TE Bvwg Erkenntnis 2018/7/27 G305 2200283-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.07.2018
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Entscheidungsdatum

27.07.2018

Norm

BFA-VG §22a
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35
VwGVG §35 Abs3

Spruch

G305 2200283-1/6E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 20.07.2018 MÜNDLICH VERKÜNDETEN

ERKENNTNISSES

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.06.2018, Zl. XXXX, und die gegen die Anhaltung in Schubhaft gerichtete Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA: Sierra Leone, vom 06.07.2018, vertreten durch XXXX nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird als unbegründet a b g e w i e s e n.

II. Es wird festgestellt, dass im Zeitraum 24.06.2018 bis 04.07.2018 die für die Verhängung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind.

III. Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund (Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl) Aufwendungen in Höhe von 887,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution z u e r s e t z e n.

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen wird a b g e w i e s e n.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG n i c h t z u l ä s s

i g.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde), Regionaldirektion XXXX, vom Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) persönlich übernommen am 04.07.2018 um 09:50 Uhr, wurde gemäß Art. 28 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 iVm. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm. § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung über ihn angeordnet.

2. Gegen diesen Bescheid erhob er im Wege seiner ausgewiesenen Rechtsvertretung am 06.07.2018 (innert offener Frist) Beschwerde, die er mit den Anträgen verband, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, den bekämpften Bescheid beheben und aussprechen, dass die Anordnung der Schubhaft und die bisherige Anhaltung (vom 24.06.2018 bis zum 05.07.2018) rechtswidrig erfolgt seien, in eventu die ordentliche Revision zulassen, in eventu die ordentliche Revision zulassen, dem BF etwaige Dolmetschkosten ersetzen und im Falle eines Obsiegens der Behörde dem BF vom Ersatz des Aufwandersatzes befreien bzw. dem BF Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung ersetzen.

3. Am 06.07.2018 legte die belangte Behörde die zum 06.07.2018 datierte Schubhaftbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor und wurde hier die Beschwerdesache der Gerichtsabteilung G305 zur Erledigung zugeteilt.

Im Vorlagebericht brachte die belangte Behörde im Wesentlichen kurz zusammengefasst vor, dass die Meldeadresse des BF bei der Verhängung der Schubhaft berücksichtigt worden sei. Bei Schubhaftverhängung habe zwar eine aufrechte Meldeadresse bestanden, doch sei der BF an dieser nicht aufhältig gewesen und sei beim Versuch, unrechtmäßig nach Deutschland auszureisen, kontrolliert worden. Wie im Schubhaftbescheid festgehalten, sei ein Besuch der Delegation für 2018 geplant; allerdings habe eine nähere Information nicht zur Verfügung gestanden. Da bis zum 04.07.2018 kein konkreter Termin habe eruiert werden können sei die Schubhaft im Sinne der Verhältnismäßigkeit beendet worden. Aus der Sicht der belangten Behörde sei ein Sicherungsbedarf nach wie vor gegeben, weshalb aus diesem Grund mit Schubhaftende eine Wohnsitzauflage verhängt wurde.

4. Am 20.07.2018 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein einer Dolmetsch für die englische Sprache durchgeführt, zu der der ordnungsgemäß geladene BF jedoch nicht erschienen war. Die ebenfalls anwesende Rechtsvertreterin des BF gab an, dass sie zum Zeitpunkt seiner Entlassung aus der Schubhaft via Whats-App Kontakt mit ihm gehabt hätte und er ihr über dieses Medium mitgeteilt hätte, der Wohnsitzauflage der belangten Behörde keine Folge leisten zu wollen. Sie wisse nicht, wo er sich gegenwärtig aufhalte. Sie habe den BF über die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und die Notwendigkeit zum Erscheinen in Kenntnis gesetzt. Auf diese Benachrichtigung habe er jedoch nicht reagiert.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF behauptet, Staatsbürger Sierra Leones zu sein. Er besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG.

Er ist gesund und arbeitsfähig.

1.2. Er ist nach eigenen Angaben am 11.05.2015 illegal und schlepperunterstützt ins Bundesgebiet eingereist und hält sich seither hier auf.

