TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 G309 2179312-1

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2179312-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen in der Beschwerdesache der XXXX geb. XXXX, vertreten durch den Kriegsopfer und Behindertenverband XXXX, gegen den Bescheid und die Beschwerdevorentscheidung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 02.08.2017 bzw. vom 16.11.2017, OB: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung" nicht vorliegen, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 05.05.2017 via der Zentralen Poststelle beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO ein. Da die BF nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" war, wurde dieser Antrag von der belangten Behörde auf Vornahme dieser Zusatzeintragung gewertet. Dem Antrag war eine Reihe medizinischer Beweismittel angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde ein aktuelles Pflegegeldgutachten eingeholt und XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit Begutachtung und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. In dem eingeholten Gutachten vom 18.07.2017 wird hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung und zur Gesamtmobilität der BF nach persönlicher Untersuchung im Wesentlichen folgendes festgehalten:

2.1. Die BF leide an einer degenerativen Wirbelsäulenveränderung, an Bluthochdruck mit Notwendigkeit einer Kombinationstherapie, an einer degenerativen Gelenksveränderung, an Krampfadern mit Schwellneigung, an einem Ekzem an beiden Hand- und Fußsohlen und an einem chronischen Schmerzsyndrom.

2.2. Im Hinblick auf die Gesamtmobilität der BF wurde wie folgt befunden:

"Die in der Anamnese angegeben Verkürzung der Wegstrecke kann nicht verifiziert werden. Es besteht Bedarfsschmerzmedikation. Die Funktion der unteren Extremitäten ist gut ausreichend um eine kurze Wegstrecke aus eigener Kraft zurücklegen zu können, ein öffentliches Verkehrsmittel sicher be- und entsteigen zu können und sich in einem öffentlichen Verkehrsmittel bewegen zu können. Es liegt kein radiologischer Nachweis einer Spinalkanalstenose mit Claudicatio spinalis vor, es besteht keine Gefäßveränderung entsprechend PAVK llb ohne Therapieoption, es liegt keine Linksherzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen vor, keine hochgradige Rechtsherzinsuffizienz, keine Notwendigkeit einer Langzeitsauerstofftherapie. Die in der Anamnese angegebene Schmerzhaftigkeit kann durch eine adäquate Schmerzmitteltherapie behandelt werden, derzeit besteht eine Bedarfsmedikation, eine Therapiereserve ist vorhanden. Anhalten ist zumutbar, die Funktion der Gelenke der oberen Extremitäten ist ausreichend. Eine krankheitstypische ausgeprägte körperliche Schwäche und ein reduzierter Ernährungs- und Allgemeinzustand liegt nicht vor."

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 02.08.2017 wurde der Antrag der BF auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" abgewiesen. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf die im eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten getroffenen Ausführungen.

4. Mit dem bei der belangten Behörde am 15.09.2017 eingegangen Schreiben brachte die BF eine Vertretungsvollmacht in Vorlage und erhob seitens ihrer rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid. Sie äußerte sich darin im Wesentlich dahingehend, dass ihre Leiden im Rahmen der ärztlichen Untersuchung nicht eingehend berücksichtigt worden seien. Sie könne das Haus ohne Begleitperson nicht verlassen und ihr werde Pflegegeld der Stufe 1 gewährt. Sie stelle daher den Antrag, der Beschwerde Folge zu geben, den erstinstanzlichen Bescheid zu beheben und die beantragte Zusatzeintragung vorzunehmen.

5. Im Rahmen des fortgeführten Ermittlungsverfahrens holte die belangte Behörde zum Vorbringen der BF eine ärztliche Stellungnahme von XXXX ein. In deren Stellungnahme vom 14.11.2017 wird ausgeführt, dass sich an den bereits getätigten gutachterlichen Ausführungen auch durch die im Nachhinein in Vorlage gebrachten Befunde nichts ändere.

6. Mit Beschwerdevorentscheidung der belangten Behörde vom 16.11.2017 wurde die Beschwerde der BF vom 15.09.2017 abgewiesen und festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der beantragten Zusatzeintragung nicht vorliegen würden.

7. Mit 01.12.2017 (Datum: Eingangsstempel) stellte die BF binnen offener Frist seitens ihrer rechtsfreundlichen Vertretung einen Vorlageantrag.

8. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde, einlangend mit 12.12.2017 vorgelegt.

9. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde der Amtssachverständige XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Im eingeholten Gutachten vom 09.04.2018 wird, basierend auf der persönlichen Untersuchung der BF, hinsichtlich der beantragten Zusatzeintragung zusammengefasst folgendes festgehalten:

"Aktuell sind die Schmerzen zu würdigen wobei keine relevanten höhergradigen Bewegungseinschränkungen im Gelenksbereich objektiviert werden können und die Schmerzen als subjektiv zu bewerten sind.

