Entscheidungsdatum
10.08.2018Norm
AsylG 2005 §2 Abs1 Z17Spruch
W170 2120954-1/19E
W170 2120955-1/15E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
I. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2016, Zl. 15-1049438108-150006028-BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2
Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, stattgegeben und XXXX der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
II. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas MARTH über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Syrien, vertreten durch XXXX, diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen Spruchpunkt I. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.01.2016, Zl. 15-1049437906-150006052-BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:
A) Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 28 Abs. 2
Verwaltungsgerichts-verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 in der Fassung BGBl. I Nr. 138/2017, in Verbindung mit §§ 34, 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017, stattgegeben und XXXX der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg.cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
1. XXXX (in Folge: Beschwerdeführerin) stellte am 04.01.2015 Anträge auf internationalen Schutz für sich und ihren minderjährigen Sohn,
XXXX (in Folge: Beschwerdeführer).
2. Im Rahmen des Administrativverfahrens brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, sie habe Syrien des Krieges wegen und da ihr Mann aufgrund der Unterstellung einer regimekritischen Einstellung verhaftet worden sei, verlassen; infolgedessen habe auch sie der Sicherheitsdienst vermehrt aufgesucht. Diese Fluchtgründe machte sie auch für den Beschwerdeführer geltend.
Im Rahmen des Administrativverfahrens legte die Beschwerdeführerin Kopien folgender, syrischer Ausweise bzw. Dokumente vor:
* auf die Beschwerdeführerin lautender Reisepass;
* auf den Beschwerdeführer lautender Reisepass und
* ein Familienbuch.
3. Nach Durchführung des oben dargestellten Ermittlungsverfahrens wurden die gegenständlichen Anträge der Beschwerdeführerin und des Beschwerdeführers mit den im Spruch bezeichneten Bescheiden vom 25.01.2016, erlassen am 27.01.2016, hinsichtlich der Zuerkennung des Status der bzw. des Asylberechtigten abgewiesen. Unter einem wurden diesen der Status der bzw. des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und befristete Aufenthaltsberechtigungen erteilt.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Inhaftierung des Gatten der Beschwerdeführerin und ein daraus resultierendes anhaltendes Interesse der syrischen Sicherheitsbehörden an ihr seien unglaubwürdig und ihre Flüchtlingseigenschaft nicht feststellbar. Hinsichtlich des Beschwerdeführers wurde auf die Ausführungen im Bescheid seiner Mutter verwiesen.
4. Mit am 08.02.2016 bei der Behörde per Fax eingebrachtem Schriftsatz wurde jeweils gegen Spruchpunkt I. der im Spruch bezeichneten Bescheide Beschwerde erhoben.
Begründend wurde zusammengefasst ausgeführt, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen der Verfolgung aufgrund der unterstellten politischen Gesinnung nicht ausreichend auseinandergesetzt.
5. Die Beschwerden wurden samt den bezugnehmenden Verwaltungsakten am 10.02.2016 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und - nach einer entsprechenden Abnahme - am 20.04.2018 der nunmehr zur Entscheidung berufenen Gerichtsabteilung zugeteilt.
Am 21.06.2018 und am 10.07.2018 wurde eine mündliche Verhandlung unter Beiziehung eines Dolmetschers abgehalten. In dieser gab die Beschwerdeführerin zusätzlich zum bereits im Administrativverfahren Vorgebrachten zusammengefasst an, sie sei in Österreich exilpolitisch tätig geworden und habe (gemeinsam mit dem Beschwerdeführer) viermal in Österreich an Demonstrationen teilgenommen. Mit Schriftsatz vom 27.06.2018 legte die Beschwerdeführerin diesbezügliche Fotos vor, die sie auch auf ihrem Facebook-Account veröffentlicht habe. Sie befürchte, im Falle ihrer Rückkehr festgenommen und inhaftiert zu werden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. XXXX ist eine volljährige, syrische Staatsangehörige, deren Identität feststeht und die in Österreich unbescholten ist.
XXXX ist ein minderjähriger, syrischer Staatsangehöriger, dessen Identität feststeht und der in Österreich unbescholten ist. XXXX ist der unmündige, ledige Sohn von XXXX.
XXXX und XXXX führen derzeit ein Familienleben; dieses könnten sie in keinem anderen Land außerhalb Österreichs fortsetzen.
XXXX undXXXX haben am 04.01.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt; im Administrativverfahren ist diesen jeweils rechtskräftig der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.