1.3. Am 12.05.2015 stellte vor einem Organ der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.3.1. Mit Bescheid vom 11.05.2017, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde seinen Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG, und den Antrag auf Gewährung von internationalem Schutz hinsichtlich des Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG als unbegründet ab und sprach aus, dass ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG gegen ihn erlassen werde und stellte weiter fest, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Sierra Leone zulässig sei und gemäß § 55 Abs. 1 a keine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe, und dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

1.3.2. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob der BF Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

1.3.3. Mit hg. Erkenntnis vom 17.10.2017, Zl. XXXX wurde die gegen den Bescheid der belangten Behörde erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

1.3.4. Mit Beschluss vom 26.02.2018, Zl. XXXX, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, dass die Behandlung der gegen das hg. Erkenntnis vom 17.10.2017 erhobenen Beschwerde abgelehnt (Spruchpunkt I.) und die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof (in der Folge kurz: VwGH) zur Entscheidung abgetreten werde (Spruchpunkt II.).

1.3.5. Mit Beschluss vom 14.05.2018, Zl. XXXX, wies der VwGH die gegen das hg. Erkenntnis vom 17.10.2017, Zl. XXXX erhobene (außerordentliche) Revision zurück.

1.3.6. Es liegt somit seit dem 14.05.2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung gegen den BF vor.

1.4. Dessen ungeachtet hält er sich nach wie vor ohne Rechtsgrundlage - sowohl der belangten Behörde, als auch der Rechtsvertretung des BF unbekannten Aufenthalts - im Bundesgebiet auf.

1.5. Aktuell scheint bei ihm weder eine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung, noch eine aufrechte Nebenwohnsitzmeldung auf.

Die letzten Hauptwohnsitzmeldungen bestanden von

24.10.2016 - 14.03.2018 XXXX Hauptwohnsitz

14.03.2018 - 25.06.2018 XXXX Obdachlos

25.06.2018 - 04.07.2018 XXXX Hauptwohnsitz

Eine Nebenwohnsitzmeldung bestand zu keinem Zeitpunkt.

1.6. Zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Juni des Jahres 2017 wurde der BF beim Versuch, illegal die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland zu überqueren, aufgegriffen und durch Organe der deutschen Bundespolizei zurückgewiesen und von den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde (XXXX) übernommen.

Bei der durchgeführten Identitätsfeststellung und Priorierung kam nach erfolgter Rücksprache mit der belangten Behörde (RD Salzburg) hervor, dass seit dem 10.08.2017 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates für den BF anhängig ist und für den Zweck der Sicherstellung zur Erlangung des Heimreisezertifikates ein aufrechter Festnahmeauftrag gegen den BF besteht.

1.7. Auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes wurde er von den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde (XXXX) am 24.06.2018, um 13:00 Uhr, gestützt auf die Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG festgenommen und auf Anordnung der belangten Behörde in das PAZ Linz eingeliefert, in Schubhaft genommen und in weiterer Folge ins XXXX eingeliefert.

1.8. Mit Mandatsbescheid vom 24.06.2018, Zl. XXXX, verhängte die belangte Behörde gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft über den Beschwerdeführer zum Zweck der Sicherung seiner Abschiebung.

1.9. Nachdem für die belangte Behörde der Zeitpunkt für die Vorführung des BF vor die HRZ-Kommission seines Herkunftsstaates nicht abgesehen werden konnte, wurde der BF am 04.07.2018, um 10:00 Uhr, mit der Auflage, sich innerhalb von drei Tagen in die Rückkehrberatungseinrichtung XXXX zu begeben (sohin unter der Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG), aus der Schubhaft entlassen.

1.10. Der BF ist ledig und kinderlos.

Er hat keine im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten oder nahe Angehörige.

Auch konnten keine Anhaltspunkte in Hinblick auf eine soziale Verankerung des BF festgestellt werden bzw. dass er über diverse Freundschaften oder Bekanntschaften verfügen würde.

Er ist weder beruflich noch sozial integriert.

1.11. Die wider den BF erlassene Rückkehrentscheidung ist mit der Erlassung des Beschlusses des VwGH vom 14.05.2018, Zl. XXXX in Rechtskraft erwachsen. Der BF ist weder im Bundesgebiet, noch unionsrechtlich aufenthaltsberechtigt. Er verfügt auch sonst über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

1.12. Er hat Verwandte im Herkunftsstaat.

1.13. Im Zeitpunkt seiner Übergabe an die Organe der öffentlichen Sicherheitsbehörde in Österreich verfügte er lediglich über einen Bargeldbetrag in Höhe von EUR 308,38.

