Entscheidungsdatum
01.08.2018Norm
BBG §40Spruch
W262 2181124-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie den fachkundigen Laienrichter Dr. Ludwig RHOMBERG als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom 08.11.2017, OB XXXX betreffend Einziehung des Behindertenpasses zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin ist seit 11.08.2011 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
2. Die Beschwerdeführerin stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien (in der Folge als "belangte Behörde" bezeichnet).
Mit Bescheid des Sozialministeriumservice vom 15.03.2016 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 24.11.2015 auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung abgewiesen und festgestellt, dass der Grad der Behinderung weiterhin 50 v.H. betrage.
3. Die Beschwerdeführerin stellte am 27.03.2017 erneut bei der belangten Behörde einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung und legte ein Konvolut an Unterlagen und medizinischen Befunden vor.
4. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.09.2017 erstatteten Gutachten vom 11.09.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:
"...
Derzeitige Beschwerden:
‚Ich muss mich zweimal am Tag hinlegen, sonst schaffe ich den Tag nicht, kann nicht länger sitzen, nicht länger stehen. Habe starke Schmerzen im Bereich der Halswirbelsäule vom Kopf bis zum Kreuzbein. Die Hände sind in der Früh verkrampft, kann mich in der Früh ohne Tabletten kaum bewegen. Ich habe permanent Schmerzen, Kopfschmerzen, teilweise Migräneanfälle mit Erbrechen. Habe eine Appetitstörung, tlw. Gewichtsverlust von 2-3 kg. Habe Lustlosigkeit, muss 22 Tabl. am Tag nehmen. Lähmungen habe ich nicht, Gefühlstörungen im linken Kleinfinger, der Finger ist taub. Die Schmerzen von der Lendenwirbelsäule strahlen teilweise in den linken Oberschenkel aus, plötzlich einschießende heftige Schmerzen, sodass das linke Bein einsinkt. Bin regelmäßig zur Psychotherapie, habe TENS-Gerät'.
...
Klinischer Status - Fachstatus:
...
Wirbelsäule:
Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet. Mäßig bis deutlich Hartspann im Bereich der Schulter- und Nackenmuskulatur und paralumbal. Deutlich Berührungsschmerz über der gesamten HWS und LWS, mäßig im Bereich der BWS, ISG und Ischiadicusdruckpunkte sind frei.
Aktive Beweglichkeit:
HWS: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt beweglich
BWS/LWS: FBA: Kniegelenke werden erreicht unter Schmerzangabe in der LWS, Rotation und Seitneigen unter Schmerzangabe endlagig eingeschränkt
Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.
Gesamtmobilität - Gangbild:
Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen ohne Hilfsmittel, das Gangbild ist hinkfrei und unauffällig. Gesamtmobilität harmonisch, geringfügig verlangsamt, insgesamt im wesentlichen unauffällig.
Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.
...
Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:
Lfd. Nr.
Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden: Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:
Pos. Nr.
GdB %
1
Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Zustand nach PLIF L5/S1, Anschlussdegeneration L4/L5 Unterer Rahmensatz, da zwar mäßig eingeschränkte Beweglichkeit und mäßig Verspannungen bei chronischen Beschwerden, jedoch kein radikuläres Defizit objektivierbar.
02.01.02
30
2
Fructosemalabsorption und Lactoseintoleranz g.Z. Unterer Rahmensatz, da keine Beeinträchtigung des Kräfte- und Ernährungszustandes.
09.01.01
10
3
Zustand nach Entfernung der Gebärmutter
08.03.02
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v. H.
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Leiden 1 wird durch die weiteren Leiden nicht erhöht, da kein ungünstiges Zusammenwirken vorliegt.
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen erreichen keinen Grad der Behinderung:
Kniegelenk rechts zeigt unauffälligen Befund, daher keine Einstufung als behinderungsrelevantes Leiden.
Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:
Leiden 1 (Wirbelsäulenleiden) wird um 2 Stufen herabgesetzt, da im Rahmen der klinischen Untersuchung entsprechend der harmonischen Gesamtmobilität eine Verbesserung festgestellt werden konnte.
Leiden 2 (Fructosemalabsorption und Lactoseintoleranz) wird um eine Stufe herabgesetzt, da guter Ernährungszustand.
