TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/10 W113 2202888-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 10.08.2018
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Entscheidungsdatum

10.08.2018

Norm

B-VG Art.133 Abs4
MOG 2007 §6
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §13 Abs2
VwGVG §13 Abs5
VwGVG §22 Abs1
VwGVG §22 Abs2
VwGVG §22 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W113 2202888-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Katharina David über die Beschwerde des XXXX , vertreten durch Seirer & Weichselbraun Rechtsanwälte, gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG im Bescheid der Agrarmarkt Austria vom 27.07.2017, Zl. II/4-EBP/11-7194300010, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Spruch der angefochtenen Bescheide ("Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde gegen diesen Bescheid wird ausgeschlossen.") wird gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG stattgegeben und der Beschwerde damit die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Agrarmarkt Austria (belangte Behörde, AMA) sprach in mehreren Bescheiden über den Antrag des Beschwerdeführers (BF) auf Gewährung einer Einheitlichen Betriebsprämie für das Antragsjahr 2011 ab.

2. Mit letztem und nunmehr angefochtenem Änderungsbescheid der AMA wurde dem BF eine Einheitliche Betriebsprämie für das Antragsjahr 2011 in Höhe von EUR 45.353,20 gewährt. Es wurde eine Rückforderung von EUR 13.216,44 ausgesprochen.

Begründet wurde die Rückforderung mit einer Vor-Ort-Kontrolle auf der " XXXX ", Almbetriebsnummer XXXX , die statt einer beantragten Fläche von insgesamt 54,71 ha eine ermittelte Fläche von 38,46 ha ergeben hat. Sanktionen wurden nicht verhängt.

Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde im Spruch der Bescheide ausgeschlossen. Dies wurde wie folgt begründet:

"Die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Beschwerde wurde nach erfolgter Interessenabwägung wegen Überwiegen der berührten öffentlichen Interessen ausgeschlossen (§ 13 Abs. 2 VwGVG). Der vorzeitige Vollzug ist auch wegen Gefahr im Verzug dringend geboten.

Es ist zum Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union zwingend erforderlich offene Beträge wieder einzuziehen (Art. 58 VO 1306/2013 iVm Art. 28 VO 908/2014). Die VO 1306/2013 gibt der Europäischen Kommission die Möglichkeit, bei im Zuge von Prüfbesuchen festgestellten Mängeln bei der Vollziehung des Unionsrechts die Finanzierung durch die Gemeinschaft auszuschließen (sog. Anlastungen; Art. 52 ff VO 1306/2013). Das besondere öffentliche Interesse ist das Interesse am effektiven Vollzug des Unionsrechts, um diese nachteiligen finanziellen Folgen für den Mitgliedstaat hintanzuhalten.

Gemäß Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union (Amtsblatt C 326 vom 26.10.2012) ist es den Mitgliedstaaten untersagt, die Verwirklichung der EU-Regelungen praktisch unmöglich zu machen oder übermäßig zu erschweren (Grundsatz der Effizienz). Bei offenen Beträgen ist der vorzeitige Vollzug dringend geboten, weil ansonsten die Gefahr besteht, dass durch Änderungen in den Lebens- und Vermögensverhältnissen der Betroffenen eine Einbringung der offenen Beträgen so erschwert wird - wenn nicht gar unmöglich gemacht wird -, dass damit dem Grundsatz der Effizienz jedenfalls nicht mehr entsprochen wird. Dies vor allem dann, wenn es die Möglichkeit zur Kompensation mit anderen fälligen Fördergeldern gibt, die vom Mitgliedstaat nicht in Anspruch genommen werden könnte.

Ferner kann nach der ständigen Rechtsprechung des EuGH die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs nur dann angeordnet werden, wenn erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der zugrunde liegenden Gemeinschaftsverordnung bestehen, auf der der angefochtene Verwaltungsakt beruht. Gerade im Hinblick auf die Vorschriften im Rahmen der Marktordnungen wird ersichtlich, dass der EuGH keinerlei Zweifel an der Gültigkeit und Verhältnismäßigkeit der von den Mitgliedstaaten anzuwendenden Kürzungen hat (ua EuGH RS C-304/00 sowie zB VwGH 2011/17/0215). Weiters muss diese Maßnahme notwendig sein, damit der Antragsteller keinen schweren und nicht wiedergutzumachenden Schaden erleidet. Ein reiner Geldschaden ist aber nach Ansicht des EuGH grundsätzlich kein nicht wiedergutzumachender Schaden (ua EuGH RS C-143/88). Aus den oben angeführten Gründen war die aufschiebende Wirkung der Beschwerde auszuschließen."

