TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/26 G309 2178668-1

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Veröffentlicht am 26.07.2018
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Entscheidungsdatum

26.07.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

G309 2178668-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie die Richterin Mag. Beatrix LEHNER und die fachkundige Laienrichterin Beate KOCH als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, vom 20.10.2017, OB: XXXX, betreffend die Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht gegeben sind, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid behoben.

II. Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) v.H. (von Hundert). Die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses liegen vor.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) brachte am 25.07.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung ein. Dem Antrag waren eine Reihe medizinischer Beweismittel (Befunde udgl.) angeschlossen.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurde die Sachverständige XXXX, Ärztin für Allgemeinmedizin, mit der Begutachtung und Erstellung eines Gutachtens beauftragt. In dem eingeholten Gutachten vom 01.10.2017 wird nach persönlicher Untersuchung des BF am 29.09.2017, im Wesentlichen folgendes festgehalten:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Position bzw. der Rahmensätze:

Pos. Nr.

GdB %

1

Koronare Herzkrankheit, Zustand nach Herzinfarkt und Dehnung eines Herzkranzgefäßes. Oberer Rahmensatz, entsprechend der verminderten körperlichen Belastbarkeit. Auftreten von Atemnot bei diversen Tätigkeiten, wie beim Heben, beim Treppensteigen oder beim schnelleren Gehen in der Ebene.

05.05.02

40

2

Herzmuskelerkrankungen, Bluthochdruck mit daraus resultierender Füllungsstörung der linken Herzkammer, sowie Zustand nach einer pathologischen Rhythmusstörung des Herzens {Ablation 2011 mit gutem Funktionsergebnis). Unterer Rahmensatz. Beim Antragsteller besteht ein Bluthochdruck, welcher medikamentös sicherlich nicht ausreichend behandelt wurde. Spätschäden zeigen sich im Sinne einer Füllungsstörung im Bereich der linken Herzkammer. Zusätzlich besteht ein Zustand nach Durchtrennung einer pathologischen Reizleitung.

05.02.01

30

3

Fußschmerz rechts, Zustand nach Gichtanfall im Großzehengrundgelenk rechts. Oberer Rahmensatz, bei anhaltenden Schmerzen am äußeren Fußrand, einschließlich der Zehen, mit Schmerzverstärkung bei Belastung.

02.02.01

20

Gesamtgrad der Behinderung 40 v. H.

Als Begründung zum Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, dass die Position 1 führend sei. Die Position 2 werde dem internistischen Vorgutachten vom 29.08.2016 entnommen. Eine Steigerung erfolge dahingehend nicht. Es liege kein neuer Echographiebefund vor. Zur Behandlung des Bluthochdruckes würden ausreichend medikamentöse Kombinationsmöglichkeiten bestehen. Das Funktionsergebnis nach Ablation sei gut. Die Position 3 steigere, bei möglicher Behandelbarkeit mittels Schuheinlagen, physikalischer Therapien und Analgetika, nicht.

Die Nierenzyste rechts würde keinen Grad der Behinderung erreichen.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 20.10.2017 wurde festgestellt, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 40 v.

H. (von Hundert) die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht erfülle. Gestützt wurde die Entscheidung im Wesentlichen auf das erstattete Sachverständigengutachten.

4. Mit dem via E-Mail vom 07.11.2017 übermittelten Schreiben erhob der BF binnen offener Frist Beschwerde gegen den verfahrensgegenständlichen Bescheid. Darin brachte der BF im Wesentlichen zusammenfassend vor, er habe zum Zeitpunkt der Antragstellung einen akuten Gichtanfall erlitten, der einen ambulanten Aufenthalt im Krankenhaus erforderlich gemacht habe. Seither sei eine massive Verschlechterung seines Leidens zu beobachten gewesen. Die Schmerzen seien beinahe unerträglich, vor allem in der Nacht. Er habe Schwellungen am Großzehengelenk, welche sich an den Fußrand ausbreiten. Dies mache ein normales Gehen unmöglich und so sei es lediglich möglich, zu Humpeln. Der Schongang, den sich der BF angewöhnt habe, habe ihn jedoch an seiner Achillessehne geschädigt.

5. Der Verwaltungsakt wurde seitens der belangten Behörde vorgelegt und langte mit 04.12.2017 beim erkennenden Gericht ein.

