TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/8 W166 2177720-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.08.2018
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Entscheidungsdatum

08.08.2018

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W166 2177720-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER als Vorsitzende und Richterin Mag. Ivona GRUBESIC sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb.XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Wien, vom XXXX, wegen Abweisung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses, in Verbindung mit dem Vorlageantrag gegen die Beschwerdevorentscheidung vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und die Beschwerdevorentscheidung nicht bestätigt.

Der Grad der Behinderung von XXXX beträgt nunmehr 50 v.H.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2017 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (im Folgenden: belangte Behörde) einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses und legte diverse medizinische Beweismittel vor.

In dem von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachten einer Ärztin für Orthopädie vom 30.08.2017, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, wurde ein Grad der Behinderung im Ausmaß von 40 v. H. festgestellt.

Als Funktionseinschränkung wurde "Rheumatoide Arthritis, oberer Rahmensatz, mehrere Gelenke betroffen, jedoch unter einschlägiger Medikation teilweise stabilisiert, bei insgesamt mäßigen Funktionseinbußen" unter der Positionsnummer 02.02.02 der Anlage zur Einschätzungsverordnung eingestuft.

Im Gutachten wurde auszugsweise ausgeführt:

"Anamnese:

Seronegative rheumatoide Arthritis seit 2011 bekannt,

2011 Operation am linken Vorfuß - vermutlich Hammerzehenoperation.

Derzeitige Beschwerden:

Er hätte Schmerzen an beiden Hüft- und Schultergelenken, der Lendenwirbelsäule. Schmerzen rechtes Handgelenk, hier trägt er eine Orthese. Morgensteifigkeit ca. 30 - 60 Minuten. Schwellungsneigung der kleinen gelenke. Wetterfühligkeit, Probleme besonders im Frühling und Herbst.

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Röntgen Wirbelsäule, Becken 23.9.16: Beckenübersicht: Mäßige Coxarthrose, rechts mehr als links, mit osteophytären Anbauten paraacetabulär rechts. Im Wesentlichen keine signifikante Dynamik zu 2013. Kein Nachweis von Erosionen oder Usuren. LWS: Incipiente linkskonvexe Skoliose sowie Streckfehlhaltung des oberen LWS-Drittels. Brückenbildende Spondylosis deformans L2/L3, L3/L4 sowie angedeutete Spondylophyten L5. Osteochondrosen L4/L5. Facettengelenksarthrosen L4/L5, L5/S1 bds. und geringer L3/L4. Die Sl-Gelenke projektionsradiographisch unauffällig. HWS:

Streckfehlhaltung

Arztbrief Rheumaambulanz AKH Wien 13.3.17: seroneg. RA

Röntgen bd. Schultern 22.8.17: Omarthrose bds.

(...)"

Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Ausstellung eines Behindertenpasses mangels Vorliegen der Voraussetzungen abgewiesen und einen Grad der Behinderung von 40 v.H. festgestellt.

Beweiswürdigend wurde dazu ausgeführt, dass im Ermittlungsverfahren ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden sei und nach diesem Gutachten der Grad der Behinderung 40 v. H. betrage. Gemäß § 40 Abs. 1 BBG sei behinderten Menschen erste ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen. Die Ergebnisse dieses ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Entscheidung zu Grunde gelegt worden. Das Sachverständigengutachten wurde dem Beschwerdeführer als Beilage mit dem Bescheid übermittelt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde und brachte vor, dass die belangte Behörde seine Erkrankung zu gering eingeschätzt habe und er an dauernden Schmerzen leide. Zudem leide er an Depressionen und Panikattacken und er sei deswegen auch in regelmäßiger psychiatrischer Behandlung. Der Beschwerdeführer legte mit der Beschwerde einen fachärztlichen Befundbericht vom 19.09.2017 vor.

In der von der belangten Behörde ergänzend eingeholten ärztlichen Stellungnahme vom 02.10.2017 wurde Nachfolgendes ausgeführt:

"Der AW führt an, dass seine diversen Gelenksbeschwerden (Hüftgelenke, Schultergelenke und Kniegelenke) nicht gesondert zur rheumatoiden Arthritis eingeschätzt wurden. Die rheumatoide Arthritis ist eine systematische Erkrankung, die die Gelenke befällt- daher werden die Beschwerden aller betroffenen Gelenke in diesem Leiden erfasst - eine gesonderte Einschätzung ist nicht gerechtfertigt und fachlich nicht richtig. Der neu vorgelegte Befund des Dr. XXXX vom 19.09.2017 beschreibt eine Coxarthrose rechts (die sich aufgrund der rheumatoiden Arthritis entwickelt hat) und bringt keine neuen Erkenntnisse, da die funktionelle Einschränkung des Hüftgelenkes in das Gutachten mit eingeflossen ist. Das psychiatrische Leiden kann ohne Vorlage fachärztlicher Befunde nicht berücksichtig werden. Somit kommt es zu keiner Änderung der Einschätzung."

