Entscheidungsdatum
09.08.2018Norm
AsylG 2005 §9 Abs2Spruch
W237 1309249-4/6E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch den Richter Mag. Martin WERNER über
die Beschwerde des mj. XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 07.02.2018, Zl. 389535306-180020205:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
1. Der minderjährige Beschwerdeführer stellte durch seine gesetzlichen Vertreter am 03.10.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, der seitens des Unabhängigen Bundesasylsenats mit Bescheid vom 23.01.2008 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten rechtskräftig abgewiesen wurde; unter einem wurde dem Beschwerdeführer allerdings der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Wege des Familienverfahrens zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt. In der Folge wurden dem Beschwerdeführer wiederholt - zuletzt bis zum 23.01.2018 - befristete Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigter erteilt.
2. Mit Bescheid vom 07.02.2018 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dem Beschwerdeführer den Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 2 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: AsylG 2005), von Amts wegen ab (Spruchpunkt I.), wies seinen zuletzt gestellten Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erkannte ihm einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu (Spruchpunkt III.), erließ gegenüber dem Beschwerdeführer im Sinne des § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, BGBl. I Nr. 87/2012 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: BFA-VG), eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 145/2017 (im Folgenden: FPG), (Spruchpunkt IV.) und hielt fest, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt V.); schließlich erklärte das Bundesamt die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 und § 52 Abs. 9 FPG für unzulässig (Spruchpunkt VI.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VII.).
2.1. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte am 09.02.2018, dass der Bescheid "[a]n die Partei (...) im Wege der Justizanstalt" mittels Rückscheinsendung zuzustellen sei. Am 03.04.2018 wurde dem Bundesamt der vom Beschwerdeführer unterschriebene Zustellschein übermittelt, wonach dieser den Bescheid am 28.03.2018 übernommen habe.
2.2. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl berichtigte den genannten Bescheid mit Bescheid vom 03.04.2018 gemäß § 62 Abs. 4 AVG von Amts wegen dahingehend, dass die Rechtsmittelbelehrung des Bescheids vom 07.02.2018 richtigerweise eine vierwöchige (statt einer zweiwöchigen) Beschwerdefrist vorzusehen habe.
Am selben Tag verfügte das Bundesamt, dass dieser Berichtigungsbescheid an den Vater des Beschwerdeführers als dessen gesetzlicher Vertreter mittels Rückscheinsendung zuzustellen sei. Laut Rückschein wurde der Berichtigungsbescheid am 06.04.2018 beim Wohnsitzpostamt des Vaters des Beschwerdeführers hinterlegt.
3. Am 19.04.2018 erhob der Beschwerdeführer über seinen zur Vertretung im weiteren Verfahren bevollmächtigten Rechtsberater gegen den Bescheid vom 07.02.2018 eine näher begründete Beschwerde.
Diese wurde samt Bezug habenden Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht am 25.04.2018 vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer ist ein minderjähriger russischer Staatsangehöriger, der von seinem Vater gesetzlich vertreten wird; am 18.04.2018 begründete dieser für ihn ein Vollmachtsverhältnis zum Verein Menschenrechte Österreich, dem für das Beschwerdeverfahren zugewiesenen Rechtsberater.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl verfügte am 09.02.2018, dass der Bescheid vom 07.02.2018 an den Beschwerdeführer persönlich mittels Rückscheinsendung zuzustellen sei. Der Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 28.03.2018 in der Justizanstalt Gerasdorf ausgehändigt.
Der Berichtigungsbescheid vom 03.04.2018 wurde an den Vater des Beschwerdeführers adressiert und ihm an seinem Wohnsitzpostamt hinterlegt.
2. Beweiswürdigung:
Die getroffenen Feststellungen ergeben sich - ebenso wie der unter Pkt. I. dargelegte Verfahrensgang - zweifelsfrei aus dem Inhalt der vorliegenden Verfahrensakten. Dass der Beschwerdeführer minderjährig ist, ergibt sich aus seinem unbestrittenen Geburtsdatum XXXX . Die Zustellvorgänge sowohl des Bescheids vom 07.02.2018 als auch des Berichtigungsbescheids vom 03.04.2018 sind unzweifelhaft aus den jeweils im Verwaltungsakt aufliegenden Zustellverfügungen und Rückscheinen zu ersehen. Der Beschwerdeführer befand sich zum Zeitpunkt der Übernahme des angefochtenen Bescheids in der Justizanstalt Gerasdorf, weil er dort die mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 18.12.2017 ausgesprochene Haftstrafe wegen der Verbrechens des Raubes und der Erpressung verbüßte.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl.
Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.