1.2. XXXX ist am 11.09.2014 über den in einem von Rebellen kontrollierten Gebiet liegenden Grenzübergang XXXX rechtswidrig aus Syrien ausgereist; sie ist nicht im Besitz eines syrischen Reisepasses, sondern nur einer Kopie desselben.
1.3. XXXX hat in den Jahren 2016, 2017 und 2018 viermal an gegen das syrische Regime gerichteten Demonstrationen in Wien teilgenommen; es besteht das reale Risiko, dass diese exilpolitischen Tätigkeiten von den syrischen Behörden beobachtet werden.
1.4. XXXX könnte nur über den Flughafen von Damaskus sicher und legal nach Syrien zurückkehren; dieser ist in der Hand des syrischen Regimes.
Es ist objektiv nachvollziehbar, dass XXXX im Falle ihrer Rückkehr nach Syrien befürchtet, im Rahmen der Einreisekontrolle aufzufallen, da diese für die syrischen Behörden bzw. Grenzkontrollorgane offensichtlich rechtswidrig ausgereist ist. Daher würde XXXX im Rahmen der Einreisekontrolle einer näheren Überprüfung unterzogen werden. Im Rahmen dieser Einreisekontrolle würde man XXXX auf Grund ihrer rechtswidrigen Ausreise und ihrer exilpolitischen Tätigkeit eine oppositionelle politische Gesinnung zumindest unterstellen und jene aus diesem Grund zumindest vorübergehend festnehmen und für zumindest einige Tage, möglicherweise aber auch viel länger, anhalten.
Anhaltungen durch das syrische Regime bzw. durch dessen Sicherheitskräfte sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit Folter oder unmenschlicher Behandlung verbunden, wenn der anzuhaltenden Person durch das Regime bzw. durch dessen Sicherheitskräfte eine oppositionelle politische Gesinnung zugeschrieben wird.
Es droht daher XXXX im Falle der Rückkehr nach Syrien vom Regime bzw. durch dessen Sicherheitskräfte festgenommen und angehalten zu werden und im Rahmen dieser Anhaltung der Folter oder unmenschlicher Behandlung unterworfen zu werden.
1.5. XXXX und XXXX haben keine Asylausschluss- oder -endigungsgründe verwirklicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweiswürdigung zu 1.1.:
Die Feststellungen zu den Personen der beschwerdeführenden Parteien gründen sich im Wesentlichen auf die von der Beschwerdeführerin und dem Beschwerdeführer vorgelegten Passkopien und Familienbuch sowie den diesbezüglichen Angaben der beschwerdeführenden Parteien vor dem Bundesamt, das diese Angaben seiner Entscheidung unwidersprochen unterstellt hat. Die Feststellung der Unbescholtenheit gründet sich auf die hinsichtlich der Beschwerdeführerin eingeholte Strafregisterauskunft bzw. die Strafunmündigkeit des Beschwerdeführers.
Dass die beschwerdeführenden Parteien ein Familienleben führen, ergibt sich aus den nachvollziehbaren und mit der Aktenlage in Einklang zu bringenden Angaben der Beschwerdeführerin vor dem Bundesamt, das diese Angaben seiner Entscheidung unwidersprochen unterstellt hat; dass diese ihr Familienleben nicht außerhalb Österreichs fortsetzen können, ergibt sich aus dem Umstand, dass diese wegen der festgestellten Verfolgung nicht nach Syrien zurückkehren können und in keinen anderen Staat rechtmäßig einreisen können.
Die Feststellungen zur Antragstellung und zur rechtskräftigen Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten ergeben sich aus der Aktenlage.
2.2. Beweiswürdigung zu 1.2.:
Die Feststellungen hinsichtlich der rechtwidrigen Ausreise und hinsichtlich des Fehlens eines syrischen Reisepasses gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin.
2.3. Beweiswürdigung zu 1.3.:
Die Feststellung, dass XXXX in Österreich an mehreren Demonstrationen teilgenommen hat, ergibt sich aus ihrem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen und den mit Schriftsatz vom 27.06.2018 vorgelegten Fotos. Auf diesen Fotos von unterschiedlichen Demonstrationen in der Wiener Innenstadt sind XXXX und XXXX zu erkennen und mit Kerzen, einem Plakat und mehreren Flaggen der von der syrischen Opposition verwendeten Version der syrischen Fahne (grün-weiß statt rot-weiß gestreift, drei rote statt zwei grünen Sternen, mit der Aufschrift "Freedom" auf dem untersten Streifen) in einer Menschenmenge offensichtlich als DemonstrationsteilnehmerInnen abgebildet.