Leiden 3 wird unverändert eingestuft.
Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:
Der Gesamtgrad der Behinderung wird um 2 Stufen herabgesetzt, da eine Konsolidierung von Leiden 1 vorliegt.
..."
5. Mit Schreiben vom 13.09.2017 übermittelte die belangte Behörde der Beschwerdeführerin das Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 und räumte ihr die Möglichkeit ein, binnen drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme abzugeben.
6. Am 04.10.2017 brachte die Beschwerdeführerin eine Stellungnahme bei der belangten Behörde ein und legte diverse medizinische Unterlagen vor.
7. Die belangte Behörde holte in der Folge eine Stellungnahme der bereits befassten Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In der Gutachtensergänzung vom 02.11.2017 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt:
"...
Vorgelegte Dokumente:
Röntgen-LWS mit Funktionsaufnahmen vom 13.1.2016
....
Sämtliche weiteren Dokumente wurden bereits vorgelegt und im Gutachten berücksichtigt.
Stellungnahme:
Nach nochmaliger Durchsicht des gesamten Akteninhalts ist eine Änderung der Neueinstufung nicht möglich, da sämtliche einschätzungsrelevanten Funktionseinschränkungen entsprechend der vorgesehenen Höhe der EVO berücksichtigt wurden, insbesondere konnten im Bereich der Wirbelsäule kein maßgebliches Funktionsdefizit und kein neurologisches Defizit objektiviert werden. Eine relevante Funktionseinschränkung durch die geringgradige Beinlängendifferenz ist nicht objektivierbar."
8. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 08.11.2017 wurde gemäß §§ 41, 43 und 45 des Bundesbehindertengesetzes (BBG) festgestellt, dass die Beschwerdeführerin mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht mehr erfüllt. In rechtlicher Hinsicht zog die belangte Behörde § 43 Abs. 1 BBG heran, wonach der Behindertenpass bei Wegfall der Voraussetzungen einzuziehen ist. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens. Das Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 samt Gutachtensergänzung vom 02.11.2017 wurde der Beschwerdeführerin als Beilage übermittelt.
9. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 19.12.2017 fristgerecht eine als Einspruch bezeichnete Beschwerde und führte darin im Wesentlichen aus, dass sie die Herabsetzung des Grades der Behinderung nicht nachvollziehen könne und ihr Zustand sich verschlechtert habe. Die Beschwerdeführerin legte ihrer Beschwerde weitere medizinische Unterlagen bei.
10. Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 29.12.2017 vorgelegt.
11. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines bisher noch nicht befassten Facharztes für Orthopädie und orthopädische Chirurgie ein. In dem auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 28.02.2018 erstatteten Gutachten vom 21.03.2018 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (ergänzt um die Fragestellung des Bundesverwaltungsgerichtes):
"...
DERZEITIGE BESCHWERDEN:
Ich habe Beschwerden im gesamten Bewegungsapparat, besonders im Kreuz (Anmerkung: wortreiche Ausführungen und Wiederholungen, aber keine konkreteren Angaben); ich fühle mich erschöpft und ausgelaugt; ich habe auch Probleme mit der Ernährung.
Gefühlsstörungen: in beiden Händen (keine lokalisierbaren Angaben).
Lähmungen: keine
Gehleistung: ca. 1km
Stufensteigen: ca. 30 Stufen
VAS (visuelle Analogskala): 9
...
Klinischer Status - Fachstatus:
...
