TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/3 W103 1420440-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2018
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Entscheidungsdatum

03.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11 Z2
AsylG-DV 2005 §4
AsylG-DV 2005 §8
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3 Z1

Spruch

W103 1420440-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch die XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2018, Zl. 810219108-170153831, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 55 AsylG 2005 iVm 58 Abs. 11 Z 2

AsylG 2005 iVm §§ 4 und 8 AsylG-DV sowie gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 3 und 9 FPG iVm § 46 FPG, § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Der damals minderjährige Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, brachte am 06.03.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich ein, nachdem er zuvor gemeinsam mit seiner Schwester illegal in das Bundesgebiet gelangt war.

Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 08.03.2011 gab der Beschwerdeführer im Beisein eines Rechtsberaters die im Spruch angeführten Identitätsdaten an und brachte in Bezug auf die Motive für seine Ausreise vor, dass seine Schwester von einem Tschetschenen entführt worden sei, welcher sie heiraten wollte. Er wäre viel älter als seine Schwester und sie habe diesen nicht heiraten wollen. Außerdem habe dieser Mann Kadyrov nahe gestanden. Der Beschwerdeführer habe wegen seiner Schwester flüchten müssen, da sein Onkel gesagt habe, dass er sie töten müsse, falls sie vor diesem Mann flüchten sollte, weil sie Schande über die Familie bringen würde.

Am 21.03.2011 erfolgte vor dem Bundesasylamt eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers in Anwesenheit seiner bereits in Österreich befindlichen Mutter. In der Einvernahme gab der Beschwerdeführer, nach seinen Fluchtgründen befragt, zusammengefasst an, er habe keine eigenen Fluchtgründe und sei wegen der Gründe seiner Schwester geflohen.

Im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 09.06.2011 wurde der Beschwerdeführer im Beisein seiner Mutter zu seinem Leben in Österreich befragt und berichtete dahingehend, dass er einmal in der Woche einen Deutschkurs in der Pension besuche, anderes mache der Beschwerdeführer nicht. So sei er weder Mitglied in einem Verein, einer religiösen Einrichtung oder einer Organisation. Er verbringe seine Freizeit hauptsächlich mit seinen Geschwistern und habe keinen Kontakt zu anderen Personen. Manchmal spiele er Fußball oder lese. Nochmals zu den Fluchtgründen befragt gab der Beschwerdeführer an, keine anderen Gründe, als diese mit den Problemen von seiner Schwester zusammenhängenden, zu haben. Im Falle einer Rückkehr befürchte der Beschwerdeführer, man könne von ihm die "Herausgabe" seiner Schwester verlangen und ihn wegen ihr verfolgen. Man könnte ihn auch umbringen.

1.2. Mit Bescheid vom 06.07.2011, Zl. 11 02.191-BAT, wies das Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz vom 06.03.2011 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, sowie bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG ab und verfügte zugleich gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG die Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation.

1.3. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 19.04.2012, Zl. D9 420440-1/2011/2E, wurde in Erledigung einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde der Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.07.2011 behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51 in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. In den Entscheidungsgründen wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesasylamt habe die Flüchtlingseigenschaft Angehöriger des Beschwerdeführers nicht gehörig ins Verfahren einbezogen.

1.4. Mit Bescheid vom 16.11.2012, Zl. 11 02.191/1-BAE, wies das Bundesasylamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 06.03.2011 - infolge Durchführung ergänzender Ermittlungen - bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG 2005) idgF, (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation ab und wies den Beschwerdeführer gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 2 AsylG aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation aus (Spruchpunkt III.).

Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Mutter des Beschwerdeführers anführte, dass der Beschwerdeführer keine eigenständigen Fluchtgründe habe, sondern ausschließlich aufgrund seiner Schwester und somit der Probleme aller Familienangehörigen mit ausgereist ist. Die Mutter des Beschwerdeführers habe sich bei ihrem Vorbringen auf die Verfolgung der Schwester des Beschwerdeführers bezogen und somit auf die Verfolgung der gesamten Familienmitglieder hingewiesen, jedoch wäre der Mutter des Beschwerdeführers und auch allen anderen Familienmitgliedern zu den vorgebrachten Fluchtgründen die Glaubwürdigkeit versagt worden, weshalb nunmehr auch nicht glaubhaft sei, dass die angegeben Gründe Auswirkungen auf den Beschwerdeführer haben könnten.

1.5. Gegen diesen Bescheid richtete sich eine Beschwerde vom 30.11.2012.

Am 27.03.2013 übermittelte das Bundesasylamt den Reisepass des Beschwerdeführers.

1.6. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.04.2013, Zl. D9 420440-2/2012/4E, wurde die Beschwerde in Anwendung des § 66 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 - AVG, BGBl. Nr. 51, in Verbindung mit § 61 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, gemäß § 3 Abs. 1 und § 8 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100, sowie § 10 Abs. 1 Z 2 Asylgesetz 2005 - AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100 in der Fassung BGBl. I Nr. 122/2009, als unbegründet abgewiesen.

Begründend wurde insbesondere ausgeführt, dass der Beschwerdeführer keinerlei Verfolgungshandlungen glaubhaft ins Treffen zu führen vermocht hätte. Auch habe er kein Vorbringen erstattet, wonach ein reales Risiko bestehe, wegen seiner asylberechtigten Angehörigen in unmenschlicher oder erniedrigender Weise behandelt zu werden. Eine maßgebliche Gefährdung allein aufgrund der Familienzugehörigkeit des Beschwerdeführers könne vom erkennenden Senat als nicht gegeben erachtet werden. Dass der Beschwerdeführer wegen seines Onkels gefährdet wäre, sei ebenso wenig anzunehmen, zumal Verwandte seines Vaters und damit auch Verwandte seines Onkels nach wie vor im Herkunftsstaat leben würden.

Das dargestellte Erkenntnis erwuchs infolge ordnungsgemäßer Zustellung in Rechtskraft.

1.7. Der Beschwerdeführer verblieb im Bundesgebiet und wurde in den folgenden Jahren wiederholt straffällig (vgl. dazu die unter Punkt II.1.3. festgestellten Verurteilungen).