Aus dem "Fact Finding Mission Report Syrien" der Staatendokumentation vom August 2017, der samt den darin genannten Quellen am ersten Verhandlungstag, dem 21.06.2018, in das Verfahren eingebracht wurde, ergibt sich, dass die syrische Regierung Interesse an politischen Aktivitäten von Syrern im Ausland hat, auch deshalb, um oppositionelle Alternativen zum gegenwärtigen Regime zu unterbinden. Die syrische Regierung überwacht Aktivitäten dieser Art im Ausland, auch in Österreich. Dass die syrische Regierung Kenntnis von solchen Aktivitäten hat, ist wahrscheinlich. Sie hat jedenfalls die Möglichkeit, ihr diesbezügliches Wissen zu nützen, wenn sich dazu die Gelegenheit ergibt. Aus exilpolitischen Tätigkeiten könnte sich für die betroffene Person im Falle einer Rückkehr eine Gefahr durch die Regierung ergeben. (FFM Report Syrien, S. 34)
2.4. Beweiswürdigung zu 1.4.:
Die Feststellung, dass eine Rückkehr nach Syrien nur über den Flughafen von Damaskus sicher und legal möglich ist, ergibt sich aus dem notorischen Wissen des Bundesverwaltungs-gerichtes bzw. aus dem Umstand, dass die Behörde eine andere Möglichkeit nicht aufgezeigt hat.
Zur Kontrolle nach der Einreise ist auszuführen:
Grundsätzlich genießen syrische Staatsbürger Reisefreiheit; sie können Syrien frei verlassen, wenn sie einen gültigen Reisepass besitzen und über einen funktionierenden Grenzübergang - etwa auch am Flughafen von Damaskus - ausreisen. (UNHCR, Relevant Country of Origin Information to Assist with the Application of UNHCR's Country Guidance on Syria, Februar 2017 [in Folge: UNHCR], S. 3).
Im Falle der Rückkehr einer nicht rechtmäßig ausgereisten Person drohen Geld- und Haftstrafen, die insbesondere bei Nichtbenützen eines Grenzüberganges bis zu zwei Jahre sein können; Berufssoldaten, die ohne entsprechende Genehmigung ausreisen, werden als Deserteure behandelt. (UNHCR, S. 3).
Insbesondere am Flughafen von Damaskus werden zurückkehrende Syrer auch hinsichtlich ihrer Ausreise (UNHCR, S. 4) und hinsichtlich allfälliger Fahndungen (etwa wegen Verbrechen, regimekritischen Aktivitäten oder Ansichten, Einberufungsbefehlen - UNHCR, S. 4 f) überprüft.
Personen, die unter ein unten dargestelltes Risikoprofil fallen, können mit realer Wahrscheinlichkeit mit Isolationshaft und Folter rechnen (UNHCR, S. 5), ebenso werden Rückkehrende inhaftiert, weil ein Familienmitglied, etwa wegen Nichtbeachtens eines Einberufungsbefehls, gesucht wird (UNHCR, S. 5).
Aus diesen Überlegungen ergibt sich, dass man der Beschwerdeführerin mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr nach Syrien wegen ihrer illegalen Ausreise sowie ihrer exilpolitischen Tätigkeit eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellen, diese festnehmen und zumindest für einige Tage anhalten würde. Dass diese Anhaltung durch das syrische Regime bzw. dessen Sicherheitsorgane im Falle, dass der Betroffenen eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt wird, mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit Folter oder unmenschlicher Behandlung verbunden ist, ergibt sich aus den Länderberichten, insbesondere aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation.
2.5. Beweiswürdigung zu 1.5.:
Die Feststellung, dass die beschwerdeführenden Parteien keine Asylausschluss- oder
-endigungsgründe verwirklicht haben, gründet sich auf den Umstand, dass keine Hinweise auf das Vorliegen solcher Gründe zu erkennen waren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu I. und II. A)
1. Gemäß § 3 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 in der Fassung BGBl. I Nr. 145/2017 (in Folge: AsylG), ist Asylwerbern auf Antrag der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft gemacht wurde, dass diesen im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955 in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (in Folge: GFK), droht und dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Gemäß § 3 Abs. 2 AsylG kann die Verfolgung auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe).
Gemäß § 2 Abs. 1 Z 17 AsylG ist unter Herkunftsstaat der Staat, dessen Staatsangehörigkeit der Fremde besitzt, oder - im Falle der Staatenlosigkeit - der Staat seines früheren gewöhnlichen Aufenthaltes zu verstehen. Dies ist im vorliegenden Fall zweifellos Syrien.
