Entscheidungsdatum
08.08.2018Norm
Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1Spruch
W264 2166200-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch Richterin Dr. Tanja KOENIG-LACKNER als Vorsitzende und die Richterin Mag. Carmen LOIBNER-PERGER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice Landesstelle Burgenland vom 2.5.2017 betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass, zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird stattgegeben.
Die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in den Behindertenpass der Beschwerdeführerin ist vorzunehmen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1.1. Der Beschwerdeführer ist aufgrund des GdB von 50% (siehe Bescheid vom 19.12.2016 im Akt) im Besitz eines Behindertenpasses mit der Passnummer XXXX und begehrte mit Antrag vom 3.1.2017 mit dem Formular in der Version 11/2015 die Ausstellung eines Parkweises nach § 29b Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960). In diesem Formular ist als "Hinweis" enthalten, dass der Antrag auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" in den Behindertenpass gilt.
1.2. Der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid nach Einholung eines Sachverständigengutachtens Dris. XXXX, Facharzt für Orthopädie, abgewiesen.
Mit dem Beschwerdeschriftsatz des KOBV (bei der belangten Behörde am 27.7.2017 eingelangt) wurde der Orthopädische Befundbericht Dris. XXXX vom 5.12.2016 vorgelegt und zu den Beschwerdegründen ausgeführt sowie die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung beantragt[k1].
1.3. Die belangte Behörde legte den bezughabenden Akt dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor und langte der Akt am 1.8.2017 ein.
1.4. Mit Schriftsatz des KOBV vom 19.10.2017 wurde der Befund der FÄ für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. XXXX vom 13.10.2017 vorgelegt.
1.5. Mit gerichtlichem Auftrag vom 24.10.2017 wurde der bereits befasste medizinische Sachverständige Dr. XXXX, FA für Orthopädie und Unfallchirurgie, zum Zwecke der Beurteilung der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens vorgelegten Unterlagen zu folgenden Fragestellungen um Expertise ersucht:
1. Werden etwa Schmerzen vorgebracht, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch Beeinflussung der Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers oder durch Beeinflussung seiner cardiopulmonalen Belastbarkeit erheblich erschweren;
oder
2. eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorgebracht wird.
Ausgehend von den bisherigen durch die Judikatur des VwGH entwickelten Beurteilungskriterien zur Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind Funktionseinschränkungen relevant, welche die selbständige Fortbewegung im öffentlichen Raum sowie den sicheren, gefährdungsfreien Transport im öffentlichen Verkehrsmittel erheblich einschränken. Nach der Judikatur des VwGH zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke (unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse: 300 m bis 400 m) nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe, allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe, ohne Unterbrechung zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert.
3. Ist dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300m bis 400m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und allenfalls unter Verwendung von Hilfsmitteln ohne Unterbrechung möglich?
4. Sind allenfalls für die Zurücklegung einer Wegstrecke benötigte Behelfe für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwerend?
5. Ist es dem Beschwerdeführer möglich, Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen zu überwinden?
6. Sind aufgrund der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt zu befürchten?
Alle therapeutischen Möglichkeiten sind zu berücksichtigen. Therapiefraktion - das heißt, keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des behandelnden Arztes ist nicht ausreichend.
Zur Zumutbarkeit eventueller therapeutischer Maßnahmen möge bitte Stellung genommen werden.
7. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?
8. Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?
Der ersuchte medizinische Sachverständige wurde auf die Neuerungsbeschränkung des § 46, 3. Satz BBG hingewiesen, wonach ab dem Einlangen der Beschwerdevorlage (in casu: 1.8.2017) neue Tatsachen und neue Beweismittel nicht vorgebracht werden dürfen. Im Hinblick auf die Neuerungsbeschränkung wurde der Sachverständige darauf hingewiesen, dass aus Sicht des erkennenden Senats bloß die Befunde hinsichtlich jene Leiden, welche im bisherigen Verfahren berücksichtigt sind, relevant sind und allenfalls bei einer allfälligen Untersuchung nachgereichte Unterlagen als "bei der Untersuchung am XX vorgelegt" bezeichnet / gekennzeichnet und dem Akt zwar angeschlossen, aber in der gutachterlichen Beurteilung nicht berücksichtigt werden mögen.