B) WIRBELSÄULE:
Im Lot; Schultergeradstand, Beckentiefstand li ca. -1cm;
Druckschmerz: nein; Klopfschmerz: nein; Stauchungsschmerz: nein;
Halswirbelsäule: in allen Ebenen endlagig eingeschränkt, Kinn-Jugulum-Abstand 1,5cm, Myogelosen und Hartspann des Trapezius beidseits;
Brustwirbelsäule: Ott 30/32cm, Rippenbuckel: nein
Lendenwirbelsäule: Schober 10/13cm, Seitneigung ein Drittel eingeschränkt, Lendenwulst nein, geringe li-konvexe skoliot. Fehlhaltung; keine Insuffizienz der Rückenmuskulatur; 11cm lange, blande Narbe von S1 nach proximal;
C) OBERE EXTREMITÄTEN:
Rechtshänderin
Nacken- und Kreuzgriff beidseits nicht eingeschränkt; muskuläre Verhältnisse unauffällig;
Durchblutung unauffällig;
Faustschluss, Grob- und Spitzgriff beidseits unauffällig;
Schulter: rechts links normal
Ante-/Retroflexion-150-0-40-150-0-40-160-0-40
Außen-/Innenrotation-40-0-80-40-0-80-50-0-90
Abduktion/Adduktion-150-0-40-150-0-40-160-0-40
Ellbogen:--rechts--links---normal
Extension/Flexion-5-0-140-5-0-140-10-0-150
Pronation/Supination-90-0-90-90-0-90-90-0-90
Handgelenk:--rechts---Links--normal
Extension/Flexion-50-0-50-50-0-50-60-0-60
Radial-/Ulnarduktion-30-0-40-30-0-40-30-0-40
Fingergelenke: beidseits frei und schmerzfrei beweglich
NEUROLOGIE obere Extremitäten:
Kraftgrad: 5
Sehnenreflexe: beidseits mittellebhaft;
Sensibilität: ungestört; unklare Hypästhesie li Kleinfinger ohne segméntale Zuordnung;
Tinnel-Hoffmann-Zeichen: beidseits + positiv;
...
GESAMTMOBILITÄT - GANGBILD:
Hilfsmittel: keines
Schuhwerk: Stiefel
Anhalten: erforderlich beim Aufstehen
An- und Auskleiden im Stehen: ohne Hilfe durchführbar
Transfer zur Untersuchungsliege/Wendebewegungen: selbständig
Hocke: beidseits angedeutet durchführbar
Gangbild: symmetrisch, raumgreifend, diskretes Schonhinken li
Schrittlänge: 1 SL
...
Ergebnis der durchgeführten fachärztlich-orthopädischen Begutachtung und Beantwortung der Fragen:
ad 1) Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung (GdB) für jede festgestellte Gesundheitsschädigung:
Einschätzung des Grades der Behinderung (EVO)
Lfd. Nr.
Pos. Nr.
GdB %
1
Wirbelsäule: degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Zustand nach Versteifung am lumbosacralen Übergang (Spondylodese, PLIF L5/S1), Anschlußdegeneration L4/5, chronischer Schmerzzustand; Unterer Rahmensatz, da eine mäßiggradig eingeschränkte Beweglichkeit und radiologische Veränderungen vorliegen, aber keine sensomotorischen Defizite bestehen.
02.01.02
30
2
Fructosemalabsorption und Lactoseintoleranz; Unterer Rahmensatz, da keine Beeinträchtigung des Allgemein- oder Ernährungszustandes vorliegt;
09.01.01
10
3
Zustand nach Entfernung der Gebärmutter; Fixer Rahmensatz
08.03.02
10
Gesamtgrad der Behinderung 30 v.H.
ad 2) Einschätzung und Begründung des Gesamt-GdB, wobei auch auf eine allfällige Erhöhung durch wechselseitige Leidensbeeinflussung eingegangen werden möge:
Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung:
Der Grad der Behinderung von Leiden 1 legt den Gesamtgrad der Behinderung fest. Durch Leiden 2 und Leiden 3 kommt es nicht zu einer Erhöhung, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung vorliegt.
ad 3) Stellungnahme, ab wann der GdB anzunehmen ist:
Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antrag vom 27.03.2017 anzunehmen.
