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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §8;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hohenecker, in der Beschwerdesache des SS in Wien, geboren am 12. September 1980, vertreten durch Dr. Georg Getreuer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Weyrgasse 6, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 24. August 1998, Zl. 203.113/0-XII/36/98, betreffend Asylgewährung (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundeskanzleramt) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste seinen Angaben zufolge am 27. Jänner 1998 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 29. Jänner 1991 Asyl.
Der Beschwerdeführer gab anlässlich seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt seine Fluchtgründe im Wesentlichen wie folgt an:
"Ich habe Sierra Leone verlassen, weil in diesem Land Krieg herrscht und ich Angst hatte, von Militärangehörigen zwangsrekrutiert zu werden. Im September 1997 wollte ich meine Eltern in Freetown besuchen, weil ich sie schon längere Zeit nicht gesehen habe. Als ich dann nach Ommah Village wieder zurückkehrte, habe ich erfahren, dass Militärangehörige im Dorf waren und junge Buben mitgenommen haben. Aus vorangeführten Gründen habe ich mich daher entschlossen, Sierra Leone zu verlassen und bin über den von mir geschilderten Reiseweg bis nach Österreich gelangt."
Der Beschwerdeführer erklärte weiters, dass er nie aufgefordert worden sei, für eine Bürgerkriegspartei zu kämpfen. Er habe auch nie einer Partei angehört. Auf die Frage, was ihm im Falle seiner Rückkehr nach Sierra Leone drohe, gab er an, im Falle seiner "Aufgreifung durch das Militär" an dessen Seite gegen die Regierung kämpfen zu müssen.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23. April 1998 wurde sein Antrag abgewiesen. Zugleich wurde gemäß § 8 Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76 (AsylG), i.V.m. § 57 Fremdengesetz 1997, BGBl. I Nr. 75 (FrG), festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 7 AsylG abgewiesen und (neuerlich) gemäß § 8 AsylG i.V.m. § 57 FrG festgestellt, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei.
Die belangte Behörde begründete die Abweisung des Asylantrages gemäß § 7 AsylG damit, dass der Asylwerber seine Flucht lediglich darauf gestützt habe, aus Furcht vor einer Zwangsrekrutierung in seinem Wohnort durch die Rebellen des John Paul Koroma aus Sierra Leone geflohen zu sein. Aus dem Vorgang einer Zwangsrekrutierung allein sei jedoch für den Asylwerber nichts zu gewinnen. Die Gefahr der Zwangsrekrutierung resultiere ausschließlich aus dem Geschlecht und dem Alter des Asylwerbers und falle deshalb nicht unter die in der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Asylgründe. Eine Zwangsrekrutierung könnte asylrechtlich nur dann von Relevanz sein, wenn dem Asylwerber aufgrund seiner Flucht eine feindliche politische Gesinnung unterstellt würde, wodurch er zu einem "Verfolgungsobjekt" der Machthaber würde. Einen derartigen Sachverhalt habe der Asylwerber jedoch in keiner Weise behauptet. Insbesondere habe der Asylwerber nicht behauptet, dass er aufgrund seiner Flucht irgendwelche Konsequenzen zu befürchten habe, sondern lediglich dargelegt, zwangsrekrutiert zu werden und an den Kämpfen teilnehmen zu müssen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die angefochtene Entscheidung steht - ausgehend von den mit den Angaben des Beschwerdeführers in Übereinstimmung stehenden Sachverhaltsannahmen der belangten Behörde, denen in der Beschwerde nicht konkret entgegengetreten wird - mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes im Einklang (vgl. zu Zwangsrekrutierungen im Bürgerkrieg etwa das Erkenntnis vom 20. September 1995, Zl. 95/20/0332). Ob die tatsächlichen Annahmen der belangten Behörde auf einem in jeder Hinsicht mängelfreien Verfahren beruhen, bedarf im vorliegenden Fall vor dem Hintergrund der Angaben des Beschwerdeführers und des Beschwerdevorbringens keiner näheren Prüfung, zumal unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer schon im Vorfeld der Rekrutierung geflohen ist und gar nicht behauptet hat, dass seine Identität den "Rebellen" bekannt geworden sei. Nicht entscheidend ist, aufgrund welcher inneren Einstellung der Beschwerdeführer es abgelehnt habe, in seinem Heimatland zu bleiben und für die "Rebellen" zu kämpfen. In dem Umstand, dass im Heimatland des Beschwerdeführers Bürgerkrieg herrscht, liegt für sich allein nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (vgl. das hg. Erkenntnis vom 26. November 1998, Zlen. 98/20/0309, 0310).
Den Ausspruch nach § 8 AsylG stützte die belangte Behörde auf die nach eingeholten umfangreichen Informationen über die Bürgerkriegslage in Sierra Leone getroffenen Sachverhaltsfeststellungen, wonach
"in Sierra Leone zumindest in der Hauptstadt Freetown und deren Umgebung sowie in den größeren Städten des Landes wie z.B. Bo und Kenema keine Kämpfe mehr herrschen und dass diese Städte unter der Kontrolle der Ecomog stehen. ... Der Asylwerber hat nämlich die Möglichkeit, in der Hauptstadt Freetown, wo nach seinen Angaben auch seine Eltern und Geschwister leben, Aufenthalt zu nehmen und ist dort jedenfalls vor einer Zwangsrekrutierung sicher. Es kann sohin keine auf das gesamte Staatsgebiet bezogene, individuelle und konkrete Gefährdung des Asylwerbers aus einem der in Art. 3 MRK angeführten Gründe erblickt werden. Ebenso wenig kann aufgrund der dargestellten Situation in Freetown und in anderen größeren Städten des Landes eine derart extreme Gefahrenlage erblickt werden, dass praktisch jedem, der in diesen Staat abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen würde, wodurch die Abschiebung im Lichte des Art. 3 MRK unzulässig erschiene (unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0294). Vielmehr ist aufgrund der Feststellungen davon auszugehen, dass in Freetown und in den größeren Städten des Landes die Staatsmacht soweit wieder hergestellt ist, dass diese imstande ist, Gefahren, die sich aus Übergriffen von Rebellen des John Paul Koroma ergeben, wirksam zu begegnen."
Diesen Ausführungen hält die Beschwerde im Wesentlichen lediglich entgegen, dass es am 7. Jänner 1999 zu einem Angriff der "Rebellen" gegen die Hauptstadt Freetown gekommen sei und Einheiten der westafrikanischen Friedenstruppe Ecomog in schwere Kämpfe verwickelt hätten. Auf derartige geänderte Situationen nach Erlassung des angefochtenen Bescheides kann jedoch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht Bedacht genommen werden. Gegen die Schlüssigkeit der Sachverhaltsfeststellungen, die die belangte Behörde ihrem Ausspruch nach § 8 AsylG zugrunde gelegt hat, finden sich in der Beschwerde keine Ausführungen. Davon ausgehend steht die Rechtsauffassung der belangten Behörde mit der ständigen Judikatur im Einklang, wonach die Bürgerkriegssituation jedenfalls dann keine unmittelbar drohende Behandlung oder Strafe im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG befürchten lässt, wenn der betreffende Antragsteller in einen Teil des Staatsgebietes ab- bzw. zurückgeschoben werden kann, der von einer nationalen oder internationalen Schutzmacht (wie hier etwa der Ecomog) kontrolliert wird (vgl. in diesem Sinne schon das von der belangten Behörde zitierte, zum Fremdengesetz 1992 ergangene hg. Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 95/21/0294).
Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
Wien, am 25. November 1999
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1999:1999200021.X00Im RIS seit
04.05.2001