Zu A)
1. Der Beschwerdeführer ist minderjährig und wurde - bis zur Begründung des Vollmachtsverhältnisses zu seinem Rechtsberater im Vorfeld der Beschwerdeerhebung - von seinem Vater als gesetzlichem Vertreter im Verfahren vertreten.
Dessen ungeachtet adressierte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den angefochtenen Bescheid vom 07.02.2018 mit Verfügung vom 09.02.2018 an den Beschwerdeführer persönlich, worauf der Beschwerdeführer den Bescheid am 28.03.2018 übernahm. Eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter des Beschwerdeführers wurde nicht verfügt.
2. Voraussetzung für das rechtliche Zustandekommen eines Bescheids ist dessen Erlassung. Erlassen wird ein schriftlicher Bescheid durch rechtswirksame Zustellung oder durch Ausfolgung (vgl. VwGH 18.05.1994, 93/09/0115).
2.1. Gemäß § 21 AVG und § 1 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 idF BGBl. I Nr. 40/2017 (im Folgenden: ZustG), sind Zustellungen nach dem ZustG vorzunehmen. Gemäß § 5 ZustG hat die Behörde in geeigneter Form den Empfänger und dessen Identität möglichst eindeutig zu bezeichnen. "Empfänger" ist die von der Behörde in der Zustellverfügung namentlich bezeichnete Person, in deren Verfügungsgewalt das zuzustellende Dokument gelangen soll (§ 2 Z 1 ZustG). Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß § 7 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Bezeichnet die Behörde hingegen eine falsche Person als "Empfänger", so ist dies ein Mangel, der nicht nach § 7 ZustG etwa dadurch heilen kann, dass das Dokument (Schriftstück) jener Person zukommt, die als Empfänger zu bezeichnen gewesen wäre (vgl. zB VwGH 18.05.1994, 93/09/0115; 27.06.1995, 94/04/0206; 22.03.2001, 97/03/0201; 24.03.2015, 2014/05/0013).
Bezeichnet also die Behörde fälschlich nicht den gesetzlichen Vertreter einer Verfahrenspartei, sondern die Partei selbst als Empfänger eines Schriftstücks (Dokuments), so liegt ein Mangel des Zustellvorgangs vor, der keiner Heilung zugänglich ist. Auf ein Verschulden der belangten Behörde kommt es dabei nicht an.
2.2. Im vorliegenden Fall sah die Zustellverfügung vom 09.02.2018 nur den minderjährigen Beschwerdeführer selbst und nicht seinen Vater als gesetzlichen Vertreter als Empfänger des bekämpften Bescheids vor. Es liegt daher eine fehlerhafte Zustellung vor, die auch nicht dadurch zu heilen vermochte, dass der Bescheid zu einem späteren Zeitpunkt dem Vater des Beschwerdeführers zugegangen sein mag. Die Entscheidung des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl ist daher nie erlassen worden und damit rechtlich nicht zustande gekommen.
Daran ändert auch nichts, dass der Berichtigungsbescheid vom 03.04.2018 zutreffend an den Vater des Beschwerdeführers adressiert und ihm durch Hinterlegung zugestellt wurde. Durch die rechtliche Inexistenz jener Entscheidung, die damit berichtigt werden sollte, vermag der Berichtigungsbescheid keine Wirkungen zu entfalten.
3. Ist ein Bescheid nicht rechtswirksam erlassen worden, so ist es der Berufungsbehörde verwehrt, meritorisch über die Berufung abzusprechen. Ihre Zuständigkeit reicht in solchen Fällen nur so weit, das Rechtsmittel wegen Unzulässigkeit mangels tauglichen Anfechtungsgegenstandes zurückzuweisen (vgl. VwGH 09.03.1982, 81/07/0212; 30.05.2006, 2005/12/0098). Dies hat auch für das Bundesverwaltungsgericht als Beschwerdeinstanz in Anwendung des § 28 VwGVG zu gelten.
Mangels Erlassung des (als solcher lediglich bezeichneten) Bescheids vom 07.02.2018 ist die Beschwerde dagegen also zurückzuweisen.
4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die gegenständliche Entscheidung weicht nicht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab; zudem fehlt es auch nicht an einer Rechtsprechung und die zu lösende Rechtsfrage wird in dieser auch nicht uneinheitlich beantwortet. So entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass Beschwerden wegen (noch) nicht erlassenen Bescheiden zurückzuweisen sind.
Schlagworte
Berichtigungsbescheid, Empfänger, Rechtswidrigkeit, Verschulden,European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W237.1309249.4.00Zuletzt aktualisiert am
02.10.2018