TE Bvwg Erkenntnis 2018/8/14 W117 1428322-4

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2018
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

14.08.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W117 1428322-4/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Andreas Druckenthaner über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2015, Zl. 820550810-1486068, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2018, wie unter Spruchpunkt I. beschlossen:

I. Das mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.09.2017, Zl. W117 1428322-3/11E, rechtskräftig abgeschlossene Verfahren wird - mit Ausnahme hinsichtlich des Spruchpunktes III. des genannten Erkenntnisses - auf Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 30.04.2018 gemäß § 32 Abs. 1 Z 2 VwGVG wieder aufgenommen.

sowie unter Spruchpunkt II. bis III. zu Recht erkannt

II. Die Beschwerde wird gemäß §§ 3 Abs. 1, 8 Abs. 1, 10 Abs. 1 Z 3, 57 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, und §§ 52, 46, 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, als unbegründet abgewiesen.

Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft dieser Entscheidung.

III. Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin hat am 04.05.2012 nach illegaler Einreise aus Ägypten kommend unter Vorlage ihres russischen Reisepasses gemeinsam mit ihrem Ehemann (Beschwerdeführer zu W117 1428321-4) einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Im Rahmen ihrer Erstbefragung am 07.05.2012 gab sie als Fluchtgrund an, dass ihr Ehemann in XXXX Probleme gehabt habe und mit dem Tod bedroht worden sei. Deshalb und wegen ihrer Schwangerschaft habe sie gemeinsam mit ihrem Mann die Russische Föderation verlassen, um in Österreich internationalen Schutz zu beantragen. Im Fall der Rückkehr befürchte sie, dass ihr Mann und sie von Polizisten umgebracht würden.

Am 19.06.2012 wurde die Beschwerdeführerin beim Bundesasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei gab sie unter Vorlage einer russischen Heiratsurkunde zusammengefasst an, bis zur Heirat im April 2011 in XXXX gearbeitet zu haben und dann nach XXXX gezogen zu sein. Sie selbst habe keine eigenen Ausreisegründe oder Rückkehrbefürchtungen, sie sei nur wegen ihres Ehemannes ausgereist. Sie seien schon 2011 in Ägypten gewesen und seine Eltern hätten ihm geraten, das Land zu verlassen.

Mit Bescheid vom 16.07.2012 wies das Bundesasylamt den Antrag vom 04.05.2012 gemäß § 3 AsylG 2005 in Bezug auf Asyl und gemäß § 8 AsylG 2005 in Bezug auf subsidiären Schutz hinsichtlich der Russischen Föderation ab und die Beschwerdeführerin wurde gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Begründend wurde ausgeführt, dass die Fluchtgründe ihres Ehemannes nicht glaubhaft gewesen seien und die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe. Sie hätten sich nach der Ausreise aus dem Herkunftsstaat bereits in anderen Staaten in Sicherheit befunden, dort jedoch keinen Asylantrag gestellt bzw. weiteren Aufenthalt gesucht.

Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 09.04.2013, Zl. D12 428322-1/2012/3E, Folge gegeben, der Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 66 Abs. 2 AVG zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesasylamt zurückverwiesen. Begründet wurde diese Entscheidung damit, dass die Beschwerdeführerin eigene Fluchtgründe nicht geltend gemacht, sondern wegen ihres Ehemannes ausgereist sei, dessen Angelegenheit mit Erkenntnis vom selben Tag ebenfalls gemäß § 66 Abs. 2 AVG zurückverwiesen worden war, sodass im Sinne des § 34 AsylG 2005 (Familienverfahren) auch der gegenständliche Bescheid zu beheben gewesen sei.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 12.06.2013 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin neuerlich gemäß §§ 3 und 8 AsylG 2005 abgewiesen und die Beschwerdeführerin gemäß § 10 AsylG 2005 aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. In der Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf jene ihres Ehemannes bezogen habe, welche als nicht glaubhaft zu erachten gewesen seien.

Am 26.06.2013 erklärte die Beschwerdeführerin ihre Absicht, gemeinsam mit ihrem im Bundesgebiet geborenen minderjährigen Sohn freiwillig in den Herkunftsstaat zurückzukehren. Das Verfahren zu der gegen den negativen Bescheid des Bundesasylamtes sodann erhobenen Beschwerde wurde am 18.09.2013 wegen Abwesenheit der Beschwerdeführer gemäß § 24 AsylG 2005 eingestellt. Die Erklärung über die beabsichtigte freiwillige Rückkehr wurde am 23.09.2013 widerrufen. Am 08.11.2013 wurden die Beschwerdeführerin und ihre Familienangehörigen im Rahmen der Dublin-VO aus Slowenien rückübernommen. Das Beschwerdeverfahren wurde am 18.11.2013 durch den Asylgerichtshof fortgesetzt.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.07.2014, Zl. W146 1428322-2/11E ua., wurde der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen und ausgeführt, dass im Fall der Beschwerdeführerin ein Familienverfahren im Sinne des § 34 AsylG 2005 vorliege, danach die Verfahren unter einem zu führen seien, und die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht, sondern sich auf jene des Ehemannes bezogen hätte, sodass auch die Entscheidung betreffend die Beschwerdeführerin ebenso wie jene ihres Ehemannes zu beheben und zurückzuverweisen gewesen sei.

Mit angefochtenem Bescheid wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 04.05.2012 auf internationalen Schutz erneut gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen und ihr der Status des Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Beschwerdeführerin der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russland nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Es wurde ihr ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen sie eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Russland zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wurde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht habe, sondern sich auf jene ihres Ehemannes bezogen habe. Die gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführerin mit Arbeitserfahrung im Herkunftsstaat verfüge auch über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat und qualifizierte Bildung. Sie habe im Transitbereich eine akute Erkrankung vorgetäuscht, um ohne Visum nach Österreich einreisen zu können, spreche nicht Deutsch und sei hier nicht verfestigt oder verankert und gehe keiner Beschäftigung nach; sie habe weitschichtige familiäre Beziehungen in Österreich und sei unbescholten. Nach Feststellungen zum Herkunftsstaat wurde beweiswürdigend ausgeführt, dass das Vorbringen zu den Fluchtgründen ihres Ehemannes nicht glaubwürdig sei. Rechtlich wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführerin somit Asyl nicht gewährt werden könne. Ferner könne nicht angenommen werden, dass sie im Fall ihrer Rückkehr einer existentiellen Bedrohung ausgesetzt sei, sodass ihre Abschiebung eine Verletzung des Art. 3 EMRK bedeuten würde und auch keine individuellen Umstände vorlägen, welche dies nahelegen würden. Subsidiärer Schutz könne ihr daher nicht gewährt werden. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 lägen ebenfalls nicht vor. Zu ihren bereits jahrelang im Bundesgebiet lebenden Verwandten bestehe weder eine innige Beziehung noch ein Abhängigkeitsverhältnis. Im Übrigen wurde hinsichtlich ihres Familienlebens auf die Feststellungen verwiesen und ausgeführt, dass eine Rückkehrentscheidung keinen Eingriff in dieses darstelle. Auch hinsichtlich des Privatlebens wurde durch eine Rückkehrentscheidung kein ungerechtfertigter Eingriff als gegeben erachtet. Die gemeinsame Abschiebung aller Familienmitglieder wurde als zulässig betrachtet. Die aufschiebende Wirkung sei auf Grund der unglaubwürdigen Person, des unglaubwürdigen Sachverhaltes und auch mangels hypothetischer Asylrelevanz - somit wegen offensichtlicher Tatsachenwidrigkeit abzuerkennen gewesen. Infolgedessen bestehe gemäß § 18 BFA-VG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht.

