TE Vwgh Erkenntnis 1999/11/25 99/07/0004

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Veröffentlicht am 25.11.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
80/06 Bodenreform;

Norm

AVG §56;
AVG §66 Abs4;
AVG §7 Abs1;
B-VG Art7;
FlVfGG §15;
FlVfGG §17;
Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau;
MRK Art6;
VwGG §42 Abs2 Z3;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Grubner, über die Beschwerde der MS in X, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Vorarlberger Landesregierung vom 29. April 1998, Zl. LAS-210-456, betreffend Aufnahme in die Mitgliederliste einer Agrargemeinschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. August 1997 auf Aufnahme in die Mitgliederliste der Agrargemeinschaft X mit der Begründung abgewiesen, dass § 4 Abs. 1 lit. d der Satzung dieser Agrargemeinschaft für den Erwerb der Mitgliedschaft u.a. die "direkte Abstammung von einem Mitglied (Vater/Mutter: Sohn/Tochter)" verlange. Der Vater der Beschwerdeführerin sei Mitglied der Agrargemeinschaft und im Mitgliederbuch eingetragen gewesen, jedoch bereits im Jahre 1976 verstorben. Die Bestimmung im § 3 der Satzungen der Agrargemeinschaft, wonach Mitglieder dieser Gemeinschaft nur die in der aktuellen Mitgliederliste mit Stichtag vom 12. Dezember 1994 erfassten nutzungsberechtigten Personen, sowie jene Personen seien, die gemäß den Bestimmungen dieser Satzung von der Agrargemeinschaft als Mitglieder aufgenommen würden, sei zwar diskriminierend, für die Beschwerdeführerin sei jedoch damit nichts gewonnen, weil ihr Vater bereits im Jahre 1976 verstorben sei und seit diesem Zeitpunkt nicht mehr in der Mitgliederliste der Agrargemeinschaft X aufscheine. Selbst bei Annahme eines Stichtages 7. September 1982 (Zeitpunkt der Kundmachung der Konvention zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau im BGBl. Nr. 443/1982) könnte die Beschwerdeführerin daher keine Mitgliedschaft an der genannten Agrargemeinschaft beanspruchen. Der Agrarbezirksbehörde könne daher bei ihrer Entscheidung keine Willkür durch Verstoss gegen das Gleichheitsgebot angelastet werden.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird von der Beschwerdeführerin nicht in Abrede gestellt, die in der betroffenen Satzungsbestimmung statuierten Anforderungen an einen Erwerb der Mitgliedschaft zur Agrargemeinschaft X nicht zu erfüllen. Es verstoße die Satzungsbestimmung mit der Festlegung eines Stichtages 12. Dezember 1994 jedoch gegen das Willkürverbot, weshalb sie nach dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1994, B 2083/93, B 1545/94, von der belangten Behörde nicht hätte angewendet werden dürfen. Die in Reaktion auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 1994 vorgenommene Änderung der Satzung der Agrargemeinschaft X hätte die Gleichstellung zwischen Mann und Frau im Umfang des Rechtes auf Erwerb der Mitgliedschaft an die Agrargemeinschaft jedenfalls nicht erst mit 12. Dezember 1994 herstellen dürfen.

Der Beschwerdefall gleicht mit seiner Sachverhaltskonstellation im Wesentlichen jenen Fällen, über welche der Verwaltungsgerichtshof mit seinen Erkenntnissen vom 25. März 1999, Zl. 98/07/0148, und vom 21. Oktober 1999, Zl. 98/07/0056, abgesprochen hat. Auf diese Erkenntnisse wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Mit der von der Agrargemeinschaft X in der außerordentlichen Vollversammlung vom 15. Dezember 1995 vorgenommenen Satzungsänderung, aufsichtsbehördlich genehmigt durch die Agrarbezirksbehörde Bregenz mit Bescheid vom 9. Februar 1996, wurden die diskriminierenden Bestimmungen bezüglich der Ungleichbehandlung von Mann und Frau in der Satzung eliminiert. Dass die Beschwerdeführerin in ihrem Anspruch auf Mitgliedschaft zur Agrargemeinschaft ihres Geschlechtes wegen durch die Satzungen diskriminiert wäre, ist zum Zeitpunkt ihres Antrages auf Aufnahme in diese Agrargemeinschaft nicht der Fall gewesen. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Beschwerde auch unter Bezugnahme auf das Gemeinschaftsrecht entbehren daher jeder sachverhaltsmäßigen Grundlage.

In den beiden vorzitierten Erkenntnissen hat der Verwaltungsgerichtshof bezüglich einer Stichtagsregelung wie sie im § 3 der nunmehr gültigen Satzungen der Agrargemeinschaft X festgelegt ist, näher ausgeführt, dass solche Stichtagsregelungen, die den Eintritt von Rechtsfolgen daran knüpfen, dass zu einem bestimmten Tag ein bestimmter Sachverhalt verwirklicht war, zwar ein Element des Zufälligen in der Auslösung von Rechtsfolgen mit sich bringen, jedoch unverzichtbarer Bestandteil des Normsetzungsverfahrens sind. Den vorgenannten Beschwerdefällen lagen zwar Stichtagsregelungen bezogen auf die Jahre 1979 und 1982 zugrunde, welche vom Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf den Zeitpunkt der beschlossenen Satzungsänderungen nicht als unsachlich angesehen wurden. Die belangte Behörde hat aber auch im hier zu beurteilenden Fall durch die in der Satzung der Agrargemeinschaft X gewählte Stichtagsregelung zutreffend einen Grundrechtsverstoß gegenüber der Beschwerdeführerin verneint, weil selbst bei Festsetzung eines in den Jahren 1979 oder 1982 gelegenen - vom Verwaltungsgerichtshof schon als zulässig erkannten - Stichtages für den Erwerb der Mitgliedschaft an der Agrargemeinschaft der Antrag der Beschwerdeführerin vom 22. August 1997 nicht erfolgreich gewesen wäre.

Die Tribunalqualität der belangten Behörde im Sinne des Art. 6 MRK hat der Verwaltungsgerichtshof, gestützt auf seine bisherige Judikatur, im vorzitierten Erkenntnis vom 25. März 1999 neuerlich bejaht. Das Beschwerdevorbringen betreffend einzelne, an der angefochtenen Entscheidung mitwirkende Mitglieder des LAS lässt auf die Befangenheit dieser Entscheidungsträger nicht schließen. Selbst die Mitwirkung eines befangenen Organes in einer Kollegialbehörde stellt einen Verfahrensmangel nur dann dar, wenn er die Möglichkeit eines anderen Ergebnisses im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG nach sich zieht (vgl. hiezu die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, Seite 104). Solches wurde aber von der Beschwerdeführerin nicht behauptet.

Da das Beschwerdevorbringen somit schon aufzeigt, dass die von der Beschwerdeführerin gerügte Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

Wien, am 25. November 1999

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Befangenheit der Mitglieder von Kollegialbehörden Maßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und Beweise Verhältnis zu anderen Materien und Normen VwGG

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999070004.X00

Im RIS seit

03.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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