TE Bvwg Beschluss 2018/8/2 L511 2005801-1

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Veröffentlicht am 02.08.2018
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Entscheidungsdatum

02.08.2018

Norm

ASVG §410
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
ZustG §11
ZustG §7

Spruch

L511 2005801-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX vertreten durch Käferböck Steuerberatungsgesellschaft mbH & Co KG, gegen die Erledigung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 16.03.2005, XXXX betreffend Beitragsnachverrechnung, beschlossen:

A)

Die Beschwerde vom 06.04.2005 wird gemäß § 28 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Verfahren vor der Gebietskrankenkasse

1.1. Mit Bescheid vom 14.03.2005 XXXX stellte die OÖGKK fest, dass XXXX[EL] auf Grund der Tätigkeit als Botenfahrerin bei der XXXX[V], im Zeitraum von 05.01.2000 bis 04.02.2002 der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag (AZ 48).

1.2. Am 15.03.2005 erging ein weiterer Bescheid, XXXX mit dem die OÖGKK feststellte, dass XXXX [RH] auf Grund der Tätigkeit als Botenfahrer und Disponent der PKW-Zustellungen bei der XXXX [V], im Zeitraum von 08.01.2001 bis 03.11.2003 der Pflichtversicherung in der Vollversicherung (Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung) und der Arbeitslosenversicherung gemäß § 4 Abs. 1 und 2 ASVG sowie gemäß § 1 Abs. 1 lit.a AlVG unterlag (AZ 47).

1.3. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 16.03.2005, XXXX, verpflichtete die OÖGKK die V als Dienstgeberin iSd § 35 Abs. 1 ASVG von 41 Versicherten in 70 Zeiträume zur Entrichtung von allgeineinem Beiträgen in der Höhe von [idHv] EUR 102.995,45 und einem Beitragszuschlag idHv EUR 13.909,00, sohin zur Entrichtung eines Gesamtbetrages von EUR 116.904,45 an die OÖGKK (AZ 46).

1.4. Die Zustellung der jeweiligen Pflichtversicherungsbescheide erfolgten an EL am 30.03.2005 und an RH am 24.03.2005. Der V wurden alle 3 Bescheide gemeinsam mitsamt einem Begleitschreiben am 23.03.2005 zugestellt.

1.5. Mit Schreiben vom 06.04.2005 wurde gegen sämtliche oben bezeichneten Bescheide fristgerecht Einsprüche, nunmehr Beschwerden, erhoben (AZ 52-54, 57).

1.6. Am 06.04.2005 beantragte die V den Betrag bis zur rechtskräftigen Erledigung zu stunden bzw. dem Einspruch aufschiebende Wirkung zu gewähren (AZ 56).

1.7. Ebenfalls am 06.04.2005 wies der ausgewiesene Rechtsvertreter der V darauf hin, dass bereits länger eine Bevollmächtigung bestehe, weshalb sämtliche Schriftstücke an ihn zuzustellen seien. Im selben Schriftsatz beantragte er die Ausstellung von gesonderten Pflichtversicherungsbescheiden für sämtliche Botenfahrer, da jeder Einzelfall gesondert zu beurteilen sei (AZ 55).

2. Sämtliche Verfahren wurden mit 13.07.2005 von der damalig zuständigen Rechtsmittelbehörde ausgesetzt, um die Entscheidung in einem ähnlich gelagerten Fall abzuwarten.

Die beteiligten Parteien erhoben gegen die Aussetzung keinen Einspruch.

3. Mit Wirksamkeit vom 01.01.2014 ging die Zuständigkeit zur Weiterführung dieses oben bezeichneten zum 31.12.2013 beim Landeshauptmann von Oberösterreich anhängig gewesenen Verfahrens gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf das nunmehr zuständige Bundesverwaltungsgericht [BVwG] über.

3.1. Mit Schriftsatz vom 14.07.2015 legte die OÖGKK den Verwaltungsakt mit fortlaufender Nummerierung versehen (AZ 1-63) vor (Ordnungszahl des hg. Verfahrensaktes [OZ] 2).