3. Dagegen richtet sich die Beschwerde des BF. Es wird das Ergebnis der Vor-Ort-Kontrolle bestritten und behauptet, die Almfutterfläche sei in Wahrheit größer. Zur Bekräftigung dieses Vorbringens wurde ein fachliches Gutachten der REVITAL Integrative Naturraumplanung GmbH vorgelegt, die das Vorbringen des BF zum Teil stützt.

U.a. wurde der Antrag gestellt, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Begründend wurde dazu ausgeführt:

"Die belangte Behörde hat die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ausgeschlossen und dies mit einem angeblichen überwiegenden öffentlicher Interessen begründet. Unter anderem wird hierbei sinngemäß angeführt, es wäre zu befürchten, dass Betroffene Änderungen in den Lebens- und Vermögensverhältnissen herbeiführen könnten, welche eine Einbringung der offenen Beträge erschweren oder verunmöglichen würden. Mit anderen Worten werden Betroffene von vornherein unter den Generalverdacht gestellt, allfällige Vermögens­ verschleierungen oder -verschleuderungen durchzuführen. Darüber hinaus findet sich die massive finanzielle Belastung für die Beschwerdeführerin lediglich als reiner Geldschaden erwähnt. Es wird dabei jedoch übersehen, dass dieser Fall möglicherweise Präzedenzwirkung entfaltet und die Beschwerdeführerin allfällig auch mit Rückforderungen bezüglich der Folgejahre konfrontiert wird, sodass sich der ohnehin schon hohe Rückforderungsbetrag noch vervielfachen könnte. Gerade in Anbetracht der existenzbedrohlichen Höhe des Rückforderungsbetrages muss ein überwiegendes Interesse an einer aufschiebenden Wirkung der Beschwerdeführerin angenommen werden. Darüber hinaus ist auch nicht nachvollziehbar, warum gerade in einem derartigen Fall voreilig ein Vollzug stattfinden soll, wenn eine endgültige Entscheidung infolge Anfechtung noch längst nicht erfolgt ist. Gerade auch die derzeit schwierige finanzielle Situation in der Landwirtschaft und der aktuelle Preisverfall sollten ebenso berücksichtigt werden."

4. Die AMA legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und bekräftigte die Richtigkeit des Ergebnisses der letzten Vor-Ort-Kontrolle. Zum Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wurde nichts vorgebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF begehrte die Gewährung der Einheitlichen Betriebsprämie für das Antragsjahr 2011. Er ist u.a. Auftreiber auf die " XXXX ", Almbetriebsnummer XXXX . Mit angefochtenem Bescheid der AMA wurde gegenüber dem BF eine Rückforderung in der Höhe von EUR 13.216,44 ausgesprochen. Begründet wurde die Rückforderung mit einer Vor-Ort-Kontrolle vom 25.08.2016 auf der genannten Alm, die statt einer beantragten Almfutterfläche von insgesamt 328,82 ha eine ermittelte Almfutterfläche von 223,19 ha ergeben hat.

Für die Antragsjahre 2009, 2010, 2012 und 2013 liegt eine ähnliche Sachverhaltskonstellation vor und wurden dort Rückforderungen von insgesamt EUR 36.769,94 ausgesprochen.

Ob das Ergebnis der angeführten Vor-Ort-Kontrolle richtig ist, wird im Beschwerdeverfahren noch zu klären sein. Der BF behauptet die Unrichtigkeit des Ergebnisses und legt als Beweismittel ein fachliches Gutachten vor.

Auf der gegenständlichen Alm fanden von 2013 bis 2016 bereits drei Vor-Ort-Kontrollen statt, die massiv voneinander abweichende Ergebnisse gebracht haben. 2013 wurden für die ganze Alm 224 ha ermittelt, 2014 317,97 ha und 2016 223,19 ha. Im vom BF beigebrachte Gutachten wurden für die ALM 2014 rund 281 ha ermittelt.

