Entscheidungsdatum
26.07.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
G309 2183730-1/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 31.10.2017, OB: XXXX, betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" in den Behindertenpass nicht vorliegen, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte 14.08.2017 via der Zentralen Poststelle des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO 1960 ein. Da der BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den am 31.03.2017 ausgestellten Behindertenpass gewertet. Dem Antrag waren medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.
Im Rahmen des Vorverfahrens zur Einschätzung des Grades der Behinderung und der Ausstellung eines Behindertenpasses erstattete XXXX, Facharzt für Neurologie, ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand des BF. In diesem auf einer persönlichen Untersuchung basierenden Sachverständigengutachten vom 03.05.2017 wurde im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung zur Gesamtmobilität des BF nachstehendes festgehalten:
"Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?
Die festgestellten Funktionsstörungen führen zu einer mäßigen Einschränkung der Mobilität, wobei kürzere Wegstrecken ohne Pause zumutbar, das Ein- und Aussteigen ohne Begleitperson und der sichere Transport ebenso gewährleistet sind."¿
2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde zur Überprüfung der Angaben des BF im verfahrenseinleitenden Antrag ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt. In dem eingeholten Gutachten von XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 26.10.2017, wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 23.10.2017 im Wesentlichen folgendes festgehalten:
Der BF leide an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, unter einer cerebralen Lähmung leichten Grades (Ataxie) sowie unter Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Hüftgelenkes nach Oberschenkelhalsbruch.
Im Hinblick auf die beantragte Zusatzeintragung wurde zusammengefasst folgendes ausgeführt:
"Seit einem Oberschenkelhalsbruch links (operativ versorgt, mit anschließender ambulanter Physiotherapie und laufendem konsequentem Heimtraining) bestehen Schmerzen und eine Funktionseinschränkung im linken Hüftgelenk. Die Beschwerden treten beim Treppensteigen, beim Gehen im unebenen Gelände, sowie in der Ebene nach einer Gehdauer von 10 -15 Minuten auf. Hr. F. ist somit in der Lage, sowohl eine kurze Wegstrecke zurückzulegen, als auch in ein öffentliches Verkehrsmittel (im Beistellmodus und unter Verwendung des Handlaufes) ein- bzw. auszusteigen und dieses sicher zu benützen. Dies ist ebenso aufgrund der Gangunsicherheit, die nach Angabe des Antragstellers in ihrer Ausprägung wechselt, und somit keine permanente gravierende Beeinträchtigung darstellt, möglich."
3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31.10.2017 wurde der Antrag auf Vornahme Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung der belangten Behörde im Wesentlichen auf die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten.
4. Mit via E-Mail vom 05.12.2017 übermitteltem Schreiben erhob der BF Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid der belangten Behörde. Er äußerte sich darin im Wesentlich dahingehend, dass ihm die Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels deshalb nicht zumutbar sei, weil die Haltestelle des öffentlichen Verkehrsmittels 500 m vom Wohnhaus des BF entfernt liege und die Wohnstraße des BF ein mittelschweres Gefälle aufweise. Dieses Gefälle und die im Winter vereisten Stellen würden ihn beim Abwärtsgehen dieser Gasse in eine gefährliche Situation bringen, da seine Gesundheitsschädigungen starke Schmerzen bedeuteten würden. In den Fingern verspüre er eine Taubheit, daher könne er keine Gehhilfen benützen. Er ersuche daher, die beantragte Zusatzeintragung zu bewilligen.
5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde, einlangend mit 19.01.2018, vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist im Besitz eines Behindertenpasses und hat seinen Wohnsitz im Inland.
Der BF leidet an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, unter einer cerebralen Lähmung leichten Grades (Ataxie) sowie unter Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Hüftgelenkes nach Oberschenkelhalsbruch.