Mit Verfahrensanordnung vom 09.10.2015 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 52 BFA-VG für das Beschwerdeverfahren beim Bundesverwaltungsgericht ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Mit der von der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann für sich und ihre nunmehr zwei minderjährigen Kinder rechtzeitig erhobenen Beschwerde wurde der Bescheid zur Gänze angefochten und näher ausgeführt, sowie ua. die Beigabe eines Verfahrenshelfers und die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung beantragt.

Hierauf wurde mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.11.2015, Zl. W189 1428322-3/2E, der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zuerkannt.

Am 30.08.2017 fand beim Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die russische Sprache eine mündliche Verhandlung statt, zu welcher die Beschwerdeführerin (BF2), ihr Ehemann (BF1) sowie deren minderjährige Kinder (BF3, BF4) erschienen sind, wobei ein Vertreter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl entschuldigter Weise nicht teilgenommen hat. Auf die Zuziehung eines Rechtsberaters wurde verzichtet. Diese Verhandlung nahm in den wesentlichen Teilen folgenden Verlauf:

"R: Wissen Sie etwas über die Verfolgungssituation Ihres Mannes?

BF2: Nein, er erzählt mir das nicht. Ich habe selbst keine Asylgründe. Ich bin nur hier wegen der Asylgründe meines Mannes. Ich möchte, dass das Asyl, das hoffentlich meinem Mann erteilt wird, auch mir gegeben wird.

R: Kommen wir zu Ihrer Situation in Österreich. Haben Sie schon einen Deutsch Kurs besucht?

BF2: Ich habe immer wieder mit einem Kurs begonnen, aber nicht abgeschlossen.

R: Wie ist Ihr Tagesablauf?

BF2: Ich betreue die Kinder. Ich bin den ganzen Tag zuhause, aber ich gehe mit meinen Kindern und meinem Mann auch spazieren. Arbeiten tue ich nichts, wegen der Kinder, sie sind ja noch klein. Ich war mit meinem Gatten auch in Slowenien, und hielt mich dort ca. 40 Tage lang auf.

R: Kommen wir zu den Kindern.

BF2: Ich mache keine eigenen Asylgründe für meine Kinder. Sie sind in Österreich geboren. Ich möchte, dass ihnen derselbe Schutz zu kommt wie mir und meinem Gatten. Zu meinem Sohn, BF4, möchte ich angeben, dass er "zurückgeblieben" ist. Er braucht eine Logopädische Behandlung und er braucht eine spezielle Physiotherapie, da er Entwicklungsmotorisch zurückgeblieben ist. Er spricht schlecht, er kann sehr wenige Wörter. Ich weiß eigentlich nicht warum das so ist, die Geburt ist normal verlaufen.

R: Wenn Ihr Sohn und die Familie nach Tschetschenien zurückkehren müsste, wie wäre dann die Situation?

BF2: Ich kann mir das nicht vorstellen, ich würde für meinen Sohn keine Hilfe erhalten. Mein Sohn würde dann als "Dorfdepp" angesehen werden. Meine anderen Kinder sind gesund."

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2017, Zl. W117 1428321-3, wurde dem Ehemann der Beschwerdeführerin mangels asylrelevanter Verfolgung und dem Vorliegen von Ausschlussgründen weder Asyl noch subsidiärer Schutz erteilt, jedoch seine Duldung gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 festgestellt.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.09.2017, Zl. W117 1428322-3/11E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes vom 09.10.2015, Zl. 820550810-146068, hinsichtlich Spruchpunkt I. gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen, die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. gemäß § 8 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und der Beschwerde gegen Spruchteil III. des Bescheides des Bundesasylamtes stattgegeben, die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 FPG iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt und der Beschwerdeführerin gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2 sowie § 55 Abs. 2 ASylG 2005 idgF der Aufenthaltstitel "Aufenthaltsberechtigung" für die Dauer von 12 Monaten erteilt (Spruchpunkt II.). Der Antrag auf Beigebung eines unentgeltlichen Verfahrenshelfers wurde gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG, § 40 VwGVG und § 52 BFA-VG zurückgewiesen (Spruchpunkt III.).

Begründend ging das Bundesverwaltungsgericht davon ua. aus, dass die Beschwerdeführerin eigene Fluchtgründe für sich und die Kinder nicht mehr geltend gemacht, sondern sich ausschließlich auf die Gründe ihres Ehemannes bezogen habe. Zudem habe sie am 26.06.2013 ausdrücklich ihre Absicht zur Rückkehr in den Herkunftsstaat mit ihrem minderjährigen Sohn erklärt, was doch das Fehlen von Fluchtgefahr indiziere. Auch aus den Länderfeststellungen, wonach im November 2013 in Russland neue Gesetze zur Bestrafung von Familien und Verwandten verabschiedet wurden, habe nichts gewonnen werden können, weil ihr Ehemann als bloßer Straftäter nicht unter diese Gruppe falle. Auch sei davon auszugehen, dass die gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführerin mit Hochschulausbildung und Berufserfahrung so wie bereits vor ihrer Ausreise einer Erwerbstätigkeit nachgehen und den Unterhalt für sich und ihre Kinder erwirtschaften können werde, wobei sie außerdem durch ihre familiären Anknüpfungspunkte und jener ihres Ehemannes für sich und die Kinder jedenfalls über eine Unterkunftsmöglichkeit im Herkunftsstaat verfüge, sodass nicht die reale Gefahr drohe, dass sie in eine existenzbedrohende Lage geraten würde. Der Status des Asylberechtigten wurde der Beschwerdeführerin demzufolge nicht zuerkannt und ferner davon ausgegangen, dass ihr auch subsidiärer Schutz nicht zuzusprechen gewesen sei. Die Beschwerdeführerin habe nicht glaubhaft machen können, dass sie sich gegen die gegenwärtigen Machthaber engagiert hätte bzw. ihr ein solches Engagement unterstellt werde oder sie im Verdacht stehe, einen fundamentalistischen Islam zu propagieren. Weder aus der allgemeinen Situation noch aus dem Vorbringen der Beschwerdeführerin zu ihrer wirtschaftlichen Situation ergäben sich ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass Situation im Sinne von § 8 AsylG 2005 mit hinreichender Wahrscheinlichkeit drohe. Auf Grund des Familienlebens der Beschwerdeführerin mit ihrem in Österreich geduldetem Ehemann wurde eine Rückkehrentscheidung auf Dauer als unzulässig erachtet und der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 erteilt.