Zum Vorliegen eines öffentlichen Interesses am vorzeitigen Vollzug des Bescheides

Das öffentliche Interesse am vorzeitigen Vollzug des angefochtenen Bescheides wiegt nicht so hoch wie das Interesse des BF am vorläufigen Aussetzen des Vollzugs:

Der BF wäre einerseits mit massiven Rückforderungen konfrontiert, die eine übermäßige finanzielle und sogar existenzgefährdende Belastung für ihn bedeuten würden.

Es besteht andererseits ein finanzielles Interesse der Europäischen Union am sofortigen Vollzug der angefochtenen Bescheide, welches als öffentliches Interesse zu werten ist. Im Fall einer aufschiebenden Wirkung besteht die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Rückforderungen.

Es liegt keine "Gefahr im Verzug" vor, die einen sofortigen Vollzug des Bescheides rechtfertigen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verfahrensakt.

Der BF behauptet, der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung bewirke einen unverhältnismäßigen Nachteil für ihn. Ein sofortiger Vollzug des Bescheides bedeute einen massiven finanziellen oder sogar existenziellen Schaden für ihn. Es müsse auch die generell schwierige Situation der Landwirtschaft und der aktuelle Preisverfall berücksichtigt werden. Diese Ausführungen erweisen sich als glaubwürdig und ist davon auszugehen, dass der BF durch den Vollzug des Bescheides - insbesondere unter Berücksichtigung der gesamten Rückforderung auch für die anderen Antragsjahre - einen massiven finanziellen Schaden erleidet.

Hinweise darauf, dass die Gefahr einer Uneinbringlichkeit von offenen Beträgen eintritt, sofern nicht ein sofortiger Vollzug erfolgt, konnten von der belangten Behörde nicht belegt werden und ergaben sich auch nicht aus dem Verwaltungsakt.

Die Behörde behauptet ein Überwiegen der berührten öffentlichen Interessen, führt dazu aber nichts weiter aus. Sie bringt lediglich rechtliche Argumente vor. Sie bestreitet auch nicht die Befürchtungen des BF, dass durch den sofortigen Vollzug des Bescheides ein massiver finanzieller oder sogar existenzieller Schaden für ihn droht.

Dass gegenständlich "Gefahr im Verzug" gegeben ist, wenn die Bescheide nicht sofort vollzogen werden, wurde von der AMA nicht einmal behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I Nr. 46/2014, iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015, erfolgt die Abwicklung der Maßnahmen im Rahmen der einheitlichen gemeinsamen Marktordnung (EGMO) durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

Zu A)

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte, StF. BGBl. I Nr. 33/2013, idgF (in der Folge: VwGVG) lauten:

"Aufschiebende Wirkung

§ 13. (1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.

(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.

(3) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Die Behörde hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Bescheid zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien mit der sofortigen Verbindlichkeit der Weisung oder mit dem Andauern des Verhaltens der Behörde für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(4) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 und 3 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.

(5) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 oder 3 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."

"Aufschiebende Wirkung

§ 22. (1) Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG haben keine aufschiebende Wirkung. Das Verwaltungsgericht hat jedoch auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, wenn dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen mit dem Andauern der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."

Die AMA sprach im angefochtenen Bescheid Rückforderungen gegenüber dem BF in der Höhe von 13.216,44 aus. Andere Antragsjahre betreffend wurden insgesamt EUR 36.769,94 an Rückforderungen ausgesprochen.

Die aufschiebende Wirkung allfälliger Beschwerden wurde gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossen. Dies hat zur Folge, dass der BF die ausbezahlte Beihilfe im genannten Umfang sofort zurückzahlen muss.

In seiner dagegen gerichteten Beschwerde beantragte der BF auch, den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung zu beheben. Dieser Beschwerde gegen den Ausspruch über den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kommt gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG keine aufschiebende Wirkung zu. Die Behörde hat jedoch die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde sodann ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden. Unverzüglich bedeutet idZ "ohne unnötigen Aufschub" bzw. "ohne schuldhaftes Zögern" (VwGH 10.10.2014, Ro 2014/02/0020). Ohne weiteres Verfahren bedeutet idZ, dass das Verwaltungsgericht ohne Setzung der sonst üblichen Verfahrensschritte allein aufgrund der vorliegenden Aktenlage zu entscheiden hat (Eder/Martin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 19).

