Entscheidungsdatum
16.07.2018Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 2133954-1/29E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. von Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2016, Zl. 1070608408 - 150554599/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_02, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.05.2018, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3
AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und 9 FPG, § 46 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsbürger von Somalia und Angehöriger der Volksgruppe XXXX , Subclan XXXX und dem Sub-Sub-Clan der XXXX , gelangte (spätestens) am 24.05.2015 ohne die erforderlichen Reisedokumente nach Österreich und stellte an diesem Tag einen Antrag auf internationalen Schutz, zu dem er am 25.05.2015 von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes, des Stadtpolizeikommandos Salzburg, einer niederschrift-lichen Erstbefragung unterzogen wurde.
Dort gab er zusammengefasst an, seiner Heimat wegen der Al Shabaab verlassen zu haben. Seiner Familie und ihm sei vorgeworfen worden, dass sie die somalische Regierung unterstützen würden. Seiner Familie sei das gesamte Vermögen, Bargeld, das Geschäft und die Grundstücke abgenommen worden. Die Al Shabaab hätte auch versucht, den Beschwerdeführer zu entführen und ihn für den Krieg zu rekrutieren. Deshalb sei er aus seiner Heimat geflohen.
Am 24.06.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Hiebei legte er eine Kopie einer Geburtsurkunde und ein Volksschulabschlusszeugnis vor. Einen Reisepass habe er nie besessen. In Österreich sei er wegen Drogenbesitzes angezeigt worden. Hier lebe er von der Grundversorgung. Er gehöre der Volksgruppe der XXXX , und dem Subclan XXXX an, sei sunnitischer Moslem und stamme aus Mogadischu. Nähere Angaben zu seinem Clan vermochte der Beschwerdeführer nicht zu machen. Sein Vater sei verstorben, in Somalia würden noch seine Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder leben. Zur Mutter habe er Kontakt. Er habe in Somalia acht Jahre lang die Grundschule besucht. Er sei gesund, stehe weder in ärztlicher Behandlung noch nehme er Medikamente. Zu seinen Fluchtgründen befragt gab er soweit wesentlich an, eines Tages im Jahre 2014, der Beschwerdeführer sei zu dem Zeitpunkt in der Schule gewesen, seien Al-Shabaab-Angehörige zur Familie des Beschwerdeführers nachhause gekommen. Sie hätten von seinem Vater verlangt, dass der Beschwerdeführer der Al Shabaab beitrete. Ein paar Tage später seien sie wiedergekommen und hätten abermals verlangt, dass der Beschwerdeführer beitrete. Auch bei diesem Besuch sei der Beschwerdeführer in der Schule gewesen. Der Vater habe wiederum abgelehnt, mit der Begründung, dass der Beschwerdeführer noch sehr klein sei und noch zur Schule ginge. Die Al Shabaab hätten entgegnet, wenn der Vater den Beschwerdeführer nicht freiwillig übergebe, würden sie ihn finden. Zwei Monate später, als der Beschwerdeführer vom Fußballspielen gekommen sei, er sei mit Freunden unterwegs gewesen, sei ein schwarzes Auto neben ihnen stehen geblieben. Ein Mann habe den Beschwerdeführer nach dem Weg gefragt. Er habe wissen wollen, ob der Beschwerdeführer den Arzt in XXXX kenne, was der Beschwerdeführer bejaht habe. Er sei dann in das Auto eingestiegen, in dem Auto seien schon drei Jugendliche gesessen. Als sich der Beschwerdeführer ins Auto begeben habe, hätten sie ihm ein Tuch aufgesetzt. Er wisse nicht, wo sie dann hingefahren seien. Er habe nichts gesehen. Dem Beschwerdeführer seien auch seine Hände und Füße gefesselt worden. Der Beschwerdeführer denke, dass sie ihn aus der Stadt gebracht hätten. Sie hätten ihn in ein dunkles Zimmer gebracht. Dann sei ein maskierter Mann gekommen und habe sich gegenüber dem Beschwerdeführer gesetzt. Er habe ihm gesagt, sie würden junge Männer wie den Beschwerdeführer brauchen. Der Beschwerdeführer habe ihm erklärt, dass er noch minderjährig sei und weiter studieren wolle. Der Mann habe dem Beschwerdeführer zwei Tage Bedenkzeit gegeben. Am dritten Tag seien mehrere Männer zum Beschwerdeführer gekommen und hätten seine Entscheidung hören wollen. Er hätte zwei Möglichkeiten gehabt, entweder der Beschwerdeführer gehe mit ihnen