1.14. Der BF wurde am 04.07.2018 aus der Schubhaft, da ein Heimreisezertifikat in absehbarer Zeit nicht erwirkt werden kann.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Der oben festgestellte Sachverhalt beruht auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und der vor dem erkennenden Gericht am 20.07.2018 durchgeführten mündlichen Verhandlung:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zu Identität und Staatsbürgerschaft des BF getroffen wurden, beruhen diese auf den vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde. Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person des BF im gegenständlichen Verfahren.

Die Feststellung zur unrechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ergibt sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt und der Tatsache, dass der BF ohne die erforderlichen Dokumente (Reisedokument, Visum) nach Österreich einreiste.

Die Feststellung zum unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet ergibt sich aus der Tatsache, dass er sich ohne Berechtigung zum Aufenthalt in Österreich befindet und aus dem Faktum der zwischenzeitig in Rechtskraft erwachsenen Rückkehrentscheidung der belangten Behörde.

Die Feststellungen zur Festnahme und zur weiteren Anhaltung ergeben sich aus dem Akteninhalt und der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Abweisung der Beschwerde betreffend Schubhaftbescheid und Anhaltung in Schubhaft (Spruchpunkt A.I.):

Gemäß § 76 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

Gemäß § 76 Abs. 2 FPG darf die Schubhaft nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 1), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).

Gemäß § 76 Abs. 3 FPG liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Der mit "Haft" betitelte Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, ABl. L 180 vom 29.06.2013 S. 31 (im Folgenden: Dublin-VO), lautet:

"Artikel 28

Haft

(1) Die Mitgliedstaaten nehmen eine Person nicht allein deshalb in Haft, weil sie dem durch diese Verordnung festgelegten Verfahren unterliegt.

(2) Zwecks Sicherstellung von Überstellungsverfahren, dürfen die Mitgliedstaaten im Einklang mit dieser Verordnung, wenn eine erhebliche Fluchtgefahr besteht, nach einer Einzelfallprüfung die entsprechende Person in Haft nehmen und nur im Falle dass Haft verhältnismäßig ist und sich weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen.

(3) Die Haft hat so kurz wie möglich zu sein und nicht länger zu sein, als bei angemessener Handlungsweise notwendig ist, um die erforderlichen Verwaltungsverfahren mit der gebotenen Sorgfalt durchzuführen, bis die Überstellung gemäß dieser Verordnung durchgeführt wird.

Wird eine Person nach diesem Artikel in Haft genommen, so darf die Frist für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs einen Monat ab der Stellung des Antrags nicht überschreiten. Der Mitgliedstaat, der das Verfahren gemäß dieser Verordnung durchführt, ersucht in derartigen Fällen um eine dringende Antwort. Diese Antwort erfolgt spätestens zwei Wochen nach Eingang des Gesuchs. Wird innerhalb der Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt, ist davon auszugehen, dass dem Aufnahme- bzw. Wiederaufnahmegesuch stattgegeben wird, was die Verpflichtung nach sich zieht, die Person aufzunehmen und angemessene Vorkehrungen für die Ankunft zu treffen.

Befindet sich eine Person nach diesem Artikel in Haft, so erfolgt die Überstellung aus dem ersuchenden Mitgliedstaat in den zuständigen Mitgliedstaat, sobald diese praktisch durchführbar ist und spätestens innerhalb von sechs Wochen nach der stillschweigenden oder ausdrücklichen Annahme des Gesuchs auf Aufnahme oder Wiederaufnahme der betreffenden Person durch einen anderen Mitgliedstaat oder von dem Zeitpunkt an, ab dem der Rechtsbehelf oder die Überprüfung gemäß Artikel 27 Absatz 3 keine aufschiebende Wirkung mehr hat.

Hält der ersuchende Mitgliedstaat die Fristen für die Stellung eines Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuchs nicht ein oder findet die Überstellung nicht innerhalb des Zeitraums von sechs Wochen im Sinne des Unterabsatz 3 statt, wird die Person nicht länger in Haft gehalten. Die Artikel 21, 23, 24 und 29 gelten weiterhin entsprechend.

