TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/19 G304 2178246-1

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Veröffentlicht am 19.07.2018
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Entscheidungsdatum

19.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G304 2178246-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Vorsitzende, sowie den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER und den fachkundigen Laienrichter Mag. ULLMANN Ferenc als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Steiermark, vom 12.10.2017, Sozialversicherungsnummer: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird gemäß §§ 1 Abs. 2, 40, 41 Abs. 1, 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. Nr. 283/1990, sowie § 1 Abs. 2 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, in der jeweils geltenden Fassung, stattgegeben.

Die Voraussetzungen für die Eintragung des Zusatzes "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 01.06.2017 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß §29b Straßenverkehrsordnung 1960 (Parkausweis) samt Beilagen ein, der nach Hinweis auf dem Antragsformular auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass galt.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein medizinisches Sachverständigengutachten von Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, vom 05.10.2017 eingeholt.

In diesem Gutachten wurde nach durchgeführter Begutachtung des BF am 18.07.2017 festgehalten, dass die Zurücklegung einer kurzen Wegstrecke möglich sei.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 12.10.2017 wurde der Antrag des BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" gem. §§ 42 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG), BGBl. 283/1990, idgF, abgewiesen.

Begründend wurde ausgeführt, dass das eingeholte ärztliche Sachverständigengutachten vom 05.10.2017 als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt worden sei. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (300 bis 400 Meter) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, auch unter der Verwendung der zweckmäßigsten Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden könne oder wenn die Verwendung des erforderlichen Behelfs die Benützung des öffentlichen Transportmittels in hohem Maß erschweren würde. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sei auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauerhafte Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieses Verkehrsmittels angegebenen Bedingungen auswirke. Wie dem Sachverständigengutachten jedoch zu entnehmen sei, lägen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung derzeit nicht vor. Folgende Anmerkung wurde angefügt:

"Die Ausstellung des Parkausweises ist daher nicht gerechtfertigt. Der Behindertenpass in Scheckartenformat mit dem GdB von 60 % wird Ihnen gesondert übermittelt."

4. Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

5. Am 30.11.2017 langten der gegenständliche Verwaltungsakt und die Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

6. Mit Schreiben des BVwG vom 15.12.2017 wurde dem BF folgender Mängelbehebungsauftrag erteilt:

"Mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 12.10.2017 (...) wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass abgewiesen. Bei Übergabe dieses Bescheides an das Zustellorgan am Tag der Bescheidausfertigung galt die Zustellung als am dritten Werktag nach der Übergabe an das Zustellorgan - somit am 16.10.2017 - bewirkt und wurde die gegenständliche Beschwerde am 28.11.2017 fristgerecht per E-Mail eingebracht.

Gemäß § 9 des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) ha die Beschwerde zu enthalten:

1. die Bezeichnung des angefochtenen Bescheides, der angefochtenen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder der angefochtenen Weisung,

2. die Bezeichnung der belangten Behörde,

3. die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt,

4. das Begehren,

5. die Angaben erforderlich sind, um zu beurteilen, ob die Beschwerde rechtzeitig eingebracht ist.

Das Bundesverwaltungsgericht erteilt den Auftrag, dass folgender Mangel binnen zwei Wochen ab Zustellung zu verbessern ist:

Beim gegenständlichen Beschwerdevorbringen fehlt jedenfalls die genaue Bezeichnung des verfahrensgegenständlichen angefochtenen Bescheides betreffend Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass und auch eine nähere Begründung für die behauptete Rechtswidrigkeit des Bescheides.

Sollte innerhalb der gesetzten Frist keine Mängelbehebung einlangen, wird die Beschwerde gemäß § 13 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG zurückgewiesen werden."

7. Mit am 16.01.2018 beim BvwG eingelangter schriftlicher Stellungnahme vom 12.10.2017 wurde um nochmalige Überprüfung der Angelegenheit des BF ersucht und hinsichtlich der vom BF begehrten Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel seine Angewiesenheit auf ein Auto betont. Der BF gab zudem an, dass seine hochdosierte Medikation eine objektive Beurteilung durch Sachverständige ohnehin unmöglich mache und der BF bei neuerlicher Begutachtung zuvor alle seine Medikamente absetzen werde.

8. Mit Schreiben des BVwG vom 26.01.2018, Zl. G304 2178246-1/5Z, wurde Dr. XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ersucht, ein Sachverständigengutachten auf der Grundlage der Einschätzungsverordnung zu erstellen und dieses "binnen sechs Wochen ab Begutachtung dieser Verfügung" dem BVwG zu übermitteln.