Am 27.04.2018 langte beim Bundesamt die Benachrichtigung der Staatsanwaltschaft vom 20.082018 von der Einstellung des Verfahrens gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin ein, weil dieser seine sich selbst belastenden Angaben widerrufen habe. Der als Beilage übermittelten Beschuldigtenvernehmung bei der LPD XXXX vom 13.04.2018 ist zusammengefasst zu entnehmen, dass der Ehemann der Beschwerdeführerin im Alter von 4 Jahren nach XXXX übersiedelt sei. In XXXX habe er seine nunmehrige Ehefrau kennengelernt und sei mit ihr nach Österreich gekommen; sie hätten drei gemeinsame Kinder. Er lebe von der staatlichen Unterstützung seiner Ehefrau in Höhe von 1.500.- € inklusive Kinderbeihilfe. Er habe von 2010 bis 2012 als einfacher Fahrer bei der Polizeiwache in XXXX gearbeitet; er sei kein richtiger Polizeibeamter gewesen. Nach dem endgültigen Abbruch seines 2000 begonnenen und bereits einmal unterbrochenen Studiums im Jahre 2009 habe er wieder mit einem Italiener Handys verkauft und daneben im Wachdienst gearbeitet. Seine Probleme, welche zur Ausreise im Jahr 2012 nach Österreich geführt hätten, hätten im Jahr 2006 begonnen, und zwar mit Polizisten der Abteilung zur Bekämpfung des Terrorismus in XXXX , als das Haus seiner Verwandten in XXXX von ihnen gesprengt worden sei. Er habe im Asylverfahren schon ein bisschen übertrieben, es sei jedoch nicht alles gelogen, was er gesagt habe. Er habe sich in XXXX über diese Sprengung aufgeregt und sich über den Staat beschwert, worauf er von Polizisten abgeholt, massiv geschlagen und nach einigen Stunden wieder freigelassen worden sei. Eine Woche nach seiner Rückkehr nach XXXX sei ein Zivilauto in den Hof gekommen und er sei zur Polizeiabteilung XXXX , Abteilung für Inneres (ROVD) gebracht worden. Er sei zusammengeschlagen und gefragt worden, wieso er sich in Polizeiangelegenheiten einmische. Sie seien danach immer wieder zu ihm ins Geschäft gekommen und hätten aus ihrem Geschäft Waren mitgenommen, die ihnen gefallen hätten. Beim Versuch sich zu wehren, sei er gefragt worden, ob er denn etwa mit Drogen erwischt werden wolle. Bis zur Ausreise im Jahr 2012 seien sie alle zwei Wochen gekommen und hätten insbesondere neue Handymodelle mitgenommen. Von seinem Geschäftspartner wisse er nur, dass dieser XXXX heiße. Auf den Vorhalt, dass dies nach mehr als 10 Jahren Zusammenarbeit mehr als unglaubwürdig sei, blieb er ausdrücklich dabei. Die Firma sie auf dessen Freundin eingetragen gewesen. Eigentlich sei er gar nicht Geschäftspartner gewesen, sondern habe seine Handys auf Kommission dort gelassen und XXXX habe sie verkauft. Diese Handys habe er zuvor in XXXX gekauft. Die Polizisten hätten dem Beschwerdeführer auch jeweils das Geld, welches er bei sich gehabt habe, abgenommen. Meistens hätten sie ihn zu Hause aufgesucht, weil er dort die meisten Handys gehabt habe. Zu XXXX ins Geschäft seien sie eher selten gekommen und hätten auch keine Handys von ihm genommen. Es seien eigentlich immer dieselben 4 oder 5 Polizisten gewesen. Seinem Vater, der bei der Eisenbahnpolizei gewesen sei, habe der davon nichts erzählt. Es sei im Kaukasus ein offenes Geheimnis, dass jeder zweite Polizist korrupt sei. Es habe noch weitere Probleme gegeben. Insbesondere ab 2010 sei er von diesen vier oder fünf Polizisten zu verschiedenen Objekten gebracht worden, wo Zivilisten gewesen seien, welchen etwas untergeschoben wurde und der Beschwerdeführer habe unterschreiben müssen. Er wisse nichts Genaueres, er habe dort nur als Zeuge ein Protokoll unterschreiben müssen. Er habe nichts gelesen, teilweise habe er auch blanko unterschrieben. Zusammengefasst könne er angeben, dass alles, was er darüber hinaus bislang vor den österreichischen Behörden angegeben habe, nicht stimme. Dies sei alles übertrieben gewesen. Nur das was er nun angegeben habt, sei richtig. Die Angaben im Asylverfahren habe er gemacht, weil er nie wieder nach Hause fahren wolle; er würde dort getötet werden. Viele seiner damaligen Freunde seien inhaftiert oder getötet worden. Derartiges erfahre er laufend über soziale Medien. Er habe noch Kontakt in seine Heimat. Sein gleichnamiger Cousin, von dem er behauptet habe, dass er getötet worden sei, sei noch am Leben. Er habe das einfach so gesagt. Auch die Exekution eines Kindes habe er erfunden. Seine Frau sei im Herkunftsstaat nicht bedroht oder geschlagen worden. Ihm sei gedroht worden, dass sie umgebracht oder vergewaltigt werde, damit er weiterhin bezahle bzw. Handys hergebe. Er hätte sich nirgendwo anders in der russischen Föderation niederlassen können, er könne überall abgeholt und getötet werden. Er sei streng gläubiger Moslem und seine Frau trage ein Kopftuch. Der Islam schreibe die Bedeckung des Gesichtes nicht vor, dies würden nur Verrückte machen. Freitags besuche er hin und wieder die Moschee.

