TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/2 W196 2139782-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.08.2018
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Entscheidungsdatum

02.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W196 2139782-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Maga. Ursula SAHLING als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Somalia, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.10.2016, Zl. 1082089302-151056007, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 07.06.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1 und 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3 und 57 AsylG, § 9 BFA-VG, §§ 46, 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Somalia, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 10.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Am 11.08.2015 wurde der Beschwerdeführer einer Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes unterzogen, wobei er angab, dem Clan der Madhiban anzugehören und in Äthiopien geboren worden zu sein. Er sei äthiopischer Staatsangehöriger. Er spreche Somalisch und habe moslemischen Glauben. Zu seinen familiären Verhältnissen gab der Beschwerdeführer an, dass er seit ca. 2012 innerhalb der Familie und nicht vor einem Gericht geschieden sei. Seine Mutter, sein zweijähriger Sohn sowie seine beiden Brüder, seine fünf Schwestern sowie weitere sechs Halbschwestern würden in Äthiopien leben. Im Mai 2015 hab er den Entschluss zur Ausreise gefasst und habe er im Juni 2015 Äthiopien verlassen. Im Juni 2015 sei er ausgehend von Gashamo, Äthiopien, mit einem Geländewagen bis Adis Abeba und zu Fuß bis in den Sudan, von dort er schlepperunterstützt nach Griechenland und von dort nach Italien bis nach Österreich gereist.

Zu seinem Fluchtgrund brachte der Beschwerdeführer vor, dass seine Familie Unterstützer der Untergrundrebellen "ONLF" seien, welche gegen die äthiopische Regierung kämpften. Zuerst seien sie von der äthiopischen Regierung verfolgt worden und hätten sie seinen Vater umgebracht. Die "ONLF" habe den Beschwerdeführer aufgefordert sich ihnen anzuschließen. Er habe jedoch abgelehnt. Die äthiopische Regierung habe den Beschwerdeführer und seine Geschwister verdächtigt, verfolgt bzw. gesucht und demjenigen, der sie auffinde, Geld versprochen. Was er im Falle einer Rückkehr befürchte, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Vater von "ONLF" getötet worden sei. Da er sich nicht anschließen habe wollen, würde er von "ONLF" verfolgt. Er sei zwischen die Fronten geraten.

Nach Zulassung seines Verfahrens erfolgte am 18.10.2016 eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl. Der Beschwerdeführer gab eingangs an, sich psychisch und physisch zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen, er habe bislang wahrheitsgemäße und vollständige Angaben getätigt. Er sei gesund, stünde nicht in ärztlicher Behandlung und nehme keine Medikamente ein. Der Beschwerdeführer sei somalischer Staatsangehöriger, sei aber in Äthiopien geboren und habe er in Gashamo gelebt. Seine Eltern seien somalische Staatsangehörige und sei er deswegen ebenfalls somalischer Staatsangehöriger.

Zu seinem Leben in Äthiopien brachte er vor, dort als Kellner gearbeitet zu haben. Sein letzter Arbeitstag sei im Juni 2015 gewesen. Seine Familie lebe nach wie vor in Äthiopien, wobei kein aufrechter Kontakt zu seinen Angehörigen bestünde. Dezidiert zu seinen Fluchtgründen befragt, brachte der Beschwerdeführer im Rahmen der freien Erzählung zusammengefasst vor, dass sein Vater Mitglied der "ONLF" gewesen sei. Er sei von der Regierung ermordet worden, weil er gegen sie gekämpft habe. Die "ONLF" habe mit dem Beschwerdeführer Kontakt aufgenommen und hätten sie vom Beschwerdeführer gewollt, da sein Vater Mitglied gewesen sei, dass auch er sich anschließe. Der Beschwerdeführer habe abgelehnt sich anzuschließen, da er nicht gegen die Regierung habe kämpfen wollen. Daraufhin sei er bedroht und ihm gesagt worden, dass er die Funktion seines Vaters übernehmen solle, andernfalls würde es Probleme geben. Als er abgelehnt habe, sei er entführt worden. Die Regierung habe erfahren, dass der Beschwerdeführer entführt worden sei und habe gewusst, dass sein Vater gegen die Regierung gekämpft habe und die Familie regierungsfeindlich eigestellt sei. Daraufhin habe die Regierung behauptet, dass auch der Beschwerdeführer bei "ONLF" sei und gegen die Regierung kämpfe. Dann seien sie von der Regierung beobachtet worden und habe der Beschwerdeführer davon gehört, dass von der Regierung eine Prämie ausgesetzt worden sei, die auf eine Festnahme abgezielt habe. Am 20.04.2015 sei er von "ONLF" zehn Tage lang entführt worden. Im Mai 2015 sei der Beschwerdeführer weggelaufen, habe seine Freiheit erlangt und den Entschluss zur Ausreise gefasst. Er habe sich innerhalb seines Ortes versteckt, den er im Juni 2015 verlassen habe. Die Fragen zu einer etwaigen Rückkehr nach Mogadischu, Somalia, befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er nicht nach Mogadischu gehöre. Sie würden ihn auch in Mogadischu finden, er wäre auch in Mogadischu in Gefahr. Auf die Frage, ob der Beschwerdeführer schon einmal in Erwägung gezogen habe nach Somalia zurückzukehren, zumal er die somalische Staatsbürgerschaft besitze und in Somalia nie verfolgt bzw. bedroht worden sei, gab er an, dass er zu einem Clan gehöre, wo er hingehe, würde er verfolgt. Die Fragen, ob der Beschwerdeführer jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden seine Heimatlandes Somalia gehabt habe verneinte er dezidiert. Zu seiner Integration in Österreich befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, er versuche sich zu integrieren und Deutsch zu lernen, was er nachweisen könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. dieses Bescheides wurde der Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Somalia gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Ferner wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung nach Somalia gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV. wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Die Behörde stellte die Staatsangehörigkeit, Religion und Volksgruppenzugehörigkeit, nicht jedoch die präzise Identität des Beschwerdeführers fest. Festgestellt werde, dass der Beschwerdeführer ein junger und arbeitsfähiger Mann sei. Er leide weder an einer schweren körperlichen oder ansteckenden Krankheit, noch leide er an einer schweren psychischen Störung, welche bei einer Rückkehrentscheidung eine unzumutbare Verschlechterung des Gesundheitszustandes bewirken würde. Nicht festgestellt werden habe können, dass der Beschwerdeführer sein Heimatland aus wohlbegründeter Furcht vor Verfolgung verlassen habe. Desweitern habe nicht festgestellt werden können, dass dem Beschwerdeführer im Fall einer Rückkehr in seinen Heimatstaat eine Gefährdung durch die Polizei, staatliche Organe, Behörden, Privaten oder eine sonstige Gefährdung seiner Person drohe. Zudem könne der Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr Unterstützung durch vor Ort tätige Organisationen und Vereine bekommen und würde er nicht in eine wirtschaftliche oder finanzielle ausweglose Lage geraten. Zu seinem Privat- und Familienleben folgerte die Behörde, dass der Beschwerdeführer geschieden sei. Er habe einen Sohn und halte sich seit August 2015 in Österreich auf. Er habe keine familiären Beziehungen in Österreich oder soziale Kontakte, die ihn an Österreich binden würden, vorgebracht. Er beziehe Leistungen aus der Grundversorgung, spreche nicht sonderlich gut Deutsch und verfüge er über kein Eigentum. Die Familie des Beschwerdeführers sei in Äthiopien aufhältig.