3.2. Über Ersuchen des BVwG nahm die OÖGKK am 07.11.2017 Stellung zur Zustellung der Bescheide und gab bekannt, dass eine neuerliche Zustellung der Bescheide an den Rechtsvertreter der V der Aktenlage zufolge nicht stattgefunden habe (OZ 3-5).

II. ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1. Die Firma V führte im verfahrensgegenständlichen Zeitraum sowohl Fahrrad- als auch PKW-Zustellungen im Großraum XXXX durch. Die Zustellungen erfolgten über Botinnen und Boten, welche mit der V einen diesbezüglichen Vertrag hatten. Die Aufträge ergingen zentral an die V, welche diese durch die Botinnen und Boten durchführen ließ.

1.2. Die OÖGKK erließ im Anschluss an eine durchgeführte "Gemeinsame Prüfung der Lohnabhängigen Abgaben" (GPLA) stellvertretend für die 41 betroffenen Botinnen und Boten zwei Pflichtversicherungsbescheide, einen vom 14.03.2005 betreffende EL (AZ 48) und einen vom 15.03.2005 betreffend RH (AZ 47), und verpflichtete in einem gesonderten Beitagsbescheid die V zur Beitragsnachzahlung für 41 Personen in 70 verschiedenen Zeiträumen (AZ 46).

1.3. Alle vorliegenden sich aus der GPLA ergebenden Erledigungen der OÖGKK, darunter auch die verfahrensgegenständliche Erledigung vom 16.03.2005, weisen im Adressfeld des jeweiligen Bescheides (AZ 46/1, 47/1, 48/1) ausschließlich die V auf.

Der V wurde der verfahrensgegenständliche Beitragsbescheid (AZ 46) gemeinsam mit den Pflichtversicherungsbescheiden (AZ 47, 48) am 23.03.2005 zugestellt (AZ 52/1, 53/1, 54/1), wobei auch auf dem beigelegten Anschreiben ausschließlich die V im Adressfeld genannt war und sich das Schreiben auch namentlich an den Geschäftsführer der V richtete (AZ 45).

1.4. Eine Zustellung an den bereits davor im Verfahren ausgewiesenen Rechtsvertreter der V, WT XXXX, erfolgte nicht (AZ 55/1). Der Rechtsvertreter der V ist Wirtschaftstreuhänder und hat sich im Verfahren mehrfach auf die Vollmacht berufen (für viele: AZ 13/1, 16/1, 29).

1.5. Der Bescheid vom 14.03.2005 wurde EF als mitbeteiligter Partei am 30.03.2005 (AZ 48/5), jener vom 15.03.2005 RH als mitbeteiligter Partei am 24.03.2005 (AZ 47/5) zugestellt.

2. Beweiswürdigung

2.1. Die Beweisaufnahme erfolgte durch Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsverfahrensakt, aus dem sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt (OZ 1).

2.1.1. Zur Entscheidungsfindung wurden vom BVwG folgende Unterlagen herangezogen:

* Vorgelegte Aktenteile der OÖGKK (OZ 2)

* Einsprüche und Anschreiben des Rechtsvertreters der V (AZ 52-57)

* Pflichtversicherungsbescheide betreffend EL und RH (AZ 47, 48)

* Beitragsnachverrechnungsbescheid (AZ 46)

* Stellungnahme der OÖGKK vom 07.11.2017 (OZ 5)

2.2. Beweiswürdigung

2.2.1. Die Feststellungen ergeben sich aus den vorgelegten Aktenteilen und sind im Verfahren unbestritten geblieben.

2.2.2. Die Adressierung der Pflichtversicherungsbescheide, des verfahrensgegenständlichen Beitragsbescheides und des Anschreibens, ergeben sich unzweifelhaft aus diesen selbst. Die Zustellungen der Bescheide ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt.

3. Rechtliche Beurteilung

3.1.1. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF (VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG). Soweit im VwGVG nicht anderes bestimmt ist, ist auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl Nr 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl Nr 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl Nr 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG), wobei entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des VwGVG bereits kundgemacht wurden, in Kraft bleiben (§ 58 Abs. 2 VwGVG).

