TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/10 W139 2194784-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2018
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Entscheidungsdatum

10.08.2018

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs4
AsylG 2005 §3 Abs5
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

W139 2194784-1/11E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Kristina HOFER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX alias XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48/3. Stock, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, reiste illegal und schlepperunterstützt in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 07.02.2016 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. In seiner Erstbefragung am 07.02.2016 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er aus der Provinz Ghazni, XXXX , stamme. Er sei ledig. Seine Familie (Eltern und Geschwister) würde sich noch in Afghanistan befinden. Zum Fluchtgrund führte er aus, die Taliban hätten sein Wohngebiet beherrscht. Sie hätten die Kinder nicht zur Schule gehen lassen und sie hätten die Burschen rekrutieren wollen. Die Taliban hätten gesagt, die Kinder müssten in die Moschee gehen und die Scharia lernen. Der Beschwerdeführer habe aber mit den Taliban nicht kooperieren wollen. Deshalb sei er nicht mehr sicher gewesen und habe sich dazu entschlossen, Afghanistan zu verlassen. Im Fall einer Rückkehr habe er Angst, von den Taliban getötet zu werden.

3. In der Folge führte die belangte Behörde beim Beschwerdeführer ein Altersfeststellungsverfahren durch. In einem Gutachten der Medizinischen Universität Wien vom 10.05.2016 wurde festgestellt, dass das höchstmögliche Mindestalter zum Untersuchungszeitpunkt (20.04.2016) mit 17,4 Jahren anzunehmen sei. Das daraus errechnete "fiktive" Geburtsdatum laute 26.11.1998. Damit könne zum Zeitpunkt der Asylantragstellung von einem Mindestalter mit 17,20 Jahren ausgegangen werden. Das behauptete Lebensalter bzw Geburtsdatum (

XXXX ) sei mit dem festgestellten Mindestalter bzw "fiktiven" Geburtsdatum vereinbar.

4. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 23.03.2018 gab der Beschwerdeführer an, er stamme aus dem Dorf XXXX , Distrikt XXXX , Provinz Ghazni. Er habe dort gelebt und auch dort die Schule besucht. Weiters habe er als Schweißer und als Apothekengehilfe gearbeitet. Seine Eltern und Geschwister würden sich nunmehr in Pakistan befinden. Zum Fluchtgrund führte er aus, in seinem Heimatdorf herrsche Krieg zwischen Dorfbewohnern, die den Taliban angehören, und der regionalen Polizei. Nachdem die Taliban das Gebiet erobert hätten, hätten sie die Jugendlichen aufgefordert, in die Moschee zu gehen, um dort Religionsunterricht und eine Ausbildung für den Krieg zu erhalten. Einmal habe der Beschwerdeführer im Haus seines Freundes dessen Vater mit einigen unbekannten Männern gesehen. Sein Freund habe gesagt, dies seien Freunde des Vaters und es finde gerade eine Versammlung statt. Am nächsten Tag, als der Beschwerdeführer einen Kurs besucht habe, hätten ihm seine Eltern telefonisch mitgeteilt, dass zwei Talibanmitglieder bei ihnen gewesen wären und nach dem Beschwerdeführer gefragt hätten. In der Nacht sei der Vater des Freundes des Beschwerdeführers getötet worden und der Freund behaupte, dass der Beschwerdeführer seinen Vater, ein Mitglied der Taliban, bei der Polizei verraten hätte, weil der Beschwerdeführer am Vortag den Vater mit den fremden Personen gesehen hätte. Die Eltern hätten dem Beschwerdeführer gesagt, sein Leben sei in Gefahr und er solle Afghanistan verlassen.

Weiters gab der Beschwerdeführer entscheidungswesentlich Folgendes an:

"[...]

F: Sie werden nochmals auf das Neuerungsverbot aufmerksam gemacht. Ich frage Sie daher jetzt nochmals ob Sie noch etwas Asylrelevantes oder etwas sonst Bedeutendes angeben möchten, das Ihnen wichtig erscheint, jedoch bislang nicht gefragt wurde?

A: Ich möchte noch sagen, dass ich auf der Fahrt von Griechenland nach Österreich, europäische Menschen gesehen habe und seitdem habe ich ein anderes Gefühl und auch einen anderen Glauben.

F: Welchen Glauben haben Sie jetzt?

A: Ich glaube an Jesus und ich besuche am Sonntag mit meiner Vertrauensperson XXXX , die heute anwesend ist, die Kirche und ich bekomme bei ihr Bibelunterricht.

F: Wurden Sie getauft?

A: Nein.

F: Haben Sie vor sich taufen zu lassen?

A: Ich habe noch keinen Termin bekommen, aber ich besuche regelmäßig den Gottesdienst.

F: Haben Sie schon einen Tauftermin beantragt?

A: Nein.

F: Erhalten Sie christlichen Unterricht?

A: Ja.

F: Was war der ausschlaggebende Grund, warum Sie ein Christ sein wollen?

A: Die Menschen, die ich kennenlernte, und die Gleichberechtigung zwischen Männer und Frauen gefallen mir hier in Österreich.

Frage an die Vertrauensperson: Haben Sie dem AW bereits das Vater unser gelernt?

A: Ja, dieses kann er schon.

Frage an AW: Können Sie mir das Gebet Vater Unser aufsagen?

Anm.: AW beginnt, stottert bereits beim zweiten Satz.

F: Sie können dies noch nicht so gut. Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe ein Buch und ich kann es ablesen.

F: Wie lange erhalten Sie nun diesen Unterricht?

A: Seit fünf oder sechs Monat erhalte ich Taufunterricht."

Der Beschwerdeführer legte u.a. zwei ÖSD-Sprachzertifikate (Deutsch Niveau A2 und B1), eine Bestätigung des Bundesgymnasiums XXXX über den Abschluss der Übergangsstufe, eine Bestätigung seiner Wohngemeinde über ehrenamtliche Tätigkeiten, Kursteilnahmebestätigungen und Empfehlungsschreiben vor.

Weiters legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung von Pater Mag. XXXX , XXXX , vom 15.03.2018 vor, wonach der Beschwerdeführer seit 02.01.2017 im Stift XXXX lebe. Seit seinem mehrmonatigen Aufenthalt 2016 in XXXX wisse der Beschwerdeführer, dass er Christ werden wolle. Er habe im Sommer 2017 die Bibel erhalten und sei seit 19.12.2017 in das Katechumenat aufgenommen. Frau XXXX habe die Aufgabe, den Beschwerdeführer in den christlichen Glauben einzuführen, weshalb sie ihn zweimal wöchentlich treffe und zur Sonntagsmesse mitnehme. Alle zwei bis drei Wochen finde ein geistliches Gespräch mit dem Beschwerdeführer und anderen Katechumenen der Pfarre statt.