Der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid ist zu entnehmen, dass die Identität des Beschwerdeführers mangels Vorlage von Identitätsdokumenten nicht festgestellt werden habe können. Die Feststellungen zu seiner Herkunft würden sich aus den Sprach- und Ortskenntnissen des Beschwerdeführers und würden sich die Feststellungen zu seiner Volksgruppen- sowie zu seiner Religionszugehörigkeit, zu seinem Familienstand und zu seinem Gesundheitszustand aus seinen diesbezüglichen gelichbleibenden und glaubhaften Angaben im Zuge seiner Einvernahme ergeben. Der Beschwerdeführer habe zwar im Rahmen der Erstbefragung angegeben äthiopischer Staatsangehöriger zu sein, dies habe er jedoch im Zuge der Befragung am 18.10.2016 richtiggestellt und seien die vom Beschwerdeführer zu diesem Themenkomplex getätigten Angaben glaubhaft gewesen, weshalb seine somalische Staatszugehörigkeit festgestellt werden habe können. Zu den Gründen für das Verlassen seines Herkunftsstaates folgerte die Behörde im Wesentlichen, dass ihm als Staatsangehöriger von Somalia aufgrund seiner Zugehörigkeit zu den Madhiban keine Verfolgung drohe. Ebenso wenig habe sich eine Verfolgung in Somalia aus anderen Gründen der Genfer Flüchtlingskonvention ergeben. Der Beschwerdeführer habe den Großteil seines Lebens in Äthiopien, Gahsamo, verbracht und sei dort sozialisiert worden. Demnach bestehe keine individuelle Verfolgungssituation durch oder im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers.

In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Spruchpunkt I. unter Verweis auf die Erörterungen im Rahmen der Beweiswürdigung, dass dem Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen behaupteten Verfolgungsgründen die Glaubwürdigkeit abzusprechen sei, weshalb er eine Verfolgung aus dem in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht glaubhaft machen habe können. Auch von Amts wegen habe eine derartige Verfolgung - vor allem vor dem Hintergrund, dass der Beschwerdeführer nie in Somalia aufhältig gewesen sei, er dort keinerlei Nachteile oder Bedrohungen in Somalia erlebt habe - nicht festgestellt werden können. Zu Spruchpunkt II. wurde zusammengefasst ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keine individuelle, konkret gegen ihn gerichtete Gefahr einer Verfolgung glaubhaft machen habe können. Auch habe eine konkret allgemeine Gefahrenlage hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage in Mogadischu nicht festgestellt werden können. Laut dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation sei die Sicherheitslage in Mogadischu unverändert stabil und deutlich ruhiger. Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers hätten sich auch keine Anhaltspunkte ergeben, dass sich die allgemeine Sicherheitslage für den Beschwerdeführer zu einer existenziellen Gefährdung bei einer Rückführung nach Somalia führen würden. Zu Spruchpunkt III. führte das Bundesamt im Wesentlichen aus, dass sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, die die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" gemäß § 57 AsylG rechtfertigen würden. Der Beschwerdeführer habe weder Verwandte, Familienangehörige oder Lebenspartner in Österreich, sodass davon auszugehen sei, dass er in Österreich kein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK führe. Seine familiären Anknüpfungspunkte würden sich in Äthiopien befinden. Der Beschwerdeführer sei seit August 2015 in Österreich aufhältig und spreche bereits die kurze Aufenthaltsdauer gegen das Vorhandensein von Bezugspersonen in Österreich. Auch sei kein schützenswertes Privatleben im Zuge des Verfahrens hervorgekommen noch habe der Beschwerdeführer ein solches behauptet.

Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht amtswegig ein Rechtsberater zur Seite gestellt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner ausgewiesenen Vertretung am 11.11.2016 fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Begründend wurde im Wesentlichen erneut vorgebracht, dass die Familienmitglieder des Beschwerdeführers seit jeher Unterstützer der Rebellenorganisation "ONLF" gewesen seien. Sein Vater sei deswegen von der äthiopischen Regierung umgebracht worden. Deswegen sei er von diesen entführt worden. Er werde auch wegen der Nähe seiner Familie zu "ONLF" vom äthiopischen Staat verfolgt. Zudem habe die Behörde zu wenige Ermittlungen zum Herkunftsland und der dortigen Situation angestellt. Zudem sei sich die Behörde nicht sicher gewesen, woher der Beschwerdeführer tatsächlich stamme. Auch der Beschwerdeführer habe seine somalische Staatsangehörigkeit lediglich nur vermutet.

Am 07.06.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Zuhilfenahme eines geeigneten Dolmetschers für die Sprache Somalisch statt, an der der Beschwerdeführer teilnahm.

Der Befragung des Beschwerdeführers sind folgende verfahrensrelevanten Passagen zu entnehmen:

R: Was war das Problem, das Sie von Äthiopien weg sind.

BF: Mein Vater war Mitglied der ONLF, er war gegen die Regierung, er war Soldat von ONLF und hat an der Front gekämpft.

R: Ich habe eine Bitte, nehmen Sie ein Blatt und zeichnen das Logo der ONLF?

BF: Mit Zeichnen kenne ich mich nicht aus, ich habe nichts gelernt und ich kann mich nicht erinnern. Die Uniform kann ich schon beschreiben. In der Mitte gibt es einen Stern, ich kann mich nicht gut erinnern.

R: Das ist der Grund warum Sie her gekommen sind, wenn Sie sich nicht erinnern ist das komisch. Sie haben fünf Schwestern, zwei Brüder und sechs Halbschwestern? Von wem sind die Halbschwestern?

BF: Ja, die sind von der Mutter. Als der Vater getötet wurde, hat die Mutter dann geheiratet.

R: Die Mutter hat 13 Kinder zur Welt gebracht?