In weiterer Folge teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit, dass er binnen drei Wochen eine schriftliche Stellungnahme einbringen könne.

Der Beschwerdeführer kam diesem Schreiben nach und legte am 17.10.2017 seine Stellungnahme vor und führte aus, dass sich sein Zustand verschlechtert habe und legte einen weiteren fachärztlichen Befund einer Fachärztin für Psychiatrie vom 05.10.2017 bei.

Die belangte Behörde erließ am XXXX eine abweisende Beschwerdevorentscheidung. Begründend wurde dazu ausgeführt, dass mit einem Grad der Behinderung von 40% die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, welche einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzlichen Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können.

Der Beschwerdeführer hat mittels Vorlageantrages vom 20.11.2017 die Vorlage seiner Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 15 VwGVG beantragt.

Der Vorlageantrag sowie die Beschwerde wurden samt dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht von der belangten Behörde am 24.11.2017 vorgelegt.

Zur Überprüfung des Beschwerdegegenstandes wurde vom Bundesverwaltungsgericht ein weiteres medizinisches Sachverständigengutachten, basierend auf der persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers, eingeholt.

In dem Gutachten der Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 29.05.2018 wird Nachfolgendes ausgeführt:

"(...)

Fragestellungen:

1) Gesonderte Einschätzung des Grades der Behinderung (GdB) für jede festgestellte psychische Gesundheitsschädigung

• Medizinisch exakte Bezeichnung der festgestellten psychischen Gesundheitsschädigungen

• Gewählte Position, wobei auf die Begründung der Wahl der Position besonders zu achten ist

• Zu Grunde gelegter Rahmensatz, wobei auf die Begründung der Einschätzung des GdB innerhalb des Rahmensatzes besonders zu achten ist

2) Beim Zusammentreffen mehrerer Leiden ist eine Gesamteinschätzung vorzunehmen und zu begründen.

3) Ausführliche Stellungnahme zu den Einwendungen in der Beschwerde vom 25.9.2017, Abl. 25-24 und der Stellungnahme zur Beschwerdevorentscheidung vom 17.10.2017, Abl. 32-31 betreffend die psychischen Erkrankungen und zum Befund einer Fachärztin für Psychiatrie vom 5.10.2017, Abl. 34.

4) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Zu den Fragen:

1)

Laut Befund von Frau Dr. XXXXvom 05.10.2017 und nach meiner Untersuchung leidet der Beschwerdeführer an einer mittelgradigen depressiven Verstimmung, die recidivierend immer wieder auftritt, getriggert durch Traumatisierungen in der Kindheit, durch ein schweres Trauma im 27. Lebensjahr, als er durch einen Autounfall beinahe zu ertrinken drohte und durch ein ADHS, welches nie behandelt wurde.

Die Position ist 03.06.01 mit dem Rahmensatz 30v.H.

1 Stufe unter oberem Rahmensatz, da unter Medikation nur teilweise stabil, sozial Neigung zu rückzugsverhalten, psychische Situation erschwert durch die körperliche Erkrankung.

2)

Ergebnis:

Leiden 1 des Vorgutachtens:

Rheumatoide Arthritis 02.02.02, 40 %

Oberer Rahmensatz, da mehrere Gelenke betroffen, jedoch unter einschlägiger Medikation teilweise stabilisiert, bei insgesamt mäßigen Funktionseinbußen.

Leiden 2:

Mittelgradige depressive Episode bei recidivierender depressiver Störung 03.06.01, 30%

Der Gesamt-GdB beträgt 50%.

Das Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da wechselseitig ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

3)

Zu den Einwendungen in der Beschwerde:

Abl. 24,25: In dieser Beschwerde beschreibt BF unter anderem seine psychischen Beschwerden die im ersten Gutachten wegen eines fehlenden Befundes nicht berücksichtigt wurden. Nach Nachreichung des Befundes und durch Untersuchung durch mich, einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, wurde das psychische Leiden entsprechend berücksichtigt.

AB 31,32: Dabei handelt es sich um die Abweisung der Beschwerde. Dazu kann ich, da dies keine medizinische Frage ist, keine Stellungnahme abgeben.

AB 34: Befund von Dr.XXXX vom 5.10.2017:

Dieser Befund bestätigt die klinische Diagnose des Vorliegens einer Depression.