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen (§ 27 VwGVG).

Das Verwaltungsgericht hat, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen (§28 VwGVG). Entscheidungen und Anordnungen erfolgen, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, durch Beschluss (§ 31 Abs. 1 VwGVG). Auf nicht verfahrensleitende die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind. § 29 Abs. 1 zweiter Satz, Abs. 4 und § 30 sinngemäß anzuwenden (§ 31 Abs. 3 VwGVG).

Gemäß § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes, BGBl. I Nr. 10/2013 idgF (BVwGG), entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 414 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz, BGBl. Nr. 189/1955 idgF (ASVG) kann gegen Bescheide der Versicherungsträger oder des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz oder des Bundesministers für Gesundheit in Verwaltungssachen und wegen Verletzung ihrer (seiner) Entscheidungspflicht in Verwaltungssachen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 idgF, (B-VG) werden mit 01.01.2014 die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern, das Bundesvergabeamt und der unabhängige Finanzsenat (im Folgenden: unabhängige Verwaltungsbehörden) aufgelöst; ferner werden die in der Anlage genannten Verwaltungsbehörden (im Folgenden: sonstige unabhängige Verwaltungsbehörden) aufgelöst. Die Zuständigkeit zur Weiterführung der mit Ablauf des 31. Dezember 2013 bei diesen Behörden anhängigen Verfahren sowie der bei den Aufsichtsbehörden anhängigen Verfahren über Vorstellungen (Art. 119a Abs. 5) geht auf die Verwaltungsgerichte über; dies gilt auch für die bei sonstigen Behörden anhängigen Verfahren, in denen diese Behörden sachlich in Betracht kommende Oberbehörde oder im Instanzenzug übergeordnete Behörde sind, mit Ausnahme von Organen der Gemeinde151 fehlt

3.2. zur Zurückweisung der Beschwerde

3.2.1. Verfahrensrelevante Bestimmungen des Zustellgesetzes [ZustellG] in der für das vorliegende Verfahren maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 10/2004 [2004/I/010]

§ 9 Abs. 3 ZustellG idF 2004/I/010: Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.

§ 7 Abs. 1 ZustellG idF 2004/I/010: Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

3.2.2. Verfahrensgegenständlich ergingen sowohl der entscheidungsgegenständliche Beitragsbescheid, als auch die beiden Pflichtversicherungsbescheide an die V und nicht an deren Rechtsvertreter.

Der Rechtsvertreter der V ist Wirtschaftstreuhänder und hat sich im Verfahren mehrfach auf die Vollmacht berufen. Eine solche Berufung auf die erteilte Vollmacht (da keine Einschränkung in den Schriftsätzen erfolgte) kommt einer allgemeinen Vollmacht gleich, welche auch die Zustellungsbevollmächtigung umfasst (vgl. VwGH 26.02.2015, Ra2015/16/0012).

3.2.3. Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat gemäß § 9 Abs. 3 ZustellG in der im Beschwerdefall maßgebenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 10/2004 die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen.

Empfänger ist, wer durch die Zustellverfügung als solcher festgelegt wird, nicht, wer nach dem zugrunde gelegten Verfahren Empfänger sein sollte.

Weist daher die Zustellverfügung einen falschen Empfänger auf, kann eine mangelhafte Zustellung nur ihm gegenüber heilen und nicht gegenüber demjenigen, für den das Dokument bestimmt war. Eine Heilung kann folglich nach Rechtsprechung und Lehre nur gegenüber der in der Zustellverfügung genannten Person eintreten. Ausnahme ist nach der aktuellen, im Verfahren jedoch nicht anzuwendenden, Rechtslage § 9 Abs. 3 Satz 2, wo es nicht auf die richtige Zustellverfügung ankommt. Wer somit Empfänger iSd § 7 ist, ergibt sich allein aus dem - etwa durch Anführen des Adressaten oder durch die Zustellverfügung - geäußerten Willen der Behörde und nicht danach, an wen sich das Dokument inhaltlich richtet. Zufälliges Zukommen des Dokuments kann diesen behördlichen Akt folglich nicht ersetzen (Raschauer/Riesz in Frauenberger-Pfeiler/Raschauer/Sander/Wessely (Hrsg), Österreichisches Zustellrecht2 (2011) § 7 RZ 5a mit weiteren Literatur und Judikaturnachweisen).