6. Seitens des erkennenden Gerichtes wurde dem Ermittlungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht XXXX, Facharzt für Innere Medizin, hinzugezogen und mit der Begutachtung des BF und Erstattung eines Sachverständigengutachtens beauftragt. Im eingeholten Sachverständigengutachten vom 21.03.2018 wird nach persönlicher Untersuchung des BF, im Wesentlichen zusammengefasst folgendes festgehalten:

"Diagnosen Pos.Nr. GdB in %

GS1 Koronare Herzerkrankung 05.02. 02 40

GS2 Hypertonie, Herzmuskelerkrankung 05.02.01 30

GS3 Gicht - Stoffwechselstörung mittleren Grades 09.03.03 50

GESAMTGRAD DER BEHINDERUNG 60"

Zu den einzelnen Funktionseinschränkungen wurde folgendes ausgeführt:

"Ad GS 1 [gemeint wohl: GS3]: Es besteht eine ausgeprägte Stoffwechselerkrankung mit Erhöhung der Harnsäure. Diese führt zu häufigen, schweren Gelenksentzündungen mit entsprechender Funktionsbeeinträchtigung und dauerhaften Schädigung. Der Harnsäurespiegel muss zum Auslösen von Gichtanfällen nicht immer erhöht sein. Für den Antragsteller beeinträchtigend ist vor allem die Einschränkung der Mobilität in seinem Beruf. Diese Erkrankung erfordert ständige diätetische und regelmäßige therapeutische Maßnahmen. Unter strikter Einhaltung dieser Maßnahmen kann die Erkrankung weitgehend stabil gehalten werden. Daher kommt der untere Rahmensatz zur Anwendung.

Ad GS1: Diese Gesundheitsschädigung kann auch aus internistischer Sicht vom Vorgutachten inhaltlich und auch vom Grad der Behinderung übernommen werden.

Ad GS 2: Auch diese Gesundheitsschädigung kann aus internistischer Sicht vom Vorgutachten inhaltlich und auch vom Grad der Behinderung übernommen werden.

Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:

Hypercholesterinämie, Steatosis Hepatitis, Zustand nach Hämorrhoidenoperation, Zust.n.Varizenoperation, Vasektomie, Tonsillektomie, Appendektomie."

Den Gesamtgrad der Behinderung begründend wurde festgehalten, dass die Position 3 führend sei und aufgrund der schweren Ausprägung mit signifikanter Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes höher bewertet werde. Dadurch ergebe sich ein höherer Gesamtgrad der Behinderung.

7. Das Ergebnis der Beweisaufnahme wurde den Verfahrensparteien seitens des erkennenden Gerichtes im Rahmen des Parteiengehörs gemäß § 45 Abs. 3 AVG in Verbindung mit § 17 VwGVG mit Schreiben vom 26.04.2018 zur Kenntnis gebracht und den Parteien die Möglichkeit eingeräumt, sich dazu binnen zwei Wochen ab Zustellung zu äußern.

8. Mit E-Mail vom 25.05.2018 nahm der BF zum Ergebnis des Beweisverfahrens Stellung und führte dazu aus, dass er immer wieder an starken Gichtanfällen leide und dies seinen Alltag und seine berufliche Tätigkeit beeinträchtige. Es sei daher vorteilhaft, eine Zusatzeintragung (Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel) zu erhalten, da ihm dies seinen Arbeitsalltag erleichtern würde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland.

Der BF leidet an einer koronaren Herzerkrankung, an Hypertonie, an einer Herzmuskelerkrankung sowie an Gicht (Stoffwechselstörung mittleren Grades).

Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) von Hundert (v. H.).

Der BF erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die Feststellung zum Wohnsitz des BF ergibt sich einerseits aus seinen eigenen Angaben und andererseits durch Einsichtnahme in einen aktuellen Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

Das seitens des erkennenden Gerichtes eingeholte Sachverständigengutachten von XXXX, Facharzt für Innere Medizin, ist schlüssig, nachvollziehbar und weist keine Widersprüche auf. Es weicht insofern vom erstatteten Vorgutachten ab, als das Gichtleiden des BF aufgrund der schweren Ausprägung im Zusammenhang mit der signifikanten Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes aus fachärztlicher Sicht nunmehr nachvollziehbar mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. eingeschätzt wurde. Daraus ergibt sich nach der schlüssig erfolgten Gesamteinschätzung ein Gesamtgrad der Behinderung von 60 v.H. Das durch das erkennende Gericht eingeholte Gutachten steht mit den Erfahrungen des Lebens, der ärztlichen Wissenschaft und den Denkgesetzen nicht in Widerspruch.