1.6. Der BF wurde am 11.7.2018 vom medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX aus dem Fachgebiet der Orthopädie neuerlich untersucht und mündete dieser Befund im Sachverständigengutachten vom 11.7.2018.
Das Sachverständigengutachten Dris. XXXX vom 11.7.2018 lautet auszugsweise wie folgt:
Zu "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?" führte der Sachverständige aus:
"Der Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel ist aufgrund der vorliegenden Funktionseinschränkungen welche nach Durchsicht der vorgelegten Befunde sowie der im Rahmen der Begutachtung durchgeführten klinischen Untersuchung verifiziert wurden nicht möglich. Das sicher Ein- und Aussteigen, das Zurücklegen von kurzen Wegstrecken ist beträchtlich erschwert wobei auch unter Zuhilfenahme eines Gehstockes keine signifikante Besserung erreicht werden kann. Es besteht zudem erhöhte Sturzgefahr."
Zu "Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?" führte der Sachverständige aus: "nein"
Der Sachverständige gab weiters an wie folgt: "Aufgrund der im Rahmen der Begutachtung verifizierten Verschlechterung der Leiden mit entsprechenden Funktionsminderung, besteht nunmehr eine beträchtliche Verkürzung der Gehstrecke mit Gangunsicherheit und Sturzneigung, sodass die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel massiv erschwert ist (siehe Begründung oben)."
Zu der Frage "Werden etwa Schmerzen vorgebracht, welche die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel durch Beeinflussung der Geh-, Steh- und Steigfähigkeit des Beschwerdeführers oder durch Beeinflussung seiner cardiopulmonalen Belastbarkeit erheblich erschweren?" und zu der Frage "Werden erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit vorgebracht?" verwies der medizinische Sachverständige jeweils auf die "Begründung umseitig (siehe Anamnese, aktuelle Beschwerden)".
Unter "Anamnese" wird festgehalten:
"Anamnese:
Vorgutachten vom 07.12.2016 (50 v.H. - der ZE "Unzumutbarkeit" wurde nicht gewährt)
Der Zusatzeintrag "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel" wird beantragt.
Die Voranamnese darf als bekannt vorausgesetzt werden - siehe Vorgutachten:
Zustand nach Fraktur des 8 und 9 Brustwirbelkörpers, dorsale Spondylodese TH 6 bis TH 10 1992 (Metallentfernung 1996)
Lumboischialgie links bei Skoliose und Osteochondrose der Lendenwirbelsäule
Zustand nach Knie-TEP links 2009 bei Zustand nach komplexer Kniebandverletzung mit
Rekonstruktion des vorderen und hinteren Kreuzbandes 1998
Varusgonarthrose rechts, incipiente Coxarthrose beidseits.
Dem Akt wurde ein neuer Facharztbefund von Herrn Dr. XXXX vom 05.12.2016 beigelegt, welcher jedoch bereits im Vorgutachten berücksichtigt wurde.
Ein Arztbefund von Dr. Meszner vom 10.07.2018 wurde mitgebracht - neue DG: D.m. Typ IIb
Der AW gibt an beim FA für Orthopädie in Behandlung zu sein - aktuelle (oder alte) Befunde wurden zur Untersuchung jedoch nicht mitgebracht!
Derzeitige Beschwerden:
Der Antragswerber gibt eine Verschlechterung sämtlicher vorbekannten Beschwerden im Zusammenhang mit Einschränkung der Gehstrecke an. Im Vordergrund stünden laut AW die WS- und Knie Beschwerden li. Die WS-Beschwerden zeigen eine Schmerzausstrahlung in die li. UE. Es bestehen Gangunsicherheit mit Belastungsschmerzen sowie Schwellneigung des li. Kniegelenkes. Es werden Gehstrecken von höchstens 300-400 Metern mit Gehhilfe angegeben. Dann müssen Pausen eingelegt werden. Im Laufe des Tages komme es zudem zu einer Verkürzung der Gehstrecke auf unter 300 Meter! Ein Gehstock wird verwendet. Aufgrund der genannten Beschwerden komme es zudem zu rezidivierenden Stürzen."
Auf die Frage, ob dem Beschwerdeführer das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300m bis 400m aus eigener Kraft, ohne fremde Hilfe und allenfalls unter Verwendung von Hilfsmitteln ohne Unterbrechung möglich ist, gab der Sachverständige nach Objektivierung des Beschwerdeführers an: "nur mit Gehhilfe und Pausen".