BF: Nein 14. Mit mir.

R: Die wohnen alle in Gashamo?

BF: Nein, zuletzt nur die Schwestern und die Mutter.

R: zu dem anwesenden Freund: Sie sind nicht der Cousin der in Österreich ist?

Anwesender Freund: Nein.

BF: Nein.

R: Wieso wissen Sie nicht wo der wohnt? Der Herr Fuuji?

BF: Ich weiß es nicht.

R: Was wissen Sie nicht?

BF: Nein, ich habe niemanden hier, ich weiß nicht wer dieser Cousin,...

R: Zur Flucht. Was ist passiert? Ihr Vater hat gegen die Regierung gekämpft? Was ist das Problem?

BF: Nachdem Tod meines Vaters hat die ONLF versucht mich zu rekrutieren.

R: Wie kam der Vater um?

BF: In einer Auseinandersetzung zwischen den äthiopischen Soldaten und der ONLF.

R: Wann war das? Wie alt waren Sie?

BF: Ich war noch klein, zirka sechs oder sieben Jahre alt.

R: Wo war der Kampf?

BF: In Gashamo.

R: Die wollten, dass Sie sich anschließen? Wie ist das passiert? Wer aus der Familie war noch ein Unterstützer? Die Brüder auch?

BF: Nicht die ganze Familie, nur der Vater war ein Mitglied. Die anderen waren auch keine Anhänger.

R: Wie hat das ausgesehen, als die ONLF gekommen ist? Schildern Sie. Wer kam? Wie alt waren Sie?

BF: Es war im Mai 2015. Ich war am Stadtrand, Sie sind zu mir gekommen und sagten, sie wollen, dass ich mitgehe.

R: Wer ist Sie? Wer kam?

BF: Ein ONLF Mitglied namens Achmed. Er war normal gekleidet, wie ein Zivilist. Er wollte, dass ich mitkomme und für die ONLF kämpfe. "Wir kämpfen gegen die Regierung und wollen, dass unser Land selbstständig wird." Er sagte mir, mein Vater hat auch für sie gekämpft, er wollte, dass das Land frei wird. Nach seinem Tod sollte ich an seiner Stelle kämpfen. Ich habe das abgelehnt und gesagt, dass ich nicht dort sterben will, wie mein Vater. So hat mein Vater sein Leben verloren, ich wollte nicht, dass mir das passiert.

R: Die zwei andere Brüder, 22 und 14 Jahre, waren keine Kämpfer?

BF: Die zwei sind vermisst, man weiß nicht wo sie sich befinden.

R: Seit wann sind sie vermisst?

BF: Es ist lange her. Sie waren jung, als sie weggegangen sind. Es war Abend,. Als der Mann zu mir kam, ich habe mich geweigert, danach ist der Mann gegangen. Dann habe ich angefangen in einem Teehaus zu arbeiten. Dieses Teehaus liegt auch am Stadtrand. Ich habe diese Arbeit aufgenommen, im Teehaus, nach zehn Tagen sind sie zu mir, mit einem Auto gekommen. Es waren ONLF Soldaten, sie haben mich dann mitgenommen. Sie haben mich dann ins Freie gebracht, dort wo Buschland war, außerhalb der Stadt, dort war ihr Camp. Dort haben sie mich in ihr Lager gebracht, ich durfte nicht weggehen, nach zehn Tagen. Ich konnte in der Nacht nicht schlafen, ich hatte Angst, dass sie mich töten.

R: Wieso töten? Sie wollten ja, dass Sie kämpfen?

BF: Stimmt. Weil ich gegen ihren Befehl verstoßen habe. Sie haben mir gesagt, wenn ich mich weiter weigere und ihre Befehle nicht befolge, werden sie mich töten. Am zehnten Tag um zirka neun am Abend, nachdem die ONLF Soldaten geschlafen haben, bin ich geflüchtet. Ich habe meine Schuhe mit den Händen genommen und bin geflüchtet. Ich bin zu Fuß weggelaufen zu einem Dorf namens XXXX . Zwei Nächte habe ich dort verbracht. Dann hatte ich Angst dort weiter zu bleiben. Es ist ein kleines Dorf man kann leicht auffallen, die ONLF wird mich dort erwischen, dann bin ich nach Gashamo zurück.

R: Die zwei Nächte haben sie unter einem Baum gesessen? Waren Sie in einem Zelt? Was haben Sie gemacht?

BF: Ich habe die Nächte bei Nomaden verbracht. Dort habe ich mich versteckt. Dann bin ich nach Gashamo. Ich bin nicht nach Hause gegangen, ich bin zu Freunden von mir gegangen, die auch am Stadtrand wohnen. Dann habe ich wieder im Teehaus zu arbeiten begonnen. Um sieben Uhr am Abend habe ich immer begonnen zu arbeiten. Dann, eines Abends, als ich nach der Arbeit unterwegs war, ich wollte zu einem Geschäft, mir etwas kaufen. Dann habe ich meine Mutter dort auf der Straße gesehen. Dann hat meine Mutter mir erzählt, ich werde gesucht, die äthiopische Regierung sucht nach mir. Sie haben herausgefunden, dass mein Vater ein ONLF Mitglied war, andererseits sucht auch die ONLF nach mir. Die äthiopische Regierung hat den Leuten versprochen Geld zu geben, wenn sie mich oder ein Familienmitglied von mir übergeben. Meine Mutter sagte mir, ich solle flüchten um mein Leben zu retten, nachdem ich von beiden Seiten gesucht werde, mein Leben ist jetzt in Gefahr, dann habe ich beschlossen, das Land zu verlassen. Am 1. Juni 2015 habe ich das Land verlassen.

R: Über Adis Abeba?

BF: Mit einem LKW.

R: Wohin ist der LKW gefahren?

BF: Jigjiga, in der Nacht. Ich hatte Angst und heimlich in der Nacht die Stadt verlassen.

R: Was war in Jigjiga?

BF: Von Jigjiga mit einem LKW nach Adis Abeba. Dort habe ich einen Schlepper gesehen, der Schlepper hat mich dann mit anderen Flüchtlingen weiter geschickt. Dann über den Sudan bis Richtung Libyen.

R: Mit dem LKW?

BF: Nein, der LKW brachte uns bis an die sudanesische Grenze, über die Grenze, dort gab es einen Fluss, sind wir zu Fuß rübergegangen, dann auf einen Berg, mit einem kleinen Transporter, der hat uns nach Libyen gebracht. So sind wir nach Libyen gekommen.

R: Haben Sie noch Kontakt mir Ihrer Mutter? Oder mit irgendjemanden aus der Familie?