3.2.4. Im gegenständlichen Verfahren wurde der Zustellbevollmächtigte weder im Adressenfeld des Bescheides noch im Begleitschreiben zur Übermittlung der drei Erkenntnisse, noch in einer etwaigen Zustellverfügung als Empfänger bezeichnet, sondern ist eindeutig die V Empfänger der Erledigungen.

In einem Fall wie dem verfahrensgegenständlichen, in dem der Zustellbevollmächtigte nicht als Empfänger der Erledigung aufschien, konnte in der verfahrensgegenständlich maßgeblichen Fassung des ZustellG 2004/I/010 eine Heilung selbst durch ein tatsächliches Zukommen des Dokuments an den Zustellungsbevollmächtigten nicht eintreten, weil die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung nicht heilen konnte (vgl. dazu explizit VwGH 29.09.2011, 2011/16/0197 mwN). Erst mit der Novelle 2008/I/05 wurde in § 9 Abs. 3 2. Satz ZustellG die Fiktion der Zustellung an den Zustellungsbevollmächtigen (wieder) eingeführt, wonach die Zustellung auch in jenen Fällen in denen der Zustellbevollmächtigte nicht als Empfänger bezeichnet wurde, als in dem Zeitpunkt bewirkt gilt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist (vgl. dazu VwGH 28.07.2010, 2009/02/0270).

Soweit Raschauer/Riesz aaO §7 RZ 4a unter Heranziehung der Erläuternden Bemerkungen zu den Novellen 2004/I/010 und 2008/I/005 ausführen, die Heranziehung des strikten Wortlauts des § 9 idF 2004/I/010 stimme mit dem Willen des Gesetzgebers offenkundig nicht überein, weshalb bei teleologischer Interpretation der Rechtslage von einer Anwendbarkeit der Heilungsregelung auf die angesprochenen Fallkonstellationen auch für die Interimszeit Nov 2004 bis zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Nov 2008 auszugehen sei, ist dem nicht zu folgen. Sowohl der Verfassungsgerichtshof (VfGH 26.02.2008, B2167/07) als auch der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 29.09.2011, 2011/16/0197) gehen auch nach in Kraft treten der Novelle 2008/I/005 klar davon aus, dass in der Interimszeit die Sanierung einer Zustellverfügung, die fälschlich die Partei und nicht ihren Zustellungsbevollmächtigten als Empfänger bezeichnet, nicht möglich ist.

3.2.5. Soweit die OÖGKK daher im Schriftsatz vom 07.11.2017 ausführt, es sei eine Heilung gemäß § 7 ZustellG eingetreten, da dem Vertreter die Bescheide tatsächlich zugekommen sind und dieser auch Rechtsmittel erhoben habe, so sind ihr zunächst die bereits getätigten Ausführungen entgegenzuhalten. Eine Heilung nach § 7 ZustellG kommt aber auch begrifflich schon nicht in Frage, weil die Bescheide ohnehin dem bezeichneten (aber falschen) Empfänger V zugekommen sind. Der Rechtsvertreter war eben gerade nicht Empfänger der Bescheide.

3.2.6. Zur ebenfalls in Treffen geführten "Heilung durch Einlassung" ist festzuhalten, dass diese aus Sicht des BVwG nur dann möglich ist, wenn ein Bescheid erlassen, also zumindest einer am Verfahren beteiligten Person rechtswirksam zugestellt, worden ist (vgl. VwGH 15.3.2017, Ra2017/04/0024). Dem von der OÖGKK in diesem Zusammenhang zitierten Judikat des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 20.01.2015, Ro2014/09/0059) liegt darüber hinaus ebenso wie der zitierten Entscheidung des BVwG (BVwG W198 2004691-1), jene Rechtslage nach der Novelle 2008/I/05 zu Grunde, in der eine Heilung bei falscher Empfängerbezeichnung (im Falle eines Zustellbevollmächtigten) grundsätzlich möglich ist. Darüber hinaus ergibt sich aus den angeführten Erkenntnissen, dass der Empfänger - im Gegensatz zum gegenständlichen Verfahren - auch jeweils RICHTIG bezeichnet war.