Zudem legte der Beschwerdeführer eine Bestätigung von Frau XXXX vom 19.03.2018 vor. Sie sei von Pater Mag. XXXX gefragt worden, ob sie den Beschwerdeführer, der Christ werden wolle, geistlich begleiten könne. Seit vier Monaten komme der Beschwerdeführer wöchentlich zu ihr zum Glaubensunterricht, wobei die Bibel gelesen werde und ein religiöser Austausch stattfinde. Sonntags begleite sie ihn zur Messe. Der Beschwerdeführer sei besonders beeindruckt von den christlichen Glaubensgrundsätzen. Er sei sehr interessiert am christlichen Glauben und beschäftige sich bereits seit über einem Jahr damit, woraus man erkennen könne, dass er aus ehrlicher Überzeugung Christ werden wolle.

5. Mit dem angefochtenen Bescheid vom XXXX wies die belangte Behörde sowohl den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) als auch jenen auf Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Die belangte Behörde führte begründend im Wesentlichen aus, die Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen im Zusammenhang mit den Taliban seien vage, teilweise widersprüchlich und insgesamt nicht glaubhaft. Bezüglich seines Vorbringens, Christ werden zu wollen, sei darauf hinzuweisen, dass das religiöse Wissen des Beschwerdeführers zu wenig fundiert sei, obwohl er angeblich ein ernstlich interessierter Gläubiger sei. Nach seinen Angaben besuche er regelmäßig den Gottesdienst. Es sei jedoch unerklärlich, dass er, obwohl er bereits fünf bis sechs Monate an einem Taufkurs teilnehme, nicht einmal das Vaterunser aufsagen könne. Ein relevantes Maß an religiöser Identität sei nicht erkennbar und es habe nicht den Anschein, dass der Beschwerdeführer sich sehr bemüht habe, seinen neuentdeckten Glauben aktiv zu praktizieren und zu vertiefen. Der beabsichtigte Glaubenswechsel sei nicht von einer tiefen inneren Überzeugung und Ernsthaftigkeit getragen. Der Beschwerdeführer sei jung, mobil, gesund und arbeitsfähig, weiters habe er Schulbildung und Berufserfahrung. Daher sei davon auszugehen, dass er im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan sein Auskommen sichern könnte. Die Rückkehrentscheidung wurde mit einer zu Lasten des Beschwerdeführers ausgehenden Interessenabwägung nach Art 8 Abs 2 EMRK begründet.

6. Mit Schreiben vom 03.05.2018 erhob der Beschwerdeführer - fristgerecht - Beschwerde gegen den obgenannten Bescheid. Er beantragte die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, in eventu des subsidiär Schutzberechtigten, sowie festzustellen, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig ist, in eventu die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung, in eventu die Zurückverweisung, sowie eine mündliche Verhandlung. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer sei in Österreich zum Christentum konvertiert. Er gehe jeden Sonntag in die Kirche und bekomme Bibelunterricht. Die Taufe des Beschwerdeführers finde am

XXXX statt und angesichts dessen bestehe wohl kein Zweifel mehr an seiner Konversion zum Christentum. Dass er das Vaterunser nicht korrekt aufsagen habe können, sei daran gelegen, dass er sehr nervös gewesen sei. Durch die Konversion sei der Beschwerdeführer Angriffsziel für radikale Gruppierungen wie die Taliban und er würde aufgrund seiner Religion individuell verfolgt werden. Weiters würde der Beschwerdeführer aufgrund seiner ihm von den Taliban zugeschriebenen, ihnen gegenüber feindseligen politischen Überzeugung verfolgt werden. Die Sicherheitslage in Afghanistan sei prekär und es wäre zumindest subsidiärer Schutz zu gewähren.

Der Beschwerdeführer legte eine Zusage für eine Lehrstelle sowie eine Bestätigung für den Termin der Taufe bei.

7. Mit Schreiben vom 07.06.2018 übermittelte der Beschwerdeführer seinen Taufschein, ausgestellt am XXXX von der Diözese XXXX , Pfarre

XXXX , woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer am XXXX getauft wurde. Weiters übermittelte er eine Bestätigung über einen Erste-Hilfe-Kurs sowie ein Schreiben betreffend seinen Lehrvertrag.

8. Im Strafregisterauszug der Republik Österreich vom 18.07.2018 - geführt von der Landespolizeidirektion Wien - scheint keine Verurteilung auf.

9. Am 18.07.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Dari statt, bei welcher der Beschwerdeführer einvernommen wurde. Die belangte Behörde blieb der Verhandlung entschuldigt fern. In Ergänzung der bereits vorgelegten Unterlagen wurde ein Teilprüfungszeugnis der Pflichtschulabschluss-Prüfung vorgelegt.

Im Rahmen der Befragung bestätigte der Beschwerdeführer zunächst die bisherigen Angaben zu seiner Person und bekräftigte, bei den bisherigen Einvernahmen die Wahrheit gesagt zu haben. Er habe die Dolmetscher verstanden, die Niederschriften seien ihm jedoch nur verkürzt rückübersetzt worden.

Weiters gab der Beschwerdeführer (BF) entscheidungswesentlich Folgendes an (RI = erkennende Richterin):

"[...]

Zu den Fluchtgründen und zur Situation im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat:

RI: Sie haben bereits vor der Einvernahme vor dem BFA ausgeführt, dass sie am Sonntag die Kirche besuchen würden, Bibelunterricht bzw. seit ca. fünf/sechs Monaten Taufunterricht erhalten würden, hierzu habe ich nun einige Fragen an Sie.

BF: Ich bin bereits getauft worden.

RI: Haben Sie Ihren ehemaligen Glauben praktiziert, sind Sie in die Moschee gegangen, haben Sie gebetet, haben Sie gefastet?

BF: Das, was meine Eltern mir sagten zu tun, habe ich gemacht. Z.B. wenn sie in die Moschee gegangen sind, haben sie mich mitgenommen. Wenn sie die Gebete verrichteten, wollten sie, dass ich mitmache. Ich musste auch an manchen religiösen Festen teilnehmen.