BF: Nein, die Familie hatte keine Handys. Sie kennen sich nicht aus.

R: Sonst kann man nicht telefonieren? Sie haben auch kein Handy?

BF: Doch, ich habe erst hier gelernt, wie man es bedient.

R: Wieso sind Sie nach Europa und nicht nach Somalia geflüchtet?

BF: In Somalia selbst herrschen Probleme. Ich hatte Angst, dass ich in Somalia auch erwischt werde von der äthiopischen Regierung und der ONLF. Ja, ich habe von anderen Somaliern gehört, wie es dort ist. Es gibt viele Leute die von der äthiopischen Regierung, nach Somalia geflüchtet sind, sie wurden ausgeliefert und sind am Ende im Gefängnis gestorben.

R: Ich gehe davon aus, dass Sie Somalia sind, und dass Somalia für Sie sicher ist.

BF: Ja, ich bin Somalier, aber geboren bin ich in Äthiopien.

R: Jeder der somalische Eltern hat ist Somalier. Sie sagen auch, Sie sind Somalier.

BF: Ja.

R: Was befürchten Sie, wenn Sie nach Somalia zurückmüssten?

BF: In Somalia werde ich nicht gerettet sein. Ich werde getötet oder dort festgenommen und ausgeliefert.

Der Beschwerdeführer legte folgende Unterlagen im Laufe des Verfahrens vor:

* Bestätigung betreffend Besuch eines "Sprachcafes" seit Mai 2016 mit Datumsangabe: vom 20.07. ohne Angabe einer Jahreszahl;

* Teilnahmebestätigung vom 02.06.2016 betreffend die Teilnahme am Deutschkurs für Alphabetisierung im Zeitraum von Februar bis Juni 2016 im Ausmaß von wöchentlich zwei Stunden;

* Teilnahmebestätigung vom 12.10.2016 betreffend die Teilnahme des Beschwerdeführers an einer Deutsch-Lerngruppe im Zeitraum von 02.06.2016 bis 09.08.2016 an 15 Terminen zu je zwei Stunden;

* Bestätigung vom Obmann eines Sportvereins vom 03.07.2017

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Somalia, gehört der Volksgruppe der Madhiban an und bekennt sich zum moslemischen Glauben. Seine Identität steht nicht fest. Er ist in Äthiopien geboren und aufgewachsen. Vor seiner Ausreise lebte der Beschwerdeführer in Gashamo, Äthiopien. Der Beschwerdeführer war traditionell verheiratet, ist seit 2012 geschieden und hat einen Sohn. In Äthiopien leben seine Familienmitglieder, Mutter, Sohn, Brüder, Schwestern und Halbgeschwister, Onkeln und Tanten, zu denen kein Kontakt besteht. Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.08.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Nicht als Sachverhalt zugrunde gelegt werden sämtliche Angaben des Beschwerdeführers zur behaupteten Bedrohungssituation in Bezug auf den Herkunftsstaat Somalia. Insbesondere wird nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung von Seiten des somalischen Staates aufgrund der behaupteten Tätigkeit seines Vaters für die Rebellenorganisation ONLF (= Ogaden National Liberation Front) bzw. aufgrund seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Familie ausgesetzt ist, die asylrelevante Intensität erreicht. Ebenso wenig wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner Weigerung, der "ONLF" beizutreten, einer konkreten Verfolgung bzw. Bedrohung ausgesetzt ist, die asylrelevante Intensität erreicht. Der Beschwerdeführer hat mit seinem Vorbringen keine Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention glaubhaft gemacht.

Nicht festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer aus Gründen seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen Gruppe und/oder seines Clans bzw. seiner Glaubensrichtung oder aus sonst in seiner Person gelegenen Gründen (etwa wegen der Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Gesinnung) einer asylrelevanten Gefährdung ausgesetzt wäre. Auch eine drohende asylrelevante Verfolgung aus anderen Gründen ist nicht hervorgekommen und zwar weder aufgrund des Vorbringens des Beschwerdeführers noch aus amtswegiger Wahrnehmung.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer gesund ist.

Nicht festgestellt wird, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Mogadischu eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Bei einer Rückkehr nach Mogadischu, besteht für den Beschwerdeführer als gesunden leistungsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine Bedrohungssituation und liefe der Beschwerdeführer auch nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

Nicht festgestellt werden kann, dass eine ausgeprägte und verfestigte Integration des Beschwerdeführers in Österreich vorliegt. Der unbescholtene Beschwerdeführer lebt seit Antragstellung am 10.08.2015 auf der Grundlage einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz in Österreich. Ein nicht auf das Asylgesetz gestütztes Aufenthaltsrecht ist nicht ersichtlich. Der Beschwerdeführer bestreit seinen Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer hat Deutschkurse bzw. an Deutsch-Lerngruppen teilgenommen. Weitere Aus- und/oder Fortbildungen hat der Beschwerdeführer nicht absolviert. Der Beschwerdeführer engagiert sich gelegentlich unentgeltlich in einem Sportverein, wo er selbst mittrainiert. Der Beschwerdeführer verfügt über keine verwandtschaftlichen Bezugspunkte im Bundesgebiet. Es liegen keine sonstigen Hinweise auf eine besonders ausgeprägte und verfestigte Integration hinsichtlich des Privat- und Familienlebens des Beschwerdeführers in Österreich vor. Es können keine nennenswerten Anknüpfungspunkte sozialer oder wirtschaftlicher Natur zu Österreich festgestellt werden.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor. Es konnten keine Umstände festgestellt werden, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Somalia gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

1.2. Zur aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers wird auf die dem Beschwerdeführer anlässlich der Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Kenntnis gebrachten Länderberichte verwiesen (Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Somalia, Stand 03.05.2018), aus welchen sich die verfahrensgegenständlich relevante Lage ergibt. Diese stellt sich auszugsweise wie folgt dar:

Neueste Ereignisse - Integrierte Kurzinformationen

KI vom 3.5.2018: Überdurchschnittliche Niederschläge, bessere Versorgungssicherheit prognostiziert (betrifft: Abschnitt 21/Grundversorgung und Abschnitt 21.1/Dürresituation)

Schon in den vor der Gu-Regenzeit gemachten Prognosen zeichnete sich eine Entspannung der Situation ab, obwohl damals nur unterdurchschnittliche Regenmengen prognostiziert wurden. Anfang 2018 wurde für Februar-Juni 2018 prognostiziert, dass die Bevölkerung in folgende IPC-Stufen (Klassifizierung zur Sicherheit der Nahrungsmittelversorgung) einzuordnen sein wird: 56% Stufe 1 (minimal); 22% Stufe 2 (stressed); 18% Stufe 3 (crisis); 4% Stufe 4 (emergency); 0% Stufe 5 (famine). IDP-Lager in Südsomalia wurden durchwegs mit Stufe 3 IPC prognostiziert; Städte in Lower und Middle Shabelle, Bay und Jubaland mit Stufe 2; Mogadischu mit Stufe 1. Landesweit zeigt sich, dass die Bevölkerung in den Städten besser versorgt ist, als jene auf dem Lande (FAO 2018).