2.1. Mit Eingabe vom 03.02.2017 beantragte der Beschwerdeführer die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK (AS 231 ff) und stellte am 02.02.2017 einen Antrag auf Heilung gemäß § 4 AsylG-DV in Bezug auf die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments sowie einer Geburtsurkunde, da er zur Erlangung der entsprechenden Dokumente nach Russland fliegen müsste, was ihm nicht möglich wäre (AS 239).

Dem Antrag beiliegend wurden die folgenden Unterlagen übermittelt:

Referenzschreiben einer Teamleiterin/Jugendarbeiterin eines näher genannten Vereins vom 09.12.2016, Referenzschreiben der Teamleiterin eines Jugendcafés vom 06.12.2012, Referenzschreiben des Leiters eines Jugendzentrums vom 01.12.2016, Bestätigung über eine dem Beschwerdeführer in Aussicht gestellte Beschäftigung als Hilfsarbeiter vom 05.12.2016, Bestätigung über den Bezug von Grundversorgung vom 03.02.2017, Bestätigung über den Besuch eines Deutschkurses auf dem Niveau A1 vom 30.04.2013;

Am 27.09.2017 wurde der Beschwerdeführer im Beisein einer Dolmetscherin für die russische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen (vgl. AS 383 ff). Im Zuge jener Befragung brachte der Beschwerdeführer zusammengefasst vor, er sei gesund und benötige keine Medikamente. Er habe einen Reisepass besessen, welcher jedoch im Jahr 2015 abgelaufen wäre. Zur russischen Botschaft habe er nicht wollen, da die Tschetschenen nicht wissen würden, dass er sich in Österreich aufhalte - die russischen Behörden würden seiner Ansicht nach glauben, dass er noch in Russland wäre. Er habe nicht zur Botschaft gehen wollen, um seinen Aufenthaltsort nicht preiszugeben; er werde sich jedoch einen Reisepass besorgen. Der Beschwerdeführer sei Tschetschene, sunnitischer Moslem, ledig, kinderlos und lebe in keiner Beziehung. Seine Eltern und seine beiden Schwestern würden sich in Österreich aufhalten, ein Bruder sei unbekannten Aufenthalts. Über den Stand der Verfahren seiner Familienmitglieder wisse er nicht Bescheid. Der Beschwerdeführer lebe in einem gemeinsamen Haushalt mit seinen Eltern und stehe in Kontakt zu seinen Geschwistern. In der Russischen Föderation habe er viele Verwandte. Seine Großmutter, zwei Großtanten und eine Tante würden in Tschetschenien leben. Der Beschwerdeführer sei im Jahr 2011 nach Österreich eingereist und habe das Bundesgebiet seither nicht verlassen. Der Beschwerdeführer beziehe Grundversorgung und ginge keiner Beschäftigung nach. Nach Abschluss seines Asylverfahrens im Jahr 2013 habe der Beschwerdeführer zwei Monate lang beim XXXX gearbeitet. Er habe ein Deutsch-Diplom auf dem Niveau A1; im Einvernahmeprotokoll findet sich in diesem Kontext die Anmerkung, dass sich der Beschwerdeführer ausreichend auf Deutsch verständigen könne. Der Beschwerdeführer sei kein Mitglied in einem Verein oder einer Organisation, er kenne in seinem Wohnort viele Leute vom Sehen her. In der Russischen Föderation habe er acht Jahre lang die Schule besucht, diese jedoch nicht abgeschlossen. Er habe keinen Beruf erlernt.

In der Folge wurden dem Beschwerdeführer der rechtskräftig negative Abspruch über seinen Antrag auf internationalen Schutz, seine strafgerichtlichen Verurteilungen wegen der Begehung eines versuchten Einbruchsdiebstahls sowie wegen Körperverletzung und eine neuerliche Anzeige wegen des Verdachts auf Einbruchsdiebstahl vorgehalten. Er wurde darüber in Kenntnis gesetzt, dass das diesen Verurteilungen zugrunde liegende strafrechtliche Fehlverhalten nach Ansicht des Bundesamtes eine Gefährdung der öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen würde, welches die bisher gesetzten Integrationsbemühungen relativieren würde, weshalb die Behörde beabsichtige, den Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels abzuweisen und gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot zu erlassen. Dazu führte der Beschwerdeführer aus, er stehe zu seinen beiden Verurteilungen, die neuerliche Anzeige sei jedoch zu Unrecht erfolgt, weshalb er mit einem Freispruch rechnen würde.

Auf die Frage, was er im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation befürchten würde, erklärte der Beschwerdeführer, seine Tante mütterlicherseits sei verschwunden, sein Onkel väterlicherseits sei für 14 Jahre im Gefängnis. Der Beschwerdeführer selbst befürchte, dass er keine Ruhe haben werde und es gefährlich für ihn wäre; er hätte Angst, zu Unrecht beschuldigt zu werden. Er würde auf keinen Fall zurück nach Russland fahren. Im Anschluss wurden dem Beschwerdeführer die Feststellungen zur Situation in seinem Herkunftsstaat ausgehändigt und ihm die Möglichkeit zur Abgabe einer diesbezüglichen Stellungnahme eingeräumt.

2.2. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 28.06.2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag vom 03.02.2017 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gem. § 55 Absatz 2 AsylG gem. § 58 Absatz 11 Z 2 AsylG und § 8 AsylG-DV idgF zurück (Spruchpunkt I.). Der Zusatzantrag vom 06.02.2017 auf Heilung eines Mangels wurde gem. § 4 Absatz 1 AsylG-DV abgewiesen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 10 Absatz 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt III.), gleichzeitig wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG die Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG getroffen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte die Identität, Staatsbürgerschaft und Volksgruppenzugehörigkeit des Beschwerdeführers fest und legte seiner Entscheidung ausführliche Feststellungen zur Situation in dessen Herkunftsstaat zugrunde. Der im März 2011 ins Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer halte sich seit dem 17.04.2013 unrechtmäßig im Bundesgebiet auf und weise drei strafgerichtliche Verurteilungen auf. Die Verfahren seiner Eltern und seiner Schwester befänden sich nach einer aufhebenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs derzeit im Beschwerdestadium beim Bundesverwaltungsgericht. Einer weiteren Schwester sei ein Aufenthaltstitel nach § 55 AsylG erteilt worden; das Verfahren seines Bruders sei seit 17.04.2013 rechtskräftig negativ abgeschlossen, dessen aktueller Aufenthaltsort sei unbekannt.