(4) Hinsichtlich der Haftbedingungen und der Garantien für in Haft befindliche Personen gelten zwecks Absicherung der Verfahren für die Überstellung in den zuständigen Mitgliedstaat, die Artikel 9, 10 und 11 der Richtlinie 2013/33/EU."

In Art. 28 Dublin-VO ist die Inhaftnahme zum Zwecke der Überstellung nach der Dublin-VO geregelt. Allfällige entgegenstehende Bestimmungen des nationalen Fremdenrechts sind, sofern keine verordnungskonforme Interpretation möglich ist, demgegenüber unanwendbar. Solange die Bestimmungen der Dublin-VO gegenüber einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen zur Anwendung gelangen, darf Administrativhaft zur Sicherung deren Vollzugs nur nach Art. 28 Dublin-VO verhängt werden und nicht etwa nach anderen Bestimmungen des nationalen Rechts, da sonst der Schutzzweck der gegenständlichen Regelung vereitelt wäre (Filzwieser/Sprung, Die Dublin III-Verordnung, Wien 2014, S. 223).

Als "Fluchtgefahr" nach Art. 2 lit. n Dublin-VO gilt das Vorliegen von Gründen im Einzelfall, die auf objektiven - vom nationalen Gesetzgeber - gesetzlich festgelegten Kriterien beruhen und zur Annahme Anlass geben, dass sich ein Antragsteller, ein Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser, gegen den ein Überstellungsverfahren läuft, diesem Verfahren möglicherweise durch Flucht entziehen könnte. Die in diesem Sinne gesetzlich festgelegten Kriterien des Vorliegens von Fluchtgefahr finden sich in § 76 Abs. 3 FPG (zur Fluchtgefahr ausführlich VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021; sowie EuGH vom 15.03.2017, Zl. C-528/15, Al Chodor).

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zu Grunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist oder wenn die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-VO vorliegen (§ 76 Abs. 2 FPG). Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH vom 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH vom 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH vom 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Schubhaft erfordert nämlich keine Gewissheit darüber, dass es letztlich zu einer Abschiebung kommen könnte. Sie muss sich nach Lage des Falles bloß mit ausreichender Wahrscheinlichkeit als möglich darstellen (VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der - aktuelle - Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung nährt, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann (vgl. zum Grad der sozialen Verankerung in Österreich VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ro 2016/21/0021). Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH vom 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498).

Die Anhaltung eines Asylwerbers in Schubhaft kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn besondere Umstände vorliegen, die im jeweiligen Asylverfahrensstadium ein Untertauchen des betreffenden Fremden befürchten lassen (vgl. VwGH vom 05.07.2011, Zl. 2008/21/0080 mwN). Dabei bedarf es in dem frühen Verfahrensstadium (etwa vor Einleitung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme) besonderer Umstände, die ein Untertauchen des betreffenden Fremden schon zu diesem Zeitpunkt konkret befürchten lassen. In einem späteren Stadium des Asylverfahrens, insbesondere nach Vorliegen einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung oder Anordnung zur Außerlandesbringung, können dann unter Umständen auch weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung für die Annahme eines Sicherungsbedarfs genügen (vgl. VwGH vom 23.09.2010, Zl. 2007/21/0432 mwN).

Die Anwendung dieser Rechtslage auf den hier maßgeblichen Sachverhalt ergibt Folgendes:

Der BF ist nicht im Besitz der österreichischen Staatsbürgerschaft und somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er verfügt über keine Berechtigung zum Aufenthalt im Bundesgebiet.

Sein auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteter Antrag wurde mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.05.2017, Zl. XXXX gemäß den §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wurde mit hg. Erkenntnis vom 17.10.2017, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen. Die Behandlung der gegen das hg. Erkenntnis erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde mit do. Beschluss vom 26.02.2018, Zl. XXXX abgelehnt. Mit Beschluss vom 14.05.2018, Zl. XXXX, wurde die gegen das hg. Erkenntnis gerichtete (a.o.) Revision zurückgewiesen, wodurch die gegen den BF erlassene Rückkehrentscheidung in Rechtskraft erwuchs. Spätestens seit der Erlassung der vorgenannten höchstgerichtlichen Entscheidungen musste der BF mit seiner Rückschiebung in den Herkunftsstaat rechnen.