Verbesserungen bei Nahrungsmittelsicherheit und Ernährung sind auf die höhere Verfügbarkeit von Nahrungsmitteln aus der Deyr-Ernte und aus der gestiegenen Milchproduktion zurückzuführen. Gleichzeitig wird die humanitäre Hilfe aufrechterhalten. Viele Haushalte können Nahrungsmittel mit von humanitären Akteuren zur Verfügung gestellten Geldmitteln oder Gutscheinen erwerben (FEWS 3.2018). Im ersten Quartal 2018 bezogen monatlich 1,84 Millionen Menschen humanitäre Hilfe. Im letzten Quartal 2017 waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Insgesamt erreicht die Unterstützung rund 70% der Menschen die sich auf oder über Stufe 3 IPC befinden (FEWS 4.2018a). Auch im Jahr 2018 wird humanitäre Hilfe weiterhin in großem Ausmaß erforderlich sein (FEWS 3.2018).

Der bereits eingetretene Rückgang an Hunger ist auch im Vergleich der Daten der beiden Deyr-Regenzeiten 2016/17 und 2017/18 zu erkennen (FEWS 3.2018):

Nunmehr ist es im April 2018 in fast allen Landesteilen zu mittleren bis starken Regenfällen gekommen (FAO 27.4.2018). In fast ganz Somalia lag die Niederschlagsmenge der Gu-Regenzeit bis zum 20.4.2018 bei 200% des mehrjährigen Durchschnitts. Nur im Nordosten blieben die Niederschläge unterdurchschnittlich (FEWS 4.2018a). Allerdings werden die Niederschläge bis Juni weiter anhalten (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018), auch wenn mit einem Rückgang der Niederschlagsmengen gerechnet wird (FEWS 4.2018a).

Für den Zeitraum Juni-September 2018 wurde eine deutliche Entspannung bei der Nahrungsmittelversorgung angekündigt. Nur noch für Hilfsorganisationen leicht zugängliche Gebiete im Nordwesten werden unter Stufe 4 IPC (emergency) eingestuft, der große Rest des Landes fällt in die Stufen 1-3, Süd-/Zentralsomalia gänzlich (bis auf IDP-Konzentrationen) in die Stufen 1-2 (FEWS 4.2018b).

Aufgrund der überdurchschnittlichen Niederschläge in der Gu-Regenzeit Anfang 2018 wird erwartet, dass sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln in einigen Teilen Südsomalias noch weiter verbessern wird, als zu Jahresbeginn bereits prognostiziert. Zwar wurden in von Überflutungen betroffenen Gebieten Teile der Ernte vernichtet, jedoch sind die Bedingungen insgesamt so günstig, dass mit einer überdurchschnittlichen Ernte zu rechnen ist (FEWS 4.2018b). Die Felder befinden sich in gutem Zustand. In der Landwirtschaft gibt es Arbeitsmöglichkeiten auf Normalniveau (FEWS 4.2018a).

In den meisten Gebieten haben sich Weidegründe und Wasserverfügbarkeit verbessert (FEWS 4.2018a; vgl. FEWS 4.2018b), der Zustand der Tiere hat sich normalisiert. Allerdings bleibt die durchschnittliche Herdengröße noch hinter dem Normalzustand zurück. Arme Nomaden in Nord- und Zentralsomalia werden weiterhin über zu wenig Vieh verfügen. Dort wird Stufe 3 IPC (crisis) vermutlich weiter vorherrschen (FEWS 4.2018b).

Der Handelspreis für 1kg Sorghum ist in Baidoa im ersten Quartal 2018 um 37% eingebrochen, jener für 1kg Mais in Qoryooley um 32%. Auch bei armen Haushalten verbessert sich die Versorgungssicherheit mit Nahrungsmitteln, sie haben nun auf normalem Niveau Zugang zu Arbeit in der Landwirtschaft und die Nahrungsmittelpreise haben sich ebenfalls normalisiert. Mit dem Tageseinkommen können nunmehr 10-18kg lokalen Getreides erstanden werden - 20%-60% mehr als noch vor einem Jahr (FEWS 4.2018a).

Zusätzlich zu den Niederschlägen fließen aus dem äthiopischen Hochland beträchtliche Mengen Wasser zu (FEWS 4.2018a; vgl. FAO 27.4.2018). Dadurch kam es in einigen Gebieten zu Überschwemmungen. Belet Weyne war besonders stark betroffen, 70% der Haushalte mussten ihre Häuser verlassen. In Qoryooley waren es 250 Haushalte. Außerdem betroffen waren einige Dörfer in Middle Juba und im Bezirk Wanla Weyne. Auch einige landwirtschaftlich genutzte Gebiete in Bay, Lower Juba, Togdheer und Hiiraan wurden überflutet (FEWS 4.2018a). Die Pegel der Flüsse werden vermutlich weiter steigen. Bisher sind rund 630.000 Menschen von Sturzfluten oder Überschwemmung betroffen, ca. 215.000 haben ihre Häuser verlassen müssen (davon 180.000 im Gebiet Belet Weyne). Andererseits verlassen manche IDPs die Lager, um von den Niederschlägen in ihrer ursprünglichen Heimat zu profitieren (UN OCHA 2.5.2018).

Quellen:

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018a): Somalia

-

Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook-update/april-2018, Zugriff 2.5.2018

-

FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (4.2018b): Somalia

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Food Security Outlook Update, http://fews.net/east-africa/somalia, Zugriff 2.5.2018

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FEWS NET - Famine Early Warning Systems Network (3.2018): Somalia

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Food Security Outlook February to September 2018, http://fews.net/east-africa/somalia/food-security-outlook/february-2018, Zugriff 2.5.2018

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FAO FSNAU - Agentur der Food and Agriculture Organisation der UN (2018): IPC Map, http://www.fsnau.org/ipc/ipc-map, Zugriff 2.5.2018

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FAO SWALIM (27.4.2018): Somalia Rainfall Forecast - Issued: 27 April 2018,

https://reliefweb.int/map/somalia/somalia-rainfall-forecast-issued-27-april-2018, Zugriff 2.5.2018

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UN OCHA - UN Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (2.5.2018): OCHA Somalia Flash Update #3 - Humanitarian impact of heavy rains | 2 May 2018,

https://reliefweb.int/report/somalia/ocha-somalia-flash-update-3-humanitarian-impact-heavy-rains-2-may-2018, Zugriff 3.5.2018

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1. Politische Lage

Das Gebiet von Somalia ist de facto in drei unterschiedliche administrative Einheiten unterteilt: a) Somaliland, ein 1991 selbstausgerufener unabhängiger Staat, der von der internationalen Gemeinschaft nicht anerkannt wird; b) Puntland, ein 1998 selbstausgerufener autonomer Teilstaat Somalias; c) das Gebiet südlich von Puntland, das Süd-/Zentralsomalia genannt wird (EASO 8.2014). Im Hinblick auf fast alle asylrelevanten Tatsachen ist Somalia in diesen drei Teilen zu betrachten (AA 1.1.2017).