oder er würde getötet. Er hätte Angst bekommen und sei dann von ihnen geschlagen worden. Es sei dort auch ein Mann gewesen, Angehöriger der XXXX und der Al Shabaab, der sich für den Beschwerdeführer eingesetzt und um längere Bedenkzeit gebeten habe. Sie hätten dem Beschwerdeführer dann wieder einen Sack über den Kopf gezogen und dort rausgelassen, wo sie ihn mitgenommen hätten. Der zuvor genannte Mann habe dem Beschwerdeführer dann nahegelegt, es sich nochmal genau zu überlegen. Er sei noch gefesselt gewesen, als das Auto weitergefahren sei. Anrainer hätten den Beschwerdeführer dann befreit. Er sei nachhause gegangen und habe seinem Vater von den Vorfällen erzählt. Sein Vater habe geantwortet, der Beschwerdeführer müsse ab sofort nicht mehr in die Schule gehen. Der Vater des Beschwerdeführers habe im selben Bezirk ein Haus gemietet, wo er dann gewohnt habe. Am XXXX seien wieder die Al Shabaab zur Familie des Beschwerdeführers nachhause gekommen und hätten nach dem Beschwerdeführer gesucht. Sie hätten seinem Vater ein Ultimatum gestellt, entweder er würde den Beschwerdeführer übergeben oder getötet. Der Vater des Beschwerdeführers habe dies abgelehnt und sei getötet worden. Das Lebensmittelgeschäft des Vaters hätten sie geplündert. Bevor sie das Grundstück verlassen hätten, hätten sie der Mutter des Beschwerdeführers mitgeteilt, wenn der Beschwerdeführer beim nächsten Mal nicht greifbar wäre, würde auch sie getötet. Sie hätten hiefür eine Frist von zwei Monaten gesetzt. Die Mutter des Beschwerdeführers sei zum ihm gekommen und hätte ihm erzählt, was geschehen sei. Am nächsten Tag habe sie das Grundstück verkauft und dem Beschwerdeführer gesagt, er solle flüchten, was er dann auch getan habe. Zwei Tage später sei er ausgereist.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia (Spruchpunkt II.) ab, erteilte einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG 2005 nicht, erließ gem. § 10 Abs. 1 Z 3 leg. cit. iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 2 Z 2 FPG und stellte fest, dass seine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Somalia zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.). Begründend gab das Bundesamt die oben bereits im wesentlichen Inhalt wiedergegebenen Einvernahmen wieder und traf Feststellungen zu Somalia. Beweiswürdigend führte es aus, das Vorbringen des Beschwerdeführers sei widersprüchlich, detailarm und oberflächlich. Auch hätten sich Widersprüche zwischen Erstbefragung und Einvernahme ergeben. Rechtlich begründend führte das Bundesamt zu Spruchpunkt I. insbesondere aus, der Beschwerdeführer habe eine begründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft machen können. Zu Spruchpunkt II. führte das Bundesamt aus, dem Beschwerdeführer sei es nicht gelungen, eine Bedrohung iSd § 8 AsylG 2005 geltend zu machen. Es seien keine Umstände ersichtlich, wonach der Beschwerdeführer nach seiner Rückkehr nicht wieder sein gewohntes, existenzgesichertes Leben aufnehmen könne. Auch könne dem Beschwerdeführer eine finanzielle Rückkehrhilfe als Startkapital für die Fortsetzung seines Lebens im Heimatland gewährt werden. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt aus, dem Beschwerdeführer werde eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz nicht erteilt. Im österreichischen Bundesgebiet würde er kein Familienleben iSd Art. 8 EMRK führen. Er befinde sich erst seit 24.05.2015 und es sei keine Integration in sprachlicher, beruflicher oder persönlicher Hinsicht erkennbar. Insgesamt würden aus seinem Privatleben keine Gründe ersichtlich sein, die einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würden, vielmehr seien die öffentlichen Interessen an der Beendigung des Aufenthaltes ausschlaggebend. Im Lichte des Art. 8 EMRK sei die Rückkehrentscheidung betreffend den Beschwerdeführer gerechtfertigt. Mangels Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen würde die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung verbunden und festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia zulässig sei, zumal sich im Falle des Beschwerdeführers keine Gefährdung ergebe. Zu Spruchpunkt IV. führte das Bundesamt aus, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt worden sei.