ad 4) Stellungnahme zu den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und Befunden (Abl. 3-25):
Abl. 7 (2016/12; gleicher Befund wie Abl. 19): DZ XXXX , MRT BWS:
keine WK- Fraktur, KM-Ödem ventral Th8-10, shiny corner bei seronegativer Spondylarthropathie, kleiner reparamed. Prolaps ThlO/11 ohne Bedrängung neuronaler Strukturen;
Abl. 13 (2016/01): DZ XXXX , Rö LWS: Z.n. dorsaler Versteifung L5/S1, kein Materialbruch, li-konvexe Skoliose, keine WK-Einbrüche, keine Listhese; Rö Becken: keine Arthrosen, Beckenschiefstand re +1,5cm;
Abl. 17 (2017/01): DZ XXXX , MRT SIG: intraossäres Ganglion li Os sacrum, keine Arthrose, keine Entzündung, PLIF lumbosacraler Übergang
Abl. 18 (2017/01): XXXX , Rheuma-Ambulanz: Dg: degenerative WS-Veränderungen DD axiale SpA; Th: NSAR; Pc: Besprechung MRT;
Bis auf diese angeführten Befunde sind alle in dem mir vorliegenden Akt enthaltenen Unterlagen in den vorangehenden Gutachten erfasst worden.
Aus dem neuerlichen Studium aller dieser Unterlagen können keine neuen Erkenntnisse gewonnen werden.
ad 5) Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde (Abl. 55-56) und den
vorgelegten medizinischen Unterlagen (Abl. 50-52):
Die Beschwerde erfolgt ‚wegen Vernachlässigung relevanter ärztlicher Untersuchungsergebnisse und fehlender Diagnosen und Beschwerden des Krankheitsverlaufes'. Es folgt eine detaillierte Beschreibung der körperlichen und seelischen Missempfindungen und die Nichtakzeptanz der in den Gutachten vorgenommenen Leidenseinschätzungen.
Dazu ist anzumerken, dass die vorhandenen Befunde in den vorangegangenen und im jetzigen Sachverständigengutachten erfasst und in der Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung unter Einbeziehung der Schmerzzustände und der Therapienotwendigkeiten berücksichtigt sind.
Weiters wurde erfasst, dass die Beschwerdeführerin wegen der körperlichen Symptome bei einer großen Anzahl von Ärzten inklusive der Schmerzambulanz des XXXX in Behandlung war und ist.
Aus den vorliegenden Unterlagen im Akt geht jedoch nicht eindeutig hervor, ob die psychischen und seelischen Aspekte bisher ernsthaft in Angriff genommen wurden. Nur in einem Befund (Ablage 23, 2015/10, Befund Dr. XXXX ) wurden ein chronifiziertes Schmerzsyndrom und eine depressive Stimmungslage beschrieben.
Abl. 51-52: enthält nur eine Ambulanzkarte der Universitätsklinik für Anästhesie mit Terminen; Diagnosen und Therapievorschläge sind daraus nicht zu entnehmen.
Abl. 50 (2017/02): Befund Dr. XXXX , FA Orthopädie: Dg:
Anschlussdegeneration L4/5 bei Zustand nach Spondylodese L5/S1, Spondylolisthese L4/5, thorakolumbale Skoliose mit Osteochondrosen, Spondylosen und Spondylarthrosen, Cervikobrachialgie beidseits bei degenerativen Veränderungen der HWS, multisegmentale Discopathien gesamte WS, Depressio; die im MRT dargestellten Veränderungen der BWS als degenerative Kyphoskoliose zu werten, da alle weiteren Befunde negativ sind; Th: Kur oder Rehab, physikalische Therapie, Heilgymnastik, Vorstellung wegen Depressio;
Dieser Befund spricht nur für degenerative Veränderungen der Lendenwirbelsäule nach einer Versteifungsoperation und degenerativen Veränderungen der Halswirbelsäule ohne Vorliegen sensomotorischer Defizite.
ad 6) Begründung zu einer anfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 abweichenden Beurteilung:
Zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 11.09.2017 gibt es keine abweichende Beurteilung.
ad 7) Stellungnahme, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:
Aus fachärztlich-orthopädischer Sicht ist eine Nachuntersuchung nicht erforderlich."
12. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.03.2018 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, eine Stellungnahme dazu abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.
13. Am 27.03.2018 reichte die Beschwerdeführerin ein Protokoll der Schmerzambulanz des AKH Wien vom 10.01.2018 und ein Protokoll der allgemeinen Ambulanz des AKH Wien vom 31.01.2018 bzw. 14.03.2018 nach.