Im Jahr 1988 brach in Somalia ein Bürgerkrieg aus, der im Jahr 1991 im Sturz von Diktator Siyad Barre resultierte. Danach folgten Kämpfe zwischen unterschiedlichen Clans, Interventionen der UN sowie mehrere Friedenskonferenzen (EASO 8.2014). Seit Jahrzehnten gibt es keine allgemeinen Wahlen auf kommunaler, regionaler oder zentralstaatlicher Ebene. Politische Ämter wurden seit dem Sturz Siad Barres 1991 entweder erkämpft oder unter Ägide der internationalen Gemeinschaft, hilfsweise unter Einbeziehung nicht demokratisch legitimierter traditioneller Strukturen (v.a. Clan-Strukturen) vergeben (AA 1.1.2017).

Im August 2012 endete die Periode der Übergangsregierung (BS 2016). Seit damals gibt es eine politische Entwicklung, die den Beginn einer Befriedung und Stabilisierung sowie eines Wiederaufbaus staatlicher Strukturen markiert. Am 1.8.2012 wurde in Mogadischu eine vorläufige Verfassung angenommen. Seitdem ist die Staatsbildung kontinuierlich vorangeschritten. Das im Dezember 2016 gewählte Parlament stellt dabei auch einen deutlichen demokratischen Fortschritt gegenüber dem 2012 gewählten Parlament dar. Während 2012 135 Clanälteste die Zusammensetzung bestimmten (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017), waren es 2016 über 14.000 Clan-Repräsentanten (UNHRC 6.9.2017) bzw. 13.000. Während die 54 Mitglieder des Oberhauses von den Parlamenten der Bundesstaaten gewählt wurden, wählten die o.g. Clan-Repräsentanten die 275 auf Clan-Basis ausgewählten Abgeordneten des Unterhauses (UNSC 9.5.2017).

Auch wenn es sich um keine allgemeine Wahl gehandelt hat, ist diese Wahl im Vergleich zu vorangegangenen Wahlen ein Fortschritt gewesen (DW 10.2.2017). Allerdings war auch dieser Wahlprozess problematisch, es gibt zahlreiche Vorwürfe von Stimmenkauf und Korruption (SEMG 8.11.2017). Im Februar 2017 wählte das neue Zweikammerparlament Mohamed Abdullahi Mohamed "Farmaajo" zum Präsidenten; im März bestätigte es Hassan Ali Kheyre als Premierminister (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, SEMG 8.11.2017). Das Parlament bestätigte am 29.3.2017 dessen 69-köpfiges Kabinett (UNSC 9.5.2017).

Die Macht wurde friedlich und reibungslos an die neue Regierung übergeben (WB 18.7.2017). Somalia hat den Zustand eines failed state überwunden, bleibt aber ein fragiler Staat (AA 1.1.2017). Die Regierung stellt sich den Herausforderungen, welche Dürre und Sicherheit darstellen. Überhaupt hat die Regierung seit Amtsantritt gezeigt, dass sie dazu bereit ist, die Probleme des Landes zu beheben (UNSC 5.9.2017). Dabei mangelt es der Bundesregierung an Einkünften, diese sind nach wie vor von den wenigen in Mogadischu erzielten Einnahmen abhängig (SEMG 8.11.2017).

Außerdem wird die Autorität der Zentralregierung vom nach Unabhängigkeit strebenden Somaliland im Nordwesten sowie von der die Regierung aktiv bekämpfenden, radikal-islamistischen al Shabaab-Miliz in Frage gestellt. Außerdem gibt es aber keine flächendeckende effektive Staatsgewalt. Die vorhandenen staatlichen Strukturen sind fragil und schwach (AA 1.1.2017). Die föderale Regierung hat es bislang kaum geschafft, sich außerhalb Mogadischus durchzusetzen (ÖB 9.2016).

Allgemeine Wahlen sind für das Jahr 2020 (UNSC 9.5.2017) bzw. 2021 vorgesehen (UNSC 5.9.2017; vgl. UNNS 13.9.2017). Deren Durchführung wird aber maßgeblich davon abhängen, wie sich die Sicherheitslage entwickelt, ob sich Wahlkommissionen auch in den Bundesstaaten etablieren können und ob ein Verfassungsgericht eingerichtet wird (UNSC 5.9.2017).

Neue föderale Teilstaaten (Bundesstaaten)

Generell befindet sich das föderalistische System Somalias immer noch in einer frühen Phase und muss in den kommenden Jahren konsolidiert werden (UNSC 9.5.2017). Zwar gibt es in manchen Gebieten Verbesserungen bei der Verwaltung und bei der Sicherheit. Es ist aber ein langsamer Prozess. Die Errichtung staatlicher Strukturen ist das größte Problem, hier versucht die internationale Gemeinschaft zu unterstützen (BFA 8.2017).

Kaum ein Bundesstaat ist in der Lage, das ihm zugesprochene Gebiet tatsächlich unter Kontrolle zu haben. Bei den neu etablierten Entitäten reicht die Macht nur wenige Kilometer über die Städte hinaus (BFA 8.2017; vgl. NLMBZ 11.2017).

Während im Norden bereits die Gliedstaaten Somaliland und Puntland etabliert waren, begann mit dem international vermittelten Abkommen von Addis Abeba von Ende August 2013 der Prozess der Gliedstaatsgründung im weiteren Somalia, der nach der Gründung der Bundesstaaten Jubaland, South West State (SWS), Galmudug und Hirshabelle 2016 seinen weitgehenden Abschluss fand (AA 4.2017a). Offen ist noch der finale Status der Hauptstadtregion Benadir/Mogadischu (AA 4.2017a; vgl. UNSC 5.9.2017, BFA 8.2017).

Die Bildung der Bundesstaaten erfolgte im Lichte der Clan-Balance.