Um sich der Rückschiebung in den Herkunftsstaat zu entziehen, tauchte er kurzerhand unter, indem er zu einem nicht festgestellten Zeitpunkt im Juni des Jahres 2017 versuchte, illegal über die Grenze in die Bundesrepublik Deutschland zu überqueren. Dabei wurde er von Organen der deutschen Bundespolizei betreten, von diesen nach Österreich zurückgewiesen und hier von Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde (XXXX) übernommen.

Der BF weist seit dem 04.07.2018 keine aufrechte Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet mehr auf.

Den vorliegenden Schubhaftbescheid stützte die belangte Behörde auf die Bestimmung des § 76 Abs. 2 Z 1 FPG und erließ diesen zum Zweck der Sicherung der Abschiebung. Da sich der BF unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung gegen ihn besteht und er sich in Hinblick auf die in Rechtskraft erwachsene Rückkehrentscheidung der Rückschiebung durch Untertauchen entzog, indem er versuchte, über die Grenze nach Deutschland zu gelangen, bestehen gegen den erlassenen Schubhaftbescheid keine Bedenken.

Das erkennende Gericht schließt sich auch auf Grund des vom BF hinterlassenen persönlichen Eindrucks, sich nicht an die österreichischen Gesetze halten zu wollen (dies kam insbesondere dadurch zum Ausdruck, dass er der am 04.07.2018 bei der Entlassung aus der Schubhaft ausgesprochenen Aufforderung, im Rückkehrberatungszentrum Wohnung zu nehmen und sich für die belangte Behörde zum Zweck der Vorführung vor die HRZ-Kommission des Herkunftsstaates des BF zur Verfügung zu halten, keine Folge leistete, seiner Mitwirkungspflicht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG nicht nachkam und sich überdies seit dem 04.07.2018 nicht mehr mit Wohnsitz im Bundesgebiet anmeldete), der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegten Feststellung an, dass er auf Grund seines bisherigen Verhaltens verdeutlicht hätte, nicht gewillt zu sein, sich der geltenden Rechtsordnung zu unterwerfen und in den Herkunftsstaat zurückzukehren.

Im Bundesgebiet verfügt der BF über keine familiären oder sonstigen berücksichtigungswürdigen sozialen Bindungen, über keine eigene gesicherte Unterkunft und über keine ausreichenden Existenzmittel zur Sicherung des Lebensunterhaltes.

Es kann der belangten Behörde unter Berücksichtigung des bisherigen Verhaltens des BF daher nicht zum Vorwurf gereichen, wenn sie bei ihrer Entscheidung zur Anordnung der Schubhaft und dem dafür erforderlichen Sicherungsbedarf davon ausgegangen war, dass sich der BF durch Untertauchen der beabsichtigten Rückschiebung in den Herkunftsstaat entziehen und diese wesentlich erschweren könnte.

Insoweit die belangte Behörde in ihrer Würdigung auch davon ausging, dass ein konkreter Sicherungsbedarf für die Durchführung einer Abschiebung sowie die Erforderlichkeit der Schubhaft als einzige geeignete Sicherungsmaßnahme gegenüber der Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft gegeben waren, begegnet dies keinen Bedenken. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid im Ergebnis zu Recht dargelegt, dass im vorliegenden Fall der erforderliche Sicherungszweck nicht durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG erreicht werden kann. Weder verfügt der BF über ausreichende finanzielle Mittel für die Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit, noch war auf Grund des bisherigen Verhaltens davon auszugehen, dass er sich in irgendeiner Weise den Behörden für die beabsichtigte Rückschiebung in den Herkunftsstaat jedenfalls aus freien Stücken zur Verfügung halten würde.

Eine Gesamtabwägung aller angeführten Umstände ergibt daher, dass das öffentliche Interesse an der Sicherung der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Abschiebung das Interesse an der Schonung der persönlichen Freiheit überwogen und ein konkretes Sicherungsbedürfnis zumindest im dargestellten Zeitraum (25.06.2018 bis 04.07.2018) bestanden hat. Die belangte Behörde konnte somit unter den gegebenen Umständen zu Recht von einer erheblichen Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 FPG ausgehen. Auch erweist sich die Anhaltung in Schubhaft im Zeitraum 25.06.2018 bis 04.07.2018 bei Abwägung aller betroffenen Interessen als verhältnismäßig.