Der BF leidet an keinen erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit. Beim BF liegen keine Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten und Funktionen oder eine schwere, anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor. Es besteht keine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Die Bewältigung einer kurzen Wegstrecke ist dem BF selbstständig möglich. Das Ein- und Aussteigen in beziehungsweise aus öffentlichen Verkehrsmitteln kann seitens des BF bei einem üblichen Niveauunterschied ohne fremde Hilfe geleistet werden und der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist unter den üblichen Transportbedingungen sicher möglich. Es konnte keine erhebliche Bewegungseinschränkung, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar machen würde, festgestellt werden.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass, liegen nicht vor.
2. Beweiswürdigung:
Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zum ausgestellten Behindertenpass und zum Wohnort des BF sind dem von der belangten Behörde übermittelten Akt zu entnehmen.
Das zum Gesundheitszustand des BF eingeholte Sachverständigengutachten der Amtssachverständigen XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, vom 26.10.2017, bezieht das im Vorverfahren eingeholte, aktuelle neurologische Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Neurologie, mit ein und ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Das Sachverständigengutachten kommt im Hinblick auf die verfahrensgegenständliche Zusatzeintragung im Wesentlichen zu den gleichen Ergebnissen, wie das im Vorverfahren eingeholte Sachverständigengutachten von XXXX. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.
In der Beschwerde wurde seitens des BF nicht substantiiert aufgezeigt, welche gesundheitliche Einschränkung die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergeben würde. Die konkrete Wohnsituation des BF bzw. der Umstand, dass die nächste Haltestelle für öffentliche Verkehrsmittel 500 m entfernt ist und dafür ein Gefälle überwunden werden müsse, oder ob überhaupt ein öffentliches Verkehrsmittel vorhanden ist, ist bei der Beurteilung der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung ohne Bedeutung.
Das seitens der belangten Behörde eingeholte allgemeinmedizinische Gutachten von XXXX als auch das im Vorverfahren eingeholte neurologische Sachverständigengutachten von XXXX werden der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:
Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.
Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.
Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).
Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.
3.2. Zu Spruchteil A):
Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.
Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen (BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016), ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und
-
erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder
-
erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder
-
erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder
-
eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder
-
eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d leg. cit. vorliegen.
Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).
Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Entfernung zwischen der Wohnung des BF und der nächstgelegenen Haltestelle öffentlicher Verkehrsmittel (vgl. VwGH 22.10.2002, Zl. 2001/11/0258; VwGH 27.05.2014, Zl. 2014/11/0030).
Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).
Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:
Dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen zufolge leidet der BF an einem chronischen Wirbelsäulensyndrom im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule, unter einer cerebralen Lähmung leichten Grades (Ataxie) sowie unter Schmerzen und Funktionseinschränkungen im Bereich des linken Hüftgelenkes nach Oberschenkelhalsbruch.
Diese Leiden bewirken sicher eine gewisse Einschränkung der Mobilität in einem minder ausgeprägten Ausmaß, doch konnte eine relevante Gangfunktionsstörung nicht festgestellt werden. Zum Vorbringen des BF, er leide an großen Schmerzen, ist auszuführen, dass dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen zufolge durch diese Schmerzen keine schwerwiegende Bewegungseinschränkung bewirkt würde. Eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten konnte nicht festgestellt werden. Auch liegen sonst keine Einschränkungen vor, die den beantragten Zusatz rechtfertigen würden.
Im vorliegenden Fall beruhen nach dem in der Beschwerde erstatteten Vorbringen des BF die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht primär in der Art und Schwere seiner Gesundheitsschädigung, sondern entscheidend in der Wegbeschaffenheit zur nächstgelegenen Bus- bzw. Straßenbahnhaltestelle. Maßgebend für die Berechtigung der von ihm begehrten Eintragung ist jedoch, ob ihm wegen der dauernden Gesundheitsschädigung die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar ist. Es kommt somit im gegebenen Zusammenhang entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel an, nicht aber auf andere Umstände, wie etwa die Wohnsituation des BF, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel erschweren. Das Beschwerdevorbringen, wonach das nächste öffentliche Verkehrsmittel 500 m von der Wohnstätte des BF entfernt liege und diese Strecke ein Gefälle aufweise kann bei der Beurteilung der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht berücksichtigt werden.
Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2183730.1.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018