TE Bvwg Beschluss 2018/8/13 I406 2203125-1

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Veröffentlicht am 13.08.2018
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Entscheidungsdatum

13.08.2018

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

I406 2203125-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard KNITEL als Einzelrichter in dem von Amts wegen eingeleiteten Verfahren über die durch den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. 1020426905-180691679, erfolgte Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend XXXX geb. am XXXX alias XXXX StA.

Nigeria, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 nicht rechtmäßig. Der mündlich verkündete Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zl. 1020426905-180691679, wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

Der Asylwerber reiste am 31. Mai 2014 illegal in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Im Rahmen seiner am 1. Juni 2014 erfolgten Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes führte der Asylwerber hinsichtlich seiner Fluchtgründe aus, dass er aus Angst vor einer Tötung durch Terroristen geflohen sei.

Die Terroristengruppe Boko Haram habe seine Familie getötet.

Darüber hinaus habe er keine Fluchtgründe.

Zu seinen Fluchtgründen in der Einvernahme vor der belangten Behörde am 23. Juni 2015 erneut befragt, gab der Asylwerber im Wesentlichen an, dass er sowohl einen Angriff der Boko Haram auf sein Heimatdorf im Februar 2014, als auch einen weiteren Angriff der Boko Haram vom 30. März 2014 auf seinen Arbeitsplatz überlebt habe.

Mit Bescheid vom 28. Juli 2015 wies die belangte Behörde den Antrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten "gemäß § 3 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr.100/2005 (AsylG) idgF" (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten "gemäß § 8 Absatz 1 iVm § 2 Absatz 1 Ziffer 13 AsylG" (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab; zugleich wurde dem Asylwerber ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen "gemäß §§ 57 und 55 AsylG" nicht erteilt. "Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF" wurde gegen den Asylwerber eine Rückkehrentscheidung "gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF" erlassen. Weiters wurde "gemäß § 52 Absatz 9 FPG" festgestellt, dass seine Abschiebung "gemäß § 46 FPG" nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III). Die Frist für eine freiwillige Ausreise wurde "gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG" mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid erhob der Asylwerber mit Schriftsatz vom 6. August 2015 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Diese Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit mündlich verkündetem Erkenntnis vom 29.10.2015 ab.

Der Asylwerber stellte am 23.07.2018 abermals einen Antrag auf internationalen Schutz, wobei er bei seiner am selben Tag durchgeführten Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angab, sein im ersten Asylverfahren vorgebrachter Fluchtgrund sei nach wie vor aufrecht.

Darüber hinaus habe er mit seiner Lebensgefährtin und der gemeinsamen, neun Monate alten, Tochter eine Familie und wolle bei dieser bleiben.

Anlässlich seiner Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 02.08.2018 wiederholte der Asylwerber dieses Vorbringen im Wesentlichen erneut.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 07.08.2018, Zl. 1020426905/180691679 (FAS: 180746252) hob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG iVm § 22 Abs. 10 AsylG und § 62 Abs. 1 AVG auf.

Am 10.08.2018 langte der Verwaltungsakt bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichts ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Aufhebung des faktischen

Abschiebeschutzes:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person:

Die Identität des Asylwerbers steht nicht fest.

Soweit er namentlich genannt wird, dient dies lediglich seiner Identifizierung als Verfahrenspartei, nicht jedoch einer Vorfragebeurteilung im Sinn des § 38 AVG.

Der Asylwerber ist nigerianischer Staatsbürgerschaft sowie Herkunft.

Der Asylwerber leidet nicht an schweren körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünden.

Der Asylwerber hat gemeinsam mit einer namentlich genannten Frau, StA. Sierra Leone, die über einen mit 25.06.2020 befristeten Aufenthaltstitel ("Daueraufenthalt-EU") verfügt, eine am XXXX geborene Tochter.

Die Kindesmutter ist die Unterkunftsgeberin des Asylwerbers, in dieser Wohnung ist darüber hinaus das minderjährige Kind der Kindesmutter aus einer anderen Beziehung gemeldet.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Asylwerber mit der Kindesmutter und seiner Tochter kein Familienleben führt.