Dem in der Beschwerdeschrift erhobenen Vorwurf, dass der Inhalt des Bescheides der belangten Behörde an Rechtswidrigkeit leide, ist nicht zu folgen, zumal in dem von der belangten Behörde geführten Verwaltungsverfahren keine Anhaltspunkte hervorgekommen sind, die für eine willkürliche Entscheidung sprechen würden. Die maßgebenden Erwägungen, von denen sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung leiten ließ, sind im angefochtenen Bescheid in hinreichend bestimmter und übersichtlicher Art dargelegt. Dass in der rechtlichen Beurteilung auch allgemein gehaltene rechtliche Ausführungen getroffen werden und der Inhalt von relevanten Rechtsvorschriften angeführt wird, schadet nicht.

Da die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, dass auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen war, dass sich der unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältige BF der zu sichernden Rückschiebung in den Herkunftsstaat entziehen könnte, und sie den gegenständlichen Bescheid zutreffend auf die im Spruch angeführten Rechtsvorschriften gestützt hat, war die Beschwerde hinsichtlich des Schubhaftbescheides und der darauf gestützten Anhaltung in Schubhaft als unbegründet abzuweisen.

3.2. Vorliegen der maßgeblichen Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft (Spruchpunkt A.II.):

Den oben unter Punkt 3.1. dargelegten Erwägungen zum Vorliegen eines konkreten Sicherungsbedarfs und zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft kommt auch zum Zeitpunkt dieser Entscheidung unverändert Geltung zu.

Darüber hinaus war im gegenständlichen Fall bei der Beurteilung des konkreten Sicherungsbedarfs (infolge erheblicher Fluchtgefahr) der weiter fortgeschrittene Stand des Verfahrens maßgeblich zu berücksichtigen:

So ist festzuhalten, dass sein auf die Gewährung von internationalem Schutz gerichteter Antrag mit Bescheid der belangten Behörde vom 11.05.2017 gemäß den §§ 3 und 8 AsylG abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen wurde. Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde des Bundesverwaltungsgerichtes wurde mit hg. Erkenntnis vom 11.07.2017 abgewiesen und hat der VfGH die Behandlung der dagegen erhobenen Beschwerde abgelehnt. Mit Beschluss vom 14.05.2018 wies auch der VwGH die gegen das hg. Erkenntnis erhobene (a.o.) Revision zurück. Spätestens mit der Erlassung der höchstgerichtlichen Erledigungen musste anwaltlich vertreten gewesene BF mit seiner Rückschiebung in den Herkunftsstaat rechnen.

Um sich der Rückschiebung in den Herkunftsstaat zu entziehen, versuchte er kurzerhand nach Deutschland unterzutauchen. Zwar bestand vom 14.03.2018 bis einschließlich 25.06.2018 eine Meldung als Obdachloser an der Anschrift XXXX, allerdings ist anzumerken, dass seit seiner (unter der Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG erfolgten) Entlassung aus der Schubhaft am 04.07.2018, um 10:00 Uhr, keine Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet mehr besteht und er der Auflage gemäß § 57 FPG, sich ins Rückkehrberatungszentrum XXXX zu begeben, keine Folge leistete, wodurch die Abschiebung unter der Prämisse des erwarteten Heimreisezertifikates weiterhin erschwert erscheint.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände begegnet es daher keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde von einem verstärkten Sicherungsbedarf ausgegangen ist. Der Sicherungsbedarf hatte im Zeitraum 25.06.2018 bis 04.07.2018 gerade dadurch eine Verstärkung, dass der BF seit der Erlassung der höchstgerichtlichen Entscheidungen in Kenntnis davon war, dass eine Rückschiebung in den Herkunftsstaat unmittelbar bevorstehen könnte und die Fortsetzung seines bisherigen Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht möglich ist und dadurch allenfalls eine illegale Weiterreise in andere europäische Staaten (hier nach Deutschland) verunmöglicht wird.