Es ist daher zu prüfen, ob der Beschwerdeführerin in Syrien vor deren Ausreise Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK gedroht hat oder im Falle einer Rückkehr drohen würde, wobei auf Grund der rechtskräftigen Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten davon auszugehen ist, dass der Beschwerdeführerin mangels hinreichender Sachverhaltsänderung eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zur Verfügung steht (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016).
2. Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, droht einer Person, die sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; ebenso droht entsprechende Verfolgung einer Person, die staatenlos ist und sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes ihres gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Es ist auszuführen, dass § 3 Abs. 1 AsylG auf den Flüchtlingsbegriff (drohende Verfolgung im Herkunftsstaat) im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z. 2 GFK verweist. Danach ist entscheidend, ob glaubhaft ist, dass den Fremden in ihrem Herkunftsstaat Verfolgung droht. Dies ist dann der Fall, wenn sich eine mit Vernunft begabte Person in der konkreten Situation der Asylwerber unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat fürchten würde (VwGH 24.06.2010, 2007/01/1199). Weiters setzt die Annahme einer begründeten Furcht vor Verfolgung nicht voraus, dass der Asylwerber vor seiner Ausreise eine individuell gegen ihn gerichtete bereits erlitten haben müsste oder ihm zumindest eine solche bereits konkret angedroht worden wäre; eine derartige Befürchtung ist auch dann gerechtfertigt, wenn die Verhältnisse im Heimatland des Asylwerbers dergestalt sind, dass die Angst vor der vorgebrachten, drohenden Verfolgung objektiv nachvollziehbar ist (siehe VwGH 25.01.1996, 95/19/0008, wenn auch zum Asylgesetz 1991, BGBl. Nr. 8/1992 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 76/1997, jedoch unter Bezugnahme auf den Flüchtlingsbegriff der GFK).
Die Beschwerdeführerin würde nach den obigen Feststellungen im Falle der Rückkehr nach Syrien vom Regime bzw. dessen Sicherheitsorganen mit hinreichender Sicherheit im Rahmen der Wiedereinreise wegen ihrer illegalen Ausreise und ihrer exilpolitischen Tätigkeit festgenommen und angehalten werden. Die Zusammenschau von illegaler Ausreise und exilpolitischer Tätigkeit würde zur Unterstellung einer oppositionellen politischen Gesinnung führen, was wiederum dazu führen würde, dass man die Beschwerdeführerin im Rahmen der Anhaltung Folter oder unmenschlicher Behandlung unterwerfen würde. Es liegt daher eine der Schwere und Art nach asylrelevante Verfolgung aus einem asylrelevanten Grund vor, nämlich einer Anhaltung samt Folterung oder unmenschlicher Behandlung wegen einer der Beschwerdeführerin unterstellten oppositionellen politischen Gesinnung.
3. Da darüber hinaus keine von der Beschwerdeführerin verwirklichte Asylausschluss- oder -endigungsgründe festzustellen waren, ist der Beschwerde stattzugeben, der Beschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass dieser somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
4. Gemäß § 2 Abs. 1 Z 22 AsylG ist unter anderem Familienangehöriger ein zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde.
Der Beschwerdeführer ist der minderjährige, ledige Sohn der Beschwerdeführerin und somit Familienangehöriger im Sinne des AsylG der Beschwerdeführerin.
Gemäß § 34 Abs. 4 1. Fall und Abs. 5 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen des Abs. 2 ist allen Familienangehörigen der Status des oder der Asylberechtigten zuzuerkennen.
Gemäß § 34 Abs. 2 und Abs. 5 AsylG hat das Bundesverwaltungsgericht auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn (Z 1) dieser nicht straffällig geworden ist; und (Z 3) gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist.
Der Beschwerdeführer ist nicht straffällig geworden und führt mit der Beschwerdeführerin ein Familienleben; gegen die Beschwerdeführerin ist kein Verfahren zur Aberkennung des Status der Asylberechtigten anhängig; daher ist der Beschwerde des Beschwerdeführers stattzugeben, ihm der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen und auszusprechen, dass ihm somit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Zu I. und II. B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985, BGBl. Nr. 10/1985 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 in der Fassung BGBl. I Nr. 22/2018 (in Folge: B-VG), zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Das Bundesverwaltungsgericht hat die für die Lösung des Falles relevante Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter A) dargestellt und ist dieser gefolgt; es ist daher keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung zu erkennen.
Schlagworte
Asylgewährung, asylrechtlich relevante Verfolgung, begründete FurchtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W170.2120955.1.00Zuletzt aktualisiert am
03.10.2018