Gegen Spruchpunkte I., II. und III. dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer durch seine Rechtsberatung innerhalb offener Frist die gegenständliche Beschwerde, in der soweit wesentlich folgendes Vorbringen erstattet wird: Dem Beschwerdeführer und seiner Rechtsberaterin sei die Akteneinsicht verwehrt worden. Die dahingehende Beweiswürdigung des Bundesamtes, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers detailarm und blass gewesen sei, sei nicht zutreffend, der Beschwerdeführer habe auf alle Fragen der Referentin, die ins Detail gegangen seien, schnell, detailliert und "ohne Überlegung" geantwortet. Weiters habe das Bundesamt die besonderen Manuduktions- und Sorgfaltspflichten, die bei der Einvernahme von Minderjährigen einzuhalten wären, nicht eingehalten. Das Bundesamt habe seine Ermittlungspflicht verletzt. Es habe es verabsäumt, durch gezieltes Nachfragen weitere Hintergründe des Fluchtvorbringens des Beschwerdeführers zu erfragen. Beweiswürdigung und Feststellungen würden nicht den Anforderungen an die amtswegige Ermittlungspflicht entsprechen. Mit näherer Begründung wird sodann in der Beschwerde behauptet, der Inhalt der Entscheidung sei rechtswidrig.
Das Bundesamt legte dem Bundesverwaltungsgericht den Verwaltungsakt vor. Mit Beschluss vom 27.11.2017, Zl. W159 2133954-1/8E stellte das Bundesverwaltungsgericht das Beschwerdeverfahren gem. § 24 Abs. 2 AsylG 2005 ein. Zum einen schien im Zentralen Melderegister keine aufrechte Meldeadresse des Beschwerdeführers auf, zum anderen war das Vertretungsverhältnis infolge Erreichens der Volljährigkeit durch den Beschwerdeführer erloschen.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht das Verfahren fortgesetzt hatte, beraumte es für den 29.05.2018 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung an. Der Beschwerdeführer wurde aus dem Stande der Untersuchungshaft vorgeführt. Anwesend war ein Rechtsberater des Beschwerdeführers, das Bundesamt hatte sich mit E-Mail vom 28.02.2018 von der Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung entschuldigt. Der Beschwerdeführer brachte vor, somalischer Staatsangehöriger und Moslem zu sein, dem Clan der XXXX , dem Subclan der XXXX und dem Sub-Subclan der XXXX anzugehören und in Somalia aufgrund seiner Clanzugehörigkeit Probleme gehabt zu haben, wobei sich diese darin manifestiert hätten, dass der Beschwerdeführer einem Minderheitenclan angehört habe. Er sei am XXXX in Mogadischu geboren worden, und zwar im Bezirk XXXX . Außer seiner Geburtsurkunde könne er keine Dokumente in Vorlage bringen. In Somalia habe er vier Jahre lang die Schule besucht, gearbeitet habe er nicht. Seine Familie habe von seinem Vater gelebt, er wisse aber nicht mehr, was sein Vater gearbeitet habe. Er hätte wirtschaftliche Probleme in Somalia gehabt. Sein Vater sei verstorben, ob seine Mutter noch lebe, wisse er nicht mehr. Er habe zwei Schwestern und einen Bruder, wobei er den aktuellen Aufenthalt von diesen nicht wisse. Die Probleme mit der Al Shabaab hätten 2012 begonnen und bis 2014 gedauert. Die Al Shabaab hätten erst begonnen, zum Vater des Beschwerdeführers nachhause zu kommen, um ihm zu sagen, dass der Beschwerdeführer zur Al Shabaab gehen solle. Als sein Vater das abgelehnt habe, seien sie einmal in der Abwesenheit des Beschwerdeführers gekommen. Sie hätten den Vater des Beschwerdeführers töten wollen. Als der Beschwerdeführer von der Schule nachhause gekommen wäre, hätte er seine weinende Mutter gesehen, die auf seinem toten Vater gekniet sei. Die Tötung des Vaters könne der Beschwerdeführer nicht genau ausführen, weil er nicht dabei gewesen sei. Auch wann sein Vater getötet worden sei, wisse der Beschwerdeführer nicht mehr. Die Al Shabaab seien einige Male bei der Familie des Beschwerdeführers gewesen, manchmal sei auch der Beschwerdeführer anwesend gewesen. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt angegeben hatte, dass die Al Shabaab zweimal bei der Familie zuhause gewesen wäre, bevor sein Vater getötet worden sei und im Rahmen der Beschwerdeverhandlung von mehreren Malen spreche und vor dem Bundesamt gesagt habe, dass er bei den Besuchen nicht anwesend gewesen sei und in der Beschwerdeverhandlung demgegenüber vortrage, dass er manchmal anwesend gewesen sei, behauptete der Beschwerdeführer, in der Einvernahme gesagt zu haben, ca. zweimal wären Al Shabaab bei der Familie des Beschwerdeführers zuhause gewesen und gesagt zu haben, einmal anwesend gewesen zu sein. Auf Vorhalt, dass er den Tod seines Vaters in der Erstbefragung nicht erwähnt habe, behauptete er, diesen sehr wohl erwähnt zu haben. Die Leiche seines Vaters sei bestattet worden, der Beschwerdeführer sei nicht dabei gewesen, weil ihn seine Mutter damals versteckt gehalten hätte.
Befragt, was mit ihm selbst geschehen sei, führte der Beschwerdeführer aus, eines Tages Fußball gespielt zu haben. Dorthin, wo sie gespielt hätten sei ein schwarzes Auto hingekommen. Er sei von dem Auto mitgenommen worden, zu einem Haus gebracht und dort gefesselt und geschlagen worden. Sie hätten ihn dazu bewegen wollen, der Al Shabaab beizutreten. Wann diese Entführung erfolgt sei, wisse er nicht mehr. Außer, dass das Auto schwarz gewesen sei, könne der Beschwerdeführer zu dem Fahrzeug keine Angaben machen. Ebenso wenig könne er sagen, wie viele Personen in dem Wagen gesessen seien, weil er hinuntergedrückt worden sei. Der Beschwerdeführer sei namentlich zu dem Auto gerufen worden. Ob die Männer, die den Beschwerdeführer entführt hätten, bewaffnet gewesen seien, wisse er nicht mehr. Sie seien maskiert gewesen. Er sei sodann in einen Raum eingesperrt worden. Dort sei der Beschwerdeführer aufgefordert worden, mit der Al Shabaab zusammenzuarbeiten. Damals sei der Beschwerdeführer erst zwölf Jahre alt gewesen und er habe große Angst gehabt. Befragt gab der Beschwerdeführer an, man habe ihm eine Frist zum Überlegen gegeben, wie lange, wisse er nicht mehr. Er sei von den Al-Shabaab-Männern mit den Fäusten geschlagen worden. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, er sei mit Ästen geschlagen worden, sagte der Beschwerdeführer: "Das habe ich gespürt". Wie lange er angehalten worden sei, wisse der Beschwerdeführer nicht mehr. Er sei dann wieder freigelassen worden. Befragt, ob sich irgendjemand besonders für den Beschwerdeführer eingesetzt habe, verneinte der Beschwerdeführer dies. Auf Vorhalt, dass er vor dem Bundesamt angegeben habe, dass sich ein Al-Shabaab-Mann aus seinem Subclan für ihn eingesetzt habe, gab er an, sich nicht mehr erinnern zu können. Befragt, ob die Al Shabaab der Familie des Beschwerdeführers etwas Konkretes vorgeworfen habe, fragte er nach, wie das gemeint sei. Auf Vorhalt, dass er bei der Erstbefragung angegeben hatte, dass die Al Shabaab seiner Familie vorgeworfen hätte, die Regierung zu unterstützen, gab er an, dass das stimme. Die Al Shabaab hätten der Familie des Beschwerdeführers ein Grundstück und ein Geschäft weggenommen. Auf Vorhalt, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung angegeben hatte, die Al Shabaab hätten seiner Familie das gesamte Vermögen abgenommen, das aber vor dem Bundesamt nicht mehr wiederholt zu haben, gab er an, beim Bundesamt danach nicht mehr gefragt worden zu sein. Befragt gab der Beschwerdeführer an, seine Entführung habe vor der Tötung seines Vaters stattgefunden. Nach der Tötung seines Vaters sei der Beschwerdeführer noch ein paar Wochen, vielleicht einen Monat in Somalia geblieben. In der Zeit habe ihn seine Mutter versteckt, den genauen Ort wisse er nicht mehr. Probleme mit der Al Shabaab habe er in dieser Zeit nicht mehr gehabt. Der unmittelbare Grund für die Ausreise