Aus den eben dargelegten Umständen und insbesondere auch unter Berücksichtigung der fehlenden sozialen Bindungen in Österreich ist aktuell von einer erheblichen Fluchtgefahr auszugehen, zumal besondere Umstände vorliegen, die ein Untertauchen des BF - um sich so einer Abschiebung zu entziehen - befürchten lassen.

Eine auf den vorliegenden Einzelfall bezogene Gesamtabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung der Rückschiebung in den Herkunftsstaat einerseits und der Schonung der persönlichen Freiheit andererseits ergibt somit, dass das erwähnte öffentliche Interesse überwiegt, weil ohne Anordnung der Schubhaft im beschwerdegegenständlichen Zeitraum wahrscheinlich schien, dass die Durchführung der Rückschiebung in den Herkunftsstaat vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Dass besondere, in der Person des BF gelegene Umstände vorliegen, die der Schubhaft entgegen gestanden wären, lässt sich weder dem Vorbringen in der Beschwerde, noch den Ermittlungsergebnissen in der mündlichen Verhandlung entnehmen.

Im beschwerdegegenständlichen Zeitraum (25.06.2018 bis 04.07.2018) erwies sich die Anhaltung in Schubhaft zum Zweck der Sicherung der Abschiebung notwendig und verhältnismäßig.

Als sich herausstellte, dass eine Vorführung des BF vor die HRZ-Kommission seines Herkunftsstaates zeitnah nicht möglich ist, wurde er rechtsrichtig aus Gründen der Verhältnismäßigkeit aus der Schubhaft entlassen und mit dem gelinderen Mittel der Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG belegt.

Es war daher festzustellen, dass im Zeitraum 25.06.2018 bis 04.07.2018 die für die Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorgelegen sind.

3.3. Zu den Anträgen auf Ersatz der Aufwendungen (Spruchpunkte A.III. und A.IV.):

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe sinngemäß, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

Den Ersatz von Aufwendungen im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) regelt § 35 VwGVG, wonach die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei hat. Als Aufwendungen gelten die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat, die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

Die Höhe der in solchen Verfahren vor den Verwaltungsgerichten als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge ist in der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013 idgF, geregelt (zur Zulässigkeit des Kostenzuspruchs siehe auch VwGH vom 11.05.2017, Zl. Ra 2016/21/0144).

Gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG ist Aufwandersatz nur auf Antrag einer Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.

Da die Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und die Anhaltung in Schubhaft abgewiesen und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft ausgesprochen wurde, ist die belangte Behörde gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG obsiegende und die beschwerdeführende Partei unterlegene Partei.

Die belangte Behörde hat fristgerecht beantragt, dem Bund Kostenersatz im Umfang des Vorlage- und Schriftsatzaufwandes sowie des Verhandlungsaufwandes zuzusprechen.

Es war daher spruchgemäß der beschwerdeführenden Partei als unterlegener Partei der zu leistende Aufwandersatz (samt Verhandlungsaufwand) in der Gesamthöhe von 887,20 Euro aufzuerlegen.

Der in der Beschwerde gestellte Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Ersatz der Aufwendungen im beantragten Umfang war gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abzuweisen, da sie (gänzlich) unterlegene Partei ist und ein Aufwandersatz somit nicht in Betracht kommt.

3.4. Zur Unzulässigkeit der Revision (Spruchpunkt B.):

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der einschlägigen Erkenntnisse des VwGH jeweils vom 11.05.2017, Zlen. Ro 2016/21/0021 und Ra 2016/21/0144, insbesondere zur geltenden Rechtslage des § 76 FPG (im Zusammenhalt mit unionsrechtlichen Bestimmungen) und der Zulässigkeit eines Kostenzuspruchs und eines "Kostenrisikos" nach § 35 VwGVG. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen ist, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Anhaltung, Antragsbegehren, Aufwandersatz, Fluchtgefahr, Fortsetzung
der Schubhaft, Gesamtbetrachtung, Kostentragung, mangelnder
Anknüpfungspunkt, mündliche Verkündung, öffentliches Interesse,
persönlicher Eindruck, schriftliche Ausfertigung, Schubhaft,
Sicherungsbedarf, Untertauchen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:G305.2200283.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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