14. In einer Stellungnahme vom 29.04.2018 brachte die Beschwerdeführerin ihr Unverständnis über das Untersuchungsergebnis zum Ausdruck, wiederholte ihr Beschwerdevorbringen und gab an, an psychischen Problemen sowie an weißem Hautkrebs zu leiden. Befunde oder sonstige medizinische Unterlagen wurden nicht vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin ist seit 11.08.2011 Inhaberin eines unbefristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.
Die Beschwerdeführerin stellte am 27.03.2017 einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung bei der belangten Behörde.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde ausgesprochen, dass die Beschwerdeführerin mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 30 v.H. die Voraussetzungen für den Besitz eines Behindertenpasses nicht mehr erfülle. Der Behindertenpass wurde eingezogen.
Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern:
1) Degenerative Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Zustand nach Versteifung am lumbosacralen Übergang (Spondylodese, PLIF L5/S1), Anschlussdegeneration L4/5, chronischer Schmerzzustand mit mäßiggradig eingeschränkter Beweglichkeit und radiologischen Veränderungen, aber ohne sensomotorischen Defizite;
2) Fructosemalabsorption und Lactoseintoleranz ohne Beeinträchtigung des Allgemein- oder Ernährungszustandes;
3) Zustand nach Entfernung der Gebärmutter;
Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin bestehenden Funktionseinschränkungen, ihres Ausmaßes, medizinischer Einschätzung und wechselseitiger Leidensbeeinflussung werden die diesbezüglichen Beurteilungen im Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 21.03.2018 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.
Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt zum Entscheidungszeitpunkt 30 v.H.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Behindertenpass, zur Antragstellung und zum Gegenstand des angefochtenen Bescheides ergeben sich aus dem Akteninhalt.
2.2. Der festgestellte Gesamtgrad der Behinderung und die festgestellten Funktionseinschränkungen gründen sich auf das im Beschwerdeverfahren eingeholte Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 21.03.2018. Darin wird auf die Leiden der Beschwerdeführerin, deren Ausmaß und wechselseitige Leidensbeeinflussung vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.
Vom befassten Sachverständigen wurden die im verwaltungsbehördlichen Verfahren bzw. die anlässlich der Untersuchung vorgelegten Befunde einbezogen, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtung festgestellt werden konnte.
Der vorliegende Sachverständigenbeweis vom 21.03.2018 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen einer persönlichen Untersuchung sowie aufgrund der Aktenlage erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen); die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.
Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffene Einschätzung des Sachverständigen zu entkräften, tritt dem Sachverständigengutachten vom 21.03.2018 nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegen.
Auch die Einwendungen der Beschwerdeführerin im Rahmen der Beschwerde und der Stellungnahme sind nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen. Die Beschwerdeführerin vermochte insbesondere nicht darzulegen, wie sich wegen der bei ihr festgestellten Funktionseinschränkungen eine Erhöhung des Grades der Behinderung auf über 30 v. H. ergeben sollte.
Bei Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule sind allgemeine einschätzungsrelevante Kriterien etwa die Beweglichkeit und Belastbarkeit, Gelenksfunktionen, Funktionen der Muskel, Sehnen, Bänder und Gelenkskapsel, Messungen des Bewegungsradius, Entzündungsaktivität (Schmerzen, Schwellung) sowie Ausmaß der beteiligten Gelenke, Körperregionen und organische Folgebeteiligung. Bei radiologischen Befunden ist die Korrelation mit der klinischen Symptomatik für die Einschätzung relevant. Die konkrete Differenzierung zwischen Funktionseinschränkungen geringen, mittleren und schweren Grades wird insbesondere auch anhand der Häufigkeit und Dauer akuter Episoden, des Ausmaßes radiologischer und/oder morphologischer Veränderungen, des Vorliegens klinischer Defizite, des jeweiligen Therapie- und Medikationsbedarfs sowie des Ausmaßes der Einschränkungen im Alltag und Arbeitsleben vorgenommen.