Dass Antragsteller oft nicht wissen, auf welche Befunde es in einem Antrag wirklich ankommt und welche Befunde wichtig sind, kann man nicht den Antragstellern zur Last legen. Auch hat BF in seinem Antrag seine psychischen Beschwerden nicht angegeben, nur seine körperlichen Leiden. Auch das ist nachvollziehbar. Unter seiner Polyarthritis leidet er am meisten. Seine psychischen Leiden bestehen im Grunde seit seiner Kindheit und sind für ihn quasi "lebensbegleitend" das heißt, er denkt gar nicht mehr daran, dass man dagegen etwas tun könne.

4) Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich."

Mit Schreiben vom 09.07.2018 wurden dem Beschwerdeführer, nachweislich zugestellt am 12.07.2018, und der belangten Behörde gemäß § 45 Abs. 3 AVG das Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nachweislich zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit eingeräumt binnen zwei Wochen Stellungnahme abzugeben.

Der Beschwerdeführer und die belangte Behörde gaben keine Stellungnahmen ab.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer stellte am 27.06.2017 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses.

Der Beschwerdeführer hat seinen Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

Beim Beschwerdeführer liegen folgende Funktionseinschränkungen vor:

Leiden 1 Rheumatoide Arthritis (02.02.02, 40%)

Leiden 2 Mittelgradige depressive Episode bei recidivierender depressiver Störung (03.06.01, 30%)

Das Leiden 1 wird durch das Leiden 2 um 1 Stufe erhöht, da wechselseitig eine ungünstige Leidensbeeinflussung vorliegt.

Der Gesamtgrad der Behinderung beträgt 50 v.H.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Datum der Einbringung des Antrages auf Ausstellung eines Behindertenpasses und zum Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt ergeben sich aus dem Akteninhalt.

Die Feststellungen zu den behindertenrelevanten Funktionseinschränkungen und zum Gesamtgrad der Behinderung ergeben sich aus den eingeholten Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Orthopädie vom 30.08.2017 und einer Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie vom 29.05.2018, und der ergänzenden ärztlichen Stellungnahme vom 02.10.2017.

Die getroffene Einschätzung, basierend auf den im Rahmen der persönlichen Untersuchung erhobenen klinischen Befunden, entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen.

In den fachärztlichen Gutachten wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen.

Betreffend die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde angeführten Leiden, welche noch nicht berücksichtigt worden seien, hat der ärztliche Sachverständige in einer ergänzenden medizinischen Stellungnahme vom 02.10.2017 ausgeführt, dass die rheumatoide Arthritis eine systematische Erkrankung ist, die die Gelenke befällt, daher wurden die Beschwerden aller betroffenen Gelenke in einem Leiden erfasst, eine gesonderte Einschätzung ist nicht gerechtfertigt und fachlich nicht richtig. Der neu vorgelegte Befund vom 19.09.2017 beschreibt eine Coxarthrose rechts, die sich aufgrund der rheumatoiden Arthritis entwickelt hat, und bringt keine neuen Erkenntnisse, da die funktionelle Einschränkung des Hüftgelenkes gemäß der heranziehenden Einschätzungsverordnung bereits berücksichtigt wurde.

Zum Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde, seine Erkrankung sei zu gering eingeschätzt worden, da er auch unter ständigen Schmerzen leide, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer anlässlich seiner persönlichen Untersuchung am 30.08.2017 das Vorhandensein von Schmerzen vorgebracht hat, und die fachärztliche Sachverständige diesen Umstand im Gutachten vom 30.08.2017 unter "Derzeitige Beschwerden" angeführt und bei der Einschätzung des Leidens berücksichtigt hat.

Betreffend die vom Beschwerdeführer in der Beschwerde angeführten psychischen Leiden, welche noch nicht berücksichtigt worden seien, hat die fachärztliche Sachverständige für Psychiatrie und Neurologie im Gutachten vom 29.05.2018 ausgeführt, dass eine mittelgradige depressive Episode bei rezidivierender depressiver Störung vorliegt und entsprechend der Einschätzungsverordnung unter der Positionsnummer 03.06.01 mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. einzustufen ist.

Damit wurde den Einwendungen des Beschwerdeführers Rechnung getragen.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen daher keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der gegenständlichen fachärztlichen Sachverständigengutachten.

Die fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 30.08.2017 und 29.05.2018 sowie die fachärztliche Stellungnahme vom 02.10.2017 wurden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zu Grunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Antragstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idgF geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§9 Abs. 1 Z3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 40 Abs. 1 BBG ist behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. 2r. 22/1970, angehören.

Gemäß § 40 Abs. 2 BBG ist Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ein Behindertenpass auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hierzu ermächtigt ist.

