität des Falles und insbesondere auch die Erfolgsaussichten einzufließen. Die antragstellende Partei zielt im verfahrensgegenständlichen Antrag darauf ab, im gegenständlichen Verfahren die Nichtigkeit, die Mangelhaftigkeit und die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung und der Beweiswürdigung des Grundverfahrens geltend zu machen, weshalb ihres Erachtens nach die Beigebung eines Rechtsbeistandes notwendig sei. Aus oben angeführten Gründen ist das erkennende Verwaltungsgericht an die Entscheidung im Grundverfahren gebunden und ist Einwendungen gegen das Grundverfahren an sich im gegenständlichen Verfahren kein Erfolg zu bescheinigen.

Im Ergebnis war der Antrag auf Bewilligung von Verfahrenshilfe mangels Vorliegens der in § 8a Abs. 1 VwGVG geregelten Erfordernisse spruchgemäß abzuweisen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Die Voraussetzungen zur Bewilligung der Verfahrenshilfe liegen nicht vor.

Schlagworte

Bindungswirkung gerichtliche Einbringung, Erfolgsaussichten,
Geldstrafe, Gewaltentrennung, Verfahrenshilfe-Nichtgewährung,
wirtschaftliche Situation

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2182053.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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