Nach § 13 Abs. 1 VwGVG haben rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerden wie die vorliegende grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese ist notwendiger Bestandteil des rechtsstaatlichen Prinzips, denn sie verhindert, dass irreversible oder kaum wiedergutzumachende Tatsachen geschaffen werden, bevor die Verwaltungsgerichte und schließlich die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts über das Rechtsmittel des Beschwerdeführers endgültig abgesprochen haben (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 1 mVa Hengstschläger, ÖJZ 1973, 534f und Kopp, JBl 1973, 57). Daraus leitet der Verfassungsgerichtshof in stRsp ab, dass es unter dem Aspekt des rechtsstaatlichen Prinzips nicht angeht, den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig erledigt ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 2 mVa Erk VfSlg 11.196/1986).

Der Gesetzgeber hat unter Bedachtnahme auf den Zweck und Inhalt der Regelung mit der Möglichkeit die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde bereits im behördlichen Bescheid abzuerkennen einen Ausgleich geschaffen zwischen der Position des Rechtsmittelwerbers und den Interessen Dritter sowie dem öffentlichen Interesse. Dabei kommt dem Grundsatz der faktischen Effizienz eines Rechtsbehelfs der Vorrang zu und ist dessen Einschränkung nur aus sachlich gebotenen, triftigen Gründen zulässig.

Der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung kommt zunächst nur bei solchen Bescheiden in Betracht, die einer Vollstreckung zugänglich sind (Eder/Martin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 9). Der hier vor dem Bundesverwaltungsgericht angefochtene Bescheid ist einem Vollzug zugänglich, da er die direkte Grundlage für die Rückforderung von Beihilfen darstellt und im Exekutionsweg zwangsweise durchgesetzt werden kann (vgl. Hengstschläger/Leeb, AVG § 64 Rz 9).

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG kann die Behörde die aufschiebende Wirkung in ihrem Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

-

Demnach hat zunächst eine Abwägung zwischen den berührten öffentlichen Interessen und den Interessen anderer Parteien einerseits und den Interessen der BF andererseits stattzufinden (vgl. Eder/Martin/Schmid, Das Verfahrensrecht der Verwaltungsgerichte², § 13 VwGVG K 11).

-

Bei einem Überwiegen der öffentlichen Interessen ist der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung des Weiteren nur statthaft, wenn der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.

Wie sich aus den Feststellungen ergibt, hat die belangte Behörde nicht dargetan, welche öffentlichen Interessen aus ihrer Sicht überwiegen. Sie betonte lediglich allgemein die finanziellen Interessen der Europäischen Union. Die durchzuführende Interessenabwägung, in der auch die Interessen des BF zu berücksichtigen gewesen wären, hat sie unterlassen. Dass der vorzeitige Vollzug wegen Gefahr im Verzug dringend geboten wäre, hat die belangte Behörde nicht einmal behauptet.

Der BF hat dem gegenüber glaubhaft gemacht, dass ihm ein gravierender finanzieller Nachteil droht, würden die ausbezahlten Beihilfen sofort rückgefordert werden. Wie sich aus den Feststellungen ergibt, liegen für die Uneinbringlichkeit der Forderungen, sofern nicht ein sofortiger Vollzug erfolgt, keine Hinweise vor.

Durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung werden die Interessen der BF somit beeinträchtigt.

Die öffentlichen Interessen, die dem entgegenstehen, bestehen darin, dass in Folge der nicht sofortigen Rückzahlung der Forderungen eine Uneinbringlichkeit der Forderung entsteht. Daraus ergibt sich eine potentielle Beeinträchtigung der finanziellen Interessen der Europäischen Union.

Grenzen für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes im Zusammenhang mit der Anwendung von Unionsrecht ergeben sich, wenn dadurch dessen effektive Anwendung beeinträchtigt wäre (EuGH in der sog. Tafelwein-Entscheidung vom 10.07.1990, Rs. C-217/88, Kommission/Deutschland). Der EuGH sprach hier aus, dass das Ziel einer gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift durch den nicht erfolgten Ausschluss der aufschiebenden Wirkung vereitelt worden war.