Auf die Frage, ob allenfalls für die Zurücklegung einer Wegstrecke benötigte Behelfe für die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwerend sind, gab er an: "ja".
Die Frage, ob es dem Beschwerdeführer möglich ist, Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen zu überwinden, beantwortete der Sachverständige mit "ja - jedoch erschwert (Gehstock) mit Sturzneigung".
Die Frage "Sind aufgrund der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche und bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt zu befürchten?" wurden beantwortet mit: "Fortbewegung während der Fahrt aufgrund der Sturzneigung kaum möglich."
Auf die Frage ob beim Beschwerdeführer erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vorliegen, gab der Sachverständige an: "ja - Wirbelsäule und linke untere Extremität".
Die Frage "Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?" verneinte der Sachverständige.
Der klinische Status - Fachstatus wurde - auszugsweise - objektiviert wie folgt:
"Rechte und linke OE:
Schulter-, Ellbogen, Hand- und Fingergelenk aktiv und passiv frei, periphere Sens. Und DB beider UE zum Untersuchungszeitpunkt o. B.
BWS: OP-Narbe von 19 cm in Höhe der BWS, Klopfschmerz im mittleren Narbendrittel und am Übergang zur LWS, Schmerzausstrahlung in die Flanken
LWS: Klopfschmerz im Bereich der gesamten LWS, Schmerzausstrahlung in beide Flanken und die li. UE (Dermatome L3-5)
Dysaesthesien im Bereich des linken Fußes, fallweise vom Knie abwärts, Fingerbodenabstand: 30 cm
Rechte UE:
Zehenspitzen-, Fersenstand: kraftbedingt kaum möglich, periphere Sens. Und DB zum Untersuchungszeitpunkt o. B.
Linke UE:
Blande OP-Narbe über dem Kniegelenk von 18 cm. Schmerzen medial und Schwellung des Gelenkes
Endlagige Streckung und Beugung schmerzhaft, fallweise Dysaesthesien, periartikulär sowie am Unterschenkel außenseitig bis zum Fuß
Zehenspitzen-, Fersenstand: kraftbedingt kaum möglich, periphere Sens. Und DB zum Untersuchungszeitpunkt o. B."
Die "Gesamtmobilität - Gangbild" wurde objektiviert wie folgt:
"Linksbetontes Hinken, ein Gehstock wird verwendet. An- und Auskleiden möglich, jedoch erschwert."
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Der Beschwerdeführer erfüllt die allgemeinen Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses. Der Beschwerdeführer hat seinen ordentlichen Wohnsitz an der Adresse XXXX - somit im Inland - inne und besitzt einen Behindertenpass mit der Passnummer XXXX.
Dem Beschwerdeführer ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar aufgrund dessen, dass das sichere Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel, das Zurücklegen kurzer Wegstrecken zu einem solchen beträchtlich erschwert und auch mit der Zuhilfenahme eines Gehstockes eine signifikante Besserung nicht erreichbar ist und eine erhöhte Sturzgefahr vorliegt.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zu den allgemeinen Voraussetzungen, dem Wohnsitz des Beschwerdeführers im Inland und zum Behindertenpass ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen, widerspruchsfreien und unbestrittenen Akteninhalt und dem Zentralen Melderegister.
Die Feststellungen zu Art, Ausmaß und Auswirkungen der Funktionseinschränkungen auf die Zumutbarkeit zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel gründen sich - in freier Beweiswürdigung - in nachstehend ausgeführtem Umfang auf die vorgelegten und eingeholten Beweismittel:
Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Sachverständigengutachten des Facharztes für Orthopädie Dr. XXXX vom 11.7.2018, basierend auf einer persönlichen Untersuchung des Beschwerdeführers am gleichen Tage, ist schlüssig und nachvollziehbar, es weist keine Widersprüche auf. Es wird auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen. Auch wird zu den Auswirkungen der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel eingehend Stellung genommen und nachvollziehbar zu den vom Gericht herangetragenen Fragen ausgeführt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund im Gutachten näher beschriebenen Funktionseinschränkungen nicht möglich und nicht zumutbar ist, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen.