des Beschwerdeführers sei die Tötung seines Vaters gewesen, er habe Angst um sein Leben gehabt. Auch seine Mutter sei bedroht worden. Auf Vorhalt seines diesbezüglichen Vorbringens vor dem Bundesamt gab der Beschwerdeführer an, sich an einiges, was er damals noch gewusst habe, nicht mehr erinnern zu können. Seine Mutter sei dabei gewesen, als sein Vater getötet worden sei. Er nicht so viele Erinnerungen, seine Mutter habe ihm nichts darüber erzählt. Befragt, wie es in dem Raum ausgesehen habe, in dem der Beschwerdeführer festgehalten worden sei, gab er an, es sei dunkel gewesen, er habe nichts gesehen. Wann er ausgereist sei, wisse er nicht mehr. Seine Ausreise habe seine Mutter finanziert. Dafür habe sie ein Grundstück verkauft. Familienangehörige habe der Beschwerdeführer nicht mehr. Befragt, woher er das wisse, gab er an, er wisse es nicht. Kontakt nach Somalia habe er nicht mehr, er wisse nicht, wo seine Familienangehörigen seien. Gesundheitliche oder psychische Probleme habe der Beschwerdeführer nicht. Er habe mehrere Deutschkurse besucht und ein Deutschdiplom auf dem Niveau A1 erworben. Vorbereitungskurse für den Pflichtschulabschluss habe der Beschwerdeführer noch nicht besucht, in Österreich habe er noch nicht gearbeitet, auch nicht ehrenamtlich, geringfügig oder in Form von Nachbarschaftshilfe. Er habe bereits österreichische Freunde und eine österreichische Freundin namens XXXX . Wenn er nach Somalia zurückkehren würde, würde er sterben. Auch in Mogadischu habe er niemanden und er habe Angst. Der Kontakt zu seiner Familie sei abgebrochen, weil die Telefonnummer nicht mehr funktioniere. Beim letzten Kontakt zu seiner Familie sei es ihnen schlecht gegangen, sie hätten nichts gehabt. Dem Beschwerdeführer wurde ein aktualisiertes Länderinformationsblatt der Staatendokumentation und eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Versorgungslage in Mogadischu vom 11.05.2018 zur Kenntnis gebracht und eine Frist zur Abgabe einer Stellungnahme von 2 Wochen eingeräumt. Von dieser Möglichkeit machte die ARGE Rechtsberatung im Namen des Beschwerdeführers Gebrauch, worin vor allem auf die Dürre und Nahrungsmittelknappheit sowie die prekäre Situation der Angehörigen von Minderheitenclans eingegangen wurde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, Angehöriger des Clans XXXX , Subclan XXXX und Sub-Subclan XXXX und hat im Mai 2015 nach illegaler Einreise einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Er wurde am XXXX in Mogadischu in Somalia geboren, hat dort bis zu seiner Ausreise gelebt und zumindest vier Jahre die Schule besucht. Zu den Fluchtgründen können mangels glaubhafter Angaben keine Feststellungen getroffen werden.
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet. Er hat bereits österreichische Freunde und eine österreichische Liierte.
Der Beschwerdeführer ist nicht in die Grundversorgung einbezogen. Er hat in Österreich noch nicht gearbeitet. Er ist in Österreich unbescholten und hat ein Deutschdiplom auf dem Niveau A1 erworben.
Zu Somalia ist verfahrensbezogen folgendes festzustellen:
1. Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen
KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)
Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).
Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).
Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):
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(FEWS 3.2018)
Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).
Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).
Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).
In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).
Die Entspannung wird auf Karten dokumentiert:
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(FEWS 4.2018b)
Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).