Infolgedessen wurde mit am 30.4.2018 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag die Wiederaufnahme der Verfahren gemäß § 32 VwGVG betreffend den Beschwerdeführer und seine Familienangehörigen, bezüglich des Beschwerdeführers wurde insbesondere die Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG beantragt. Dies da er anlässlich seiner Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft vorbrachte, dass er im Asylverfahren falsche Angaben gemacht habe, besonders was die Tötung seines gleichnamigen Cousins und eines Kindes betreffe. Jedoch entspreche es den Tatsachen, dass er durch die Polizisten regelmäßig zu Schutzgeldzahlungen erpresst worden sei bzw. er um Konsequenzen zu seiner Person zu entgehen als Zeuge falsche Aussagen unterfertigt habe, damit Dritten Straftaten unterstellt werden konnten. Da seitens der Staatsanwaltschaft das Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer mangels Grund zur weiteren Verfolgung mit 20.04.2018 eingestellt worden sei und kein Grund für weitere Ermittlungen habe erkannt werden können, sei der verbleibende Sacherhalt nicht asylrelevant. Auch Gründe für die Gewährung von subsidiärem Schutz lägen nicht vor, weil der Beschwerdeführer deswegen nicht landesweist gesucht würde bzw. er Notstand geltend machen könne, da er zur Begehung der Straftaten gezwungen gewesen sei, um Schutzgelderpressungen zu entgehen, also er eine Haftstrafe nicht zu befürchten hätte. Abgesehen davon, sei sein Vorbringen aber auch nicht glaubwürdig, weil dem Recherchebericht zu entnehmen sei, dass er kein Handygeschäft sondern bis 2009 einen Holzhandel besessen habe und trotz angeblich jahrelangem Geschäft nicht einmal den Namen seines Geschäftspartners nennen konnte. Dass die russischen Behörden bei jahrelanger Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers nach ihm gefragt hätten, stelle keine intensive Verfolgung dar. Da er an keinen schweren strafbaren Handlungen beteiligt gewesen sei, wäre eine weitere Erpressung des Beschwerdeführers oder dass ihm selbst etwas unterschoben werde bzw. ihm eine strafrechtliche Verfolgung durch die russischen Behörden drohe - unwahrscheinlich. Demnach laufe der Beschwerdeführer nicht Gefahr, dass er in einer Art. 3 EMRK widersprechenden Weise durch eine Haft behandelt würde. Weiters würden Schutzgelderpressungen keine schweren Straftaten darstellen, könnten kaum erwiesen werden und würden sich die Erpresser kaum mit Aktivitäten gegen den Beschwerdeführer belasten. Darüber hinaus stehe es dem Beschwerdeführer frei, sich angesichts seiner erzwungenen Mittäterschaft an die russischen Behörden zu wenden. Angesichts des widerrufenen bzw. unglaubwürdig gebliebenen Vorbringens des Beschwerdeführers sei davon auszugehen, dass dieser sich wieder zu seinen Angehörigen in Tschetschenien begeben könne. Im Fall befürchteter Schutzgelderpressungen stehe es dem arbeitsfähigen Beschwerdeführer frei, sich mit seiner Familie an jedem anderen beliebigen Ort in der Russischen Föderation niederzulassen. Besonders zu betonen sei, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2012 immer wieder Falschaussagen gemacht und sich dadurch mit seiner Familie auf Basis von massiven Täuschungen einen Aufenthalt(stitel) verschaffen konnte. Dies und die mangelnde Integration spreche gegen die Interessen des Beschwerdeführers am Verbleib im Bundesgebiet, wobei anzumerken sei, dass den Angehörigen lediglich zur Aufrechterhaltung des Familienlebens iSd Art. 8 EMRK ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 (AsylG 2005) erteilt worden sei. Zweifelsfrei komme dem Bundesamt als Partei des Verfahrens ein Antragsrecht nach § 32 VwGVG zu und lägen jedenfalls Gründe (falsches Zeugnis) vor. Der Antrag sei auch rechtzeitig, weil das Bundesamt am 27.04.2018 durch die Mitteilung der Staatsanwaltschat samt Beschuldigteneinvernahme, davon Kenntnis erlangt habe. Die Wiederaufnahme gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVG unterliege keiner zeitlichen Befristung. Es werde sohin die Wiederaufnahme der Verfahren aller Beteiligten und Abweisung der Beschwerden beantragt. Gleichzeitig werde eine Sachverhaltsdarstellung nach dem StGB zu allen Beteiligten, welche Falschaussagen getätigt hätten, begehrt.

Am 28.05.2018 wurde neuerlich eine öffentlich mündliche Verhandlung beim Bundesverwaltungsgericht durchgeführt, an welcher die Beschwerdeführerin (BF1) und ihr Ehemann (BF1) sowie ein Dolmetscher für die russische Sprache und ein Vertreter des Bundesamtes teilnahmen. Diese Verhandlung nahm entscheidungswesentlich folgenden Verlauf:

"[...]

Beginn der Befragung des BF2

Verlesen wird die Beschuldigtenvernehmung der LPD XXXX vom 13.04.2018. Da haben Sie - zunächst vereinfacht ausgedrückt - zugegeben, dass Sie in dem Verfahren vor dem BVwG in entscheidenden Teilen die Unwahrheit gesagt haben und dies deshalb, weil Sie sicherstellen wollten, dass Sie nicht mehr in die russische Föderation zurück müssen. Diese Einvernahme wurde dann der Verwaltungsbehörde übermittelt und stellte die Verwaltungsbehörde mit Schriftsatz vom 30.04.2018 in Ihrem Verfahren und jenem der Familienangehörigen einen Wiederaufnahmeantrag.

Dem BF2 wird angeboten, seine Angaben vor dem LPD XXXX nochmal übersetzt zu erhalten.

BF2: Nein, das ist nicht nötig.

RI: Unabhängig davon, ob ich dieser Version Glauben schenke, reicht die Version bei der Kriminalpolizei, wenn Sie die jetzt zum Gegenstand des aktuellen Beschwerdevorbringens machen, nicht mehr aus, um die Duldung aufrecht zu erhalten. Möchten Sie dazu etwas sagen?

BF2: Sehen Sie, ich bin jetzt schon mehr als 6 Jahre da. Vor 6 Jahren hat der sehr geehrte Referent des damaligen Bundesasylamtes anfangs der Einvernahme gesagt, dass meine Einvernahme vertraulich, privat ist und keine dritte Seite das Recht auf Einsichtnahme hat. Von der ersten Instanz wurde hier bei der Einvernahme diese Vertraulichkeit und sohin meine Sicherheit beeinträchtigt, die ich aufgrund der Konvention hier in Österreich habe und zwar dadurch, dass man dort - ich weiß nicht von wem - angerufen hat, sie haben meine Zimmervermieterin angerufen und ihr gesagt, dass ich ein Verbrechen verübt hätte und zwar zusammen mit einer Gruppe von Personen in der tschetschenischen Republik. Meine Einvernahme bei der Verwaltungsbehörde wurde offensichtlich weitergegeben und einen Teil meiner Angaben einer Person, die damit überhaupt nichts zu tun hat.

RI: Sie stellen hier in den Raum, ein strafrechtlich relevantes Verhalten des anwesenden Behördenorgans. Mit dieser Aussage behaupten Sie zumindest das Bestehen einer Verdachtslage amtsmissbräuchlichen Verhaltens/Verletzungen des Datenschutzes etc.

BF2: Ja, ich stelle es nicht nur in den Raum, sondern ich bestätige, dass es dieses Verhalten gegeben hat.

RI: Wodurch soll das Behördenorgan Ihre Angaben weitergeleitet haben. Haben Sie Beweise? Wie kommen Sie darauf, dass es das Behördenorgan ist, es könnte auch ja jemand anderer sein, zum Beispiel wurden Sie ja auch schon von der Polizei niederschriftlich befragt?

BF2: Ich kann nicht konkret sagen, dass es diese Behörde war. Sie haben sich vorgestellt als Polizei von XXXX , als sie meine Zimmervermieterin angerufen haben.