RI: Können Sie mir jetzt ausführlich schildern, wann und warum Sie begonnen haben, sich mit dem christlichen Glauben auseinander zu setzen, sich darüber zu informieren?

BF: Es ist nicht plötzlich passiert, sondern es hat damit begonnen als ich nach Europa gekommen bin und ich mich jeden Tag mehr damit auseinandersetzte. Bereits in Griechenland habe ich große Unterschiede bemerkt. Das Verhalten zwischen Männern und Frauen hier und dort kamen mir viele Fragen in den Kopf, warum es so ist. Denn wir sind anders groß geworden und erzogen. Dass die Frauen nicht so viele Rechte haben, z.B., dass wenn die Frauen sich nicht verschleiern dementsprechend bestraft werden und solche Dinge. Ich habe Dinge gehört, die unglaublich waren. Mir wurde z.B. in Afghanistan vom Mullah bzw. religiösen Personen erzählt, dass in den Gegenden wo die Frauen sich nicht verschleiern oder mit Männern zusammenarbeiten dort kein Regen kommen wird oder großes Unglück geschehen wird. Als ich diese Unterschiede in Griechenland bemerkte und schließlich nach Österreich kam, ich war dann 7 Tage ungefähr in XXXX , war ich zuerst krank bzw. müde von der Reise. Anschließend bin ich nach XXXX transportiert worden. Nach einiger Zeit dort konnte ich mit der Gesellschaft in Kontakt kommen und ich hatte zuvor nichts vom Christentum gewusst, ich erkundigte mich über ihre Religion, was für einen Gott sie anbeten, was für Regeln sie haben und wieso sie so glücklich sind. Eines Tages bin ich mit einem Freund zu einem See gefahren und daneben befand sich eine Kirche. Wir waren zu Fuß unterwegs. Dann sind wir in die Kirche hinein, ich kann ein bisschen Englisch und fragte, ob ich hineingehen darf. Diese Person, die dort beschäftigt war, war sehr freundlich, lächelte uns an und sagte, natürlich dürfen wir hinein. Wir saßen ca. für eine Stunde in dieser Kirche und ich habe wirklich diese Ruhe dort genossen. Danach habe ich einmal die Woche die Kirche besucht und angefangen mich über diese Religion zu erkundigen. Ich habe auch mit meinem Betreuer mich über das Christentum auseinandergesetzt. Da habe ich bemerkt, dass es hierbei um Christentum geht und dass auch Christen denselben Gott anbeten wie die Moslems. Dann habe ich Vater, Sohn und den Heiligen Geist entdeckt und habe mich diesbezüglich mehr informiert und bin dann dahintergekommen, dass sie zu Gott Vater sagen, sodass sie eine sehr enge Beziehung zu ihm haben. Das war für mich unglaublich. Denn wir fürchteten uns in unserer Religion immer vor Gott und konnten ihm niemals nahe sein. Mir wurde gesagt, das, was Gott sagt, müssen wir wie sein Untertan, wie sein Sklave, erfüllen. Das ist ein großer Unterschied, den ich hier bemerkt habe, dass Christen eine freundschaftliche Beziehung zu Gott wie zu ihrem Vater haben, aber wir betrachten Gott wie unser Oberhaupt und sind sein Untertan. Ständig hatten wir Angst vor ihm und fürchteten, in Ungnade zu fallen und den Gott, den ich anbeten möchte, habe ich hier gefunden. Das ist der Gott, mit dem ich beruhigt mich unterhalten kann und als ich damals in die Kirche gegangen bin, konnte ich mich in Ruhe mit ihm unterhalten. Nach 6 bis 7 Monaten bin ich nach XXXX gekommen und dort habe ich beschlossen, die deutsche Sprache zu lernen, damit ich mich hier dieser Gesellschaft anpassen kann. Wir hatten täglich 3 Stunden Deutschkurs, außerhalb und eine Stunde innerhalb vom Heim. In den 3 oder 4 Monaten die ich dort war habe ich bis zum A2 Niveau gelernt und danach ist jemand gekommen und wir mussten alle eine Prüfung ablegen, um in eine Übergangsklasse zu kommen. Ich habe diese Prüfung bestanden und 4 von uns wurden dann in das Stift XXXX in der Gemeinde XXXX gebracht. Dort haben wir den Unterricht begonnen und einer unserer Lehrer war ein Religionslehrer, sie hieß XXXX und ich habe bereits im ersten Semester mit ihr viele Gespräche hinsichtlich Religion geführt und am Ende des Semesters hatte sie ein paar Bücher mit, eines davon war die Heilige Bibel und sie sagte, jeder kann sich ein Buch aussuchen als Geschenk und ich sagte, ich hätte gern die Heilige Bibel. Danach haben die Sommerferien begonnen und ich habe angefangen, die Bibel zu lesen. Als ich die Beispiele und die Geschichte über Jesus Christus darin gelesen habe, habe ich auch in mir Veränderungen gespürt. Ich habe in Wirklichkeit wie ein Christ gelebt und habe auch den Gott angebetet, den die Christen anbeten. Eines Tages fragte ich mich selbst, wer bin ich und was will ich und stellte fest, dass ich ein Christ sei. Dann habe ich mich mit den Heiligen Vater (Pater XXXX ) unterhalten und sagte ihm, was ich fühle und dass ich mich eigentlich der christlichen Gesellschaft angepasst habe, ohne dies zu merken. Danach sagte er mir, ich gebe dir eine Bibel auf Farsi/Deutsch und er stellte mir eine Dame vor, die mit mir ein bis 2 Mal die Woche die Bibel studierte. Ich fühlte mich dadurch sehr glücklich. Jeden Sonntag als ich die Kirche besuchte, vergaß ich meine Probleme und konnte mit Gott eine direkte Verbindung spüren. Einmal im Monat setzten wir uns dann mit dem Pater XXXX , meiner Lehrerin und einem anderen Freund und seinem Lehrer zusammen und studierten die Bibel, um uns für die Taufe vorzubereiten. Dieser Unterricht dauerte bis zu meinem Interview und danach, ich sagte eines Tages dem Pater XXXX , dass ich sehr gern die Kommunion empfangen möchte und daran teilnehmen will, denn ich habe jeden Sonntag gespürt, dass Jesus Christus sich für uns als Märtyrer opferte und dadurch unsere Sünden vergab und ich hatte das Bedürfnis neu geboren zu werden. Deshalb setzte ich meine Ausbildung fort bis ich eines Tages dann getauft wurde. Ich fühlte mich an diesem Tag wie neu geboren. Danach fühlte ich mich sehr glücklich, denn ich konnte nun an der Kommunion teilnehmen und dadurch konnte ich den Leib und Blut Christ empfangen und mich als ein Teil der Kirche fühlen. Alle meine Sünden in der Vergangenheit wurden vergessen, ich habe allen meinen Widersachern, die meine Flucht verursacht haben, vergeben können. Wir treffen uns immer noch einmal im Monat und studieren weiter.