Untenstehend findet sich die detaillierte Prognosekarte der Agentur FSNAU der FAO für die Monate 2-6/2018:
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(FAO 2018)
Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).
Quellen:
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia
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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018
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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia
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Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018
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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018
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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,
https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018
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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,
https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018
2. Politische Lage
Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).
Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).
Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).
Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).
Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).
Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).
Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).
Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)
Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).
Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).
Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).
Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.
Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).
Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).
1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).
2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).
3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).
4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).
Quellen:
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AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia
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AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017
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BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017
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BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,
https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017
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DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017
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EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017
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EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,
http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017
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NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):
Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018
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ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia
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SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,
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UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017
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UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017
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UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
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UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,
http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017
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UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):
SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017
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USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017
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WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017
3. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten
Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).
Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).
Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:
Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die
Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8.2017):
a) Alle auf irgendeine Art und Weise mit der somalischen Regierung verbundenen und gleichzeitig gegen al Shabaab gestellten Kräfte wurden als "anti-al-Shabaab Forces" zusammengefasst. Diese Kategorie umfasst neben Bundeskräften (SNA) auch Kräfte der Bundesstaaten (etwa Jubaland, Galmudug, Puntland) sowie AMISOM und bi-lateral eingesetzte Truppen (und damit de facto auch die Liyu Police).
b) Die ASWJ wurde nicht in diese Kategorie aufgenommen, da sie zwar gegen al Shabaab kämpft, die Verbindung zur Bundesregierung aber momentan unklar ist.
c) Einige Clans verfügen über relative Eigenständigkeit, die auch mit Milizen abgesichert ist. Dies betrifft in erster Linie die Warsangeli (Sanaag), Teile der Dulbahante (Sool) und die Macawusleey genannte Miliz in Hiiraan. Keine dieser Milizen ist mit Somaliland, einem somalischen Bundesstaat, mit der somalischen Bundesregierung oder al Shabaab verbunden; sie agieren eigenständig, verfügen aber nur über eingeschränkte Ressourcen.
Operational Areas
d) Operationsgebiete, in welchen die markierten Parteien über relevanten Einfluss verfügen (einfarbig): Dort können die Parteien auf maßgebliche Mittel (Bewaffnung, Truppenstärke, Finanzierung, Struktur, Administration u.a.) zurückgreifen, um auch längerfristig Einfluss zu gewährleisten. Es sind dies die Republik Somaliland;
Puntland; teilweise auch Galmudug; AMISOM in Tandem mit der somalischen Regierung bzw. mit Bundesstaaten; äthiopische Kräfte im Grenzbereich; al Shabaab; Ahlu Sunna Wal Jama'a in Zentralsomalia;
e) Einige Gebiete (schraffiert) - vorwiegend in Süd-/Zentralsomalia - unterliegen dabei dem Einfluss von zwei dermaßen relevanten Parteien.
f) Alle in der Karte eingetragenen Städte und Orte wurden einer der o. g. Parteien zugeordnet. Sie gelten als nicht schraffiert, die Kommentare unter 4.1.2 sind zu berücksichtigen. Soweit bekannt wurden den Städten AMISOM-Stützpunkte oder Garnisonen bi-lateral eingesetzter Truppen zugeordnet. In den Städten ohne eine derartige Präsenz gibt es eine SNA-Präsenz, oder aber Sicherheitskräfte der einzelnen Bundesstaaten; oder Somalilands.
g) Operationsgebiete, in welchen kleinere Parteien über eingeschränkten Einfluss verfügen (strichliert): Dort sind neben den o. g. relevanten Parteien noch weitere Parteien mit eingeschränkter Ressourcenlage aktiv. Ihr Einfluss in diesen Operationsgebieten ist von wechselnder Relevanz und hängt von den jeweiligen verfügbaren Ressourcen und deren Einsatz ab (BFA 8.2017).
Bild kann nicht dargestellt werden
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(BFA 8.2017)
Zwischen Nord- und Süd-/Zentralsomalia sind gravierende Unterschiede bei den Zahlen zu Gewalttaten zu verzeichnen (ACLED 2016; vgl. ACLED 2017).
Quellen:
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ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project/University of Sussex (2017): Africa Data, Version 8 (1997-2017), https://www.acleddata.com/data/, Zugriff 10.1.2018