RI: Aber Sie selbst haben nicht mit ihnen gesprochen?

BF2: Meine Zimmervermieterin rief mich an und sagte mir, dass Polizisten aus XXXX angerufen haben und von diesem, angeblich von mir verübten, Verbrechen erzählt hätten.

RI: Somit ist aber das heute anwesende Behördenorgan nicht von Ihrer Anschuldigung betroffen.

BF2: Ich weiß es nicht, ich kann es nicht sagen.

Kommen wir ins Detail zu Ihren Angaben bei der Beschuldigtenvernehmung vom 13.04.2018. Da haben Sie angegeben, über Jahre hinweg, nämlich ungefähr 10 Jahre ein Handygeschäft betrieben zu haben und einen Geschäftspartner gehabt zu haben. Wieso kennen Sie den Namen des Geschäftspartners nicht und bezeichnen die Person nur als " XXXX "?

BF2: Ich erinnere mich nicht mehr genau an den Familiennamen, er hieß so ungefähr wie XXXX und/oder XXXX .

RI: Abgesehen davon, dass dies noch immer nicht sehr überzeugend wirkt, warum ist Ihnen diese Antwort nicht bei der Beschuldigteneinvernahme eingefallen?

BF2: Weil ich es nicht wusste. Sie haben gesagt, sie wollen konkret den Familiennamen wissen.

RI: Sie hätten dasselbe sagen können, wie mir.

BF2: Ich dachte, ich sollte nicht so viel reden, weil die Behörden mir ohnehin nicht glauben.

RI: Wenn Sie mir das so sagen, warum haben Sie dann überhaupt eine Aussage bei der Kriminalpolizei gemacht?

BF2: Ich habe drei Kinder, die krank sind und eine Operation brauchen. Die Staatsanwältin hat gesagt: "Ich lasse Sie jetzt festnehmen, Sie kommen ins Gefängnis." Sie sagte mir, "Ich werde einen Beschluss schreiben, eine Verfügung, dass ich Sie einsperren lasse."

RI: Und deswegen haben Sie die Aussage dann getätigt? Ist die jetzt richtig?

BF2: Ja, ich habe solche Aussagen gemacht, um wieder rauszukommen.

RI: Wir drehen uns da irgendwie jetzt langsam im Kreis. Bei mir machen Sie Aussagen, um auf jeden Fall hierbleiben zu können. Bei der Staatsanwaltschaft/Kriminalpolizei machen Sie Aussagen, um dort aus dem Schlamassel zu kommen. Das macht Sie in persönlicher Sicht sehr unglaubwürdig.

BF2: Ich bitte Sie, auch zu berücksichtigen, wie viele Jahre lang mich Polizisten geschlagen und gequält haben.

BF2: Ich mache meine Aussagen nicht, um hierbleiben zu können, sondern um darauf hinzuweisen, dass ich in der Heimat Probleme habe und mir Gefahr droht. Deshalb kann ich nicht zurückkehren.

RI: Aber nicht österreichische?

BF2: In meinem Inneren setze ich alle Polizisten gleich, ich verstehe in meinem Kopf, dass die österreichischen Polizisten anders sind, aber im Herzen sind sie alle gleich.

RI: Sie haben bei der Polizei angegeben, dass die Firma auf die Freundin des XXXX geschrieben war, die wiederum hieß " XXXX ". Hier gilt dasselbe wie bei XXXX , wir wissen nach langjährige Geschäftsbeziehung nur den Namen " XXXX ."

BF2: Ja, ich kenne den Familiennamen nicht. Ich kenne die XXXX , ich habe sie persönlich gesehen.

RI: Seit wann kennen Sie sie?

BF2: Seitdem ich XXXX kenne, seit 2006 oder 2007. Zusammen mit XXXX sah ich sie.

RI: Bemerkenswert an Ihren Angaben bei der Kriminalpolizei ist der Umstand, dass Sie eigentlich dort, in der russischen Föderation, einen Schwarzhandel betrieben haben. Sie gestehen eigentlich zu, dass Sie die Handys, die Sie weiterverkauft haben eigentlich am Schwarzmarkt eingekauft haben. Oder ist das falsch?

BF2: Das ist eine sehr komplizierte Situation. Man kann das nicht wirklich illegal nennen. Ich kaufte Telefone im Großhandel und verkaufte sie weiter in der Stadt XXXX . Manche Telefone wurden direkt verkauft an die Käufer, manche standen in einer großen Vitrine bei XXXX mit einem Warenscheck, den hat XXXX ausgestellt, das waren neue Telefone. Es war kein Schwarzhandel. Ich weiß nicht, warum die Polizei das so eingeschätzt hat.

RI: Was auffällt: Sie sprechen in der Einvernahme bei der Kriminalpolizei von einer jahrelang zurückliegenden Problem-/Gefährdungssituation. Warum sind Sie dann, wenn das zuträfe, nicht früher ausgereist? So wie Sie das schildern, wäre das ja unerträglich gewesen.

BF2: Vor meiner Flucht aus Russland lebte ich immer noch in der Hoffnung, dass sich das alles wieder auflösen wird. Ich konnte auch nirgendwohin flüchten. Ich hatte keine Ahnung, wohin ich flüchten solle. Deshalb beschloss ich im Jahr 2009, wenn ich mich nicht irre, aus Russland nach Frankreich zu flüchten.

RI: Wie haben Sie Ihre Flucht bewerkstelligt?

BF2: Ich habe einfach eine Mappe genommen, bin nach Moskau gefahren, von dort nach Brest gefahren, von dort nach Polen und von Polen nach Frankreich.

RI: Wann haben Sie das gemacht?

BF2. 2009, wenn ich mich nicht irre.

RI: Das weicht von Ihren früheren Angaben ab, Sie sind doch erst 2012 nach Österreich gekommen.

BF2: 2012 kam ich nach Österreich. In Polen war ich nur 2 Tage.2010 wurde ich von Frankreich nach Moskau abgeschoben und von Moskau kehrte ich nach Hause zurück nach XXXX , wo ich weiter wohnte und ich bekam dort eine Arbeit bei der Wache, der Polizeiwache.

RI: Wenn wir aber Ihr erstes Verfahren uns vergegenwärtigen, dann haben Sie auch schon früher bei der Polizeiwache gearbeitet?

BF2: Erst seit 2010 arbeitete ich bei der Polizeiwache.

RI: Bei der Kriminalpolizei haben Sie in diesem Zusammenhang folgendes angegeben: Im Jahr 2009 habe ich mein Studium endgültig abgebrochen, dann haben Sie mit Ihrem Freund ein Handygeschäft eröffnet, parallel dazu bei dem Wachdienst des FGUP gearbeitet. Dann haben Sie ja eigentlich schon 2009 dort gearbeitet.

BF2: Nein, ich habe sicher erst 2010 dort gearbeitet. Ich weiß nicht, warum das dort so steht.