Mit weiterem Schreiben des BVwG vom 26.01.2018, Zl. G304 2178246-1/5Z, wurde der BF aufgefordert, sich am 14.03.2018 um 15:00 Uhr bei Dr. XXXX zur ärztlichen Begutachtung einzufinden.

9. In dem eingeholten Gutachten von Dr. Dr. XXXX vom 23.03.2018 wurde nach am 14.03.2018 durchgeführter Begutachtung des BF folgende "Stellungnahme" abgegeben:

"Aktuell ist festzuhalten, dass lediglich die Schultergelenkssymptomatik im Vorgutachten noch nicht in diesem Ausmaß vorahnden war und deswegen auch nicht eingeschätzt wurde, jedoch die Schultergelenksproblematik bereits bestanden hat. Aus diesem Grund ist aus meiner Sicht der Dinge diese zu bewerten. Bezüglich der Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln ist eigenanamnestisch angegeben: Ich bin soweit mobil, kann eher langsam jedoch am Stück 15 Minuten gehen, Stufen steigen ist ebenso möglich. Dies ist gutachterlich nachvollziehbar, auch ist damit der sichere Transport als gewährleistet anzunehmen."

10. Mit Verfügung des BVwG vom 30.04.2018, Zl. G304 2182581-1/6Z, dem BF zugestellt am 09.05.2018, wurde dem BF die eingeholten Sachverständigengutachten vom 26.07.2017 und 18.04.2018 übermittelt und ihm zehn Tagen Wochen ab Zustellung dieser Verfügung zum Ergebnis der Beweisaufnahme Stellung zu nehmen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF ist im Besitz eines Behindertenpasses.

Die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung ist nicht zumutbar" liegen vor.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

2.2. Basierend auf der ständigen Rechtsprechung des VwGH bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" in einen Behindertenpass regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, das die Auswirkungen der Gesundheitsschädigung auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilt, sofern diese Frage nicht in einem unmittelbar zuvor durchgeführten Verfahren gemäß § 14 Abs. 2 Behinderteneinstellungsgesetz im Rahmen der ärztlichen Begutachtung ausreichend behandelt wurde oder die Unzumutbarkeit aufgrund der Art der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt (VwGH vom 20.03.2001, GZ 2000/11/0321).

Nach der ständigen Judikatur des VwGH muss ein Sachverständigengutachten einen Befund und das eigentliche Gutachten im engeren Sinn enthalten. Der Befund ist die vom Sachverständigen - wenn auch unter Zuhilfenahme wissenschaftlicher Feststellungsmethoden - vorgenommene Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerungen des Sachverständigen aus dem Befund, zu deren Gewinnung er seine besonderen Fachkenntnisse und Erfahrungen benötigt, bilden das Gutachten im engeren Sinn. Eine sachverständige Äußerung, die sich in der Abgabe eines Urteiles (eines Gutachtens im engeren Sinn) erschöpft, aber weder die Tatsachen, auf die sich dieses Urteil gründet, noch die Art, wie diese Tatsachen ermittelt wurden, erkennen lässt, ist mit einem wesentlichen Mangel behaftet und als Beweismittel unbrauchbar; die Behörde, die eine so geartete Äußerung ihrer Entscheidung zugrunde legt, wird ihrer Pflicht zur Erhebung und Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes (§ 37 AVG) nicht gerecht (VwGH vom 17.02.2004, GZ 2002/06/0151).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Der Verwaltungsgerichtshof führte aber in diesem Zusammenhang auch aus, dass keine Verletzung des Parteiengehörs vorliegt, wenn einem Antrag auf Einholung eines zusätzlichen Gutachtens nicht stattgegeben wird (VwGH vom 25.06.1987, 87/06/0017).

Im gegenständlichen Fall wurde vom BVwG ein allgemeinmedizinisches Sachverständigengutachten vom 23.03.2018 eingeholt. Darin wurde ausgeführt:

"Bezüglich der Benützung von ÖV ist eigenanamnestisch angegeben: Ich bin soweit mobil, kenn eher langsam jedoch am Stück 15 Minuten gehen, Stufen steigen ist ebenso möglich. Dies ist gutachterlich nachvollziehbar auch ist damit der sichere Transport als gewährleistet anzunehmen."