In einer anderen einschlägigen Entscheidung des EuGH vom 21.02.1991, Rs. C-143/88 und C-92/89, Zuckerfabrik Süderdithmarschen, hatte er die Frage zu beantworten, unter welchen Voraussetzungen die nationalen Gerichte die Vollziehung eines auf einer Gemeinschaftsverordnung beruhenden nationalen Verwaltungsakts aufgrund ihrer Zweifel an der Gültigkeit dieser Verordnung aussetzen können. Hier sprach der EuGH aus, die nationalen Gerichte könnten nur unter bestimmten Bedingungen die Vollziehung aussetzen, nämlich wenn sie erhebliche Zweifel an der Gültigkeit der Gemeinschaftsverordnung haben und die Frage der Gültigkeit dem Gerichtshof selbst vorlegen, die Entscheidung dringlich ist und dem Antragsteller ein schwerer nicht wiedergutzumachender Schaden droht sowie wenn die Behörden das Interesse der Gemeinschaft angemessen berücksichtigt. Folglich hat sich auch der Verwaltungsgerichtshof in einer Beihilfenrechtssache auf die in der Rechtsprechung des EuGH herausgearbeiteten Kriterien für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gestützt (VwGH 20.03.2006, AW 2005/17/0016).

In der Entscheidung des EuGH vom 05.10.2006, Rs. C-232/05, Kommission/Frankreich, ging es um das Unterlaufen einer Entscheidung der Kommission über die Rückforderung einer staatlichen Beihilfe durch die aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen staatliche Rückforderungsbescheide. Die Rückforderungsbescheide ergingen hier nach einem langen Rechtsstreit aufgrund einer Entscheidung der Kommission, gegen die eine Nichtigkeitsklage hätte eingebracht werden können. Frankreich wurde verurteilt, da es die aufschiebende Wirkung der Rückforderungsbescheide nicht ausgeschlossen hatte. Trotz der Parallelen zum vorliegenden Fall geht es gegenständlich um die Anfechtung der ersten behördlichen Entscheidung in einer Rechtssache.

Daraus ergibt sich für die aufschiebende Wirkung von Beschwerden nach Larcher: Soweit durch die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides die volle Wirksamkeit des Unionsrechts beeinträchtigt würde, dürfe die aufschiebende Wirkung der Beschwerde in unionskonformer Handhabung des § 13 Abs. 2 VwGVG nicht ausgeschlossen werden. Umgekehrt müsse aber die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen werden, soweit dies die effektive Anwendung des Unionsrechts beeinträchtigen würde. Erfolge der Ausschluss nicht bereits durch die Behörde, so habe das Verwaltungsgericht diese nachträglich, gegebenenfalls unmittelbar gestützt auf Unionsrecht abzuerkennen (Larcher, Handbuch Verwaltungsgerichtsbarkeit, S. 92-93). Nach Hengstschläger/Leeb müsse die bescheiderlassende Behörde die aufschiebende Wirkung einer Berufung gemäß dem gemeinschaftsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz immer dann ausschließen, wenn ansonsten die Zielsetzung der gemeinschaftsrechtlichen Anordnung nicht erreicht bzw. vereitelt werden könnte (Hengstschläger/Leeb, AVG, § 64 Rz 68 mVa Frank, Gemeinschafsrecht, S. 527ff ua; Öhlinger/Potacs, EU-Recht und staatliches Recht4, S. 181).

Die Folge der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der gegenständlichen Beschwerde ist konkret die nicht sofortige Rückzahlung von bereits ausbezahlten Förderungen. Letztlich dienen die gemeinschaftsrechtlichen Regelungen über die Rückforderung von Beihilfen und der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde durch die Behörde dem Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Union.

In Abwägung der Beeinträchtigung der Interessen der BF mit der Berührung öffentlicher Interessen durch den aufgeschobenen Vollzug der Rückforderung von Beihilfen wiegt das Interesse des BF gegenständlich höher als das öffentliche Interesse. Berücksichtigung fanden dabei einerseits das oben dargelegte rechtsstaatliche Prinzip und dem sich daraus ergebenden Umstand, dass rechtzeitigen und zulässigen Beschwerden wie der gegenständlichen grundsätzlich die aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. § 13 VwGVG; vgl. auch VwGH 08.06.2012, AW 2012/17/0013) sowie die finanzielle Belastung des BF.