RI: Sie haben gesagt, dass Sie in XXXX mit der Gesellschaft in Kontakt gekommen sind und dort auch mit dem Christentum. Warum haben Sie den Kontakt zu Christen gesucht?

BF: Weil die Dinge die ich im Christentum erlebt und gesehen habe, im Islam nicht gesehen habe. Die Fragen die ich hatte, wurden mir im Christentum beantwortet.

RI: Wieso sind Sie überhaupt auf das Christentum als Grund für die andere Lebensweise gekommen?

BF: Ich hatte keine persönlichen Kontakte, aber als ich mit der Gesellschaft Kontakt aufnahm, habe ich gesehen, dass sie einander mögen und sehr liebevoll umgehen und habe dadurch die Menschlichkeit kennengelernt. Ich war oft in der Kirche und habe mich oft in der Kirche mit den Leuten unterhalten und habe die Information von ihnen erhalten, z.B. an welchen Gott sie glauben und was ihre Glaubensgrundsätze sind.

RI: Sie haben auch erwähnt, dass Sie in eine bestimmte Kirche mit einem Freund gegangen sind, war das Ihr erster Kirchenbesuch und welche Kirche war das?

BF: Dieser Freund war mein Mitbewohner im Heim. Er war wie ich auch ein Moslem und er glaubte auch an das Christentum so wie ich. Da ich kein Deutsch konnte, weiß ich auch nicht, wie diese Kirche hieß, aber ich bin oft hineingegangen. Es gibt auch Fotos, die das beweisen, ich weiß nicht wie diese Kirche heißt. Es waren ca. 40 Minuten zu Fuß zur Kirche und ca. 10 Minuten vom See entfernt. Das war neben der Gemeinde XXXX . Das war die große Kirche in XXXX . Ich bin dann in diese Kirche immer wieder gegangen.

RI: Sie haben auch gesagt, dass Sie an sich eine Veränderung festgestellt haben. Wie würden Sie das konkret beschreiben?

BF: Ich meine damit, dass ich danach mit Gott als ein Vater kommunizieren konnte. Und dass es sich dabei um einen Gott handelt, der alle Menschen mit einem Auge sieht, also gleich sieht. Es gibt keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, Ausländer oder nicht Ausländer. Aber in Afghanistan hatte der Gott den ich kannte eine nähere Beziehung zu Menschen, die mehr Geld hatten, diese konnten die Moscheen unter eigenem Namen eröffnen. Ich möchte nicht andere Religionen beleidigen, aber es war ein Handel. Es war immer ein Wettbewerb mit anderen Religionen.

R: Wenn Sie jetzt Christ sind und ein christliches Leben führen, wie äußert sich das in Ihrem täglichen Leben?

BF: Ich habe die Menschlichkeit dadurch entdeckt und seitdem ich in dieser Gesellschaft bin, behandle ich sie auch menschlich. Ich liebe Gott und unterhalte mich mit ihm als ein Vater und glaube an Jesus Christus, der sich für uns geopfert hat und erzählte uns dadurch die wahre Geschichte zwischen Vater und Sohn und der Heilige Geist fließt jeden Tag in meinem Blut und Herzen. Der Heilige Geist bedeutet für mich in Wirklichkeit die Liebe. Wenn ich eine Sünde begehen würde, z.B. lügen, betrügen oder stehlen, hält mich der Heilige Geist in meinem Herzen davon ab. Ich glaube, dass mich der Heilige Geist in meinem Leben und meinem Tun unterstützt. Ich meine mit menschlicher Behandlung, dass in Afghanistan die Menschen unterschiedlich behandelt werden, je nachdem ob sie reich oder arm sind. Ich möchte dafür ein Beispiel bringen. Z.B. jemand, der wohlhabend war, wurde von der Gesellschaft akzeptiert und respektiert, aber jemand Armer, egal ob er studiert hatte oder nicht, wurde nicht akzeptiert und hatte keinen Respekt seitens der Gesellschaft bekommen. Soweit ich kann, werde ich anderen helfen, sowohl finanziell als auch moralisch. Es macht für mich keinen Unterschied woher diese Person stammt, welche Hautfarbe sie hat, das, was Jesus Christus von mir möchte, werde ich machen. In der Bibel steht, das was du willst, das man dir nicht antut, sollst du auch deinem nächsten nicht antun. Ich rede von Nächstenliebe.

RI: Besuchen Sie derzeit regelmäßig die Kirche? Wie praktizieren Sie Ihren Glauben?

BF: Ich besuche jeden Sonntag sehr gerne die Kirche. Denn es erleichtert mich sehr und unter der Woche bekomme ich Unterricht von meinem Lehrer.

RI: Wer ist Ihr Lehrer?

BF: Die Frau XXXX . Das ist meine Religionslehrerin.

RI: Beschäftigen Sie sich auch über den Kirchenbesuch und Unterricht hinaus aktiv mit dieser Religion? Engagieren Sie sich etwa in der Pfarrgemeinde?

BF: Wenn es in der Kirche Bedarf ist, rufen sie mich an und ich helfe mit und auch seitens der Gemeinde arbeite ich immer wieder ehrenamtlich. Grundsätzlich ruft aber die Gemeinde mich an. Bis jetzt war in der Kirche noch nichts vorgekommen, dass ich helfen musste, aber wenn der Pfarrer mich bittet, dass etwas zu tun ist, würde ich gerne helfen. Bis jetzt habe ich nur mit der Gemeinde zu tun gehabt. Das ist auch eine Hilfe für die Mitmenschen.

RI: Feiern Sie die christlichen Feiertage? Wie feiern Sie diese?

BF: Da ich in der Kirche wohne und nicht weit weg bin, feiern wir jedes christliche Fest mit den anderen gemeinsam.

RI: Was war das letzte Fest?

BF: Ich glaube, das war Fronleichnam.

RI: Haben Sie in Österreich auch noch andere Freunde, die zum Christentum konvertiert sind?

BF: 2 andere Mitbewohner. Diese sind aber noch nicht getauft worden.