Bei dem Beschwerdeführer bestehen als Dauerzustand vier Leiden: 1) Zustand nach Knie-Endoprothese links im Jahr 2009 bei Zustand nach komplexer Kniebandverletzung mit Rekonstruktion des vorderen und hinteren Kreuzbandes im Jahre 1998, Varusgonarthorse rechts; 2) Zustand nach Fraktur des 8. Und 12. Brustwirbelkörpers Lumboischalgie links bei Skoliose und Osteochondrose der Lendenwirbelsäule; 3) beginnende Hüftgelenksarthrose beidseits; 4) nicht insulinpflichtiger Diabetes mellitus. Die oberen und die unteren Extremitäten sowie die Lenden- und die Brustwirbelsäule des Beschwerdeführers sowie dessen Gesamtmobilität - Gangbild wurden durch persönliche Untersuchung vom gerichtlich beauftragten Facharzt für Orthopädie am 11.7.2018 objektiviert und gelangte der Sachverständige nach Befund und unter Beachtung der vom Beschwerdeführer vorgelegten Beweismitteln zu dem Schluss, dass es dem Beschwerdeführer nur mit Gehhilfen und Pausen möglich ist, eine kurze Wegstrecke von 300 m bis 400 m zurück zu legen, wobei die Zurücklegung dieser Wegstrecke durch die benötigten Behelfe in hohem Maße erschwerend ist. Die Gehhilfe "Gehstock" - welche vom Beschwerdeführer auch bei der Untersuchung am 11.7.2018 verwendet wurde - ist für den Beschwerdeführer für das Überwinden von Niveauunterschieden beim Ein- und Aussteigen erschwerend und neigt der Beschwerdeführer zu Stürzen. Die Sturzneigung vereitelt dem Beschwerdeführer ein Fortbewegen in einem öffentlichen Verkehrsmittel während der Fahrt. Die Beschaffenheit der Wirbelsäule und der linken unteren Extremität bedingt eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten.
Bei dem gerichtlich beauftragten medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX handelt es sich um den bereits im Verfahren vor der belangten Behörde herangezogenen Sachverständigen und wurde der Beschwerdeführer für die Erstellung dessen Gutachten jeweils persönlich befundet, wobei die vom Beschwerdeführer im gesamten Verfahren vorgelegten Beweismitteln dem medizinischen Sachverständigen Dr. XXXX übermittelt wurden.
Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes besteht kein Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des gegenständlichen Sachverständigengutachtens Dris. XXXX.
Das gegenständlichen Sachverständigengutachten Dris. XXXX ermöglichen dem erkennenden Gericht, sich in Zusammenschau mit den dem Gericht vorgelegten Beweismitteln, dem vorgelegten Fremdakt der belangten Behörde - in welchem die vom Beschwerdeführer der Behörde vorgelegten Beweismittel sowie das auf behördlichen Auftrag erstellte Sachverständigengutachten Dris. XXXX einliegen - vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt im Rahmen der freien Beweiswürdigung ein ausreichendes Bild zu machen.
Der Grundsatz der freien Beweiswürdigung (§ 45 Abs. 2 AVG) bedeutet nach stRsp des VwGH nicht, dass der in der Begründung des Bescheids niederzulegende Denkvorgang der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle nicht unterliegt. Die Bestimmung des § 45 Abs. 2 AVG hat nur zur Folge, dass die Würdigung der Beweise keinen gesetzlichen Regeln unterworfen ist. Dies schließt jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle dahingehend, ob der Sachverhalt genügend erhoben ist, nicht aus.
Die freie Beweiswürdigung ist ein Denkprozess, welcher den Regeln der Logik zu folgen hat, und im Ergebnis zu einer Wahrscheinlichkeitsbeurteilung eines bestimmten historisch empirischen Sachverhalts, also von Tatsachen, führt. Der Verwaltungsgerichtshof führt dazu präzisierend aus, dass eine Tatsache in freier Beweiswürdigung nur dann als erwiesen angenommen werden darf, wenn die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens ausreichende und sichere Anhaltspunkte für eine derartige Schlussfolgerung liefern (VwGH 28.9.1978, 1013, 1015/76).
Die Würdigung der Beweise ist zufolge § 45 Abs 2 AVG keinen gesetzlichen Regeln unterworfen. Davon ist jedoch eine verwaltungsgerichtliche Kontrolle in der Richtung ob die bei der Beweiswürdigung vorgenommenen Erwägungen schlüssig sind, nicht ausgeschlossen. Schlüssig sind solche Erwägungen nur dann, wenn sie ua den Denkgesetzen, somit auch dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut, entsprechen.
Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, § 45 AVG, E 50, Seite 305, führt beispielsweise in Zitierung des Urteils des Obersten Gerichtshofs vom 29.2.1987, 13 Os 17/87, aus:
"Die aus der gewissenhaften Prüfung aller für und wider vorgebrachten Beweismittel gewonnene freie Überzeugung der Richter wird durch eine hypothetisch denkbare andere Geschehensvariante nicht ausgeschlossen. Muss doch dort, wo ein Beweisobjekt der Untersuchung mit den Methoden einer Naturwissenschaft oder unmittelbar einer mathematischen Zergliederung nicht zugänglich ist, dem Richter ein empirisch-historischer Beweis genügen. Im gedanklichen Bereich der Empirie vermag daher eine höchste, ja auch eine (nur) hohe Wahrscheinlichkeit die Überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen, (...)".
3. Rechtliche Würdigung:
Die maßgeblichen formellrechtlichen Rechtsgrundlagen sind jene des Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG) und des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG).
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Im Bundesbehindertengesetz normiert § 45 Abs. 3, dass in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses oder auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grad der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch Senat zu erfolgen hat. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor und war entsprechend dem § 45 Abs. 4 ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundiger Laienrichter hinzuzuziehen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 24/2017, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die maßgeblichen materiellrechtlichen Bestimmungen sind jene des Bundesbehindertengesetz (BBG). § 45 Abs. 1 BBG normiert, dass Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen sind.
§ 47 BBG beinhaltet eine Verordnungsermächtigung, wonach der Bundesminister für Arbeit und Soziales ermächtigt ist, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpass und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.
Ad A) Zur Entscheidung in der Sache
Unter Behinderung iSd Bundesbehindertengesetz ist gemäß dessen § 1 Abs. 2 leg. cit. die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
Gemäß § 45 Abs. 1 BBG sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses - dessen nähere Ausgestaltung im § 42 BBG normiert ist - sowie Anträge auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen. Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt gemäß § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.
Entsprechend der Verordnungsermächtigung der §§ 42 und 47 BBG sowie aufgrund des § 29b Abs. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO 1960) wurde die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen erlassen (BGBl II 495/2013 idF BGBl II 263/2016). Diese normiert im § 1 Abs. 4 Z 3, dass auf Antrag des Menschen mit Behinderung ua jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen ist.
Die Voraussetzungen hierfür sind in § 1 Abs. 4 Z 3 der zuvor genannten Verordnung normiert:
Demnach ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und hinzukommend erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach § 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder § 1 Abs. 4 Z 1 lit. d vorliegen.
Die zuvor genannte Verordnung normiert im § 1 Abs. 5 als Grundlage für die Beurteilung, ob diese Voraussetzungen für die in § 1 Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind zumutbare therapeutische Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
In den auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz veröffentlichten Erläuterungen zur Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl II 495/2013 idF BGBl II 263/2016 wird ua Folgendes ausgeführt:
Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.
Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen, wobei eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin hierfür nicht ausreichend ist.
Durch die Verwendung des Begriffes "dauerhafte Mobilitätseinschränkung" hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine mindestens sechs Monate andauernde Funktionsbeeinträchtigung handeln muss. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.
Die Begriffe "erheblich" und "schwer" werden bereits in der Einschätzungsverordnung, BGBl II 261/2010, je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend. Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind - ungeachtet der Ursache - eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen. Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen.
Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen und normiert die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen BGBl II 495/2013 idF BGBl II 263/2016, taxativ bei welchen Einschränkungen jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vorliegt.
Um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, ist amtswegig zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig ärztlicher Sachverständigengutachten, in welchen die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch werden die belangte Behörde und das Gericht in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 23.5.2012, 2008/11/0128, und die dort genannte Entscheidung VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 27.1.2015, 2012/11/0186).
Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Zusatzeintragung ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel dann unzumutbar, wenn eine kurze Wegstrecke nicht aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe - allenfalls unter Verwendung zweckmäßiger Behelfe - zurückgelegt werden kann oder wenn die Verwendung der erforderlichen Behelfe die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in hohem Maße erschwert. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist auch dann nicht zumutbar, wenn sich die dauernde Gesundheitsschädigung auf die Möglichkeit des Ein- und Aussteigens und die sichere Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter Berücksichtigung der beim üblichen Betrieb dieser Verkehrsmittel gegebenen Bedingungen auswirkt. Zu prüfen ist die konkrete Fähigkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels. Zu berücksichtigen sind insbesondere zu überwindende Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während Fahrt (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; 14.5.2009, 2007/11/0080). Betreffend das Kalkül "kurze Wegstrecke" wird angemerkt, dass der Verwaltungsgerichtshof von einer unter Zugrundelegung städtischer Verhältnisse durchschnittlich gegebenen Entfernung zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel von 300 Meter bis 400 Meter ausgeht (ua VwGH 27.5.2014, Ro 2014/11/0013).
Die Frage der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist eine Rechtsfrage und bedarf es zur Lösung dieser der Einholung eines Befunds und Gutachten durch medizinische Sachverständige. Ein solches Sachverständigengutachten hat sich mit der Frage zu befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung der Art und Schwere nach auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.3.2001, 2000/11/0321). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen; dies unter Berücksichtigung der hierbei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.5.2009, 2007/11/0080).
Das Bundesverwaltungsgericht hat ein Sachverständigengutachten, in welchen die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden, eingeholt (Gutachten Dris. XXXXvom 11.7.2018 nach vorangegangener persönlicher Untersuchung des Beschwerdeführers) und aus welchem sich nach Objektivierung der vorhandenen Funktionsbeeinträchtigungen und Beschaffenheit der körperlichen Belastbarkeit und der Extremitäten des Beschwerdeführers in Zusammenschau mit den von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs herausgebildeten Beurteilungskriterien demnach eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ergibt.
Das auf der Untersuchung des Beschwerdeführers fußende Gutachten Dris. XXXX vom 11.7.2018 war aufgrund der Schlüssigkeit und Nachvollziehbarkeit der Entscheidung zu Grunde zu legen und folgt aus der rechtlichen Beurteilung, dass dem Beschwerdeführer die Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel nicht zumutbar ist.
Da im Ergebnis festgestellt wurde, dass die dauernden Gesundheitsschädigungen ein Ausmaß erreichen, welches die Vornahme der Zusatzeintragung "Dem Inhaber des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar" rechtfertigt, war spruchgemäß zu entscheiden.
1. Zum Absehen von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung
Das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen (§ 24 Abs. 1 VwGVG).
Die Verhandlung kann entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist (§ 24 Abs. 2 VwGVG).
Nach § 24 Abs. 4 VwGVG 2014 kommt ein Entfall der Verhandlung dann nicht in Betracht, wenn Art 6 MRK und Art 47 GRC die Durchführung einer solchen gebieten. Eine Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist daher durchzuführen, wenn es um 'civil rights' oder 'strafrechtliche Anklagen' iSd Art. 6 MRK oder um die Möglichkeit der Verletzung einer Person eingeräumter Unionsrechte (Art. 47 GRC) geht und eine inhaltliche Entscheidung in der Sache selbst getroffen wird (VwGH 9.9.2014, Ro 2014/09/0049).
Der EGMR hat in seinen Entscheidungen vom 10.5.2007, Nr. 7401/04 (Hofbauer/Österreich Nr. 2), und vom 3.5.2007, Nr. 17.912/05 (Bösch/Österreich), unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung dargelegt, dass der Beschwerdeführer grundsätzlich ein Recht auf eine mündliche Verhandlung vor einem Tribunal hat, außer es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die eine Ausnahme davon rechtfertigten. Der EGMR hat das Vorliegen solcher außergewöhnlichen Umstände angenommen, wenn das Verfahren ausschließlich rechtliche oder "hoch-technische" Fragen ("exclusively legal or highly technical questions") betrifft. Der Gerichtshof verwies im Zusammenhang mit Verfahren betreffend ziemlich technische Angelegenheiten ("rather technical nature of disputes") auch auf das Bedürfnis der nationalen Behörden nach zweckmäßiger und wirtschaftlicher Vorgangsweise, das angesichts der sonstigen Umstände des Falles zum Absehen von einer mündlichen Verhandlung berechtige (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).