Andererseits ergeben sich die finanziellen Interessen der Europäischen Union als öffentliches Interesse unmittelbar aus dem Unionsrecht und würden durch die Aufhebung des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung möglicherweise gefährdet werden. Es ist zwar einleuchtend, wie auch die belangte Behörde ausführt, dass die Einbringlichkeit der Rückforderung durch den Aufschub des Vollzuges eventuell vereitelt wird. Es kann dem BF aber nicht von vornherein eine Vermögensverschleierung oder -verschleuderung unterstellt werden und haben sich keine Hinweise darauf ergeben, dass eine Uneinbringlichkeit in naher Zukunft eintreten wird. Vielmehr ist in diesem konkreten Einzelfall das Interesse des Rechtsschutzsuchenden daran, nicht mit den Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung belastet zu werden, höher zu werten als die finanziellen Interessen der Europäischen Union.

Zu berücksichtigen war im konkreten Fall auch die Aktenlage, aus der sich ergibt, dass die verschiedenen Vor-Ort-Kontrollen der AMA selbst auf der Alm zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen geführt haben. Ein Durchdringen des BF mit seiner Beschwerde im fortgesetzten Beschwerdeverfahren ist somit nicht auszuschließen.

Gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG muss der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten sein. Zwar steht die Gefahr der Uneinbringlichkeit der Rückforderung im Raum, sofern diese nicht sofort vollzogen wird. Dadurch droht aber nicht ein derart gravierender Nachteil, dass die vorzeitige Vollstreckung des angefochtenen Bescheides wegen Gefahr im Verzug dringend geboten wäre. Dieses Tatbestandsmerkmal ist gegenständlich jedenfalls nicht erfüllt und hat dies die belangte Behörde auch gar nicht behauptet (vgl. Entscheidung des BVwG vom 10.03.2017, W113 2146354-2/2E, wo das Tatbestandselement "Gefahr im Verzug" wegen unionskonformer Anwendung des § 13 Abs. 2 VwGVG in einer Einzelfallentscheidung unangewendet blieb).

Aus diesen Gründen war der Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht rechtmäßig.

Gegenständlich war gemäß § 13 Abs. 5 VwGVG ein Teilerkenntnis zu erlassen, da der Abspruch über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung unverzüglich zu erfolgen hat. Der Spruch der Bescheide der AMA war auch insoweit trennbar, als sich die gegenständliche Entscheidung nur auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung im Bescheidspruch bezieht.

Es war spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar konnte auf Judikatur des VwGH und vor allem EuGH verwiesen werden, aus der sich aber nur Rechtsgrundsätze für den gegenständlichen Fall ergeben. Judikatur zu einem gleichgelagerten Fall fehlt. Dies ist deswegen von Bedeutung, weil die oben dargelegten Rechtsgrundsätze des Unionsrechts (Effektivitätsprinzip, Schutz der finanziellen Interessen der Gemeinschaft) mit Grundsätzen des nationalen Rechts (rechtsstaatliches Prinzip) kollidieren. Gegenstand der Entscheidung ist zwar eine Interessenabwägung und somit Wertentscheidung, doch bildet die Frage, welche Interessen überhaupt berücksichtigt werden können, eine Rechtsfrage. Die Rechtsfrage, ob die ex lege bestehende aufschiebende Wirkung einer Beschwerde alleine wegen einer möglichen Beeinträchtigung der finanziellen Interessen der Europäischen Union ausgeschlossen werden darf, ist daher eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung.

Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung stellt auch die Frage dar, ob das Tatbestandselement "Gefahr im Verzug" des § 13 Abs. 2 VwGVG aufgrund einer unionskonformen Anwendung unangewendet bleiben müsste.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Beihilfefähigkeit, effektiver Rechtsschutz,
Einbringlichkeit, existenzbedrohende Notlage, Gefahr im Verzug,
Glaubhaftmachung, gravierender Nachteil, Gutachten,
Interessenabwägung, Kontrolle, öffentliche Interessen,
Prämienfähigkeit, Prinzip der Verhältnismäßigkeit, Revision
zulässig, Rückforderung, Rückzahlung, schwerer Schaden,
Uneinbringlichkeit, unverhältnismäßiger Nachteil,
unverhältnismäßiger wirtschaftlicher Nachteil, Verhältnismäßigkeit,
Vollstreckbarkeit, Vollzugstauglichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W113.2202888.2.00

Zuletzt aktualisiert am

03.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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