RI: Warum haben Sie das Protokoll dann so unterschrieben?

BF2: Ich erinnere mich nicht mehr daran, dass das so im Protokoll steht.

RI: Wie muss ich mir so einen Tagesablauf in den zwei Jahren vorstellen?

BF2: Ich hatte einen relativ normalen Tagesablauf, was die Arbeit betrifft. Familie gab es keine.

RI: Seit wann sind Sie verheiratet?

BF2: 2011, glaube ich. Es könnte auch schon 2010 gewesen sein, ich weiß es nicht genau. Ich war damals mit einer anderen Frau verheiratet, aber in Scheidung.

RI: Und dann sind Sie zwei Jahre in Russland geblieben und dann kamen Sie hierher?

BF2: Nein. Zuerst beschloss ich, nach Ägypten zu fahren.

RI: Was hat Ihnen an Ägypten gefallen?

BF2: Ich wollte meinen ständigen Wohnsitz dort nehmen.

RI: Warum haben Sie das nicht?

BF2: Weil es dort überhaupt keine Legalisierung für den Aufenthalt gab.

RI: Und dann sind Sie weiter nach Österreich?

BF2: Dann bin ich wieder zu Hause zurück.

RI: Wie lange waren Sie in Ägypten?

BF2: 1 1/2 bis 2 Monate.

RI: Wann sind Sie wieder zurückgekehrt?

BF2: Danach kehrte ich wieder zurück nach Hause?

RI: Wann war das?

BF2: Das weiß ich nicht. Ich glaube es war 2011. Den Monat weiß ich aber nicht. Ich weiß auch nicht die Jahreszeit.

RI: Wie lange haben Sie sich ungefähr dann noch in Russland aufgehalten und was haben Sie gemacht?

BF2: Ich blieb bis März 2012. Ich erhielt mein Gehalt aufgrund meiner Anstellung als Wache und daneben den Erlös aus dem Handyverkauf. Ich ging zur Arbeit, kam von der Arbeit zurück. Am Abend war ich manchmal zu Besuch bei Freunden. So lebte ich. In den freien Tagen haben mich oft Polizisten festgenommen.

RI: Bei der Kriminalpolizei schildern Sie das so, dass sie diesen als gelegentlichen Selbstbedienungsladen verwendet?

BF2: Ja. Es lief so, dass sie reinkamen und sagten "ich brauche jetzt ein Geschenk, gib mir das Telefon usw."

RI: Wissen Sie, was jetzt seltsam ist? Sie sind selber bei einer polizeilichen Einheit und versehen Wachdienst FGUP und die anderen kommen an freien Tagen und nehmen Sie fest.

BF2: Sie nahmen mich ja nicht fest, sie nahmen mich mit und das auch nur von Zeit zu Zeit, nicht immer.

RI: Das ist absolut nicht überzeugend.

BF2: Ich weiß, dass Sie das nicht glauben können, aber dort ist es so. Wenn ich Ihnen das zeigen würde, würde alles, was Ihnen jetzt als irreal vorkommen würde, klar vorkommen.

BF2: Ich habe einen USB-Stick und da sieht man einen Anschlag von Polizisten auf einen Staatsanwalt; man siehts doch nicht, sondern da gibt es einen offiziellen Artikel mit Fotos einer elektronischen Zeitung von Memorial, das ist immerhin eine sehr bekannte Zeitung.

BF2 übergibt USB-Stick.

Ausgedruckt werden die, auf dem Stick befindlichen, Links, sonstige Dateien nicht vorhanden.

RI: Was haben diese Dokumente für einen Zusammenhang mit Ihrer Person?

BF2: Es handelt sich dabei um meinen engen Freund XXXX , der wurde verschleppt in XXXX und nach XXXX und man hat ihm Waffen dazugelegt, als man ihn fand. Ich hatte mit XXXX Kontakt über Whatsapp vor seiner Entführung.

RI: Kommen wir zu allgemeinen Situation in der russischen Föderation. Das BVwG greift hierbei auf die Länderinformation der Staatendokumentation sowie aktuelle Medienberichte zurück und hat sich die aktuelle Situation in Russland angesehen. Zusammengefasst kann man davon ausgehen, dass wenn nicht eine individuell, konkrete Verfolgungs- /Gefährdungslage festzustellen ist, keine Verfolgung bloß aufgrund der Herkunft, religiösen Ausrichtung, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder aus Gründen der Rasse zu befürchten ist. Die Wirtschaftslage ist okay, die Gesundheitsversorgung auch in Ordnung. Auch wenn zugestanden wird, dass es natürlich Korruption dort gibt, dass es natürlich vereinzelt auch Übergriffe gibt und, dass natürlich auch dort Menschenrechtsverletzungen stattfinden, aber nicht in einem Ausmaß, dass jeder, der Russland verlässt, einen Verfolgungs- oder Gefährdungsanspruch beantragen kann. Möchten Sie dazu etwas sagen?

BF2: Diese offiziellen Statistiken sind alle absolut unrichtig. Beginnen wir mit der Gesundheitsversorgung, die Medizinversorgung hat mit schrecklichen Bedingungen zu kämpfen. Sie brauchen nur auf Youtube Spitäler in Russland eingeben. Sie bekommen tausende widersprüchliche Berichte. Auf der einen Seite sehen Sie offizielle Artikel in den Massenmedien, auf der anderen Seite können Sie aber doch sehen, was wirklich los ist. Es reichen 10 Minuten, dann werden Sie wissen, dass man über diese offiziellen Berichte nur lachen kann. Es verlassen Millionen von Russen das Land. Ich bin mit Ihnen einverstanden, dass nicht jeder, der hierher kommt, das Recht auf Asyl haben soll. Die meisten Leute hier bekommen einen positiven Bescheid und bekommen Dokumente und fahren aber bei der ersten Gelegenheit wieder nach Russland zurück. Sehr geehrter Herr Richter, sehr geehrter Herr Amtsdirektor, Sie können ruhig sagen "dem glauben wir nicht", ich habe schon gearbeitet hier und "der kann wegen seiner guten Integration hierbleiben". Es gibt viele Leute, ich verstehe auch ihn, (BF2 zeigt auf den BehV) warum er mir einen negativen Bescheid gab.

RI: Kommen wir zu Ihrer Situation in Österreich: Sie haben vorher von sich als sehr integriert gesprochen.

BF2: Nicht nur integriert, ich möchte auch Arzt werden oder bei der Sanität arbeiten.

RI: Wie sieht es mit den Deutschkenntnissen aus?

BF2: Leider habe ich noch nicht den A2 Kurs aber im September möchte ich B1 machen. Im Sommer möchte ich die A2 Prüfung machen und im Herbst gleich die B1 anschließend.

RI: Warum haben Sie nicht schon eher die A2 Prüfung gemacht und B1 in Angriff genommen?

BF2: Wegen des Stresses habe ich noch keine A2 Prüfung gemacht, weil meine Situation hier so unbestimmt ist. Ich lebe hier in Angst vor dieser Ungewissheit.