Rein technisch bedeutet dies: Galmudug und HirShabelle für die Hawiye; Puntland und Jubaland für die Darod; der SWS für die Rahanweyn; Somaliland für die Dir (BFA 8.2017).

Die Beziehungen zwischen der Bundesregierung und den Regierungen der Bundesstaaten sind angespannt, da es bei der Sicherheitsarchitektur und bei der Ressourcenverteilung nach wie vor Unklarheiten gibt (SEMG 8.11.2017). Außerdem hat der Schritt zur Föderalisierung zur Verschärfung von lokalen Clan-Spannungen beigetragen und eine Reihe gewalttätiger Konflikte ausgelöst. Die Föderalisierung hat zu politischen Kämpfen zwischen lokalen Größen und ihren Clans geführt (BS 2016). Denn in jedem Bundesstaat gibt es unterschiedliche Clankonstellationen und überall finden sich Clans, die mit der Zusammensetzung ihres Bundesstaates unzufrieden sind, weil sie plötzlich zur Minderheit wurden. Sie fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

Im Zuge der Föderalisierung Somalias wurden mehrere Teilverwaltungen (Bundesstaaten) neu geschaffen: Galmudug Interim Administration (GIA); die Jubaland Interim Administration (JIA); Interim South West State Administration (ISWA). Keine dieser Verwaltungen hat die volle Kontrolle über die ihr unterstehenden Gebiete (USDOS 3.3.2017). Außerdem müssen noch wichtige Aspekte geklärt und reguliert werden, wie etwa die Machtverteilung zwischen Bund und Ländern, die Verteilung der Einkünfte oder die Verwaltung von Ressourcen. Internationale Geber unterstützen den Aufbau der Verwaltungen in den Bundesstaaten (UNSC 5.9.2017).

1) Jubaland (Gedo, Lower Juba, Middle Juba): Im Jahr 2013 kam es zu einem Abkommen zwischen der Bundesregierung und Delegierten von Jubaland über die Bildung des Bundesstaates Jubaland. Im gleichen Jahr wurde Ahmed Mohamed Islam "Madobe" zum Präsidenten gewählt (USDOS 3.3.2017). Der JIA ist es gelungen, zumindest in Kismayo eine Verwaltung zu etablieren. Die Machtbalance in Jubaland wurde verbessert, seit die Ogadeni auch mit anderen Clans kooperieren und diese in Strukturen einbinden (BFA 8.2017).

2) South West State (SWS; Bay, Bakool, Lower Shabelle): Nach einer Gründungskonferenz im Jahr 2014 formierte sich im Dezember 2015 das Parlament des Bundesstaates South West State. Dieses wählte Sharif Hassan Sheikh Adam zum Übergangspräsidenten (USDOS 3.3.2017). Insgesamt befindet sich der SWS immer noch im Aufbau, die Regierungsstrukturen sind schwach, Ministerien bestehen nur auf dem Papier. Es gibt kaum Beamte, und in der Politik kommt es zu Streitigkeiten. Die Region Bakool ist besser an den SWS angebunden, als dies bei Lower Shabelle der Fall ist. Die Beziehungen von Lower Shabelle zur Bundesregierung und zum SWS sind kompliziert, der SWS hat dort kaum Mitsprache (BFA 8.2017).

3) HirShabelle (Hiiraan, Middle Shabelle): Bei der Bildung des Bundesstaates HirShabelle wurde längere Zeit über gestritten. Beide Regionen (Hiiraan und Middle Shabelle) haben erklärt, dass sie genügend Einwohner hätten, um jeweils einen eigenen Bundesstaat gründen zu können. Trotzdem wurden die Regionen fusioniert (BFA 8.2017). Im Jänner 2016 fand eine Konferenz zur Bildung eines Bundesstaates aus Hiiraan und Middle Shabelle statt. In der Folge wurde im Oktober 2016 der Bundesstaat Hirshabelle eingerichtet: Ein Parlament wurde zusammengestellt und ein Präsident - Ali Abdullahi Osoble - gewählt. Anführer der Hawadle haben eine Teilnahme verweigert (USDOS 3.3.2017). Das Kabinett wurde Mitte März 2017 vom Parlament bestätigt (BFA 8.2017; vgl. UNSC 9.5.2017). Der Großteil der Regierung von HirShabelle befindet sich in Mogadischu. Die Bildung des Bundesstaates scheint alte Clan-Konflikte neu angeheizt zu haben, die Hawadle fühlen sich marginalisiert (BFA 8.2017).

4) Galmudug (Galgaduud, Teile von Mudug): 2015 wurde eine Regionalversammlung gebildet und Abdikarim Hussein Guled als Präsident gewählt hat (EASO 2.2016). Die Regionalversammlung war von der Bundesregierung eingesetzt worden. Ausgewählt wurden die 89 Mitglieder von 40 Ältesten, welche wiederum 11 Clans repräsentierten. Die Gruppe Ahlu Sunna wal Jama'a (ASWJ), die Teile der Region Galgaduud kontrolliert, hat den Prozess boykottiert und eine eigene Verwaltung eingerichtet (USDOS 3.3.2017). Die GIA wird von Hawiye/Habr Gedir/Sa'ad dominiert (EASO 2.2016). Am 25.2.2017 trat der Präsident von Galmudug, Abdikarim Hussein Guled, zurück (UNSC 9.5.2017). Am 3.5.2017 wurde Ahmed Duale Geele "Xaaf" vom Regionalparlament von Galmudug zum neuen Präsidenten gewählt (UNSC 5.9.2017). Auch der neue Präsident hat noch keine Lösung mit der ASWJ herbeigeführt (UNSOM 13.9.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

* AA - Auswärtiges Amt (4.2017a): Somalia - Innenpolitik, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Somalia/Innenpolitik_node.html, Zugriff 13.9.2017

* BFA - BFA Staatendokumentation (8.2017): Fact Finding Mission Report Somalia. Sicherheitslage in Somalia. Bericht zur österreichisch-schweizerischen FFM, http://www.bfa.gv.at/files/berichte/FFM%20Report_Somalia%20Sicherheitslage_Onlineversion_2017_08_KE_neu.pdf, Zugriff 13.9.2017

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

* DW - Deutsche Welle (10.2.2017): Kommentar: Farmajo, der neue Präsident Somalias - Wie viele Löcher hat der Käse? http://www.dw.com/de/kommentar-farmajo-der-neue-pr%C3%A4sident-somalias-wie-viele-l%C3%B6cher-hat-der-k%C3%A4se/a-37496267, Zugriff 24.11.2017

* EASO - European Asylum Support Office (2.2016): Somalia Security Situation,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1457606427_easo-somalia-security-feb-2016.pdf, Zugriff 21.12.2017