Der Beschwerdeführer lebe mit seinen Eltern im gemeinsamen Haushalt. Weiters würden die Großmutter und Geschwister seiner Mutter als Asylberechtigte in Österreich leben, zu welchen jedoch kein Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Der Beschwerdeführer habe Angehörige im Herkunftsstaat, er ginge keiner Beschäftigung nach und beziehe Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer könne sich auf Deutsch ausreichend verständigen, er habe einen Sprachkurs auf A1-Niveau besucht, jedoch keine weiteren Aus- oder Weiterbildungen absolviert.

Die Rückkehrentscheidung wurde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen damit begründet, dass die Schutzwürdigkeit der privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet durch das strafrechtliche Verhalten des Beschwerdeführers massiv gemindert würde. Trotz seiner bereits mehrjährigen Ortsabwesenheit verfüge dieser unverändert über Bindungen zu seinem Heimatstaat und könne aufgrund seiner persönlichen Umstände davon ausgegangen werden, dass dieser im Falle einer Rückkehr in der Lage wäre, seine Existenz zu sichern. Auch wenn sich der Beschwerdeführer seit sieben Jahren im Bundesgebiet aufhalte und Deutschkenntnisse vorweise, müsse berücksichtigt werden, dass dieser keine Ausbildung absolviert hätte, Leistungen aus der Grundversorgung beziehe, am Arbeitsmarkt nicht Fuß fassen habe können und seinen Aufenthalt zur wiederholten Begehung von Straftaten missbraucht hätte. Weder aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers, noch aus den herangezogenen Länderberichten ergebe sich eine Gefährdung des Beschwerdeführers im Fall seiner Rückkehr.

Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbotes verwies der angefochtene Bescheid auf die strafgerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers und traf nähere Ausführungen zu den diesen Verurteilungen zugrundeliegenden Straftaten und den bei der Bemessung der Strafdauer herangezogenen Milderungs- und Erschwerungsgründen. Der Beschwerdeführer sei zweimal wegen der Begehung von Einbruchsdiebstählen und einmal wegen eines Gewaltdelikts zu bedingten bzw. teilbedingten Freiheitsstrafen verurteilt worden. Im Falle des Beschwerdeführers sei der Tatbestand des § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z1 Fremdenpolizeigesetz jedenfalls verwirklicht. Da er im Bundesgebiet bereits dreimal massiv straffällig geworden wäre, könne keine günstige Zukunftsprognose gestellt werden. Der Beschwerdeführer habe durch eine bereits vorliegende bedingte Freiheitsstrafe nicht von der Begehung weiterer Straftaten abgehalten werden können, sei zuletzt rasch rückfällig geworden und hätte einen Einbruchsdiebstahl in ein Wettbüro innerhalb offener Probezeit verübt. Auch die geltend gemachten familiären Bindungen im Bundesgebiet hätten ihn nicht von der wiederholten Begehung von Straftaten abhalten können. Da die Straftaten noch keinen längeren Zeitraum zurückliegen würden, könne ein Wegfall oder eine erhebliche Minderung der vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefährdung keinesfalls angenommen werden. Die Verhängung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer erweise sich zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen dringend geboten. Die Tatbegehungen des Beschwerdeführers würden die Annahme rechtfertigen, dass ein weiterer Aufenthalt seiner Person die öffentliche Ordnung und Sicherheit massiv gefährde. Die privaten Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet hätten wegen der Schwere der begangenen Straftaten zurückzutreten.

Die Zurückweisung des Antrages auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK wurde in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen damit begründet, dass es der Beschwerdeführer trotz des ihm anlässlich seiner Einvernahme vom 27.09.2017 erteilten Verbesserungsauftrags unterlassen hätte, ein gültiges Reisedokument oder eine Bestätigung der russischen Botschaft in XXXX , dass ihm ein solches nicht ausgestellt werden könne, nachzureichen. Weshalb ihm die Erlangung eines Reisepasses nicht möglich sein sollte, erweise sich als nicht nachvollziehbar. Da der Beschwerdeführer seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachgekommen wäre, sei dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückzuweisen gewesen. Der Antrag auf Heilung des Mangels der Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments im Original sei abzuweisen gewesen, da feststünde, dass dem Beschwerdeführer möglich und zumutbar gewesen wäre, sich bei der Russischen Botschaft in Österreich ein gültiges Dokument zu beschaffen.

Da ein öffentliches Interesse an der sofortigen Durchsetzung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme bestünde und dem Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat keine Verletzung von Menschenrechten drohen würde, sei der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen gewesen.