RI: Haben Sie noch Kontakt zu Afghanen, die keine Christen sind?

BF: Alle meine Mitbewohner in dem Heim sind Afghanen, außer einem Araber, der dort lebt und mit ihnen habe ich auch Kontakt.

RI: Wissen diese Afghanen, dass Sie zum Christentum konvertiert sind?

BF: Sie wissen, dass ich regelmäßig die Kirche besuche, aber da ich mich fürchte, habe ich mit ihnen direkt nicht darüber gesprochen. Denn manche von ihnen sind sehr radikale Moslems und wenn sie davon erfahren, dass jemand sich vom Islam abgewendet hat, werden sie ihn schädigen, denn dadurch schaffen sie sich selber im Paradies einen Vorteil. Ich sage ihnen, dass ich dort beten gehe, aber sie wissen nicht, dass ich konvertiert bin. Sie haben mich noch nicht gefragt, ob ich Christ geworden bin oder nicht. Wenn sie mich das fragen, werde ich ihnen sicherlich die Wahrheit sagen.

RI: Haben Sie Ihre Familie davon informiert, dass Sie getauft wurden?

BF: Ich habe mit meiner Familie darüber nicht geredet, weil meine Familie sehr traditionell denkt. Sie leben seit 40 oder 50 Jahren mit dieser Religion und es ist sehr schwer für sie, zu akzeptieren, dass ihr Sohn Christ geworden ist. Ich möchte, dass meine Eltern in Frieden weiterleben und ich bete für sie.

RI: Würden Sie Ihren jetzigen Glauben auch nicht mehr ablegen, wenn Sie nach Afghanistan zurückkehren müssten?

BF: Nein. Ich möchte sehr gerne diesen Glauben weiterführen. Jesus Christus selbst sagte, dass man den Mitmenschen diese Religion näherbringen soll und sie sollen alle die Wahrheit erkennen und den Weg, den ich ausgesucht habe, möchte ich bis zum Ende führen. Z.B. in Matthäusevangelium 5, die Seligpreisungen, diejenigen die auf ihrem Weg Leid erfahren, sind gesegnet, denn am Ende sind sie vor Gott heilig. Wenn Sie wollen kann ich Ihnen die Stelle zeigen und das sind Gottes Kinder.

RI: Angenommen, Sie müssten nach Afghanistan zurückkehren, was wäre Ihre Sorge, Ihre Angst, welche Verfolgung befürchten Sie?

BF: Erstens habe ich Angst vor der Familie, die mich beschuldigt, die mir vorwerfen, ich sei ein Spion und vor den Taliban, denn ich habe dort nicht die Moschee und den Unterricht besucht. Denn für sie ist Jihad heilig und ein Moslem ist dazu verpflichtet. Wenn sie mich in die Hände bekommen, werden sie mich entweder direkt umbringen oder als menschliches Schutzschild gegen die Regierung verwenden und mich umbringen. Denn aus deren Sicht, ist die Regierung ungläubig und die Regierung arbeitet mit ausländischen Mächten, den Amerikanern, zusammen und wenn ein Moslem sich mit einem Ungläubigen zusammentut, sind sie berechtigt, diesen umzubringen. Aus deren Sicht ist jeder Andersgläubige ungläubig. Es macht keinen Unterschied ob Jude oder Christ.

RI: Sie haben jetzt gesagt, dass Sie nicht die Moschee besucht habe. Zuvor haben Sie gesagt, dass Sie mit den Eltern in der Moschee waren.

BF: Es gibt 2 Moscheen. Es gibt eine sunnitische Moschee und eine schiitische Moschee. Ich habe die schiitische Moschee mit meinen Eltern besucht und die sunnitische Moschee ließen meine Eltern nicht zu, zu besuchen.

RI: Was ist Ihre konkrete Angst im Falle einer Rückkehr?

BF: Wegen meiner Probleme von früher habe ich Angst. Das Christentum hat meine Probleme vermehrt. Wenn sie davon erfahren, dass ich mich vom Islam und Mohammad und Koran abgewendet habe, werde ich als Ungläubiger sicherlich dort umgebracht.

RI: Könnten Sie Ihren jetzigen Glauben in Afghanistan verheimlichen?

BF: Es herrscht dort eine Gesellschaft, in der man sich bei religiösen Anlässen beteiligen muss und ich kann nicht lügen. Jesus Christus sagt, derjenige der mich vor den anderen leugnet wird von Gott geleugnet. Das ist eine Erleuchtung, die ich in mir fühle und ich möchte mich nicht wieder in Dunkelheit begeben.

RI: Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft hier in Österreich vor?

BF: Wenn ich in Österreich bleiben kann, sehe ich für mich eine sehr leuchtende Zukunft und eine gute Zukunft. Ich möchte ab September einer Beschäftigung nachgehen und möchte diesen Weg bis zum Schluss gehen, damit sowohl mir als auch meinen Mitmenschen geholfen wird. Ich habe bereits eine Lehrstelle. Ich habe den Vertrag unterschrieben und es ist vereinbart, dass ich ab September dort zu arbeiten beginne. Das ist in XXXX in der Firma XXXX . Das ist eine Metalltechnikerfirma. Ich werde dort als Metalltechniker ausgebildet. (Zerspanungstechniker) Es werden Maschinenteile hergestellt. Das ist etwas was ich besonders gerne mache und schon immer machen wollte.

RI: Möchten Sie noch etwas Ergänzendes sagen?

BF: Ich bedanke mich für diese Verhandlung, denn diese Verhandlung unterscheidet sich von meinen früheren Interviews wie Tag und Nacht. Ich bitte Sie, dass Sie dieses Nest, das ich hier für meine Zukunft aufgebaut habe, nicht zerstören."

Pater Mag. XXXX , geb. XXXX , Priester und Mönch im XXXX , wurde als Zeuge einvernommen und gab Folgendes an (Z = Zeuge):

"RI: Können Sie mir bitte näher erzählen, wie Sie mit Herrn XXXX in Kontakt gekommen sind und wie Ihr Kontakt bis zum heutigen Tag verlaufen ist.