Der BF gab in seiner schriftlichen Stellungnahme zum ihm erteilten Verbesserungsauftrag vom 12.01.2018, eingelangt beim BVwG am 16.01.2018, zur Bewältigung seines Arbeitsalltages auf ein Auto angewiesen zu sein. Der BF bemängelte die sachverständigen Begutachtungen vom 18.07.2017 und vom 26.02.2015. Im der schriftlichen Stellungnahme des BF beigeschlossenen allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 05.03.2015 wurde nach am 26.02.2015 durchgeführter Begutachtung des BF keine die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beeinträchtigende Funktionseinschränkung des BF festgestellt und festgehalten: "Es besteht ein freies, vollbelastendes, sicheres Gangbild. Das Zurücklegen einer Wegstrecke bis zu 400 m und das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe ist möglich". Mit dieser Beurteilung erklärte sich der BF nicht für einverstanden.

Der BF betonte in seiner Stellungnahme, dass sich das Sachverständigengutachten nicht mit Aussagen von näher angeführten Ärzten decke. Seine hohe Medikation an Schmerzmitteln mache eine objektive Beurteilung bei so einer Untersuchung zudem ohnehin unmöglich. Auch bei der sachverständigen Begutachtung sei der BF unter hoher Medikation gestanden.

Im gegenständlich vom BVwG eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 23.03.2018 wurden aktenmäßige Befunde, darunter auch ein "Arztbrief" eines neurologischen Therapiezentrums vom 30.06.2015 (im Gutachten versehentlich mit "30.06.16" datiert), berücksichtigt. Der allgemeinmedizinische Sachverständige kam zum Ergebnis, dass der BF seinen Angaben zufolge eine Wegstrecke von 15 Gehminuten zurücklegen und Niveauunterscheide überwinden könne:

"Bezüglich der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist eigenanamnestisch angegeben: Ich bin soweit mobil, kann eher langsam jedoch am Stück 15 Minuten gehen, Stufen steigen ist ebenso möglich. Dies ist gutachterlich nachvollziehbar auch ist damit der sichere Transport als gewährleistet anzunehmen. Demzufolge sei ein sicherer Transport ebenso gegeben.

Im in diesem Sachverständigengutachten angeführten nach stationärem Aufenthalt von 13.05.2015 bis 24.06.2015 erstelltem Arztbrief eines Neurologischen Therapiezentrums vom 30.06.2015 wurde auszugsweise angeführt: "(...) Der Patient wurde physiotherapeutisch und trainingstherapeutisch betreut und er wurde neuropsychologisch getestet. In der Physiotherapie wurde vor allem am Gleichgewicht gearbeitet, an der allgemeinen Kräftigung, an der Ausdauer und der Koordination. Imme wieder traten Schmerzen im Bereich Hüfte, Knie und Lendenwirbelsäule auf, die auch durch therapeutische Maßnahmen gut gebessert werden konnten. Bis zur Entlassung war der Patient in jedem Gelände sicher gehfähig. Zusätzlich zur normalen Physiotherapie erhielt der Patient eine Laufbandtherapie. Diese musste jedoch nach zwei Wochen wieder beendet werden, da die Schmerzen in den Gelenken, die Gehstrecke und die Gangausdauer negativ beeinflussten. (..). Aufgrund den normentsprechenden Ergebnissen in den Bereichen längerfristige Aufmerksamkeit, Reaktionsverhalten, optische Wahrnehmungsleistung, visuomotorische Koordination und aufgrund der realistischen Einschätzung seiner psycho-physischen Leistungsfähigkeit ist aus neuropsychologischer Sicht die Fahrtauglichkeit gegeben. Der Patient wurde aber darüber aufgeklärt, dass die Medikation mit Opoiden durchaus Auswirkungen auf die Verkehrstüchtigkeit zeigen und die Fähigkeit zum Bedienen von Maschinen einschränken kann."

Diesem Arztbrief war ein physiotherapeutischer Abschlussbericht vom 23.06.2015 angeschlossen, in dem auszugsweise Folgendes berichtet wird: "(..) Während des Aufenthaltes hatte der BF einen FAC 5, was bedeutet, dass ein sicheres Gehen in allen Ebenen ohne Hilfsmittel oder Begleitperson möglich ist. Auf Grund der bestehenden chronischen Bronchitis sowie der immer wieder auftretenden Schmerzen ist die Gehstrecke jedoch auf ca. 80-100m eingeschränkt. Danach wird eine Pause benötigt. Die Treppe ist alternierend ohne Handlauf sicher möglich. Auch hier benötigt (der BF) immer wieder Pausen. (...) Zusätzlich zur normalen Physiotherapie wurde eine Laufbandtherapie begonnen, jedoch diese nach zwei Wochen wieder beendet, da die Schmerzen in den bereits genannten Gelenken die Gehstrecke sowie die Gangdauer negativ beeinflussten.(...)."