2.3. In der gegen diesen Bescheid unter gleichzeitiger Bekanntgabe des im Spruch ersichtlichen Vollmachtsverhältnisses eingebrachten Beschwerde wurde zunächst eine Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Entgegen der Ansicht der belangten Behörde hätte der Beschwerdeführer seine Mitwirkungspflicht nicht verletzt; er sei Ladungen stets nachgekommen und habe im erforderlichen Maß an seinem Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels mitgewirkt. Tatsächlich habe der Beschwerdeführer versucht, sich einen Reisepass bei der russischen Botschaft in XXXX ausstellen zu lassen, doch sei ihm von selbiger mitgeteilt worden, dass die Ausstellung eines Reisepasses Monate dauern werde; der Beschwerdeführer verfüge auch über eine Bestätigung für seine Vorsprache bei der russischen Botschaft, welche anbei übermittelt werde. Dementsprechend sei der Beschwerdeführer seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht nachgekommen und könne ihm die unterbliebene Vorlage eines Reisepasses nicht vorgeworfen werden. Nach näher angeführter höchstgerichtlicher Rechtsprechung umfasse die Mitwirkungspflicht nicht das selbständige Aufsuchen einer Botschaft. Nach desweiteren angeführter Rechtsprechung des VwGH sei eine eindeutige Verfahrensidentität zudem ausreichend um die Kriterien des § 8 AsylG-DV zu erfüllen. Die Zurückweisung des Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sowie die Abweisung des Antrages auf Heilung im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG-DV sein daher zu Unrecht erfolgt, zumal die belangte Behörde weitergehende Ermittlungen zur Erfüllung der Mitwirkungspflicht hätte anstellen müssen. In Bezug auf das ausgesprochene Einreiseverbot habe die Behörde es unterlassen, eine ausreichend individualisierte Gefährdungsprognose zu treffen. Entgegen der Ansicht der Behörde stelle das Einreiseverbot eine Verletzung des Rechts auf Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers dar. Die belangte Behörde berücksichtige im Rahmen der Prognoseentscheidung nicht, dass die möglichen Strafrahmen nicht einmal annähernd ausgeschöpft worden wären. Die Behörde habe zudem eine ausreichende Begründung in Bezug auf die Bemessung der Dauer des Einreiseverbots verabsäumt. Der seit sieben Jahren im Bundesgebiet aufhältige Beschwerdeführer habe sich in Österreich mittlerweile sehr gut integriert, Mitglieder seiner Kernfamilie würden in Österreich leben. Es werde angeregt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, da eine Abschiebung des Beschwerdeführers eine Verletzung von Artikel 8 EMRK bedeute und zudem nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer diesfalls einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung iSd Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger der Russischen Föderation und Angehöriger der tschetschenischen Volksgruppe. Er reiste im März 2011 als Minderjähriger gemeinsam mit Familienangehörigen unrechtmäßig ins Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgängig in Österreich auf. Sein am 06.03.2011 gestellter Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des Bundesasylamts abgewiesen und er aus Österreich in die Russische Föderation ausgewiesen, die dagegen erhobene Beschwerde wurde letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofs vom 09.04.2013 rechtskräftig abgewiesen.

Der Beschwerdeführer verblieb nach der Ausweisungsentscheidung im österreichischen Bundesgebiet und hält sich seither, sohin seit über fünf Jahren, unrechtmäßig in Österreich auf.

1.2. Am 03.02.2017 stellte er einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG. Im diesbezüglichen Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl legte er - trotz diesbezüglicher Aufforderung durch die belangte Behörde im Zuge seiner niederschriftlichen Einvernahme vom 27.09.2017 - keinen gültigen Reisepass vor, welcher einen aktuellen Nachweis seiner Identität darstellen würde. Er hat nicht nachgewiesen, dass ihm die Beschaffung eines solchen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen ist.

1.3. Der Beschwerdeführer weist die folgenden strafgerichtlichen Verurteilungen auf:

1.) Landesgericht für XXXX

§ 15 StGB §§ 127, 129 Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 30.08.2015

Freiheitssrafe 6 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junger Erwachsener

...

XXXX Bezirksgericht XXXX

§ 83 (1) StGB

Datum der (letzten) Tat 04.07.2016

Freiheitsstrafe 2 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

Junger Erwachsener

...

3.) Landesgericht XXXX

§§ 127, 129 (1) Z 1 StGB

Datum der (letzten) Tat 27.05.2017

Freiheitsstrafe 15 Monate, davon Freiheitsstrafe 10 Monate, bedingt, Probezeit 3 Jahre

...

Ein weiterer Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet würde eine Gefährdung in Hinblick auf die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellen, zumal auf Grundlage seines bisher gesetzten Verhaltens die Gefahr einer neuerlichen Straffälligkeit zu prognostizieren ist.

1.4. In Österreich leben die Eltern sowie eine volljährige Schwester des Beschwerdeführers, deren Verfahren auf internationalen Schutz derzeit im Stadium der Beschwerde vor dem Bundesverwaltungsgericht anhängig sind (Zln. W111 2006861-1, W196 1420439-2, W196 1420443-2). Einer weiteren volljährigen Schwester des Beschwerdeführers wurde ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG erteilt. Daneben hat der Beschwerdeführer weitere Verwandte (Großmutter, Großtanten) im Bundesgebiet, denen der Status von Asylberechtigten zukommt. Der Beschwerdeführer lebt mit seinen Eltern - welche ebenfalls über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus verfügen - im gleichen Haushalt, weist darüber hinaus aber kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zu selbigen auf. Ebensowenig weist er zu seinen weiteren im Bundesgebiet ein besonderes Naheverhältnis respektive ein Abhängigkeitsverhältnis auf.

Der Beschwerdeführer eignete sich grundlegende Deutschkenntnisse an, engagierte sich für einen Zeitraum von zwei Monaten ehrenamtlich beim XXXX und hat Bekannte in seiner Wohngemeinde. Eine besondere Integrationsverfestigung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet kann nicht erkannt werden. Der Beschwerdeführer war während seines Aufenthalts nie legal erwerbstätig, ist nicht selbsterhaltungsfähig, hat keine (Berufs-)Ausbildung absolviert und bestreitet seien Lebensunterhalt im Rahmen der Grundversorgung.

1.5. Es liegen keine substantiierten Anhaltspunkte darauf vor, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation in seinem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre. In diesem Zusammenhang wird insbesondere hervorgehoben, dass der Beschwerdeführer, welcher Russisch und Tschetschenisch spricht und im Heimatland, wo er nach wie vor über ein verwandtschaftliches Netz verfügt, acht Jahre lang die Schule besucht hat, unter keinen schwerwiegenden Krankheiten leidet und einer Teilnahme am Erwerbsleben fähig ist. Im Rahmen seines Verfahrens auf internationalen Schutz machte dieser, wie auch im nunmehrigen Verfahren, keine individuellen Rückkehrbefürchtungen geltend.

1.6. Zur Lage im Herkunftsstaat wird auf die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen verwiesen, aus welchen sich auszugsweise Folgendes ergibt:

...

Sicherheitslage

Wie verschiedene Anschläge mit zahlreichen Todesopfern in den letzten Jahren gezeigt haben, kann es in Russland, auch außerhalb der Kaukasus-Region, jederzeit zu Attentaten kommen. Zuletzt kam es am 3.4.2017 in Sankt Petersburg zu einem Anschlag in der Metro, der Todesopfer und Verletzte forderte. Die russischen Behörden haben zuletzt ihre Warnung vor Attentaten bekräftigt und rufen zu besonderer Vorsicht auf (AA 21.7.2017b). Den Selbstmordanschlag in der St. Petersburger U-Bahn am 3.4.2017 hat nach Angaben von Experten eine Gruppe mit mutmaßlichen Verbindungen zum islamistischen Terrornetzwerk Al-Qaida für sich reklamiert. Das Imam-Schamil-Bataillon habe den Anschlag mit 15 Todesopfern nach eigenen Angaben auf Anweisung des Al-Qaida-Chefs Ayman al-Zawahiri verübt, teilte das auf die Überwachung islamistischer Internetseiten spezialisierte US-Unternehmen SITE am Dienstag mit (Standard 25.4.2017). Der Selbstmordattentäter Akbarschon Dschalilow stammte aus der kirgisischen Stadt Osch. Zehn Personen, die in den Anschlag verwickelt sein sollen, sitzen in Haft, sechs von ihnen wurden in St. Petersburg, vier in Moskau festgenommen. In russischen Medien wurde der Name eines weiteren Mannes aus der Gegend von Osch genannt, den die Ermittler für den Auftraggeber des Anschlags hielten: Siroschiddin Muchtarow, genannt Abu Salach al Usbeki. Der Angriff, sei eine Vergeltung für russische Gewalt gegen muslimische Länder wie Syrien und für das, was in der russischen Nordkaukasus-Teilrepublik Tschetschenien geschehe; die Operation sei erst der Anfang. Mit Terrorangriffen auf und in Russland hatte sich zuletzt nicht Al-Qaida, sondern der sogenannte Islamische Staat gebrüstet, so mit jüngsten Angriffen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien und der Stadt Astrachan. Laut offizieller Angaben sollen 4.000 Russen und 5.000 Zentralasiaten in Syrien und dem Irak für den IS oder andere Gruppen kämpfen. Verteidigungsminister Schoigu behauptete Mitte März 2016, es seien durch Russlands Luftschläge in Syrien "mehr als 2.000 Banditen" aus Russland, unter ihnen 17 Feldkommandeure getötet worden (FAZ 26.4.2017).

Russland tritt als Protagonist internationaler Terrorismusbekämpfung auf und begründet damit seinen Militäreinsatz in Syrien. Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Gewaltzwischenfälle am Südrand der Russischen Föderation gingen 2014 um 46% und 2015 um weitere 51% zurück. Auch im Global Terrorism Index, der die Einwirkung des Terrorismus je nach Land misst, spiegelt sich diese Entwicklung wider. Demnach stand Russland 2011 noch an neunter Stelle hinter mittelöstlichen, afrikanischen und südasiatischen Staaten, weit vor jedem westlichen Land. Im Jahr 2016 rangierte es dagegen nur noch auf Platz 30 hinter Frankreich (Platz 29), aber vor Großbritannien (Platz 34) und den USA (Platz 36). Nach der Militärintervention in Syrien Ende September 2015 erklärte der IS Russland den Jihad und übernahm die Verantwortung für den Abschuss eines russischen Passagierflugzeugs über dem Sinai mit 224 Todesopfern. Seitdem ist der Kampf gegen die Terrormiliz zu einer Parole russischer Außen- und Sicherheitspolitik geworden, auch wenn der russische Militäreinsatz in Syrien gewiss nicht nur von diesem Ziel bestimmt ist, sondern die Großmachtrolle Russlands im Mittleren Osten stärken soll. Moskau appelliert beim Thema Terrorbekämpfung an internationale Kooperation (SWP 4.2017).

Russland hat den sog. IS erst Ende Dezember 2014 auf seine Liste terroristischer Organisationen gesetzt und dabei andere islamistische Gruppierungen außer Acht gelassen, in denen seine Staatsbürger, insbesondere Tschetschenen und Dagestaner, in Syrien und im Irak ebenfalls aktiv sind - wie die Jaish al-Muhajireen-wal-Ansar, die überwiegend von Kämpfern aus dem Nordkaukasus gegründet wurde. Ausländische und russische Beobachter, darunter die kremlkritische Novaja Gazeta im Juni 2015, erhoben gegenüber den Sicherheitsbehörden Russlands den Vorwurf, der Abwanderung von Jihadisten aus dem Nordkaukasus und anderen Regionen nach Syrien tatenlos, wenn nicht gar wohlwollend zuzusehen, da sie eine Entlastung für den Anti-Terror-Einsatz im eigenen Land mit sich bringe. Tatsächlich nahmen die Terroraktivitäten in Russland selber ab (SWP 10.2015). In der zweiten Hälfte des Jahres 2014 kehrte sich diese Herangehensweise um, und Personen, die z.B. Richtung Türkei ausreisen wollten, wurden an der Ausreise gehindert. Nichtsdestotrotz geht der Abgang von gewaltbereiten Dschihadisten weiter und Experten sagen, dass die stärksten Anführer der Aufständischen, die dem IS die Treue geschworen haben, noch am Leben sind. Am 1.8.2015 wurde eine Hotline eingerichtet, mit dem Ziel, Personen zu unterstützen, deren Angehörige in Syrien sind bzw. planen, nach Syrien zu gehen. Auch Rekrutierer und Personen, die finanzielle Unterstützung für den Dschihad sammeln, werden von den Sicherheitsbehörden ins Visier genommen. Einige Experten sind der Meinung, dass das IS Rekrutierungsnetzwerk eine stabile Struktur in Russland hat und Zellen im Nordkaukasus, in der Wolga Region, Sibirien und im russischen Osten hat (ICG 14.3.2016).

Das Kaukasus-Emirat, das seit 2007 den islamistischen Untergrundkampf im Nordkaukasus koordiniert, ist seit Ende 2014 durch das Überlaufen einiger Feldkommandeure zum IS von Spaltungstendenzen erschüttert und geschwächt. Dem russischen Islamexperten Aleksej Malaschenko zufolge reisten gar Offizielle aus der Teilrepublik Dagestan nach Syrien, um IS-Kämpfer aus dem Kaukasus darin zu bestärken, ihren Jihad im Mittleren Osten und nicht in ihrer Heimat auszutragen. Der IS verstärkte 2015 seine russischsprachige Propaganda in Internet-Foren wie Furat Media, ohne dass die Behörden laut Novaja Gazeta diesem Treiben große Aufmerksamkeit widmeten. Am 23. Juni 2015 rief der IS-Sprecher Muhammad al-Adnani ein ‚Wilajat Kavkaz', eine Provinz Kaukasus, als Teil des IS-Kalifats aus. Es war ein propagandistischer Akt, der nicht bedeutet, dass der IS in dieser Region militärisch präsent ist oder sie gar kontrolliert, der aber den zunehmenden Einfluss dieser Terrormiliz auf die islamistische Szene im Nordkaukasus symbolisiert. Zuvor hatten mehr und mehr ideologische und militärische Führer des Kaukasus Emirats dem ‚Kalifen' Abu Bakr al-Baghdadi die Treue geschworen und sich von al-Qaida abgewandt. Damit bestätigte sich im islamistischen Untergrund im Nordkaukasus ein Trend, dem zuvor schon Jihad-Netzwerke in Nordafrika, Jemen, Pakistan und Afghanistan gefolgt waren. Seitdem mehren sich am Südrand der Russischen Föderation die Warnungen vor einer Bedrohung durch den sogenannten Islamischen Staat. Kurz zuvor hatten die föderalen und lokalen Sicherheitsorgane noch den Rückgang terroristischer Aktivitäten dort für sich reklamiert. Als lautester Mahner tut sich wieder einmal der tschetschenische Republikführer Ramzan Kadyrow hervor. Er rief alle muslimischen Länder dazu auf, sich im Kampf gegen den IS, den er mit Iblis-Staat - also Teufelsstaat - übersetzt, zusammenzuschließen. Für Kadyrow ist der IS ein Produkt anti-islamischer westlicher Politik, womit er sich im Einklang mit der offiziellen Sichtweise des Kremls befindet, der dem Westen regelmäßig fatale Eingriffe im Mittleren Osten vorwirft. Terroristische Aktivitäten im Nordkaukasus, die eindeutig den Überläufern zum IS zuzuschreiben sind, haben sich aber bislang nicht verstärkt. Bis September 2015 wurden nur zwei Anschläge in Dagestan der IS-Gefolgschaft zugeschrieben: die Ermordung des Imam einer Dorfmoschee und ein bewaffneter Angriff auf die Familie eines Wahrsagers. Auch im Südkaukasus mehren sich die Stimmen, die vor dem IS warnen (SWP 10.2015).

Bis ins Jahr 2015 hinein hat Russland die vom sogenannten Islamischen Staat ausgehende Gefahr eher relativiert und die Terrormiliz als einen von vielen islamistischen Akteuren abgetan, die das mit Moskau verbündete Assad-Regime, die ‚legitime Regierung Syriens', bekämpfen. In seiner jährlichen Tele-Konferenz mit der Bevölkerung am 18. April 2015 hatte Präsident Putin noch geäußert, der IS stelle keine Gefahr für Russland dar, obwohl die Sicherheitsbehörden schon zu diesem Zeitpunkt eine zunehmende Abwanderung junger Menschen nach Syrien und Irak registriert und vor den Gefahren gewarnt hatten, die von Rückkehrern aus den dortigen Kampfgebieten ausgehen könnten. Wenige Tage später bezeichnete Außenminister Lawrow den IS in einem Interview erstmals als Hauptfeind Russlands (SWP 10.2015).

Innerhalb der extremistischen Gruppierungen ist ein Ansteigen der Sympathien für den IS - v.a. auch auf Kosten des sog. Kaukasus-Emirats - festzustellen. Nicht nur die bislang auf Propaganda und Rekrutierung fokussierte Aktivität des IS im Nordkaukasus erregt die Besorgnis der russischen Sicherheitskräfte. Ein Sicherheitsrisiko stellt auch die mögliche Rückkehr von nach Syrien oder in den Irak abwandernden russischen Kämpfern dar. Laut diversen staatlichen und nichtstaatlichen Quellen kann man davon ausgehen, dass die Präsenz russischer Kämpfer in den Krisengebieten Syrien und Irak mehrere tausend Personen umfasst. Gegen IS-Kämpfer, die aus den Krisengebieten Syrien und Irak zurückkehren, wird v.a. gerichtlich vorgegangen. Zu Jahresende 2015 liefen laut Angaben des russischen Innenministeriums rund 880 Strafprozesse, die meisten davon basierend auf den relevanten Bestimmungen des russischen StGB zur Teilnahme an einer terroristischen Handlung, der Absolvierung einer Terror-Ausbildung sowie zur Organisation einer illegalen bewaffneten Gruppierung oder Teilnahme daran. Laut einer INTERFAX-Meldung vom 2.12.2015 seien in Russland bereits über 150 aus Syrien zurückgekehrte Kämpfer verurteilt worden. Laut einer APA-Meldung vom 27.7.2016 hat der Leiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB erläutert, das im Vorjahr geschätzte 3.000 Kämpfer nach Russland aus den Kriegsgebieten in Syrien, Irak oder Afghanistan zurückkehrt seien, wobei 220 dieser Kämpfer im besonderen Fokus der Sicherheitskräfte zur Vorbeugung von Anschlägen ständen. In einem medial verfolgten Fall griffen russische Sicherheitskräfte im August 2016 in St. Petersburg auf mutmaßlich islamistische Terroristen mit Querverbindungen zum Nordkaukasus zu. Medienberichten zufolge wurden im Verlauf des Jahres 2016 über 100 militante Kämpfer in Russland getötet, in Syrien sollen über 2.000 militante Kämpfer aus Russland bzw. dem GUS-Raum getötet worden sein (ÖB Moskau 12.2016).

Der russische Präsident Wladimir Putin setzt tschetschenische und inguschetische Kommandotruppen in Syrien ein. Bis vor kurzem wurden reguläre russische Truppen in Syrien überwiegend als Begleitcrew für die Flugzeuge eingesetzt, die im Land Luftangriffe fliegen. Von wenigen bemerkenswerten Ausnahmen abgesehen - der Einsatz von Artillerie und Spezialtruppen in der Provinz Hama sowie von Militärberatern bei den syrischen Streitkräften in Latakia - hat Moskau seine Bodeneinsätze bislang auf ein Minimum beschränkt. Somit repräsentiert der anhaltende Einsatz von tschetschenischen und inguschetischen Brigaden einen strategischen Umschwung seitens des Kremls. Russland hat nun in ganz Syrien seine eigenen, der sunnitischen Bevölkerung entstammenden Elitetruppen auf dem Boden. Diese verstärkte Präsenz erlaubt es dem sich dort langfristig eingrabenden Kreml, einen stärkeren Einfluss auf die Ereignisse im Land auszuüben. Diese Streitkräfte könnten eine entscheidende Rolle spielen, sollte es notwendig werden, gegen Handlungen des Assad-Regimes vorzugehen, die die weitergehenden Interessen Moskaus im Nahen Osten unterlaufen würden. Zugleich erlauben sie es dem Kreml, zu einem reduzierten politischen Preis seine Macht in der Region zu auszubauen (Mena Watch 10.5.2017). Welche Rolle diese Brigaden spielen sollen, und ihre Anzahl sind noch nicht sicher. Es wird geschätzt, dass zwischen 300 und 500 Tschetschenen und um die 300 Inguscheten in Syrien stationiert sind. Obwohl sie offiziell als "Militärpolizei" bezeichnet werden, dürften sie von der Eliteeinheit Speznas innerhalb der tschetschenischen Streitkräfte rekrutiert worden sein (FP 4.5.2017).

Für den Kreml hat der Einsatz der nordkaukasischen Brigaden mehrere Vorteile. Zum einen reagiert die russische Bevölkerung sehr sensibel auf Verluste der russischen Armee in Syrien. Verluste von Personen aus dem Nordkaukasus würden wohl weniger Kritik hervorrufen. Zum anderen ist der wohl noch größere Vorteil jener, dass sowohl Tschetschenen, als auch Inguscheten fast alle sunnitische Muslime sind und somit derselben islamischen Richtung angehören, wie ein Großteil der syrischen Bevölkerung. Die mehrheitlich sunnitischen Brigaden könnten bei der Bevölkerung besser ankommen, als ethnisch russische Soldaten. Außerdem ist nicht zu vernachlässigen, dass diese Einsatzkräfte schon über Erfahrung am Schlachtfeld verfügen, beispielsweise vom Kampf in der Ukraine (FP 4.5.2017).

Bis jetzt war der Einsatz der tschetschenischen und inguschetischen Bodentruppen auf Gebiete beschränkt, die für den Kreml von entscheidender Bedeutung waren. Obwohl es momentan eher unwahrscheinlich scheint, dass die Rolle der nordkaukasischen Einsatzkräfte bald ausgeweitet wird, agieren diese wohl weiterhin als die Speerspitze in Moskaus Strategie, seinen Einfluss in Syrien zu vergrößern (FP 4.5.2017).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (21.7.2017b): Reise- und Sicherheitshinweise, http://www.auswaertiges-amt.de/sid_93DF338D07240C852A755BB27CDFE343/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/Nodes/RussischeFoederationSicherheit_node.html, Zugriff 21.7.2017

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FAZ (26.4.2017):"Erst der Anfang", http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/anschlag-in-st-petersburg-russland-steht-im-visier-von-terror-14989012.html, Zugriff 21.7.2017

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FP - Foreign Policy (4.5.2017): Putin has a new secret weapon in Syria: Chechens,

http://foreignpolicy.com/2017/05/04/putin-has-a-new-secret-weapon-in-syria-chechens/, Zugriff 21.7.2017

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ICG - International Crisis Group (14.3.2016): The North Caucasus Insurgency and Syria: An Exported Jihad?

http://www.ecoi.net/file_upload/1226_1458642687_238-the-north-caucasus-insurgency-and-syria-an-exported-jihad.pdf, S. 16-18, Zugriff 21.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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Mena Watch (10.5.2017): Russland setzt auf sunnitische Soldaten in Syrien,

http://www.mena-watch.com/russland-setzt-auf-sunnitische-soldaten-in-syrien/, Zugriff 21.7.2017

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Standard (25.4.2017): Al-Kaida reklamiert Anschlag auf U-Bahn in St. Petersburg für sich,

https://derstandard.at/2000056544365/Al-Kaida-reklamiert-Anschlag-auf-U-Bahn-in-St-Petersburg?ref=rec, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2015): Dagestan:

Russlands schwierigste Teilrepublik, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/studien/2015_S08_hlb_isaeva.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (10.2015): Reaktionen auf den "Islamischen Staat" (ISIS) in Russland und Nachbarländern, http://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2015A85_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 21.7.2017