Die Gesundheitsschädigungen im Bereich der Wirbelsäule wurden vom Sachverständigen in seinem Gutachten unter Leiden 1 "degenerative Wirbelsäulenveränderungen" berücksichtigt. Die Wahl der Positionsnummer 02.01.02 und des herangezogenen unteren Rahmensatzes von 30 v.H. wurde insbesondere damit begründet, dass bei der Beschwerdeführerin - trotz degenerativer Veränderungen der Hals- und Lendenwirbelsäule, Versteifung am lumbosacralen Übergang (Spondylodese, PLIF L5/S1) und einer Anschlussdegeneration in L4/4 - ohne sensomotorisches Defizit nur eine mäßiggradig eingeschränkte Beweglichkeit vorliegt. Der andauernde Therapiebedarf und die vorhandenen Schmerzzustände der Beschwerdeführerin werden hierbei ebenfalls entsprechend berücksichtigt. Darüber hinausgehende starke Schmerzzustände konnten weder anhand der Befunde noch der klinischen Untersuchung objektiviert werden.
Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule schweren Grades, die u.a. mit maßgeblichen Einschränkungen im Alltag einhergehen und daher auch einen höheren Grad der Behinderung begründen als im Fall der Beschwerdeführerin, konnten im Rahmen der persönlichen Untersuchung hingegen nicht festgestellt werden.
Die Einschätzungen des Sachverständigen stimmen mit dem auf Grundlage der persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten Untersuchungsbefund überein.
Betreffend die in der Beschwerde beschriebenen Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten ergibt sich aus dem vorliegenden orthopädischen Sachverständigengutachten schlüssig, dass der Faustschluss sowie der Grob- und Spitzgriff nicht eingeschränkt sind und ein Nacken- und Kreuzgriff bei ungestörter Sensibilität möglich sind. Die unklare Hypästhesie des linken Kleinfingers erreicht kein Ausmaß, welches zu einer behingerungsrelevanten Funktionseinschränkung führt.
Die Fructosemalabsorption und die Lactoseintoleranz ohne Beeinträchtigung des Allgemein- oder Ernährungszustandes wurden nachvollziehbar als Leiden 2 der Positionsnummer 09.01.01 mit dem unteren Rahmensatz von 10 v.H. zugeordnet.
Hinsichtlich des unter Leiden 3 berücksichtigten Zustandes nach Entfernung der Gebärmutter sieht Positionsnummer 08.03.02 einen fixen Rahmensatz (10 v.H.) vor.
Der Sachverständige begründet nachvollziehbar, dass der Gesamtgrad der Behinderung durch das führende Leiden 1 festgelegt wird, da keine relevante ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung durch Leiden 2 oder 3 besteht.
Die Beschwerdeführerin zeigt somit weder durch entsprechend aussagekräftige Befunde noch durch ein substantiiertes Vorbringen auf, dass eine höhere Einschätzung ihrer Leiden hätte erfolgen müssen.
Die Beschwerdeführerin hat am 27.03.2018 ein Protokoll der Schmerzambulanz des XXXX sowie ein Protokoll der allgemeinen Ambulanz des XXXX nachgereicht, die somit erst nach der Begutachtung vorlagen. Auf diese war wegen der im Bundesbehindertengesetz geltenden Neuerungsbeschränkung (s. Näheres dazu in den rechtlichen Erwägungen) jedoch nicht mehr einzugehen.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigenbeweises vom 21.03.2018. Dieser wird daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.
Zu Spruchteil A)
3.2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:
"§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder
2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder
3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.
(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.
(...)"
"§ 43. (1) Treten Änderungen ein, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, hat das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen diese zu berichtigen oder erforderlichenfalls einen neuen Behindertenpaß auszustellen. Bei Wegfall der Voraussetzungen ist der Behindertenpaß einzuziehen.
(2) Der Besitzer des Behindertenpasses ist verpflichtet, dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen binnen vier Wochen jede Änderung anzuzeigen, durch die behördliche Eintragungen im Behindertenpaß berührt werden, und über Aufforderung dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen den Behindertenpaß vorzulegen."
"§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.
(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.
(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.
(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
(...)"
3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:
"Grad der Behinderung
§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.
(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.
(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen."
"Gesamtgrad der Behinderung
§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.
(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.
Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.
(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn
-
sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,
-
zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.
(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine."
3.4. Die Anlage zur Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sieht - soweit für den Beschwerdefall relevant - auszugsweise Folgendes vor (geringfügige Formatierungsänderungen durch das Bundesverwaltungsgericht):
"02.01 Wirbelsäule
...