In seinem Urteil vom 18.7.2013, Nr. 56.422/09 (Schädler-Eberle/Liechtenstein) hat der EGMR in Weiterführung seiner bisherigen Judikatur dargelegt, dass es Verfahren geben würde, in denen eine Verhandlung nicht geboten sei, etwa wenn keine Fragen der Beweiswürdigung auftreten würden oder die Tatsachenfeststellungen nicht bestritten seien, sodass eine Verhandlung nicht notwendig sei und das Gericht auf Grund des schriftlichen Vorbringens und der schriftlichen Unterlagen entscheiden könne (VwGH 3.10.2013, 2012/06/0221).
Laut Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung, ob die gesundheitlichen Einschränkungen des Betroffenen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unzumutbar erscheinen lassen, "wegen des für die Entscheidungsfindung wesentlichen persönlichen Eindrucks von der Person des Antragstellers" grundsätzlich eine mündliche Verhandlung geboten (VwGH 21.6.2017, Ra 2017/11/0040-5 mit dem Hinweis VwGH 8.7.2015, 2015/11/0036, 21.4.2016, Ra 2016/11/0018, 25.5.2016, Ra 2016/11/0057, und 16.8.2016, Ra 2016/11/0013).
Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 24 Abs. 1 VwGVG lautet aber auch, dass das Verwaltungsgericht (selbst bei anwaltlich Vertretenen) auch ohne Antrag von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen hat, wenn das Verwaltungsgericht eine solche für erforderlich hält, wobei die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ohne Parteiantrag nicht im Belieben, sondern im pflichtgemäßen Ermessen des Verwaltungsgerichts steht (VwGH 18.10.2016, 2015/03/0029 mwH). Dies ist nach der Rechtsprechung etwa dann anzunehmen, wenn die Beweiswürdigung der Verwaltungsbehörde substantiiert bekämpft oder ein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen erstattet wird.
Wenn das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung von dem vom Revisionswerber vorgebrachten Sachverhalt ausgegangen ist, ist jedoch nicht zu erkennen, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht eine weitere Klärung der Rechtssache im Sinne des § 24 Abs 4 VwGVG 2014 hätte erwarten lassen (VwGH 26.4.2016, Ra 2016/03/0038).
Im vorliegenden Fall wurde durch Ermessen des erkennenden Senats die
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beantragte - Durchführung einer Verhandlung nicht als erforderlich erachtet und ist unter Hinweis auf VfGH 9.6.2017, 1162/2017, zu sagen, dass der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung kein absoluter ist: "Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte und - ihm folgend
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des Verfassungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn die Tatfrage unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. VfSlg. 18.994/2010, 19.632/2012). Angesichts der vom Verwaltungsgericht zu beurteilenden Sach- und Rechtsfragen ist es vertretbar, wenn es im Einklang mit dieser Rechtsprechung von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung abgesehen hat."
Maßgebend für die gegenständliche Entscheidung sind die Art und das Ausmaß der bei dem Beschwerdeführer festgestellten Funktionseinschränkungen im Hinblick auf deren Auswirkung der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Nach Aktenstudium und Lektüre des Beschwerdeschreibens ergaben sich für das Gericht weder an die Parteien des Verfahrens, noch an den im Verfahren befassten Sachverständigen ergänzende Fragen und ist für das Gericht nicht zu Tage gekommen, dass zum Zwecke der Entscheidungsfindung zusätzlich zu den vorliegenden Beweismitteln (Sachverständigenbeweise und vom Beschwerdeführer beigebrachte Beweismitteln aus der Feder von Ärzten) es überdies auf die Gewinnung des persönlichen Eindrucks des Beschwerdeführers ankäme und beschränkt sich das Bundesverwaltungsgericht in der gegenständlichen Entscheidung nicht auf eine bloße Zitierung von Beweisergebnissen und die Darstellung des bisherigen Verwaltungsgeschehens.
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt ist unter Zugrundelegung der oben behandelten medizinischen Beweismittel als geklärt anzusehen.
Daher wurde von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung abgesehen.
Zu B) Zulässigkeit der Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Bis dato mangelt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Auslegung der im § 46 BBG normierten Neuerungsbeschränkung.
Schlagworte
Behindertenpass, Sachverständigengutachten, ZusatzeintragungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W264.2166200.1.00Zuletzt aktualisiert am
05.10.2018