Entgegen der Ansicht der OÖGKK ist aber auch aus den zitierten Entscheidungen des Obersten Gerichtshofes (OGH 7Ob 75/04m, 10Ob 47/03i, 10ObS 376/02w) für den vorliegenden Fall nichts abzuleiten. Diesen Fällen lag - anders als im verfahrensgegenständlichen - jeweils ein Mehrparteienverfahren zu Grunde, und in allen zitierten Verfahren war zumindest einer Partei korrekt zugestellt worden, so dass der jeweilige normative Akt Rechtswirkungen entfalten konnte. In derart gelagerten Fällen kann die Partei, die (trotz rechtsunrichtiger Zustellung) dem Zustellinhalt gemäß reagiert hat, den Zustellmangel nicht mehr geltend machen.

3.2.7. In Einparteienverfahren - wie dem verfahrensgegenständlichen - ist ein Bescheid aber erst mit seiner rechtswirksamen Zustellung bzw. Ausfolgung der schriftlichen Ausfertigung an die einzige Verfahrenspartei als erlassen anzusehen. Nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH 26.06.2013, 2011/05/0121 mwN).

Wurde ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen, liegt kein tauglicher Anfechtungsgegenstand für eine Beschwerde vor, weswegen eine Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen ist (vgl. VwGH 15.03.2018, Ra2017/21/0254 mwN). In diesen Fällen ist mangels normativem Akt sohin auch keine "Heilung durch Einlassung" möglich.

3.2.8. Der Vollständigkeit halber ist an dieser Stelle festzuhalten, dass im Hinblick auf die Bescheide vom 14.03.2005, Pflichtversicherung von EL, und 15.03.2005, Pflichtversicherung von RH, hingegen sich die erhobenen Beschwerden als zulässig erweisen, weil diese Bescheide durch die Zustellung an die jeweiligen weiteren Verfahrensparteien EL und RH rechtlich existent geworden sind (vgl. dazu etwa VwGH 04.09.2006, 2005/09/0067).

3.2.9. Soweit die OÖGKK im Schriftsatz vom 07.11.2017 ergänzend vorbringt, dass der Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde erhoben habe und auch keinen Zustellmangel angeführt habe, so ist festzuhalten, dass dieser im Begleitschreiben an die OÖGKK zu den drei am selben Tag eingebrachten Einsprüchen ausführte: "Nachdem zweifellos in der gesamten Sozialversicherungsangelegenheit eine Bevollmächtigung meinerseits besteht, ersuche ich dementsprechend auch die Schriftstücke an meine Kanzlei zu übermitteln.", was zweifellos auf einen- von Amts wegen aufzugreifenden - Zustellmangel hindeutete.

3.2.10. Da verfahrensgegenständlich wie dargelegt eine Heilung der falschen Empfängerbezeichnung nicht möglich war, ist der Bescheid als nicht erlassen anzusehen und die Beschwerde spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

4. Entfall der mündlichen Verhandlung

Eine Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist (§ 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG). Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen (§ 24 Abs.4 VwGVG).

4.1. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde konnte eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen

III. ad B) Unzulässigkeit der Revision

Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Dieser Ausspruch ist zu begründen (§ 25a Abs. 1 VwGG). Die Revision ist (mit einer hier nicht zum Tragen kommenden Ausnahme) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere, weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 9 ZustellG. Zur nicht möglichen Heilung in der maßgeblichen Fassung des ZustellG 2004/I/010 explizit VwGH 29.09.2011, 2011/16/0197 mwN. Zur rechtswirksamen Erlassung von Bescheiden VwGH 15.03.2018, Ra2017/21/0254 mwN; 26.06.2013, 2011/05/0121 mwN.

Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Empfänger, Zurückweisung, Zustellmangel, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L511.2005801.1.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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