In einer weiteren dem besagten im gegenständlichen Sachverständigengutachten angeführten Arztbrief beigeschlossenen Stellungnahme eines Oberarztes des neurologischen Therapiezentrums vom 22.06.2015 wurde ausgeführt:

"Auf Grund der bereits bestehenden Krankheitsgeschichte sowie des im Mai 2015 aufgetretenen Schlaganfalles (Ischämischer Insult im ACM Versorgungsgebiet links) und der daraus folgenden Behinderung (Grad der Behinderung, Stand 2014: 50%) ist es für (den BF) unzumutbar öffentliche Verkehrsmittel zu benützen.

Die Gehstrecke ist wegen der immer wieder auftretenden Schmerzen in Hüft-, Kniegelenken sowie Lendenwirbelsäule und der zusätzlich bestehenden chronischen Bronchitis auf 80-100m reduziert.

(Der BF) muss täglich 42 km (21 km/Richtung) zurücklegen, um den Arbeitsplatz zeitgerecht zu erreichen, Die zunächst gelegene Ortschaft befindet sich in 7 km Entfernung. Für beide Distanzen stehen dem BF keine öffentlichen Verkehrsmittel zur Verfügung."

Abgesehen davon, dass infrastrukturbedingte Gegebenheiten auf die Vornahme einer Zusatzeintragung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel keinen Einfluss haben, kann unter Berücksichtigung des der Stellungnahme vom 12.01.2018 beigelegten in gegenständlichem Sachverständigengutachten vom 28.03.2018 angeführten Arztbriefes eines Neurologischen Therapiezentrums von 2015 in Zusammenschau mit den im gegenständlichen Gutachten berücksichtigten Angaben des BF, eine Wegstrecke von 15 Minuten - "eher langsam" - zurücklegen zu können, der im Sachverständigengutachten angeführten Medikation des BF, darunter mit "Hydromorphon", einem sehr stark wirksamen opoiden Schmerzmittel, das bei starken und stärksten Schmerzen angewendet wird und ein ideales Schmerzmittel zur Behandlung chronisch starker Schmerzen - wie es offensichtlich für die im gegenständlichen Sachverständigengutachten festgestellte "degenerative Wirbelsäulenerkrankung", die eine "dauerhafte Schmerzmedikation" erfordert, notwendig ist, und der im Sachverständigengutachten angeführten ärztlichen Beurteilung von Dr. XXXX von 10.02.2017, der BF nehme seit Jahren "Hydromorphon", meist 4mg täglich, manchmal auch bis zu 12 mg täglich, in Gesamtbetrachtung nicht von einer dem BF zumutbaren Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ausgegangen werden.

Im allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 28.03.2018 wurde eine gegenseitige Leidensbeeinflussung der festgestellten degenerativen Wirbelsäulenerkrankung, die eine dauerhaft notwendige Schmerzmedikation erfordert, und den weiteren vom Sachverständigen festgestellten Leiden, darunter auch der festgestellten "degenerativen Knieschädigung" mit schmerzhaften Bewegungseinschränkungen im rechten Kniegelenk angeführt.

Im gegenständlichen Fall ist in Gesamtbetrachtung aller gesundheitlichen Gegebenheiten und da vor allem der krankheits- und stark schmerzbedingten Bewegungseinschränkung von einer dem BF unzumutbaren Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 des Bundesbehindertengesetzes genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 des Bundesbehindertengesetzes anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 2 Z 3 der am 01. Jänner 2014 in Kraft getretenen Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013 ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen, die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Es war unter Berücksichtigung gegenständlich eingeholten allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens und der diesem zugrundeliegender Feststellungen und Befunden zufolge aufgrund "dauerhafter" stark schmerzbedingter Bewegungseinschränkung in Zusammenhang mit der "degenerativen Wirbelsäulenerkrankung" des BF und seiner "degenerativen Knieschädigung" im gegenständlichen Fall nicht von der Zumutbarkeit de r Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auszugehen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10. Mai 2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3. Mai 2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

In seinem Urteil vom 18. Juli 2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren gebe, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung aufträten oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 03.10.2013, 2012/06/0221).

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist vor dem Hintergrund des vorliegenden allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachtens 28.03.2018 und der darin getroffenen Feststellungen und angeführten Befunden, somit aufgrund der Aktenlage, geklärt, weshalb im gegenständlichen Fall von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden konnte.

3.4. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G304.2178246.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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