Z: Im Stift XXXX haben wir seit Sommer 2015 12 Asylwerber untergebracht. Zuerst waren es überwiegend Syrer und jetzt sind es überwiegend Afghanen. Der Kontakt ist sehr intensiv. Es vergeht kaum ein Tag an dem wir nicht mit ihnen zusammenkommen. Ich kenne alle Asylwerber beim Vornamen. Mit manchen ist es schwieriger. Sie sind reservierter, andere sind sehr offen. Dann erkläre ich, was ein Kloster ist, was das heißt, mache eine Führung durch unser Kloster. Weil ich die Verantwortung für diese 12 habe, von Seiten des Klosters, die Betreuung macht die Caritas, gebe ich ihnen alle paar Monate auch eine "Belehrung", wo sie jetzt sind, was es bedeutet hier in Österreich zu leben und wie man sich verhält im Sinne einer Integration in Österreich. Ich stehe als Ansprechpartner zur Verfügung, wenn ein Bedarf besteht, was immer wieder der Fall ist. Ich nenne Herrn XXXX eigentlich immer XXXX bzw. XXXX . Damals im Jänner 2017 ist eine größere Partie aus Afghanistan gekommen, unbegleitete Minderjährige aus XXXX und damals hat uns die Fr. Direktor des Bundesgymnasiums in unserem Stift mitgeteilt, dass es eine eigene Übergangsklasse für die Asylwerber geben soll, die vom Alter entsprechen (ab 18 Jahre bis ca. 20). In diese Klasse kommen auch auswärtige Asylwerber. Die freuen sich alle, dass sie die Möglichkeit habe wie ein österreichischer Schüler in die Schule zu gehen und zu lernen. Das ist eine echte Erfolgsgeschichte. Die Begegnung mit den Lehrern ist sehr wichtig. XXXX ist seit Jänner 2017 bei uns. Er hat sehr bald mir gegenüber ein Gespräch gesucht, ist interessiert gewesen und hat durchblicken lassen, er möchte mehr über Christen wissen. Das vergesse ich nicht. Das speichere ich. Ich nehme es aber anfangs nicht so ernst. Durch die Gespräche, die immer wieder stattfinden, hat sich das vertieft. Ich bin mit ihm gerne durch unseren Stiftswald gewandert und wir haben über vieles gesprochen. In der Diözese war auch die Fr. XXXX , die in XXXX , aber diese Kurse sind im Frühjahr 2017 ins Stocken geraten und man hat die Kursteilnehmer irgendjemandem zugeteilt, der das Katechumenat macht und das war dann im Juni, wo ich dann mit dem Pastoralamt Kontakt aufgenommen habe, weil ich 2 Bewerber habe und einer davon ist XXXX und der 2. ist XXXX . Und dann hat man mich gebeten, dass ich das Katechumenat mache. Das war gegen Schulschluss im vorigen Jahr. Dann habe ich mir die einzelnen Schritte überlegt und habe im Oktober 2017 diese Vorstufe des Katechumenats, Vorkatechumenat, abgeschlossen, indem ich ihm offiziell die Bibel, das Neue Testament in Deutsch und Farsi übergeben habe. Wir finden, dass es Sinn macht, dass die Katechese in Deutsch abgehalten wird und nicht bloß in Farsi, wie es XXXX gemacht hat. Mittlerweile habe ich auch erfahren, dass XXXX die Bibel damals bereits in Farsi hatte und es auch schon gelesen hatte. Die Frau XXXX hat am Schulschluss eine Menge Bücher mitgebracht, welche die Schüler mitnehmen konnten. XXXX hat die Bibel mitgenommen. Sie hat auch eine Widmung hineingeschrieben im Juli 2017. Das Katechumenat hat offiziell begonnen am 19.12.2017. XXXX , eine pensionierte Schuldirektorin, die auch bei uns im Kloster wohnt, hat für ihn das Katechumenat gemacht. Wir sind immer wieder im Gespräch. Sie sollte ihn begleiten. Sie treffen sich immer noch ein bis 2 Mal in der Woche zu einem Austausch. Seit Weihnachten besucht er begleitet von XXXX jede heilige Messe. Im Jänner habe ich ihn dann vor der Gemeinde vorgestellt und erzählt, warum er da ist. Seit Februar treffe ich mich mit der ganzen Partie alle 2 bis 3 Wochen zu einem geistlichen Gespräch. Das sind ganz tolle Begegnungen. Da spürt man, wie weit sie bereits in das christliche Verstehen und Leben hineingefunden haben. Ich erinnere mich an das erste dieser Treffen, bei dem XXXX einen Satz gesagt hat, aus Johannes 4: Gott ist die Liebe. Er hat gesagt, das ist so schön. Weiters hat er bei weiteren Treffen z.B. die Seligpreisungen genannt. Diese Treffen finden bis heute statt. Am 29.04. habe ich die Gottesdienstgemeinde eingeladen zur Taufe von XXXX und XXXX . Die Taufe war am XXXX anlässlich des Sonntagsgottesdienstes. Ich habe auch an das bischöfliche Pastoralamt das gemeldet und habe Herrn Mag. XXXX das Vorkatechumenat und Katechumenat geschildert und um die Bewilligung für die Taufe ersucht. Ich habe auch eine entsprechend positive Rückmeldung vom Pfarramt erhalten und die Taufe konnte schließlich gespendet werden. Üblicherweise werden die Taufe, Erstkommunion und Firmung in einem gespendet. Ich habe es aber bewusst aus seelsorglichen Gründen auseinandergezogen und sie werden genauso begleitet hin auf das Sakrament der Buße und der Firmung. Die Gespräche gehen also einzeln und in der Gruppe weiter. Worüber wir alle sehr froh sind. Sie kommen immer sehr verlässlich.

RI: Hatten Sie jemals den Eindruck, der BF würde sich nicht ernsthaft mit dem Christentum beschäftigen bzw. der BF habe den Glaubenswechsel nicht aus innerer Überzeugung vollzogen?

Z: Das war mir von Anfang an sehr überzeugend. Er war von Anfang an ein sehr sozialer Typ, er hat sich um alle Mitmenschen angenommen. Vor allem hat er auch hier den Frieden erlebt und wie man mit Männern und Frauen hier gleichberechtigend umgeht. Und er hat es auch sehr schön empfunden, wie wir hier miteinander umgehen. Das war ihm komplett neu. Daheim gab es nur Spannungen zwischen den Schiiten und Sunniten, den Hazara und Paschtunen. Es gab immer nur Spannungen und Krieg. Ich hatte den Eindruck, dass er sehr ernsthaft diesen Weg gehen wollte. Er sagt auch immer, dass er jetzt der XXXX sei. Ich habe die Niederschrift auch gelesen vor dem BFA. Da hat der XXXX nur noch ja und nein gesagt und die begleitende Vertrauensperson XXXX war ziemlich betroffen. XXXX wollte erzählen und die Referentin hat offenbar ihn nur aufgefordert ja oder nein zu sagen. Fragen wie, haben Sie jemanden getötet, waren überraschend und es wurden die Antworten als nicht überzeugend angesehen. Als sie nach dem Vater unser gefragt hätte, war XXXX schon müde und hat nur 2 Sätze gesagt, was der Referentin zu wenig gewesen sei. Ich habe bei ihm ein ganz ein gutes Gefühl, dass er sich hineinlebt und es ist für ihn schön zur Kommunion zu gehen. Er hat beispielsweise auch schon Fürbitten gesprochen."