Gemäß § 41 Abs. 1 BBG gilt als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers /§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetzes, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hierfür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorgesehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

Gemäß § 42 Abs. 1 BBG hat der Behindertenpass den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum, eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 42 Abs. 2 BBG ist der Behindertenpass unbefristet auszustellen, wenn keine Änderung in den Voraussetzungen zu erwarten ist.

Gemäß § 45 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 Bundesbehindertengesetz ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 leg. cit. nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 35 Abs. 1 EStG steht dem Steuerpflichtigen, der außergewöhnliche Belastungen durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung hat und weder der Steuerpflichtige nach sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage) erhält, ein Freibetrag gemäß Abs. 3 leg. cit. zu.

Gemäß § 35 Abs. 2 EStG bestimmt sich die Höhe des Freibetrages nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,

1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hierfür maßgebenden Einschätzung,

2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 162/2010, die die von ihr umfassten Bereiche.

Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständige Stelle nachzuweisen.

Zuständige Stelle ist:

-

der Landeshauptmann bei Empfängern einer Opferrente (§ 11 Abs. 2 des Opferfürsorgegesetzes, BGBl. Nr. 183/1947)-

-

Die Sozialversicherungsträger bei Berufskrankheiten oder Berufsunfällen von Arbeitnehmern.

-

In allen übrigen Fällen sowie beim Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Arten das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; diese hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung diese Bestimmungen ergangen Bescheid zu erstellen.

Die maßgebenden Bestimmungen der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz betreffend nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl II 251/2012 (Einschätzungsverordnung), lauten auszugsweise:

...

Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.

Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 v.H. sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-

sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-

zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.

Grundlage der Einschätzung

§ 4. (1) Die Grundlage für die Einschätzung des Grades der Behinderung bildet die Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen im körperlichen, geistigen, psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung in Form eines ärztlichen Sachverständigengutachtens. Erforderlichenfalls sind Experten aus anderen Fachbereichen - beispielsweise Psychologen - zur ganzheitlichen Beurteilung heran zu ziehen.

(2) Das Gutachten hat neben den persönlichen Daten die Anamnese, den Untersuchungsbefund, die Diagnosen, die Einschätzung des Grades der Behinderung, eine Begründung für die Einschätzung des Grades der Behinderung innerhalb eines Rahmensatzes sowie die Erstellung des Gesamtgrades der Behinderung und dessen Begründung zu enthalten.

Betreffend die beim Beschwerdeführer vorliegenden Leiden ist der Anlage zur Einschätzungsverordnung Nachfolgendes zu entnehmen:

"02.02 Generalisierte Erkrankungen des Bewegungsapparates

02.02.02 Mit funktionellen Auswirkungen mittleren Grades 30-40 %

Mäßige Funktionseinschränkungen, je nach Art und Umfang des Gelenkfalls, geringe Krankheitsaktivität

03.06 Affektive Störungen, manische, depressive und bipolare Störungen

03.06.01 Depressive Störung-Dysthymie-leichten Grades 10-40%

Manische Störung-Hypomanie-leichten Grades

Keine psychotischen Symptome, Phasen mindestens 2 Wochen andauernd

20%:

Unter Medikation stabil, soziale Integration

30%:

Unter Medikation stabil, fallweise beginnende soziale Rückzugstendenz, aber noch integriert

40%:

Trotz Medikation in stabil, mäßige soziale Beeinträchtigung"

Da in den gegenständlichen fachärztlichen Sachverständigengutachten, die vom Bundesverwaltungsgericht als schlüssig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei gewertet wurde, ein Grad der Behinderung von 50 v. H. festgestellt wurde, sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses erfüllt.

Daher war spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde stattzugeben.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn

1. der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarere verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder

2. die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist.

Gemäß § 24 Abs. 3 VwGVG hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß § 24 Abs.4 VwGVG kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall wurde der Grad der Behinderung des Beschwerdeführers unter Mitwirkung von fachärztlichen Sachverständigen und nach Durchführung persönlicher Untersuchungen nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung eingeschätzt. Die Sachverständigengutachten sind schlüssig, den Einwendungen des Beschwerdeführers konnte gefolgt werden, und der Sachverhalt ist als geklärt anzusehen, sodass im Sinne der Judikatur des EGMR und der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.2013, Zl. 2011/11/0180) eine mündliche Verhandlung nicht geboten war. Der Beschwerdeführer hat im Rahmen des ihm vom Bundesverwaltungsgericht eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme zum eingeholten fachärztlichen Sachverständigengutachten vom 29.05.2018 abgegeben. Art. 6 EMRK bzw. Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen somit dem Absehen von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entgegen.

Der Beschwerdeführer hat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung auch nicht beantragt.

Zu Spruchpunkt B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass, Grad der Behinderung, Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W166.2177720.1.00

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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