* EASO - European Asylum Support Office (8.2014): South and Central Somalia: Country Overview,

http://www.ecoi.net/file_upload/90_1412334993_easo-2014-08-coi-report-somalia.pdf, Zugriff 21.11.2017

* NLMBZ - (Niederlande) Ministerie von Buitenlandse Zaken (11.2017):

Algemeen Ambtsbericht Zuid- en Centraal- Somalië, http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1512376193_correctie-aab-zuid-en-centraal-somalie-2017-def-zvb.pdf, Zugriff 10.1.2018

* ÖB - Österreichische Botschaft Nairobi (9.2016): Asylländerbericht Somalia

* SEMG - Somalia and Eritrea Monitoring Group (8.11.2017): Report of the SEMG on Somalia,

https://www.un.org/ga/search/view_doc.asp?symbol=S/2017/924, Zugriff 14.11.2017

* UNHRC - UN Human Rights Council (6.9.2017): Report of the independent expert on the situation of human rights in Somalia http://www.refworld.org/docid/59c12bed4.html, Zugriff 11.11.2017

* UNNS - UN News Service (13.9.2017): Somalia facing complex immediate and long-term challenges, UN Security Council told, http://www.refworld.org/docid/59bfc8b34.html, Zugriff 11.11.2017

* UNSC - UN Security Council (5.9.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1505292097_n1726605.pdf, Zugriff 8.11.2017

* UNSC - UN Security Council (9.5.2017): Report of the Secretary-General on Somalia,

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1496910356_n1712363.pdf, Zugriff 10.11.2017

* UNSOM - United Nations Assistance Mission in Somalia (13.9.2017):

SRSG Keating Briefing to the Security Council, https://unsom.unmissions.org/srsg-keating-briefing-security-council-1, Zugriff 11.11.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

* WB - World Bank (18.7.2017): Somalia Economic Update, http://documents.worldbank.org/curated/en/552691501679650925/Somalia-economic-update-mobilizing-domestic-revenue-to-rebuild-Somalia, Zugriff 20.11.2017

1.1. Puntland

Der so genannte Puntland State of Somalia hat sich 1998 mit internationaler Unterstützung konstituiert. Er strebt keine Unabhängigkeit von Somalia an. Es konnten einigermaßen stabile staatliche Strukturen etabliert werden (AA 1.1.2017; vgl. BS 2016). Die staatlichen Organe in Puntland sind insgesamt weniger fragil als die zentralstaatlichen (AA 1.1.2017). Dabei konnte Puntland die Verwaltungskapazitäten weiter ausbauen. Gleichzeitig ist Puntland auf Bundesebene ein wichtiger Akteur. Grundlegende staatliche Dienste (z.B. Infrastruktur, Behörden) sind in Puntland gegeben. Das Verwaltungssystem ist aber urban konzentriert und reicht nicht bis in entlegene Gebiete (BS 2016).

Im Jänner 2014 kam es zum dritten Mal zu einem friedlichen Machtwechsel an der Spitze von Puntland. Allerdings fand dieser Machtwechsel nicht auf der Grundlage einer allgemeinen Wahl statt (AA 1.1.2017). Zwar war eine solche geplant, doch wurde die Wahl aufgrund gewaltsamer Proteste abgesagt. Gewählt wurde Präsident Abdiweli Mohamed Ali "Gaas" im Prinzip von Ältesten (BS 2016). Das Parlament, das den Präsidenten wählte, war unter Einbeziehung traditioneller Strukturen mit Clan-Bezug von einem durch den vorherigen Präsidenten eingesetzten Auswahlausschuss ernannt worden (AA 1.1.2017). Dabei folgte die Wahl von Präsident Gaas dem Rotationsprinzip der drei Hauptclans von Puntland (BS 2016).

Obwohl das Parlament schon im Jahr 2012 eine Verfassung beschlossen hat, die ein Mehrparteiensystem vorsieht (USDOS 3.3.2017), hat Puntland noch keine wirklich demokratischen Strukturen geschaffen. Präsident und Parlament werden durch den Beschluss von Ältesten entschieden (BS 2016).

Politische Auseinandersetzungen werden in der Regel zwar nicht gewaltsam ausgetragen, aber die Sicherheitslage ist im Umfeld der Wahlen sehr angespannt. Staatliche Sicherheitskräfte agieren mit Sondervollmachten (AA 1.1.2017).

Quellen:

* AA - Auswärtiges Amt (1.1.2017): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Bundesrepublik Somalia

* BS - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016 - Somalia Country Report,

https://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Somalia.pdf, Zugriff 20.11.2017

* USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016 - Somalia, http://www.state.gov/j/drl/rls/hrrpt/humanrightsreport/index.htm?year=2016&dlid=265300, Zugriff 13.9.2017

2. Sicherheitslage und Situation in den unterschiedlichen Gebieten

Vergleicht man die Areas of Influence der Jahre 2012 und 2017, hat es kaum relevante Änderungen gegeben. Die Regierung und ihre Verbündeten kontrollieren zwar viele Städte, darüber hinaus ist eine Kontrolle aber kaum gegeben. Behörden oder Verwaltungen gibt es nur in den größeren Städten. Der Aktionsradius lokaler Verwaltungen reicht oft nur wenige Kilometer weit. Selbst bei Städten wie Kismayo oder Baidoa ist der Radius nicht sonderlich groß. Das "urban island scenario" besteht also weiterhin, viele Städte unter Kontrolle von somalischer Armee und AMISOM sind vom Gebiet der al Shabaab umgeben. Folglich befinden sich Große Teile des Raumes in Süd-/Zentralsomalia unter der Kontrolle oder zumindest unter dem Einfluss der al Shabaab (BFA 8.2017).

Dahingegen können nur wenige Gebiete in Süd-/Zentralsomalia als frei von al Shabaab bezeichnet werden - etwa Dhusamareb oder Guri Ceel. In Puntland gilt dies für größere Gebiete, darunter Garoowe (BFA 8.2017).

Hinsichtlich der Lesbarkeit untenstehender Karte sind die folgenden Kommentare zu berücksichtigen:

Eine vollständige und inhaltlich umfassende Darstellung kann nicht gewährleistet werden; die

Gebietsgrenzen sind relativ, jedoch annähernd (z.B. Problematik der unterschiedlichen Einflusslage bei Tag und Nacht; der Fluktuation entlang relevanter Nachschubwege). Um die Karten übersichtlich zu gestalten, wurde eine Kategorisierung der auf somalischem Boden operierenden (Konflikt-)Parteien vorgenommen (BFA 8

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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