Im Gegensatz zum Gutachten Dr. a Perl sind laut Befunden Spinalkanalstenosen an der Hals- als auch Lendenwirbelsäule radiologisch beschrieben.

Unbestritten ist es, dass offenbar die Schmerzen im Bereich des gesamten Bewegungsapparates eine Minderung der Wegstrecke mit sich bringen, wobei auch festzuhalten ist das lediglich mit Deflamat eine milde Schmerzmediation durchgeführt wird. Unter Verwendung einer Stockhilfe mit Abrasten ist vermutlich eine relevante Wegstrecke umsetzbar, abhängig von Schmerzzustand. Das Überwinden von Niveauunterschieden, ein bis zwei Stufen, unter Anhalten ist laut Untersuchungsbefund auch anzunehmen. Der sichere Transport ist bei Sitzmöglichkeit ebenso anzunehmen, wobei auch aufgrund des Übergewichtes die allgemeine Wendigkeit und das dadurch bedingte Kompensationsvermögen eingeschränkt sind."

10. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 19.04.2017 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern. Es langte keine Stellungnahme ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses und hat ihren Wohnsitz im Inland.

Die BF leidet unter einer Wirbelsäulenabnützung an der gesamten Wirbelsäule, an einer degenerativen Erkrankung im Bereich der Hüftgelenke, an einer degenerativen Erkrankung im Bereich beider Kniegelenke, unter einem Karpaltunnelsyndrom links, unter einem chronischen Hand-Fußekzem, an Krampfandern mit Schwellneigung, an Bluthochdruck und an Mittelfußknochenarthritis sowie an einer beginnenden Abnützung im Bereich beider Schultergelenke.

Bei der Beschwerdeführerin liegen keine direkten erheblichen Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten, keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder schwere anhaltende Erkrankungen des Immunsystems vor.

Unter Zuhilfenahme von Gehstöcken und Einlegung von Pausen ist es der BF möglich, eine kurze Wegstrecke umzusetzen. Es ist ihr ebenso möglich, unter Benützung von Anhaltevorrichtungen Niveauunterschiede zu überwinden. Der BF ist der Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln unter den üblichen Transportbedingungen möglich und zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass, liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellungen zum ausgestellten Behindertenpass sind dem von der belangten Behörde übermittelten Akt zu entnehmen. Die Feststellung hinsichtlich des Wohnortes der BF ergibt sich aus einem aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das zum Gesundheitszustand der BF eingeholte Sachverständigengutachten des Amtssachverständigen XXXX, Arzt für Allgemeinmedizin, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Die getroffenen Einschätzungen basieren auf dem im Rahmen persönlicher Untersuchung ausführlich erhobenen Befund und entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen.

Das Gutachten von XXXX kommt hinsichtlich der bei der BF vorliegenden Gesundheitsschäden und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen, wie das von der belangten Behörde eingeholte Vorgutachten von XXXX. In der Beschwerde wurde seitens der BF nicht substantiiert aufgezeigt, inwieweit die diagnostizierten gesundheitlichen Einschränkungen in einem Ausmaß vorliegen würden, welches zu einer Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel führen würde. Der Inhalt des medizinischen Sachverständigengutachtens von XXXX wurde den Parteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt und von diesen unbeeinsprucht zur Kenntnis genommen.

Das Sachverständigengutachten wird der Entscheidung des erkennenden Gerichtes daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde im Rahmen einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen. Abweichend davon beträgt die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung gemäß § 46 BBG zwölf Wochen.

Gemäß § 15 VwGVG kann jede Partei binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß

Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt wird, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993).

Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren der BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Parteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z. 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das

36. Lebensmonat vollendet ist und

-

erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-

erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-

erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-

eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-

eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach

§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d leg. cit. vorliegen.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78).

Gemäß § 29b Abs. 1 StVO (Straßenverkehrsordnung 1960) ist Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen.

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen XXXX zufolge leidet die BF an einer Wirbelsäulenabnützung an der gesamten Wirbelsäule, an einer degenerativen Erkrankung im Bereich der Hüftgelenke, an einer degenerativen Erkrankung im Bereich beider Kniegelenke, unter einem Karpaltunnelsyndrom links, unter einem chronischen Hand-Fußekzem, an Krampfandern mit Schwellneigung, an Bluthochdruck und an Mittelfußknochenarthritis sowie an einer beginnenden Abnützung im Bereich beider Schultergelenke.

Diese Leiden bewirken nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität. Eine Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten in einem erheblichen Ausmaß konnte jedoch nicht festgestellt werden. Es wurden auch keine erheblichen Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder eine schwere, anhaltende Erkrankung des Immunsystems festgestellt. Der BF sind das Ein- und Aussteigen und der sichere Transport mit öffentlichen Verkehrsmitteln aus medizinischer Sicht möglich und zumutbar.

Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf Grund einer Behinderung nicht zumutbar" in den Behindertenpass liegen nicht vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Sachverständigengutachten, Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2179312.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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