02.01.02 Funktionseinschränkungen mittleren Grades
30 - 40 %
Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen, andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika, Beispiel:
Band-scheibenvorfall ohne Wurzelreizung (pseudoradikuläre Symptomatik)
30 %: Rezidivierende Episoden (mehrmals pro Jahr) über Wochen andauernd, radiologische Veränderungen
andauernder Therapiebedarf wie Heilgymnastik, physikalische Therapie, Analgetika
40 %: Rezidivierend und anhaltend, Dauerschmerzen eventuell episodische Verschlechterungen, radiologische und/oder morphologische Veränderungen
maßgebliche Einschränkungen im Alltag
09.01 Endokrine Störung
...
09.01.01 Endokrine Störungen leichten Grades
10 - 40 %
Wenn therapeutische Maßnahmen die Aufrechterhaltung der Körperfunktionen gewährleisten
10 - 20%:
Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Keine bis geringste Entgleisungswahrscheinlich-keit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der Substitutions-, Inhibitionstherapie ist sehr gut. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitestgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist nicht oder wenig eingeschränkt
30 - 40%:
Medikamentöse Substitution/Inhibition gut einstellbar. Geringe Entgleisungswahrscheinlichkeit. Subjektive Wahrnehmbarkeit bei beginnender medikamentöser Überdosierung/Unterdosierung der
Substitutions-, Inhibitionstherapie ist gut bis mäßig. Die Erkrankung ist weitgehend stabil, Alltagsleben ist weitgehend ungehindert möglich, Freizeitgestaltung ist gering eingeschränkt.
08.03 Weibliche Geschlechtsorgane
...
08.03.02 Fehlbildung, Fehlen, Entfernung der Gebärmutter 10 %"
3.6. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall - wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm - nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller frei steht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023; 20.05.2015, 2013/11/0200).
3.7. Zur Anwendung der Neuerungsbeschränkung des § 46 BBG
3.7.1. Mit der Novelle BGBl. I 57/2015 hat der Gesetzgeber für Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz (§ 46 BBG) ein - eingeschränktes - Neuerungsverbot eingeführt, das in den Gesetzesmaterialien als "Neuerungsbeschränkung" bezeichnet wird. Nach dem im Beschwerdefall anwendbaren § 46 dritter Satz BBG dürfen in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.
Die Einführung der Neuerungsbeschränkung erfolgte mit der gleichen Gesetzesnovelle, mit der auch eine (vom VwGVG abweichende) Verlängerung der dem Sozialministeriumservice eingeräumten Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung festgelegt wurde. Aus den parlamentarischen Materialien folgt, dass der Gesetzgeber zwischen der Schaffung großzügigerer Möglichkeiten der Erlassung von Beschwerdevorentscheidungen einerseits und der Beschränkung neuer Tatsachen und Beweise im verwaltungsgerichtlichen Verfahren einen unmittelbaren Zusammenhang ("im Gegenzug") gesehen hat. Die Regierungsvorlage erläutert dies wie folgt (527 BlgNR 25. GP, 4-5):
"In der Praxis hat sich gezeigt, dass neu vorgelegte medizinische Befunde und die oftmals erforderliche Beiziehung von neuen Sachverständigen häufig einen zeitnahen Abschluss der Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wesentlich erschweren. Es soll daher die derzeit für Beschwerdevorentscheidungen vorgesehene zweimonatige Entscheidungsfrist auf zwölf Wochen verlängert werden. Hierdurch bleibt es einerseits Menschen mit Behinderung unbenommen, im Verfahren vor dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen bzw. in einer allfälligen Beschwerde gegen einen Bescheid alle Tatsachen und Beweismittel vorzubringen. Außerdem wird es dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ermöglicht in erster Instanz eine fundierte Entscheidung zu treffen, sodass die Menschen mit Behinderung durch eine gesamt zu erwartende kürzere Verfahrensdauer schneller zu ihrem Recht kommen. Im Gegenzug soll eine auf das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht begrenzte Neuerungsbeschränkung geschaffen werden. ..."