RI: Haben Sie in der Zwischenzeit gearbeitet?

BF2: Nein, weil ich ja nicht das Recht habe mit der weißen Karte zu arbeiten.

RI: Sie hätten sich im Rahmen Ihres Asylstatus ehrenamtlich betätigen können oder die für Asylwerber möglichen Beschäftigungen verrichten können.

BF2: Das tat ich 2,5 Jahre, im November werden es 3 Jahre. Ich arbeite beim Roten Kreuz bei der Versorgung mit Nahrungsmittel. Ich mache das jeden Samstag. Manchmal braucht man mich zusätzlich, dann arbeite ich auch am Mittwoch. Ich hätte auch die Möglichkeit, auch heute schon dort offiziell zu arbeiten, aber auch mit dieser gelben Karte bekomme ich keine Arbeitsmöglichkeit.

RI: Von was leben Sie eigentlich?

BF2: Ich lebe vom Staat.

RI: Wie viel Geld erhalten Sie vom Staat im Monat?

BF2: Jetzt mit diesem Aufenthaltstitel, den die Frau bekommen hat, bekommen wir 1500 EUR pro Monat.

RI: Wer bezahlt Ihnen das?

BF2: Das geht alles über das Sozialamt, ein bisschen etwas von der GKK für die Kinder und vom Finanzamt.

RI: Wer von Ihren Familienangehörigen lebt heute noch in Russland?

BF2: Mein Vater, meine Mutter, mein Bruder, meine zwei Schwestern und meine Tochter aus erster Ehe.

RI: Wie viel Kontakt haben Sie noch zu ihnen?

BF2: Ich habe natürlich Kontakt mit meiner Mutter und meinen Schwestern, eigentlich mit der ganzen Familie. Mit der Tochter natürlich. 7 Jahre habe ich meine Tochter nicht gesehen.

RI: Wie häufig haben Sie Kontakt?

BF2: Einmal in der Woche haben wir über Whatsapp Kontakt. Manchmal mache ich auch ein Video und schicke meiner Mutter die Aufnahmen, damit sie sieht, wie meine Kinder hier in Österreich spielen.

RI: Von was lebt die Familie in Russland?

BF2: Vater und Mutter sind in Pension, die bekommen eine Rente, eine Schwester ist verheiratet, die zweite arbeitet als Buchhalterin. Meine Tochter geht noch in die Schule, sie ist 13 Jahre. Der Bruder sucht eine Arbeit. Sie wollen gar nicht weg, sie sagen immer "Zu Hause ist zu Hause." Das Einzige ist, dass meine Mutter ihre Enkelkinder sehen möchte und deshalb ein Visum beantragen möchte.

Zu ihrem Werdegang: Welche Ausbildung haben Sie?

BF2: Ich habe eine Hochschulausbildung und eine juristische Ausbildung gemacht, es hat mir nur ein halbes Jahr gefehlt. Es war immer mein Traum, das Gesetz zu schützen, Polizist zu werden, aber heute habe ich Angst von diesen Leuten.

[...]

Beginn der Befragung der BF1

[...]

RI: Sind Sie gesundheitlich einnahmefähig?

BF: Ja.

Der BF1 wird vorgehalten, dass Sie in ihrem ersten Verfahren keine eigenen Fluchtgründe angegeben habe und, dass sie mit ihrem Gatten und den Kindern mitgereist sei.

BF: Ja, aber ich korrigiere, dass ich nicht mit den Kindern hierhergekommen bin, sie sind hier geboren.

RI: Vorgehalten wird: Sie sind prinzipiell gesund, haben eine Hochschulbildung und haben im Herkunftsstaat auch noch Familie, sie beherrschen neben tschetschenisch auch Russisch und ein wenig Deutsch und Englisch.

BF1: Ich habe jetzt in diesem Monat begonnen, Deutsch zu lernen. Ich bin seit 6 Jahren in Österreich.

RI: Warum lernen Sie erst jetzt Deutsch?

BF: Ich habe auch schon vorher begonnen, aber durch die Sorge um die Kinder habe ich das Deutschstudium in den Hintergrund gestellt.

RI: Sie gehen in Österreich keiner Erwerbstätigkeit nach, Sie beziehen staatliche Leistungen und verbringen den Tag gemeinsam mit Ihrem Ehemann, Ihren drei minderjährigen Kindern. Spazieren.

BehV gibt dazu an, dass das Asylverfahren des dritten Kindes erst nach der letzten Entscheidung des BVwG erstinstanzlich rechtskräftig entschieden wurde, dabei wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen aber analog des Aufenthaltsrechtes der Mutter wurde dem dritten Kind dasselbe Aufenthaltsrecht gegeben. Eine Wiederaufnahme wird bei uns, also der Verwaltungsbehörde gerade durchgeführt. Es ist beabsichtigt, das Wiederaufnahmeverfahren nach der heutigen Verhandlung zu finalisieren.

BF1: Ja, das stimmt.

RI: Sie sind gesetzliche Vertreterin Ihrer Kinder, XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX .

RI: Sie haben in Bezug auf Ihren Sohn angeführt, dass der in Tschetschenien als "Dorfdepp" angesehen würde. Hat sich daran etwas geändert?

BF1: Es hat sich etwas geändert, nachdem wir die Aufenthaltsgenehmigung erhielten, hat er einen Logopäden im Kindergarten bekommen und es hat sich zum besseren gewandt. Man hat an ihm einen Hörtest gemacht und man muss jetzt eine Operation machen.

RI: Welche Operation?

BF1: Ein Geschwür muss entfernt werden. Alle drei Kinder haben ein schlechtes Gehör und man hat gesagt, das kann man erst im Alter von 3 Jahren machen. Macht man das nicht operativ, würde das Gehör schlechter werden.

Den nächsten Termin haben wir im September. Die Untersuchungen sind bereits gemacht, die Operation würde im September gemacht werden.

RI: Zur Tochter: Da haben Sie gesagt, sie wäre gesund.

BF1: Sie war gesund. Dann wurde auch an ihr so ein Hörtest gemacht und auch bei ihr wurde festgestellt, dass sie schlecht hört.

RI: Gehe ich richtig in der Annahme, dass Sie mit der Kultur aus ihrem Herkunftsland noch sehr verbunden sind. Diesen Eindruck erhält man durch Ihr Erscheinungsbild.

BF1: Ja, ich halte mich an meine Gebote meiner Religion.

RI: Was kann ich mir darunter vorstellen?

BF1: Ich halte die 5 Pfeiler meines Glaubens ein, das heißt ich bete auch 5 Mal am Tag. In die Moschee selbst gehe ich aber nicht regelmäßig, mein Gatte geht aber manchmal. Jetzt ist auch Ramadan, das halte ich prinzipiell ein, nur heute habe ich eine Ausnahme gemacht, weil es mir zu schwer wäre. Wir sind überhaupt eine sehr religiöse Familie, mein Mann hält das auch alles ein, auch den Ramadan natürlich.

RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern oder Tschetschenen?

BF1: Ich habe nicht nur zu Tschetschenen Kontakt. Ich habe auch eine Freundin, die Ukrainerin ist, auch eine Österreicherin. Ich habe überhaupt zu anderen Müttern Kontakt, aus dem Kindergarten, das sind auch andere Volkszugehörigkeiten. Zu Deutsch möchte ich noch sagen, dass ich heuer wirklich beginnen möchte, Deutsch zu lernen. Die Kinder waren im Winter oft krank, da ist es sich mit den Deutschkursen nicht ausgegangen.

RI: Wer von Ihren Familienangehörigen lebt noch in Tschetschenien?

BF1: In XXXX leben meine Schwiegereltern. Meine Eltern wohnen in XXXX .

RI: Haben Sie Kontakt zu denen?

BF1: Ja, es gibt Kontakt.

RI: Wie oft haben Sie Kontakt?

BF1: Wir haben über Whatsapp einmal in der Woche Kontakt, es ist aber verschieden.

RI: Und die Kinder?

BF1: Die verstehen das noch nicht. Ich versuche ihnen zu sagen "Das ist die Oma, das der Opa", aber sie verstehen das noch nicht.

RI: Ihr Gatte hat uns einen relativ normalen Tagesablauf in Bezug auf die russische Föderation geschildert. Wenn Sie nun mit Ihrem Gatten und Ihren Kindern rein theoretisch, zurück ins Heimatland gehen würden, ging es dann weiter mit dem Handy verkaufen?

BF: Ich weiß es nicht, ich habe mich um die Angelegenheiten meines Mannes nie gekümmert. Er hat mal bei der Polizei als Kraftfahrer gearbeitet.

RI: Waren Sie mit Ihrem Mann in Ägypten?

BF1: Ja, wir fuhren gemeinsam nach Ägypten, wir kamen danach direkt hierher.

RI: Der Gatte hat nicht genau gewusst, seit wann Sie verheiratet sind. Wissen Sie es?

BF1: Das war im Jahr 2010, im November 2010, es war die Heirat nach islamischer Tradition.

RI an BehV: Haben Sie Fragen?

BehV: Die Tochter XXXX , (Anm. des RI: Es handelt sich dabei um jene bei der Behörden anhängige), ist sie gesund?

BF1: XXXX hatte dieselbe Diagnose erhalten wie der Sohn, ich meine damit nur hinsichtlich des Gehörs, aber auch die Entwicklung ist jetzt nicht so optimal.

RI: Was fehlt ihr?

BF1: Sie spricht, so wie der Sohn, sehr wenig.

BehV: Könnten Sie zu XXXX Befunde vorlegen?

BF1: Zu XXXX nicht, aber bezüglich der anderen beiden. Die mittlere Tochter hat auch wegen des nicht so guten Gehörs einen Termin beim Arzt, außerdem schielt sie. Es ist schlimmer geworden mit der Zeit.

BehV: Geht XXXX in den Kindergarten?

BF1: Nein, das tut sie nicht, sie ist bei mir.

BehV: Gibt es zu XXXX irgendwelche eigenen Rückkehrbefürchtungen, oder sind das dieselben, wie Sie und der Gatte haben?

BF1: Es sind dieselben.

BehV gibt dem Gericht bekannt, dass er parallel zu dem, beim BVwG anhängigen Wiederaufnahmeverfahren, ein Wiederaufnahmeverfahren hinsichtlich der Tochter XXXX führen wird.

BehV: Möchten Sie dazu etwas sagen?

BF1: Nein.

BehV: Keine weiteren Fragen.

BehV legt aber selbst ein Länderdokumentationskonvolut vor, welches zum Akt genommen wird.

Nach diesen Unterlagen gibt es für die derzeitigen medizinischen Defizite der Kinder jeden falls entsprechende Behandlungsmöglichkeiten im Herkunftsstaat.

BehV verweist ausdrücklich auf die Homepage der Agentur für Arbeit und Ansiedelung im Oblast "Bundesland" XXXX , woraus hervorgeht, dass dort akuter Arbeitskräftemangel besteht und zuzugswillige an besonderen Vergünstigungen teilnehmen können, beispielsweise Sozialvergünstigungen, das ist eine Halbinsel im Umfeld von XXXX .

RI: Was sagen Sie dazu?

BF1: Die Situation ist in XXXX nicht anders, als im übrigen Russland.

RI: Wann glauben Sie, dass die Operation im September stattfinden würde? Haben Sie einen Termin?

BF1: Ja, am 21. September wäre der Operationstermin.

RI: Wie lange wird die Nachuntersuchung dauern?

BF: Das wird dann von den Ergebnissen abhängen.

RI: Festgehalten wird, dass die letzten Fragen im Zusammenhang mit der Gewährung einer freiwilligen Ausreise gestellt wurden."

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Zur Person der Beschwerdeführerin:

Die Beschwerdeführerin ist Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der Volksgruppe der Tschetschenen sunnitisch-muslimischen Glaubens. Sie ist verheiratet (Beschwerdeführer zu W117 1428321-4) und hat drei minderjährige Kinder, wobei für zwei ebenfalls Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht (Beschwerdeführer zu W117 1430975-3 und W117 2116669-1) vorliegen.

Ihre Eltern, ein Bruder und drei Schwestern sowie ihre Schwiegereltern, zwei Schwägerinnen und ein Schwager und weitere Verwandte leben nach wie vor in der Russischen Föderation.

Der Antrag des Ehemannes der Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom heutigen Tag, Zl. W117 1428321-4, -nach Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 32 Abs. 1 Z 1 VwGVGmangels Glaubwürdigkeit seines Vorbringens zu den Fluchtgründen hinsichtlich der Asylfrage und des subsidiären Schutzes abgewiesen, ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt und gegen den Ehemann der Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung in die Russische Föderation ausgesprochen.

Im Fall der Rückkehr droht der Beschwerdeführerin mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keine Verfolgung aus den in der GFK genannten Gründen und ist sie auch sonst keiner Gefährdung ausgesetzt.

Die gesunde und arbeitsfähige Beschwerdeführerin mit Hochschulausbildung (HTL, Wirtschaftsstudium) und Berufserfahrung im Herkunftsstaat verfügt dort auch über familiäre Anknüpfungspunkte (Eltern, Geschwister, Schwiegereltern, Schwager und Schwägerinnen). Sie beherrscht neben ihrer Muttersprache Tschetschenisch auch noch gut Russisch sowie schlecht Englisch und Deutsch. In Österreich geht sie bisher keiner Erwerbstätigkeit nach, sondern bezog bisher die staatliche Grundversorgung mit Taschengeld, Unterbringung, Verpflegung, Krankenversicherung sowie Bekleidungshilfe. Sie hat zwar schon Deutschkurse begonnen, aber nicht abgeschlossen und noch keine Deutschkenntnisse durch ein Zertifikat

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten