TE Bvwg Beschluss 2018/8/6 W103 1432894-6

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Veröffentlicht am 06.08.2018
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Entscheidungsdatum

06.08.2018

Norm

AsylG 2005 §57
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §32 Abs1 Z2

Spruch

W103 1432894-6/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richter Mag. AUTTRIT als Einzelrichter über den Antrag vom 09.07.2018 von XXXX geb. XXXX , StA. Russische Föderation, beschlossen:

A) Der Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahrens wird gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehörige der Russischen Föderation. Am 02.05.2017 stellten der BF den diesem Verfahren zugrunde liegenden fünften Antrag im Verfahren auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 28.04.2018 wurde der Folgeantrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 02.05.2017 in Spruchpunkt I. gemäß § 68 Abs 1 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl Nr. 51/1991 idgF, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. In Spruchpunkt II. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I. Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Gemäß § 52 Absatz 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG zulässig sei. In Spruchpunkt III. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde.

Mit Erkenntnisse vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.04.2018 gemäß § 68 Abs. 1 AVG, BGBl I Nr. 51/1991 idgF, iVm § 28 Abs. 1 iVm Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG, BGBl. I 33/2013 idgF, sowie gemäß § 57 AsylG 2005, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46 und 55 Abs 1a FPG 2005, jeweils idgF, als unbegründet abgewiesen.

Mit Schriftsatz vom 09.07.2018, am Bundesverwaltungsgericht eingelangt am 11.07.2018, stellten der Antragsteller einen Antrag auf Wiederaufnahme des mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.09.2018, Zl. W103 2116145-1/4E, rechtskräftig abgeschlossenen Asylverfahren. Diese wurde wie folgt begründet:

Mit beiliegenden Befundbericht vom 25.06.2018 der XXXX , werde seiner Mutter XXXX bestätigt, dass diese unter F43.1 Posttraumatischer Belastungsstörung, sowie F44.5 Dissoziative Störung leide. Mittlerweile sei dieser der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.

Dieser Befundbericht vom 25.06.2018 habe zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfahrens noch nicht bestanden, weshalb eine andere Entscheidung hinsichtlich der aufenthaltsbeendende Maßnahme notwendig sei, da die Mutter des BF auf dessen psychische Unterstützung angewiesen sei.

Ihn treffe kein Verschulden an der Nichtvorlage im vorangegangenen Verfahren, da der Befund erst am 25.06.2018 ausgestellt worden sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Antragsteller ist Staatsangehörige der Russischen Föderation.

Die Antragsteller stellten am 02.05.2017 einen Folgeantrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.04.2018 in Bezug auf die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten sowie von subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen. Gleichzeitig wurden die Antragsteller in die Russische Föderation ausgewiesen. Die dagegen erhobenen Beschwerden wurden mit Erkenntnis des BVwG vom 05.06.2018 rechtskräftig abgewiesen.

Mit Antrag vom 09.07.2018 eingelangt beim BVwG am 11.07.2018, begehrte der Antragsteller die Wiederaufnahme dieses Verfahrens, weil negativ hinsichtlich der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entschieden worden wären und hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Mutter nun neue Beweismittel vorliegen würden.

Die Feststellungen zur Identität des Antragstellers, seine Staatsangehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Antragstellers. Die Identität wurde auch bereits vom Bundesasylamt festgestellt.

Der genaue Inhalt des Wiederaufnahmeantrages ergibt sich aus der Eingabe vom 09.07.2018, welche im Akt aufliegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. Fuchs hält in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 13, fest, dass der Systematik des VwGVG folgend anzunehmen ist, dass sämtliche Entscheidungen über Wiederaufnahmeanträge - als selbstständige Entscheidungen - in Beschlussform zu erfolgen haben.

Zu A)

§ 32 VwGVG, BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 122/2013 lautet:

"Wiederaufnahme des Verfahrens

§ 32. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn eine Revision beim Verwaltungsgerichtshof gegen das Erkenntnis nicht mehr zulässig ist und

1. das Erkenntnis durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist oder

2. neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im Verfahren ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten und allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens voraussichtlich ein im Hauptinhalt des Spruchs anders lautendes Erkenntnis herbeigeführt hätten, oder

3. das Erkenntnis von Vorfragen (§ 38 AVG) abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der zuständigen Verwaltungsbehörde bzw. vom zuständigen Gericht in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde oder

4. nachträglich ein Bescheid oder eine gerichtliche Entscheidung bekannt wird, der bzw. die einer Aufhebung oder Abänderung auf Antrag einer Partei nicht unterliegt und die im Verfahren des Verwaltungsgerichtes die Einwendung der entschiedenen Sache begründet hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme ist binnen zwei Wochen beim Verwaltungsgericht einzubringen. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller von dem Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst mit diesem Zeitpunkt. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen.

(3) Unter den Voraussetzungen des Abs. 1 kann die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann die Wiederaufnahme auch von Amts wegen nur mehr aus den Gründen des Abs. 1 Z 1 stattfinden.

(4) Das Verwaltungsgericht hat die Parteien des abgeschlossenen Verfahrens von der Wiederaufnahme des Verfahrens unverzüglich in Kenntnis zu setzen.

(5) Auf die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtes sind die für seine Erkenntnisse geltenden Bestimmungen dieses Paragraphen sinngemäß anzuwenden. Dies gilt nicht für verfahrensleitende Beschlüsse."

Aus dem Antrag muss hervorgehen, dass die Wiederaufnahme eines näher bezeichneten Verfahrens begehrt wird. Zumindest muss aus dem Inhalt der Eingabe hervorgehen, auf welches abgeschlossene Verfahren sich der Antrag auf Wiederaufnahme bezieht (vgl. zu § 69 AVG VwGH 18.03.1993, 92/09/0212).

Der Antragsteller begehrt die Wiederaufnahme des Verfahren gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG und beantragt der Sache nach die Wiederaufnahme des mit Erkenntnis vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens.

§ 32 VwGVG regelt nur die Wiederaufnahme des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht. Die Wiederaufnahme des verwaltungsbehördlichen Verfahrens richtet sich nach § 69 AVG. Die Entscheidung darüber obliegt der bescheiderlassenden Behörde (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 2). Gemäß § 3 Abs. 6 VwGbk-ÜG entscheiden die Verwaltungsgerichte ab 01.01.2014 über die Wiederaufnahme von Verfahren, die entweder in diesem Zeitpunkt gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 8 B-VG auf die Verwaltungsgerichte übergegangen sind, oder, wären sie in diesem Zeitpunkt noch anhängig, übergehen würden. Die §§ 32 und 33 VwGVG sind sinngemäß anzuwenden.

Voraussetzung für die Stellung eines Wiederaufnahmeantrages ist gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG die Parteistellung im wiederaufzunehmenden Verfahren (vgl. zu § 69 Abs. 1 AVG VwGH 20.09.1994, 94/05/0209; 30.04.2008, 2007/04/0033; ferner Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 4).

Die Antragsteller hatten im Verfahren Parteistellung.

Der Wiederaufnahmeantrag darf gemäß § 32 Abs. 1 VwGVG erst gestellt werden, wenn eine Revision gegen das Erkenntnis (nicht oder [näher dazu Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 5 f.]) nicht mehr zulässig ist (vgl. zu § 69 Abs. 1 AVG VwGH 13.12.1988, 86/07/0032).

Die Erkenntnis des BVwG vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E, wurde dem Antragsteller rechtswirksam zugestellt (Zustellung durch Hinterlegung am 14.06.2018).

Der Grund, auf den sich das Wiederaufnahmebegehren stützt, ist im Antrag konkretisiert und schlüssig darzulegen (vgl. zu § 69 AVG VwGH 20.09.1995, 93/13/0161; 26.03.2003, 98/13/0142; Fister/Fuchs/Sachs,

Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 12).

Zur Begründung des Wiederaufnahmeantrages wurde ausgeführt, dass mit beiliegenden Befundbericht vom 25.06.2018 der XXXX , werde seiner Mutter XXXX bestätigt, dass diese unter F43.1 Posttraumatischer Belastungsstörung, sowie F44.5 Dissoziative Störung leide. Mittlerweile sei dieser der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.

Dieser Befundbericht vom 25.06.2018 habe zum Zeitpunkt der Entscheidung des Verfahrens noch nicht bestanden, weshalb eine andere Entscheidung hinsichtlich der aufenthaltsbeendende Maßnahme notwendig sei, da die Mutter des BF auf dessen psychische Unterstützung angewiesen sei.

Der Antrag ist gemäß § 32 Abs. 2 VwGVG binnen zwei Wochen ab dem Zeitpunkt, in dem der Antragsteller vom Wiederaufnahmegrund Kenntnis erlangt hat, wenn dies jedoch nach der Verkündung des mündlichen Erkenntnisses und vor der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung geschehen ist, erst ab diesem Zeitpunkt schriftlich (§ 17 VwGVG iVm § 13 Abs. 1 AVG; vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, VwGVG § 32 Anm. 12) beim Verwaltungsgericht einzubringen. Nach Ablauf von drei Jahren nach Erlassung des Erkenntnisses kann der Antrag auf Wiederaufnahme nicht mehr gestellt werden. Die Umstände, aus welchen sich die Einhaltung der gesetzlichen Frist ergibt, sind vom Antragsteller glaubhaft zu machen (vgl. zu § 69 AVG VwGH 19.05.1993, 91/13/0099; 25.01.1996, 95/19/0003).

Die dreijährige Frist ab Erlassung der Erkenntnisse ist jedenfalls gewahrt.

Vom Befund welcher am 27.07.2018 zur Post gegeben wurde (Arztbrief an seine Mutter) erlangte der Antragsteller seinen eigenen Angaben zufolge (ohne Datum) Kenntnis, sodass der Wiederaufnahmeantrag vom 09.07.2018, eingelangt beim BVwG am 11.07.2018, jedenfalls rechtzeitig und zulässig sei.

Die Wiederaufnahmeanträge sind jedoch nicht begründet:

Tatsachen und Beweismittel können nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist (sogenannte "nova reperta"), nicht aber, wenn es sich um erst nach Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens neu entstandene Tatsachen und Beweismittel handelt (sogenannte "nova causa superveniens") (vgl. zB. VwGH 08.11.1991, 91/18/0101; 07.04.2000, 96/19/2240; 20.06.2001, 95/08/0036; 19.03.2003, 2000/08/0105; siehe weiters Hengstschläger/Leeb, AVG, Bd. 4 [2009] § 69 Rz 28).

"Tatsachen" sind Geschehnisse im Seinsbereich, mit "Beweismittel" sind Mittel zur Herbeiführung eines Urteils über Tatsachen gemeint (VwGH 11.03.2008, 2006/05/0232).

Die neu hervorgekommenen Tatsachen und Beweismittel dürfen ohne Verschulden der Partei nicht geltend gemacht worden sein. Es ist zwar notwendig, aber nicht ausreichend, dass die Tatsachen (Beweismittel) im wieder aufzunehmenden Verfahren nicht geltend gemacht worden sind; es ist darüber hinaus auch erforderlich, dass sie - allenfalls auch im Verfahren vor einer höheren Instanz - nicht geltend gemacht werden konnten und dass die Partei daran kein Verschulden trifft. Jegliches Verschulden, das die Partei an der Unterlassung ihrer Geltendmachung trifft, auch leichte Fahrlässigkeit, schließt somit den Rechtsanspruch auf Wiederaufnahme des Verfahrens aus (VwGH 19.03.2003, 2000/08/0105). Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG - die wie oben ausgeführt auf die Bestimmungen des § 32 VwGVG anzuwenden sind - handelt es sich beim "Verschulden" im Sinne des Abs. 1 Z 2 um ein Verschulden im Sinne des § 1294 ABGB. Bei der Beurteilung des Verschuldens im Zusammenhang mit einer Wiederaufnahme ist das Maß dafür ein solcher Grad des Fleißes und der Aufmerksamkeit, welcher bei gewöhnlichen Fähigkeiten aufgewendet werden kann (siehe § 1297 ABGB). Konnte die wiederaufnahmewerbende Partei eine Tatsache oder ein Beweismittel bei gehöriger Aufmerksamkeit und gebotener Gelegenheit schon im Verwaltungsverfahren geltend machen, unterließ sie es aber, liegt ein ihr zuzurechnendes Verschulden vor, das eine Wiederaufnahme des Verfahrens ausschließt (VwGH 08.04.1997, 94/07/0063; 10.10.2001, 98/03/0259). Ob die Fahrlässigkeit leicht oder schwer ist (§ 1294 ABGB), ist irrelevant (vgl. Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 [2011] Rz 589; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 36 ff.).

Die Wiederaufnahme eines Verfahrens dient jedenfalls nicht dazu, Versäumnisse während eines Verwaltungsverfahrens zu sanieren (VwGH 27.07.2001, 2001/07/0017; 22.12.2005, 2004/07/0209).

Des Weiteren müssen die neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel entweder allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens die Eignung aufweisen, einen im Hauptinhalt des Spruches anders lautenden Bescheid (hier: anders lautende Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht) herbeizuführen. Ob diese Eignung vorliegt, ist eine Rechtsfrage, die im Wiederaufnahmeverfahren zu beantworten ist (vgl. VfGH 20.02.2014, U 2298/2013); ob tatsächlich ein anderes Ergebnis des Verfahrens zustande kommt, ist sodann eine Frage, die im wiederaufgenommenen Verfahren zu klären ist. Tauglich ist ein Beweismittel als Wiederaufnahmegrund ungeachtet des Erfordernisses seiner Neuheit also nur dann, wenn es nach seinem objektiven Inhalt (und unvorgreiflich der Bewertung seiner Glaubwürdigkeit) die abstrakte Eignung besitzt, jene Tatsachen in Zweifel zu ziehen, auf welche die Behörde entweder den den Gegenstand des Wiederaufnahmeantrages bildenden Bescheid oder (zumindest) die zum Ergebnis dieses Bescheides führende Beweiswürdigung tragend gestützt hat (VwGH 22.02.2001, 2000/04/0195; 19.04.2007, 2004/09/0159; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9)

Eine Wiederaufnahme setzt nicht Gewissheit darüber voraus, dass die Entscheidung im wieder aufzunehmenden Verfahren anders gelautet hätte. Für die Bewilligung oder Verfügung der Wiederaufnahme des rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens genügt es, dass diese Voraussetzung mit einiger Wahrscheinlichkeit zutrifft; ob sie tatsächlich vorliegt, ist erst in dem wiederaufgenommenen Verfahren zu entscheiden. Sachverhaltsänderungen nach Abschluss des wieder aufzunehmenden Verfahrens haben bei der Entscheidung über die Wiederaufnahme außer Betracht zu bleiben (VwGH 13.12.2002, 2001/21/0031; 07.09.2005, 2003/08/0093; Hengstschläger/Leeb, AVG § 69 Rz 42 ff.; siehe dazu weiters Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht9 [2011] Rz. 591, die in diesem Zusammenhang von einem "höheren Grad der Wahrscheinlichkeit" sprechen).

Zu dem vorgelegten Behördenbrief:

Der Antragsteller stützt seinen Wiederaufnahmeantrag auf einen ärztlichen Befund vom 25.06.2018.

Die wiederaufzunehmenden Verfahren wurden mit der Zustellung der Erkenntnisse des BVwG vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E (Zustellung durch Hinterlegung am 14.06.2018) rechtswirksam.

Wie bereits unter Verweis auf entsprechende Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes und der Lehre dargelegt, können Beweismittel nur dann einen Grund für die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens gemäß § 69 Abs. 1 Z 2 AVG darstellen, wenn sie bei Abschluss des seinerzeitigen Verfahrens schon vorhanden gewesen sind, ihre Verwertung der Partei aber ohne ihr Verschulden erst nachträglich möglich geworden ist ("nova reperta").

Der nunmehr vorgelegte ärztliche Befund wurde am 25.06.2018 ausgestellt und ist somit erst nach rechtskräftiger Beendigung der wiederaufzunehmenden Verfahren entstanden und demnach keine "nova reperta". Dies gibt der Antragsteller auch selbst in seinem Wiederaufnahmeantrag an, ihn treffe kein Verschulden an der Nichtvorlage im vorangegangenen Verfahren, da der Befund erst am 25.06.2018 ausgestellt worden sei.

Verfahrensgegenständlich liegen nach Abschluss der seinerzeitigen Verfahren neu entstandenen Beweismittel (sog. "nova causa superveniens" oder "nova producta") vor, die keinen Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens darstellen, da sie von der Rechtskraft der Entscheidungen nicht umfasst sind.

Verfahrensgegenständlich hätte das vorgelegte Beweismittel jedoch weder allein noch in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens, voraussichtlich eine im Hauptinhalt des Spruches anders lautende Entscheidung herbeigeführt:

Noch dazu wie im Erstverfahren ersichtlich, und der Antragstelle auch selbst in seinem Wiederaufnahmeantrag angibt, wurde die Problematik hinsichtlich dem Familienleben mit seiner Mutter bereits im vorangegangenen Erkenntnis durch den BVwG behandelt.

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Anträgen auf Wiederaufnahme geklärt erschien und es sich bei der Einordnung, ob die Eignung eines vorgebrachten Wiederaufnahmegrundes vorliegt, um eine Rechtsfrage handelt (vgl. VwGH 19.04.2007, 2004/09/0159; Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren (2013) § 32 VwGVG Anm. 9), konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben (vgl. VwGH 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018; VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Aus dem Gesagten folgt sohin, dass die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Erkenntnisses des BVwG vom 05.06.2018, Zl. W103 2116146-5/3E, rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens nicht vorliegen und spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Wie bereits oben ausgeführt, wurde § 32 Abs. 1 bis 3 VwGVG nach den Materialien der Bestimmung des § 69 AVG nachempfunden, weshalb auf die einheitliche Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 69 AVG zurückgegriffen werden kann. Die gegenständliche Entscheidung weicht weder von dieser bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden kann, dass es an einer Rechtsprechung gänzlich fehlen würde.

Schlagworte

Tatsachenfeststellung, Wiederaufnahme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W103.1432894.6.00

Zuletzt aktualisiert am

02.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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