Im Gesetzeswortlaut ("in Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht") kommt zum Ausdruck, dass die Neuerungsbeschränkung nicht für das Beschwerdeverfahren als Ganzes (d.h. einschließlich des behördlichen Beschwerdevorverfahrens), sondern erst ab dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (somit ab Vorlage an das Bundesverwaltungsgericht und somit nicht bereits im behördlichen Beschwerdevorverfahren) gelten soll. Neuerungen, die bereits in der Beschwerde vorgebracht werden, sind daher von vornherein nicht von der Beschränkung erfasst und können (müssen) auch vom Bundesverwaltungsgericht noch berücksichtigt werden. Besonders klar kommt die entsprechende Gesetzesintention im Ausschussbericht (564 BlgNR 25. GP) zum Ausdruck, wo es heißt:
"Der Ausschuss für Arbeit und Soziales stellt dazu fest, dass dieses Neuerungsverbot nur unmittelbar für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht, nicht jedoch für die Beschwerdevorentscheidung gilt. Weiters geht der Ausschuss davon aus, dass das Sozialministeriumsservice die Möglichkeit der Beschwerdevorentscheidung einschließlich einer allfälligen Beweisergänzung im Sinne einer sozialen Rechtsanwendung und der Verfahrensökonomie nutzen wird, auf jeden Fall jedoch bei Vorbringen neuer Tatsachen oder Beweismittel in der Beschwerde eine Beschwerdevorentscheidung zu ergehen hat."
3.7.2. Eine weitere Einschränkung des Neuerungsverbots ergibt sich aus dem Wesen des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes und dem Rechtsstaatsprinzip (vgl. zu dem Ganzen betreffend § 19 Abs. 1 BEinstG z.B. BVwG 26.01.2016, I402 2115648-1/10E): Unterlässt es die Behörde, ein vollständiges Verfahren zu führen, darf das Neuerungsverbot nicht so verstanden werden, dass es auch diesbezüglich den Weg der gebotenen Bereinigung des Mangels mittels ergänzender Ermittlungen des Verwaltungsgerichtes versperrt. Der Verfassungsgerichtshof ging bei der Beurteilung der Verfassungskonformität eines Neuerungsverbots im Berufungsverfahren von folgenden Überlegungen aus (VfSlg. 17.340/2004 zur AsylG-Novelle 2003, BGBl. I 101/2003): "Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs erfordert das Rechtsstaatsprinzip, dass ein Verfahren in der Weise gestaltet sein muss, dass es gewährleistet, letztlich zu einem rechtlich richtigen Ergebnis zu führen. Dabei kann die Verfassungsmäßigkeit von Beschränkungen im Rechtsmittelverfahren nicht rein abstrakt für alle denkbaren Fälle beurteilt werden. Beschränkungen, die bloß dazu führen, die Parteien zu einer Mitwirkung an der raschen Sachverhaltsermittlung zu verhalten, stehen im Allgemeinen der Effektivität des Rechtsschutzes nicht entgegen. Es liegt schließlich in der Hand der Parteien selbst, effektiv am Verfahren mitzuwirken und ihr Vorbringen ehestens umfangreich und rechtzeitig zu erstatten, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Voraussetzung ist aber die Gewähr, dass die Partei im Verfahren tatsächlich eine solche Möglichkeit effektiv wahrnehmen kann." Daraus folgt, dass eine Auslegung der Neuerungsbeschränkung in der Weise geboten ist, dass im Verfahren der Verwaltungsbehörde unterlaufene Verfahrensmängel vom Verwaltungsgericht jedenfalls ohne Rücksicht auf die Neuerungsbeschränkung korrigiert werden können (müssen).
Das Protokoll der Schmerzambulanz des XXXX sowie das Protokoll der allgemeinen Ambulanz des XXXX , welche die Beschwerdeführerin am 27.03.2018 und somit erst nach Fertigstellung des vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachtens vorgelegt hat und die daher in diesem Gutachten keine Berücksichtigung mehr finden konnten, unterliegen der Neuerungsbeschränkung, was im Ergebnis dem Zweck dieser Regelung, wie er aus der Regierungsvorlage hervorgeht, entsprechen dürfte. Die Beschwerdeführerin hat jedoch die Möglichkeit, diese medizinischen Unterlagen - sollte sie dar