Der Asylwerber ist unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Asylwerbers vor diesem und den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und in den zu überprüfenden Bescheid.

2.1. Zur Person:

Die Identität des Beschwerdeführers steht mangels Vorlage unbedenklicher Dokumente nicht fest.

Die Feststellungen zu Herkunft, Staatsangehörigkeit, Gesundheitszustand, Familienstand, zu familiären Anknüpfungspunkten in Österreich sowie dass der Asylwerber nicht selbsterhaltungsfähig ist, gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie auf dem Inhalt des Verwaltungsaktes.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Asylwerbers leitet sich aus dem Strafregister der Republik Österreich ab.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zur Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes:

Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 12a Abs. 1 und 2 sowie § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 10/2016, lauten:

"Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben, und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) ...

Entscheidungen

§ 22. ...

(10) Entscheidungen des Bundesamtes über die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 ergehen mündlich in Bescheidform. Die Beurkundung gemäß § 62 Abs. 2 AVG gilt auch als schriftliche Ausfertigung gemäß § 62 Abs. 3 AVG. Die Verwaltungsakten sind dem Bundesverwaltungsgericht unverzüglich zur Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG zu übermitteln. Diese gilt als Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht; dies ist in der Rechtsmittelbelehrung anzugeben. Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes hat das Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der Überprüfung gemäß § 22 BFA-VG mit Beschluss zu entscheiden.

...".

2. § 22 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl. I Nr. 17/2016, lautet:

"Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden."

Zunächst ist festzuhalten, dass der Asylwerber einen Folgeantrag iSd § 2 Abs. 1 Z 23 Asylgesetz 2005 gestellt hat.

Es liegt auch kein Fall des § 12a Abs. 1 Asylgesetz 2005 vor.

Gegen den Asylwerber besteht in Gestalt des rechtskräftigen Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2015 eine im Beschwerdewege erlassene Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG.

Zugleich wurde mit dem eben erwähnten Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 29.10.2015 der Erstantrag des Asylwerbers auf internationalen Schutz im Beschwerdewege als unbegründet abgewiesen.

Die von der belangten Behörde angeführten Unstimmigkeiten betreffend des Jahres, in dem die Herzoperation der Mutter des Kindes des Asylwerbers stattfand, betreffend die Angaben des Asylwerbers sowie der Kindesmutter betreffend die Erwerbssituation sowie betreffend die Umstände der Beschaffung des Identitätsdokumentes des Asylwerbers sind nicht hinreichend für die Folgerung, dass der Asylwerber keine enge Beziehung mit der Mutter seines Kindes und somit kein Familienleben mit ihr führt.

Umso mehr fehlen Anhaltspunkte dafür, dass der Asylwerber mit dem gemeinsamen Kind kein enges Verhältnis hat und somit kein Familienleben mit ihm führt.

Daher wohnt dem Vorbringen des Asylwerbers betreffend seine persönlichen Verhältnisse zumindest ein glaubhafter Kern inne, der einen neuen Sachverhalt begründet, der der Rechtskraft der Entscheidung im ersten Asylverfahren entgegensteht.

Somit kann betreffend der Rückkehrentscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt mangels ausreichender Erhebungen zum Familienleben des Asylwerbers mit seiner Tochter sowie der Kindesmutter nicht gesagt werden, dass eine entschiedene Sache vorliegt und ist diesbezüglich eine meritorische Entscheidung zu treffen.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 nicht gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes rechtswidrig ist; da § 22 Abs. 10 Asylgesetz 2005 dies ausdrücklich vorsieht, war die vorliegende Entscheidung nicht mit Erkenntnis, sondern mit Beschluss zu treffen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen.

Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, bestehendes Familienleben,
Ermittlungspflicht, faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht
rechtmäßig, Folgeantrag, geänderte Verhältnisse

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:I406.2203125.1.00

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2018
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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