Nordkaukasus allgemein

Vom Beginn des zweiten Tschetschenienkriegs 1999 bis ins Jahr 2013 sah es sich mit 75 größeren Terroranschlägen auf seinem Staatsgebiet konfrontiert, die Hunderte Zivilisten das Leben kosteten. Verantwortlich dafür war eine über Tschetschenien hinausgehende Aufstandsbewegung im Nordkaukasus. Aus dieser Region kommen in den letzten drei Jahren zwiespältige Nachrichten. Einerseits heißt es, der bewaffnete Untergrund sei deutlich geschwächt und zersplittert. Andererseits verlagerte sich der regionale Jihad, der sich als Kaukasus-Emirat manifestiert hatte, auf die globale Ebene, weil Kämpfer aus der Region sich islamistischen Milizen in Syrien und Irak anschlossen. Von dauerhafter Stabilität ist der Nordkaukasus wohl noch entfernt. Das zeigte zuletzt eine Serie von Anschlägen auf Sicherheitskräfte in Tschetschenien im Dezember 2016 und im März 2017. Zudem stellt sich für Russland, seine Nachbarn im Kaukasus und in Zentralasien wie auch für Europa die Frage, wie viele Jihadisten aus dem nun schrumpfenden IS-Territorium in ihre Heimatregionen zurückkehren werden. Für den Rückgang der Gewalt im Nordkaukasus werden unterschiedliche Gründe angeführt. Russische Sicherheitsorgane verweisen auf gesteigerte Effizienz bei der Bekämpfung des bewaffneten Untergrunds. In den letzten Jahren wurden dessen militärische und ideologische Führer in hoher Zahl bei gezielten Einsätzen von Eliteeinheiten getötet. Das Kaukasus-Emirat wurde innerlich gespalten, da viele seiner Führer sich von al-Qaida abwandten und dem sogenannten Islamischen Staat (IS) oder anderen Milizen in Syrien Treue schworen. Außerdem hieß es, russische Sicherheitsorgane hätten die Abwanderung von Kämpfern in den Mittleren Osten vorübergehend geduldet, wenn nicht sogar gefördert, um im eigenen Revier für Entlastung zu sorgen - besonders vor der Winterolympiade in Sotschi 2014. Seit 2016 sinkt die Jihad-Migration in den Mittleren Osten, da die Ressourcen des IS schrumpfen. Seine Anziehungskraft auf die nun zersplitternde Untergrundbewegung des Nordkaukasus hatte der IS in erster Linie seiner Territorialherrschaft zu verdanken, die in seinem Kerngebiet aber inzwischen zurückgedrängt wird. Auf seinem Staatsgebiet im Nordkaukasus favorisiert Russland militärische Einsätze, wenngleich in präzisierter, selektiver und gezielterer Form im Vergleich zur unverhältnismäßigen Gewalt in den beiden Tschetschenienkriegen, die nahezu in jeder tschetschenischen Familie Todesopfer gefordert hatte. Im Jahr 2009 eingeleitete Reformmaßnahmen, die auf sozioökonomische und politische Krisenursachen zielten, sind zugunsten der Agenda der "siloviki" (Sicherheitskräfte) wieder in den Hintergrund gerückt (SWP 4.2017).

In internationalen sicherheitspolitischen Quellen wird die Lage im Nordkaukasus mit dem Begriff "low level insurgency" umschrieben. Seit gut zehn Jahren liegt das Epizentrum von Gewalt nicht mehr in Tschetschenien. Dort konnte der Kriegszustand überwunden und ein Wiederaufbau eingeleitet werden. In einem Prozess der "Tschetschenisierung" wurde die Aufstandsbekämpfung im zweiten Tschetschenienkrieg an lokale Sicherheitskräfte delegiert, die sogenannten Kadyrowzy. Diese auf den ersten Blick erfolgreiche Strategie steht aber kaum für nachhaltige Befriedung (SWP 4.2017).

Die Menschenrechtsorganisation Memorial beschreibt in ihrem Bericht über den Nordkaukasus vom Sommer 2016 eindrücklich, dass die Sicherheitslage für gewöhnliche Bürger zwar stabil ist, Aufständische einerseits und Kritiker der bestehenden Systeme sowie Meinungs- und Menschenrechtsaktivisten andererseits weiterhin repressiven Maßnahmen und Gewalt bis hin zum Tod ausgesetzt sind (AA 24.1.2017).

Trotz der Versuche Moskaus, die sozioökonomische Situation im Nordkaukasus zu verbessern, ist die Region nach wie vor weitgehend von Transferzahlungen des föderalen Zentrums abhängig. Die derzeitige Wirtschaftskrise und damit einhergehenden Einsparungen im Budget stellen eine potentielle Gefahr für die Subventionen an die Nordkaukasus-Republiken dar. Ein weiteres Risikomoment für die Stabilität in der Region ist die Verbreitung des radikalen Islamismus. Während in den Republiken Inguschetien und Kabardino-Balkarien auf einen Dialog innerhalb der muslimischen Gemeinschaft gesetzt wird, verfolgen die Republiken Tschetschenien und Dagestan eine harte Politik der Einschüchterung und Repression extremistischer Elemente. Das harte Vorgehen der Sicherheitskräfte, aber auch die Abwanderung islamistischer Kämpfer nach Syrien und in den Irak haben dazu geführt, dass die Gewalt im Nordkaukasus in den letzten zwei Jahren deutlich zurückgegangen ist (ÖB Moskau 12.2016).

Im ersten Quartal des Jahres 2017 gab es im Nordkaukasus 45 Opfer des bewaffneten Konfliktes, davon 36 Todesopfer (25 Aufständische, 11 Exekutivkräfte) und neun Verwundete (sieben Exekutivkräfte, zwei Zivilisten). In Tschetschenien wurden im selben Zeitraum elf Exekutivkräfte und 17 Aufständische getötet, zwei Zivilisten und sechs Exekutivkräfte wurden verletzt. In Dagestan wurden im selben Zeitraum acht Aufständische getötet und ein Polizist verletzt. In Inguschetien, Kabardino-Balkarien, Karatschay-Tscherkessien, Nordossetien-Alania und im Stavropol Gebiet gab es im selben Zeitraum keine Opfer (Caucasian Knot 15.5.2017).

Im Jahr 2016 gab es nach Angaben von Caucasian Knot im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 287 Opfer des bewaffneten Konfliktes (2015: 258; 2014: 525 Opfer). 202 davon wurden getötet (2015: 209; 2014: 341), 85 verwundet (2015: 49; 2014: 184) (Caucasian Knot 2.2.2017). Im ersten Quartal 2016 gab es im gesamten Föderalen Distrikt Nordkaukasus 48 Opfer des bewaffneten Konfliktes, 20 davon getötet, 28 davon verwundet (Caucasian Knot 10.5.2016).

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (24.1.2017): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Russischen Föderation

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Caucasian Knot (2.2.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus for 2016, http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/38325/, Zugriff 18.7.2017

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Caucasian Knot (15.4.2017): Statistics of victims in Northern Caucasus in Quarter 1 of 2017,

http://www.eng.kavkaz-uzel.eu/articles/39216/, Zugriff 18.7.2017

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ÖB Moskau (12.2016): Asylländerbericht Russische Föderation

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SWP - Stiftung Wissenschaft und Politik (4.2017): Russland und der Nordkaukasus im Umfeld des globalen Jihadismus, https://www.swp-berlin.org/fileadmin/contents/products/aktuell/2017A23_hlb.pdf, Zugriff 18.7.2017

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Rechtsschutz/Justizwesen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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