Der Inhalt des Gutachtens wurde den Verfahrensparteien im Rahmen des Parteiengehörs zur Möglichkeit einer Stellungnahme übermittelt. Die vom BF erstattete Stellungnahme beschränkte sich auf allgemeine Ausführungen zu den durch die diagnostizierten Leiden verursachten Schwierigkeiten in seinem Alltag, sowie die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel". Letztere war jedoch nicht Verfahrensgegenstand dieses Verfahrens. Der BF erstattete kein Vorbringen dahingehend, dass seine Gesundheitsschädigungen nicht vollständig bzw. nicht richtig eingeschätzt worden seien, weshalb die Stellungnahme nicht geeignet war, das Sachverständigengutachten von XXXX zu entkräften. Es wird der Entscheidung daher in freier Beweiswürdigung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetz) hat in Verfahren hinsichtlich der Ausstellung eines Behindertenpasses, der Vornahme von Zusatzeintragungen oder der Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 leg. cit.) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 leg. cit.) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Das Verwaltungsgericht kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt, ungeachtet eines Parteienantrags, von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK (Europäische Menschenrechtskonvention) noch Art. 47 GRC (Charta der Grundrechte der Europäischen Union) entgegenstehen. Der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) kann entnommen werden, dass er das Sozialrecht auf Grund seiner technischen Natur und der oftmaligen Notwendigkeit, Sachverständige beizuziehen, als gerade dazu geneigt ansieht, nicht in allen Fällen eine mündliche Verhandlung durchzuführen (vgl. Eriksson v. Sweden, EGMR 12.04.2012; Schuler-Zgraggen v. Switzerland, EGMR 24.06.1993). Der im gegenständlichen Fall entscheidungsrelevante Sachverhalt wurde größtenteils auf gutachterlicher Basis ermittelt und ist durch seine "technische" Natur, nämlich durch medizinisches Fachwissen, gekennzeichnet. Da der Sachverhalt auch aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren des BF geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch keine der Verfahrensparteien eine mündliche Verhandlung beantragten.

3.2. Zu Spruchteil A):

In der gegenständlichen Rechtssache sind die Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes in der geltenden Fassung anzuwenden.

Nach § 1 Abs. 2 BBG ist unter einer Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder eine Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß § 45 Abs. 1 BBG nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu (§ 45 Abs. 2 BBG).

Gemäß § 40 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50 % auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist,

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen,

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten,

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes angehören.

§ 35 Einkommensteuergesetz 1988 (Bundesgesetz über die Besteuerung des Einkommens natürlicher Personen - EStG 1988) regelt, dass die Höhe des Freibetrages sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) bestimmt. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Die für die Ausstellung einer solchen zuständigen Stelle ist:

-

Der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947).

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen. Dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff BBG, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.

Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 BBG genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3 BBG), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967 BGBl. Nr. 376. Nach § 41 Abs. 1 BBG hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 BBG vorliegt.

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, diesem auf gleichem fachlichen Niveau entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH 20.10.1978, 1353/78).

Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Das am 25.05.2018 erstattete Vorbringen zielt unter anderem auf die Vornahme einer Zusatzeintragung ab. Zu diesem Vorbringen ist festzuhalten, dass der äußerste Rahmen für die Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtes die "Sache" des bekämpften Bescheides ist (VwGH 09.09.2015, Ra 2015/04/0012; 26.03.2015, Ra 2014/07/0077; des Weiteren Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 (2014) RN 833). Das Bundesverwaltungsgericht kann nicht über Rechtssachen entscheiden, die nicht bereits Gegenstand des verwaltungsbehördlichen Verfahrens bzw. der entsprechenden Entscheidung waren. Fallgegenständlich war "Sache" und Gegenstand der Entscheidung der belangten Behörde die vom BF beantragte Ausstellung eines Behindertenpasses. Verfahrensgegenstand war daher die Beurteilung des Gesamtgrades der Behinderung des BF und das Vorliegen der Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses, nicht jedoch auch die Vornahme von Zusatzeintragungen. Das Vorliegen des Behindertenpasses ist jedoch die notwendige Voraussetzung für die Vornahme von Zusatzeintragungen.

Der BF leidet an einer koronaren Herzerkrankung, an Hypertonie, an einer Herzmuskelerkrankung sowie an Gicht (Stoffwechselstörung mittleren Grades). Der Grad der Behinderung beträgt 60 (sechzig) von Hundert (v. H.). Da ein Grad der Behinderung von 60 (sechzig) von Hundert festgestellt wurde und auch die sonstigen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses beim BF erfüllt sind, war spruchgemäß zu entscheiden.

Im Übrigen ist der BF darauf hinzuweisen, dass es ihm freisteht, beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle XXXX, einen Antrag auf Vornahme von Zusatzeintragungen in den Behindertenpass zu stellen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G309.2178668.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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