Das erkennende Gericht brachte Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des Beschwerdeführers in das Verfahren ein (aktualisierte Fassung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation, Stand 29.06.2018) und verwies auf eine ACCORD-Anfragebeantwortung vom 01.06.2017 zur Situation von 1) vom Islam abgefallenen Personen (Apostaten), 2) christlichen KonvertitInnen, 3) Personen, die Kritik am Islam äußern, 4) Personen, die sich nicht an die Regeln des Islam halten und 5) Rückkehrern aus Europa.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Fluchtgründen:

Aufgrund des Asylantrags vom 07.02.2016, der Einvernahmen des Beschwerdeführers durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und durch die belangte Behörde, der Beschwerde vom 03.05.2018 gegen den Bescheid der belangten Behörde vom XXXX , der Einsichtnahme in den bezughabenden Verwaltungsakt, der Einsichtnahmen in das zentrale Melderegister, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente sowie auf Grundlage der vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung werden die folgenden Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX . Er ist Staatsangehöriger von Afghanistan und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Vor seiner Konversion zum Christentum bekannte sich der Beschwerdeführer zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Seine Muttersprache ist Dari, er spricht auch Paschtu, Englisch und Deutsch. Er wurde in der Provinz Ghazni, im Bezirk XXXX , in der Ortschaft XXXX geboren und hat dort auch mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder gelebt. Die Familie des Beschwerdeführers befindet sich inzwischen in Pakistan und er hat zu ihnen regelmäßig Kontakt über das Internet. Der Beschwerdeführer ist ledig.

Der Beschwerdeführer ist erstmals in Europa mit dem Christentum in Berührung gekommen. Diese Religion hat ihn von Anfang an fasziniert und er hat sich im Lauf der Zeit mehr und mehr damit auseinandergesetzt. Als er sich im Jahr 2016 in XXXX befunden hat, hat er zum ersten Mal mit einem Freund eine Kirche aufgesucht. Danach hat er regelmäßig einmal in der Woche die Kirche besucht und begonnen, sich über das Christentum zu informieren. Nachdem der Beschwerdeführer im Jänner 2017 Quartier im Stift XXXX bezogen hatte, hat er bald das Gespräch mit Pater Mag. XXXX gesucht und diese Gespräche auch bis in die Gegenwart fortgesetzt. Auch mit seiner Religionslehrerin hat er sich immer wieder zu Fragen des Christentums unterhalten. Von dieser hat er auch die Bibel als Geschenk erhalten. Am 19.12.2017 wurde der Beschwerdeführer schließlich in das Katechumenat aufgenommen. Den Glaubensunterricht erhielt der Beschwerdeführer von Frau XXXX , welcher diese Aufgabe durch Pater Mag. XXXX übertragen wurde. Am XXXX wurde der Beschwerdeführer von Pater Mag. XXXX getauft. Er beteiligt sich nach wie vor an den Glaubensgesprächen, besucht jeden Sonntag die Kirche, feiert die christlichen Feste und erhält weiterhin Glaubensunterricht von Frau XXXX . Der Beschwerdeführer betätigt sich ehrenamtlich in seiner Wohngemeinde, er hilft etwa bei Renovierungsarbeiten und bei Gemeindeveranstaltungen aus. Da die Familie des Beschwerdeführers sehr traditionell eingestellt ist, hat er seine Familie noch nicht von seiner Taufe in Kenntnis gesetzt und möchte dies auch künftig nicht tun, um sie nicht zu belasten. Die afghanischen Mitbewohner im Heim des Beschwerdeführers in Österreich wissen, dass er regelmäßig die Kirche besucht. Er hat ihnen jedoch aus Angst noch nicht von seiner Konversion erzählt; er würde es ihnen aber sagen, falls sie ihn direkt fragen würden.

Es kann davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer aus freier persönlicher Überzeugung vom islamischen Glauben zum Christentum konvertiert ist und dass dieser Schritt von Ernsthaftigkeit und Nachhaltigkeit getragen ist. Es ist nicht anzunehmen, dass der Beschwerdeführer seinen christlichen Glauben verleugnen würde.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Gründe, nach denen ein Ausschluss des Beschwerdeführers hinsichtlich der Asylgewährung zu erfolgen hat, sind im Verfahren nicht hervorgekommen.

1.2. Zur maßgeblichen Situation in Afghanistan:

1.2.1. Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation - Afghanistan (Gesamtaktualisierung am 29.06.2018; Auszüge)

1. Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015 25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

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(Darstellung Staatendokumentation beruhend auf den INSO-Zahlen aus den Jahren 2015, 2016, 2017).

Im Vergleich folgt ein monatlicher Überblick der sicherheitsrelevanten Vorfälle für die Jahre 2016, 2017 und 2018 in Afghanistan (INSO o.D.)

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO o.D.)

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf UNGASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Es folgt ein Jahresvergleich der sicherheitsrelevanten Vorfälle, die von der UN und der NGO INSO in den Jahren 2015, 2016 und 2017 registriert wurden:

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(Darstellung der Staatendokumentation beruhend auf INSO (o.D.), UN GASC 15.3.2016, UNGASC 9.3.2017, UNGASC 27.2.2018)

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht. Östliche Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018).

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(Darstellung der Staatendokumentation)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

* Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

* Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

* Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

* Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40 weitere wurden verletzt (Pajhwok 13.5.2018; vgl. Tolonews 13.5.2018). Die Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (AJ 13.5.2018). Quellen zufolge bekannte sich der Islamische Staat (IS) zum Angriff (AJ 13.5.2018).

* Angriff auf Polizeireviere in Kabul: Am 9.5.2018 griffen bewaffnete Männer jeweils ein Polizeirevier in Dasht-e-Barchi und Shar-i-Naw an und verursachten den Tod von zwei Polizisten und verwundeten sechs Zivilisten. Auch wurden Quellen zufolge zwei Attentäter von den Sicherheitskräften getötet (Pajhwok 9.5.2018). Der IS bekannte sich zum Angriff (Pajhwok 9.5.2018; vgl. Tolonews 9.5.2018).

* Selbstmordangriff in Kandahar: Bei einem Selbstmordanschlag auf einen Konvoi der NATO-Truppen in Haji Abdullah Khan im Distrikt Daman der Provinz Kandahar sind am 30.4.2018 elf Kinder ums Leben gekommen und 16 weitere Menschen verletzt worden; unter den Verletzten befanden sich u.a. rumänische Soldaten (Tolonews 30.4.2018b; vgl. APN 30.4.2018b, Focus 30.4.2018, IM 30.4.2018). Weder der IS noch die Taliban reklamierten den Anschlag für sich (Spiegel 30.4.2018; vgl. Tolonews 30.4.2018b).

* Doppelanschlag in Kabul: Am 30.4.2018 fand im Bezirk Shash Derak in der Hauptstadt Kabul ein Doppelanschlag statt, bei dem Selbstmordattentäter zwei Explosionen verübten (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Die erste Detonation erfolgte in der Nähe des Sitzes des afghanischen Geheimdienstes (NDS) und wurde von einem Selbstmordattentäter auf einem Motorrad verübt; dabei wurden zwischen drei und fünf Menschen getötet und zwischen sechs und elf weitere verletzt (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b); Quellen zufolge handelte es sich dabei um Zivilisten (Focus 30.4.2018). Die zweite Detonation ging von einem weiteren Selbstmordattentäter aus, der sich, als Reporter getarnt, unter die am Anschlagsort versammelten Journalisten, Sanitäter und Polizisten gemischt hatte (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018b, Pajhwok 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Dabei kamen u.a. zehn Journalisten ums Leben, die bei afghanischen sowie internationalen Medien tätig waren (TI 1.5.2018; vgl. AJ 30.4.2018, APN 30.4.2018a,). Bei den beiden Anschlägen sind Quellen zufolge zwischen 25 und 29 Personen ums Leben gekommen und 49 verletzt worden (AJ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a, DZ 30.4.2018, Tolonews 30.4.2018a). Der IS bekannte sich zu beiden Angriffen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a). Quellen zufolge sind Geheimdienstmitarbeiter das Ziel des Angriffes gewesen (DZ 30.4.2018; vgl. APN 30.4.2018a).

* Angriff auf die Marshal Fahim Militärakademie: Am 29.1.2018 attackierten fünf bewaffnete Angreifer einen militärischen Außenposten in der Nähe der Marshal Fahim Militärakademie (auch bekannt als Verteidigungsakademie), die in einem westlichen Außendistrikt der Hauptstadt liegt. Bei dem Vorfall wurden mindestens elf Soldaten getötet und 15 weitere verletzt, bevor die vier Angreifer getötet und ein weiterer gefasst werden konnten. Der IS bekannte sich zu dem Vorfall (Reuters 29.1.2018; vgl. NYT 28.1.2018).

* Bombenangriff mit einem Fahrzeug in Kabul: Am 27.1.2018 tötete ein Selbstmordattentäter der Taliban mehr als 100 Menschen und verletzte mindestens 235 weitere (Reuters 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018). Eine Bombe - versteckt in einem Rettungswagen - detonierte in einem schwer gesicherten Bereich der afghanischen Hauptstadt (TG 27.1.2018; vgl. TG 28.1.2018) - dem sogenannten Regierungs- und Diplomatenviertel (Reuters 27.1.2018).

* Angriff auf eine internationale Organisation (Save the Children - SCI) in Jalalabad: Am 24.1.2018 brachte ein Selbstmordattentäter ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug am Gelände der Nichtregierungsorganisation (NGO) Save The Children in der Provinzhauptstadt Jalalabad zur Explosion. Mindestens zwei Menschen wurden getötet und zwölf weitere verletzt; der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (BBC 24.1.2018; vgl. Reuters 24.1.2018, TG 24.1.2018).

* Angriff auf das Hotel Intercontinental in Kabul: Am 20.1.2018 griffen fünf bewaffnete Männer das Luxushotel Intercontinental in Kabul an. Der Angriff wurde von afghanischen Truppen abgewehrt, nachdem die ganze Nacht um die Kontrolle über das Gebäude gekämpft worden war (BBC 21.1.2018; vgl. DW 21.1.2018). Dabei wurden mindestens 14 Ausländer/innen und vier Afghan/innen getötet. Zehn weitere Personen wurden verletzt, einschließlich sechs Mitglieder der Sicherheitskräfte (NYT 21.1.2018). 160 Menschen konnten gerettet werden (BBC 21.1.2018). Alle fünf Angreifer wurden von den Sicherheitskräften getötet (Reuters 20.1.2018). Die Taliban bekannten sich zu dem Angriff (DW 21.1.2018).

* Selbstmordattentat mit einem mit Sprengstoff beladenen Tanklaster:

Am 31.5.2017 kamen bei einem Selbstmordattentat im hochgesicherten Diplomatenviertel Kabuls mehr als 150 Menschen ums Leben, mindestens 300 weitere wurden schwer verletzt (FAZ 6.6.2017; vgl. AJ 31.5.2017, BBC 31.5.2017; UN News Centre 31.5.2017). Der IS bekannte sich zu diesem Vorfall (FN 7.6.2017).

Angriffe gegen Gläubige und Kultstätten

Registriert wurde eine steigende Anzahl der Angriffe gegen Glaubensstätten, religiöse Führer sowie Gläubige; 499 zivile Opfer (202 Tote und 297 Verletzte) waren im Rahmen von 38 Angriffen im Jahr 2017 zu verzeichnen. Die Anzahl dieser Art Vorfälle hat sich im Gegensatz zum Jahr 2016 (377 zivile Opfer, 86 Tote und 291 Verletzte bei 12 Vorfällen) verdreifacht, während die Anzahl ziviler Opfer um 32% gestiegen ist (UNAMA 2.2018). Auch verzeichnete die UN in den Jahren 2016 und 2017 Tötungen, Entführungen, Bedrohungen und Einschüchterungen von religiösen Personen - hauptsächlich durch regierungsfeindliche Elemente. Religiösen Führern ist es nämlich möglich, durch ihre Predigten öffentliche Standpunkte zu verändern, wodurch sie zum Ziel von regierungsfeindlichen Elementen werden (UNAMA 7.11.20

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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